Erläuterungen zu dem geflügelten Ausspruch “Die Pferde wollen nicht saufen”
Veröffentlicht: 4. Mai 2013 | Autor: Oeconomicus | Abgelegt unter: €URO, Buch-Tipps & Literatur-Empfehlungen, EZB, John Maynard Keynes, Leserfragen und Erläuterungen, Prof. Dr. Karl Schiller (13. Mai 1971-7. Juli 1972) | Tags: EZB, Geldmengenpolitik, John Maynard Keynes, Prof. Karl Schiller, The Means to Prosperity |
Karl Schiller’s Wortschöpfung
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Zu meiner Veröffentlichung „Negativ-Zins-Option unseres Goldmännchens ..“ erreichte mich hinsichtlich der Bemerkung “Die Pferde wollen nicht saufen!” die Bitte die Hintergründe etwas zu präzisieren. Nachfolgend ein Versuch, diesem Wunsch nachzukommen:
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Unter Anlehnung an John Maynard Keynes geprägten Formulierung im Zusammenhang mit der Schaffung zusätzlicher internationaler Liquidität [vgl. Monographie „The Means to Prosperity“ (1933) – S. 357 in Vol. IX der Collected Writings]
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“We cannot, by international action, make the horses drink. That is their domestic affair. But we can provide them with water”
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hat Prof. Karl Schiller (Wirtschaftsminister im Kabinett Kiesinger) den der geflügelten Ausspruch “Die Pferde wollen nicht saufen” geprägt und beschreibt schlichtweg, dass es sinnlos ist, einer gefüllten Tränke weiteres Wasser zuzuführen.
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O-Zitat:
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„Man kann die Pferde zwar zur Tränke führen. Man kann sie aber nicht zwingen, das Wasser zu saufen.“
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Auf die Zins- und Geldmengenpolitik der EZB bezogen, müssen wir realisieren, dass es den Banken keineswegs an Liquidität fehlt.
Wie wir an weiterhin steigenden Börsen sehen, wird diese aber vorzugsweise eingesetzt, um die bereits sichtbare Vermögensinflation weiter zu befeuern.
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Dass die Kreditnachfrage der Unternehmen (um im Bild zu bleiben, die Pferde) nicht wirklich ausgeprägt ist, kann angesichts verstärkter Rezessionsentwicklungen speziell in Europa (aber auch im global Kontext) niemandem verübelt werden.
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Bei der Analyse von Entscheidungen der EURO-Glycerin-Akrobaten verdichtet sich zunehmend der Eindruck, dass es für Draghi und alle Berufsoptimisten zielführend sein könnte, in „gesunden Menschenverstand“ zu investieren!
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Wer die weltweit erkennbaren ökonomischen Bedingungen genauer untersucht, wird hinsichtlich der Voraussetzungen massiver Deflations-Tendenzen (jenseits von Asset-Inflationierungen) schnell fündig:
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In den weltweit größten Absatzmärkten USA (Anteil des Binnenkonsums etwa 70% des BIP) und Europa machen wir derzeit etwa 200 Mio Menschen aus (Tendenz steigend), die entweder unterhalb der Armutsgrenze leben, prekären Arbeitsverhältnissen nachgehen und/oder von Transferleistungen (Hartz-IV, food-stamps) und aus sonstigen sozialen Alimentationen ihr Leben fristen.
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Kurzum, alles Menschen, die konjunkturförderlichen Konsum schlichtweg nicht befeuern können!
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Lassen wir uns auf ein Gedankenexperiment ein und bedenken diese Gruppe mit mtl. 500 Währungseinheiten (WE), die sie aus ordentlichen, menschenwürdigen und dauerhaften Arbeitsverhältnissen zusätzlich zu den aktuell spärlichen Einkünften erzielen.
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Wir stellen fest, dass bei diesem Ansatz jährlich 1,2 Billionen WE für konsumptive Ausgaben bereitstünden.
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Da dies leider nicht so ist und die Anzahl der Bedürftigen täglich zunimmt (s. Euro-Südländer – 12 Mio von Transferleistungen abhängige Deutsche – 67 Mio US food-stamp Bezieher) und dieser Prozess von den durch Finanz-Alchemisten erkorenen Königsweg ‚Sparpakete‘ (also Kürzungspakete) befeuert wird, erleben wir im Bereich langlebiger Wirtschaftsgüter einen nicht mehr wegzudiskutierenden Trend von Sonderangeboten, Rabatt-Exzessen und Finanzierungsmodellen aller Art.
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Als logischer nächster Schritt dürfte die Reduzierung von Produktionskapazitäten folgen (in einigen Branchen bereits sichtbar … selbst der Popstar der deutschen Automobil-Industrie, Volkswagen hat sich ansatzweise dazu entschlossen), einhergehend mit der Freisetzung von Arbeitnehmern (bei uns in Deutschland wird nach bekanntem Muster zunächst die für im BDI organisierten Unternehmen, et.al. segensreiche Einrichtung ‚Kurzarbeiterprogramm‘ eingesetzt, dessen Finanzierung erhebliche Haushaltslöcher entstehen lässt!).
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Umsätze und Erträge der Produzenten und ihrer Zulieferer werden sich bei diesem Szenario rückläufig entwickeln, bei weiterhin eingeschränkten Investitionen und letztlich auch sinkenden Steuereinnahmen. Weitere Kürzungsprogramme (s. aktuell Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, etc.) sind quasi notgedrungen die Folge dieser tödlichen Spirale.
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Wer an der Stelle die inhaltsfreien unserer so geistreichen Politiker nach Konjunkturprogrammen und Wachstumsimpulsen in die Welt trompetet, sollte bitte dezidiert erklären, wie solches Wachstum tatsächlich generiert werden kann.
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Nach diesen Einlassungen erfolgt die ganz konkrete Frage an alle Wirtschaftsteilnehmer (Unternehmen und Private):
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Würden Sie sich aktuell für Investitionen mit unabsehbaren Entwicklungen verschulden?
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Ihr Oeconomicus
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Querverweise
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Liquiditätsfalle
Als Liquiditätsfalle bezeichnet man die Situation einer Volkswirtschaft, in der die offiziellen Zinssätze so weit gegen null gefallen sind, dass die herkömmliche Geldpolitik versagt.
Das Phänomen, dass Geld bei sinkenden Zinssätzen nicht mehr für Investitionen angeboten wird und somit dem Wirtschaftskreislauf tendenziell entzogen wird, wurde von dem Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes beschrieben.
[…]
Quelle
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