Überlegungen und Fundamental-Kritik zum Banken-Stresstest


Überlegungen und Fundamental-Kritik zum Banken-Stresstests
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Betrachten wir zunächst nochmal die Ausgangslage des Verfahrens:
Um die Risikotragfähigkeit der Institute zu ermitteln, wurde im ‚Baseline Szenario‘ abgeprüft. wie sich deren Bilanzen im Lichte der konjunkturellen EU-Prognosen aus 2013 entwickeln, wobei bereits seit Beginn der Prüfung erkennbar war, dass genau diese Einschätzungen aus der Feder von Berufs-Optimisten stammen.
Als ausreichende Vorsorge für dieses Basis-Szenario wurde eine Kernkapial-Quote von 8 Prozent gefordert.
Um die Auswirkungen eines sog. ‚harten Szenario‘ (mehrjähriger Konjunktureinbruch, steigende Zinsen, Bonitätsverschlechterung der Staaten) zu überstehen, lag die Kernkapital-Vorgabe bei 5,5 Prozent.
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Man mag nun trefflich darüber streiten ob solche Minimalvorgaben, angesichts der zwischenzeitlich auch ohne Zuhilfenahme makro-ökonomischer Entfernungsmessgeräte sichtbaren schwarzen Schwäne, tatsächlich ausreichend sein können.
Den EZB-Vize Victor Constâncio scheinen solche trüben Gedanken nicht weiter zu kümmern. Während der gemeinsamen PK von Bundesbank und BaFin gab er zum Besten:
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„The scenario of deflation is not there because indeed we don’t consider that deflation is going to happen. But let me highlight that nevertheless, whereas the baseline scenario which is in the stress test has inflation at 1.6 in 2016, in the adverse it comes down to 0.3. So this drop in inflation is indeed factored in, in the exercise and is a very significant drop. So it cannot be said that w did not consider the impact of a scenario of very low inflation. Indeed, we did it in comparison with the baseline.“
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Er räumt also ein, dass auf ein Deflations-Szenario verzichtet wurde, weil erwartet wird, dass es keine Deflation geben wird. Eine sich abschwächende Inflation habe man hingegen berücksichtigt.
Eigentlich sollte der Ökonom aus seinen Fehleinschätzungen als einstiger portugiesischer Notenbankpräsident gelernt haben und darauf verzichten, irgendwelche seltsamen Orakel zu befragen !
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Die für jedermann mit halbwegs ökonomischem Sachverstand erkennbaren Realitäten sprechen jedenfalls eine andere Sprache.
Zugegeben, man kann aufgrund höchst heterogener Volkswirtschaften in der EU nicht so ohne weiteres von einer Japanisierung ökonomischer EU-Rahmenbedingungen ausgehen, jedoch erscheint der Hinweis auf ein diesbezügliches Déja-vu angebracht.
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Erinnern wir uns:
die lange ökonomische Abwärtsspirale in Japan begann in den 1990er Jahren mit niedrigen Inflationsraten, langsamem Wachstum, Problemen im Banksektor und der Wahrnehmung demografischen Wandels.
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Jetzt mal Hand auf’s Herz, erleben wir in Europa nicht genau solche Entwicklungen ?
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Wer dies bejaht, dürfte allen Grund dazu haben, die Rahmenbedingungen dieser Stresstest-Charade äusserst kritisch zu hinterfragen.
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Mehr noch:
wie bereits in einem gesonderten Beitrag dargelegt, wurden hochkomplexe außerbilanzielle Risiken, Bilanz-Bewertungs-Standards und vieles mehr  keiner intensiven Prüfung unterzogen.
Da ist es auch kein wirklicher Trost, dass Constâncio der Meinung ist, das Bankensystem sei in der Lage, die Wirtschaft wieder mit ausreichend Kapital versorgen zu können.
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Zitat aus der PK:
 „Sofern es genug Nachfrage danach gibt, wird der wirtschaftliche Aufschwung nicht durch Restriktionen bei der Kreditvergabe behindert werden“.
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Den Einwand, dass es bislang speziell in Südeuropa für viele Unternehmen schwierig war, an Kredite zu kommen,versucht er mit dem Hinweis auf die Nervosität der Banken vor dem Stresstest zu beschwichtigen und ist davon überzeugt, dass sich diese nun gelegt habe.
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Dabei verabsäumt er, seine Eingangsbemerkung „sofern es genug Nachfrage danach gibt“ zu unterfüttern, was zu der Frage führt, wodurch eine solche Nachfrage gespeist werden soll !
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Zunehmende Arbeitslosigkeit im Süden Europas, wirtschaftliche Verwerfungen in Frankreich, rund 12 Mio auf Transferleistungen angewiesene Menschen in Deutschland, bedrohlicher Anstieg von zu versorgenden Flüchtlingen, eine Vielzahl kriegerischer Szenarien all over the place, sinnlose Wirtschaftssanktionen mit erheblichen Folgen für Export und Beschäftigte sind nur einige Beispiele, die aufzeigen, wohin die Reise gehen mag.
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Investitionen, die Herr Juncker nun mit allem Nachdruck fordert und dafür lauthals einen € 300 Mrd. Motivations-Topf fordert, erscheinen angesichts von geschätzten 100 Mio Menschen in Europa, die buchstäblich nichts zu einem Konsum- und Konjunkturanschub beitragen können, bestenfalls Futter für Free-Rider-Profiteure zu sein. Nachhaltigkeit sieht für manchen Betrachter völlig anders aus.
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Im Lichte dieser Zusammenhänge und Wechselwirkungen erscheinen die Wahrnehmungsebenen zwischen EZB und EU wenig kompatibel zu sein, zumindest wenn man sich in diesem Kontext das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung ansieht, mit welchem die bestehenden ESM-Verträge dahingehend geändert werden sollen, dass künftig auch Rekapitalisierungsmaßnahmen für Banken durch den ESM vorgenommen werden können.
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An der Stelle mag darüber spekuliert werden, ob man in Berlin und Brüssel einige Elemente der hier vorgetragenen Fundamentalkritik erkannt haben könnte und mit den vorgesehenen Gesetzesänderungen solchen Befürchtungen ganz im Sinne von Kurt Schumachers Erkenntnis
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„Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit“
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quasi pro-aktiv begegnen möchte.
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Ihr Oeconomicus

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3 Kommentare on “Überlegungen und Fundamental-Kritik zum Banken-Stresstest”

  1. […] breit. Hierzu habe ich zwei Fundamentalkritiken für Sie im Internet herausgekramt; zum einen diese hier beim “Oeconomicus“, und zum anderen diese hier auf dem […]

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  2. almabu sagt:

    Spanische Banken feiern sich als die Besten Europas und fallen an der Börse durch!

    Der IBEX fiel heute um 1,5%. Die Kurse der Banken fielen stärker: Caixabank -3%, Bankia -2,3%, Sabadell -2,3%, Bankinter -1,2%, Popular -0,5%.

    Die Kurse der Stresstest-Europameister fielen auch: BBVA -1,5% und Santander -2,0%.

    Es scheint, als trauten die Spanier den Zahlen ihrer Banken nicht so ganz über den Weg?

    Oder sind das Ausläufer der italienischen Börse, wo die Mailänder Börse zeitweilig Bankenkurse aussetzte, nachdem Monte dei Paschi und Carige über -15% verloren?

    Der Markt habe keine Erklärung für diese Kurse, so hieß es.

    Ich bin der Letzte, der dies versuchen wollte, aber womöglich war der Stresstest ein Beruhigungsmittel, zu leicht, zu Bankenfreundlich, letztlich Marketing und kein realer Stresstest? Keine Ahnung?

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