Daimler im Spannungsfeld zwischen Rekordgewinnen und ‚abgezetschter‘ Arbeiter mit Werkverträgen


Chapeau! Vor einem schwierigen weltwirtschaftlichen Umwelt hat Daimler mit einem operativen Ergebnis von knapp € 8 Mrd. die eigenen Gewinnerwartungen durch Sondereffekte von ca. € 2,2  Mrd. für den Verkauf der EADS-Anteile übertroffen.
Dadurch angespornt will Daimler-Chef Zetsche nun alle Energien freisetzen, um die Unternehmens-Rendite im neuen Geschäftsjahr weiter zu steigern.
Als „ein Zeichen unserer Anerkennung für das außerordentliche Engagement“ so Zetsche, sollen die Mitarbeiter neben einer Ergebnis-Beteiligung zudem einen Sonderbonus von 500 Euro erhalten.
Eine weniger glanzvolle Seite des schwäbischen Weltkonzerns und seiner Führung wurde nun von investigativen Journalisten aufgedeckt.
An den Fließbändern von Daimler arbeiten Menschen, die so wenig verdienen, dass sie nicht davon leben könnten und ihren bescheidenen Stundenlohn von € 8,19 mit Hartz-IV Leistungen aufstocken müssen.
Diesen unthaltbaren und höchst beschämenden Zustand wollen die Werkvertrags-Arbeiter nicht länger hinnehmen und ziehen vor Gericht … droht Daimler nun eine imageschädigende Klagewelle?

.

.
.

Die EU-Leiharbeitsrichtlinie
Die Schlechterstellung durch Tarifverträge ist jetzt in ganz Europa möglich!
Am 22. Oktober 2008 wurde mit der „Zeitarbeitsrichtlinie“ der erste Teil der neuen EU Arbeitsregelungen vom Europaparlament beschlossen. Die Richtlinie sei zum Schutz der ArbeiterInnen und ihrer Gesundheit gemacht.

LeiharbeiterInnen sollen vom ersten Tag an grundsätzlich die gleichen Rechte in den Betrieben bekommen wie die fest angestellten KollegInnen. Diese Gleichstellung kann verhindert werden, wenn willige Gewerkschaften mit den Bossen Verschlechterungen durch einen Tarifvertrag vereinbaren.
In Deutschland wird es daher keine großen Änderungen geben. Hier wurde bereits im Rahmen der Agenda 2010 der Grundsatz der gleichen Bezahlung und Behandlung (equal pay – equal treatment) von LeiharbeiterInnen beschlossen, durch die Christen „Gewerkschaften“ und die DGB-Tarifgemeinschaft, unter der Führung von ver.di, wurden den LeiharbeiterInnen diese Rechte per Tarifvertrag jedoch wieder genommen. Der Betrug um die gleichen Bedingungen für LeiharbeiterInnen findet in Deutschland durch einen Nebensatz im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) statt: „Ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.“

Damit kann die gleiche Bezahlung und Behandlung durch Verschlechterungstarifverträge außer Kraft gesetzt werden. Das Besondere ist dabei, dass üblicherweise die Leistungen aus Tarifverträgen nur den Mitgliedern der abschließenden Gewerkschaft zugute kommen; in diesem Fall können die Verschlechterungen aber allen Beschäftigten der Branche aufgezwungen werden.

In der EU-Leiharbeitsrichtlinie soll die weitere Schlechterstellung der LeiharbeiterInnen durch eine Formulierung im Artikel 5 (Abs. 3) sichergestellt werden, die mit der deutschen Regelung fast identisch ist. Für Staaten, in denen Tarifverträge unüblich sind, wird sicherheitshalber mit Artikel 5 (Abs. 4) die Möglichkeit geschaffen, LeiharbeiterInnen auch durch landesweite Vereinbarungen der „Sozialpartner“ um ihre Rechte zu betrügen. Das deutsche Modell, Rechte auf dem Papier zu gewähren, um sie dann durch Vereinbarungen mit gefälligen Gewerkschaften wieder außer Kraft setzen zu lassen, soll damit europäischer Standard werden.

Richtlinie 2008/104/

EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
vom 19. November 2008 über Leiharbeit

Quelle:  Amtsblatt der Europäischen Union

.
Die 10 größten Konzerne im Bereich Leiharbeit (Stand 2012)
Unternehmen Umsatz in Mio. € Interne Mitarbeiter Leiharbeiter/Innen
Randstad Deutschland 1.880 2.800 63.000
Adecco Deutschland 1.551 2.502 42.000
Persona Service 662 1.900 19.800
Manpower 586 1.170 20.000
Autovision 510 470 14.100
I.K. Hofmann 432 411 15.713
ZAG Personaldienste 280 600 12.000
Orizon 273 454 9.360
USG People Germany 240 570 7.800
Timepartner 202 368 6.200
Quelle: Lünendonk – Gesellschaft für Information und Kommunikation
.
.

follow-up, 06.08.2014

.

Dicke Backen beim SWR
Daimler gegen den SWR – das erstaunt. Normalerweise sind sie nett zueinander, aber die Undercover-Reportage „Hungerlöhne am Fließband“ hat den Autokonzern erregt. Das ist verständlich, aber warum zeigt sich die Anstalt plötzlich so kämpferisch?
[…]
Josef-Otto Freudenreich – Kontextwochenzeitung


One Comment on “Daimler im Spannungsfeld zwischen Rekordgewinnen und ‚abgezetschter‘ Arbeiter mit Werkverträgen”

  1. Cource sagt:

    So wie man nach der Wende die Regimeopfer der DDR entschädigte wird man u.U. auch irgendwann die Leiharbeiter in Deutschland entschädigen

    Like


Hinterlasse einen Kommentar