Betriebsschließungsversicherung muss nicht in allen Fällen zahlen!
Veröffentlicht: 23. Januar 2021 Abgelegt unter: Betriebsschließungsversicherung muss nicht in allen Fällen zahlen!, Entscheidungen deutscher Gerichte Hinterlasse einen KommentarBetriebsschließungsversicherung muss nicht in allen Fällen zahlen!
Das Landgericht (LG) Köln hat sich in einer Vielzahl von Fällen mit der Frage befasst, ob eine Betriebsschließungsversicherung den Betreibern von Lokalen und Gaststätten eine Entschädigung zahlen muss, wenn die Betriebe wegen Corona geschlossen bleiben müssen (LG Köln, Urt. v. 26.11.2020, 02.12.2020 und 09.12.2020 – 24 O 252/20; 24 O 262/20; 24 O 268/20; 24 O 263/20; 20 O 139/20; 20 O 206/20; 20 O 194/20).
In der Pressemitteilung des Gerichts v. 16.12.2020 heißt es:
„Die Betreiber verschiedener Lokale und Gaststätten machen gegen die beklagten Versicherer Leistungen aus ihrer Betriebsschließungsversicherung geltend, weil sie ihre Lokale vom 16.03.2020 bis zum 19.04.2020 während des ersten Corona bedingten Lockdowns schließen mussten. Sie fordern Entschädigungsleistungen zwischen 8.250,00 € und 162.000,00 €. Beim Landgericht Köln sind zwei Zivilkammern für die Klagen der Gastronomie gegen Versicherungen aus Betriebsschließungsversicherungen zuständig. Die beiden Kammern haben bereits erste Entscheidungen erlassen. Die Richter haben die Klagen überwiegend abgewiesen. In einem Rechtsstreit wurde festgestellt, dass die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Zur Höhe wird dieser Rechtsstreit später fortgesetzt. Die klagenden Gastwirte verlangen eine Entschädigung für die Schließungstage. Die Kläger sind der Auffassung, die Versicherungsbedingungen würden auf die jeweils aktuelle Version des Infektionsschutzgesetzes Bezug nehmen, so dass das neuartige Virus eingeschlossen sei. Die Versicherungen sind der Meinung, dass sie keine Entschädigung zahlen müssen. Das neuartige Coronavirus sei nicht in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufgeführt. Die behördlichen Anordnungen der Städte und Gemeinden für die Schließung der Lokale seien unwirksam gewesen. Schließlich hätte durch die Möglichkeit, die viele Lokale angeboten haben, dass Gäste Essen abholen können, keine vollständige Betriebsschließung vorgelegen.
Die Richter des Landgerichts haben in allen Verfahren die einzelnen Klauseln der jeweils zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsverträge genau geprüft und bei den klagabweisenden Urteilen ausgeführt, dass Deckungsschutz nur für die im Einzelnen aufgelisteten Krankheiten und Krankheitserreger bestehe. Der Erreger Covid 19/SARS-Cov-2 sei bei Abschluss dieser Verträge nicht bekannt und daher auch in den Bedingungen nicht enthalten gewesen. Die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen hielten jeweils einer Inhaltskontrolle stand. Sie seien auch ausreichend klar und deutlich formuliert. Für die Versicherungsnehmer sei erkennbar, dass es sich um eine abschließende Aufzählung von versicherten Krankheiten handele. Auch entstehe dadurch keine unangemessene Benachteiligung. Anders als in den klageabweisenden Entscheidungen hat das Gericht in einem Fall dem Gastwirt Schadensersatz dem Grunde nach zugesprochen. Die Richter waren der Auffassung, dass in diesem Fall eine vertraglich versicherte Betriebsschließung vorgelegen habe. Der Gastwirt habe einen Anspruch auf Versicherungsleistungen, weil die von der Versicherung verwendeten Versicherungsbedingungen zumindest mehrdeutig seien und dies zu deren Lasten gehe. Zwar sei der Wortlaut der in einer Klausel namentlich genannten Krankheiten und Erreger abschließend und dies sei auch eindeutig erkennbar. Allerdings ist an anderer Stelle geregelt, dass der Versicherer für den Fall leistet, „dass von der zuständigen Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung von Infektionskrankheiten beim Menschen“ der Gastbetrieb geschlossen wird. Daher entstehe beim Versicherungsnehmer in diesem Fall der Eindruck, dass sämtliche Betriebsschließungen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes umfasst seien. Es seien daher beide Auslegungen des Vertrages denkbar. Diese Zweifel an der Auslegung führten dazu, dass der Versicherungsvertrag auch die Betriebsschließung zur Verhütung der Ausbreitung des Corona Virus umfasst. Unerheblich sei dabei, ob die Schließungsanordnung öffentlich-rechtlich rechtmäßig sei, da in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen danach nicht unterschieden werde. Zur genauen Höhe wird dieser Rechtsstreit fortgesetzt, da Kriterien zur Bemessung des Schadensersatzes noch unklar seien.“
Siehe auch LG Bochum, Urt. v. 15.07.2020 – 4 O 215/20:
„Der Verfügungsklägerin [= Versicherungsnehmerin] steht kein Verfügungsanspruch zu. Sie hat keinen Anspruch gegen die Verfügungsbeklagte [= Versicherer] auf bedingungsgemäße Versicherungsleistungen aus der Betriebsschließungsversicherung.
Es gibt keine allgemeingültige rechtliche Bewertung von Ansprüchen aus Betriebsschließungsversicherungen im Hinblick auf die Corona-Problematik. Vielmehr ist eine differenzierte Betrachtung der Versicherungsverträge, insbesondere der jeweils verwendeten Vertragsbedingungen im konkreten Einzelfall notwendig.
Nach den im Streitfall wirksam einbezogenen Versicherungsbedingungen ABF FirmenPlus, Stand 5.2018, fehlt es schon deshalb an einem Versicherungsfall, weil das Corona-Virus nicht zu dem mit dem Versicherungsvertrag abgedeckten Katalog meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger gehört.
Maßgeblich ist die Bedingung in Ziff. 8.2.2 ABF, die eine enumerative Auflistung der einzelnen Krankheiten (8.2.2.1) und Krankheitserreger (8.2.2.2) beinhaltet, auf die sich der Versicherungsschutz beziehen soll. Der Einleitungssatz in Ziff. 8.2.2 enthält mit dem Wort „nur“ eine ausdrückliche Erklärung, wonach eben nur die im Folgenden aufgeführten meldepflichtige Krankheiten oder meldepflichtigen Krankheitserreger solche im Sinne dieses Vertrages sind. Das zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bekannte Corona-Virus ist in dieser enumerativen Auflistung nicht enthalten.
Entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin kommt eine Auslegung dieser Klausel dahingehend, dass auch künftige, erst später in das Infektionsschutzgesetz aufgenommene Krankheiten oder Krankheitserreger dem Versicherungsschutz unterfallen, nicht in Betracht.
Maßstab für die Auslegung ist, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse die jeweilige Klausel bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Zusammenhangs verstehen muss, ein individuelles Sonderwissen eines Versicherungsnehmers ist zu berücksichtigen, die Entstehungsgeschichte der Bedingung hingegen nicht (vgl. BGH, VersR 2004, 1039; BGH, VersR 2002, 1503). Verbleibende Zweifel gehen nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.
Legt man diesen Maßstab an, kann angesichts des klaren Wortlauts und des eindeutigen Sinnzusammenhangs der Klauseln zu Ziff. 8.2. ff. ABF ein Verständnis dahin, dass auch weitere, etwa erst zum Zeitpunkt der Betriebsschließung bekannte und in das Infektionsschutzgesetz aufgenommene Krankheiten oder Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst seien, obwohl sie in der Auflistung nicht genannt sind, nicht angenommen werden. Anders als in dem vom Landgericht Mannheim entschiedenen Fall (LG Mannheim, Urteil vom 29.04.2020, Az. 11 O 66/20, Beck RS 2020, 7522 = COVuR 2020,195 = r+s 2020, 338) stellt sich bei der hier einschlägigen Klausel schon gar nicht die Auslegungsfrage, ob eine statische oder dynamische Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz gegeben ist. Denn die Klauseln zu Ziff. 8.2 ff. ABF beinhalten überhaupt keine Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz, sondern listen eigenständig die vom Versicherungsschutz umfassten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger auf. Aufgrund des unmissverständlichen Wortlauts der abschließenden Auflistung, welcher einleitend noch durch die Bezeichnung „nur“ verstärkt wird, verbietet sich eine Auslegung dahin, dass die Aufzählung etwa lediglich beispielhaft gemeint sein könnte.
Die Klausel ist auch interessengerecht. Die klare enumerative Auflistung ermöglicht es dem Versicherungsnehmer wie auch dem Versicherer gleichermaßen, den Umfang des Versicherungsschutzes klar nachzuvollziehen und möglichen Streitigkeiten hierüber von vornherein aus dem Weg zu gehen. Nicht zuletzt ist auch der Risikoeinschätzung des Versicherers, insbesondere in Bezug auf die Prämienhöhe bei der eher als Nischenprodukt zu bezeichnenden Betriebsschließungsversicherung im Hinblick auf den Schutz der Versichertengemeinschaft Rechnung zu tragen, was für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer durchaus erkennbar ist.
Bedenken im Hinblick auf die Wirksamkeit der Klausel im Rahmen einer AGB-Kontrolle sind nicht ersichtlich. Derartiges ist von der Verfügungsklägerin auch nicht gerügt worden.“