Nächster Akt der €/EU-Kernschmelze oder Weiterwursteln nach der ‚Methode Monnet‘


zur Einstimmung:
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„Europas Länder sollten in einen Superstaat überführt werden,
ohne dass die Bevölkerung versteht, was geschieht.

Dies muss schrittweise geschehen, jeweils unter einem wirtschaftlichen Vorwand.
Letztendlich führt es aber zu einer unauflösbaren Föderation.“
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[Jean Monnet (1888-1979), Cognac-Händler, der nie ein gewähltes Mandat innehatte
und als Gründer des „Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa“ gilt
Quelle: FOCUS Magazin, Ausgabe Nr.34, 2010]
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Nächster Akt der €/EU-Kernschmelze oder Weiterwursteln nach der ‚Methode Monnet‘ ?
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Während er letzten 7 Jahrzehnte durften wir relativ unbeschwert die vielschichtigen Freuden unseres Lebens genießen. Diesen Zustand zu erhalten, bedarf angesichts schon fast unübersichtlicher weltweiter Verwerfungen erheblicher Anstrengungen nahezu aller Gesellschaftsschichten.
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Die Erkenntnis, dass dies auch für die Kaste der Euroholiker gilt, mag man in dieses Tagen schon fast mit Händen greifen. Wir erleben einen zunehmend aufgeregten Hühnerhaufen deren Vorturner sich primär dem eigenen Machterhalt und dessen -Zuwachs verpflichtet fühlen und seit Jahren erfolglos versuchen, jene Probleme der EU zu lösen, die es ohne dieses demokratieferne Konstrukt gar nicht gäbe.
Mehr noch:
man lustwandelt von Krisengipfel zu Krisengipfel, erstellt in übernächtigtem Zustand nichtssagende Abschluss-Kommuniqués, deren vermeintliche Praxistauglichkeit kaum einem Realitäts-Check standhält, wofür dann gerne ein geeigneter Boogeyman gesucht wird.
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Bekanntermaßen wird heute Abend ein weiteres Krisen-Summit zelebriert, bei welchem zwar Befindlichkeiten und Perspektiven der hellenischen Volkswirtschaft auf der Tagesordnung stehen, implizit jedoch auch über die Zukunftsfähigkeit der Eurozone und damit über die Werthaltigkeit unserer individuellen Lebensleistungen und die Zukunft unserer Kinder und Enkel verhandelt wird.
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Derzeit erscheint es höchst ungewiß, ob man
  1. auf Biegen und Brechen Griechenland in der Eurozone halten will, ja geradezu muß
  2. für ein hellenisches Ausscheiden aus der Eurozone votiert
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Im chinesischen Sprachgebrauch hat das Wort ‚Krise‘ zwei Bedeutungen: Gefahr und Gelegenheit!
Nach diesen Kriterien sollen die denkbaren Entscheidungsoptionen des EU-Summits untersucht werden.
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Option 1 – Verbleib in der Euro-Zone
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Nach Lage der Dinge scheint dies das von Merkel, Juncker, Schulz usw. favorisierte Szenario zu sein zu dessen Umsetzung von der griechischen Regierung jedoch signifikante Reformen, wie Rentenanspassungen, Mehrwertsteuererhöhungen, deutliche Fortschritte bei der Privatisierung hellenischen Tafelsilbers. uvm. gefordert werden.
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Solche Voraussetzungen können Tsipras und Varoufakis nicht wirklich versprechen, ohne zu Hause in Teufels Küche zu geraten.
Dies dürfte auch den EU-Verhandlungsführern hinreichend bekannt sein.
Sollte man einen Konsens herbeiführen wollen, wäre diese harte Linie aufzuweichen, was erheblichen Widerspruch der Eurostaaten mit Sozialstandards, die unterhalb hellenischer Bedingungen angesiedelt sind, auslösen.
Frankreich, Irland Italien, Spanien und Portugal deren Volkswirtschaften entgegen aller vorgebeteten Politmärchen keineswegs auf Rosen gebettet sind, würden sich ebenfalls gegen softere Konditionalitäten stellen.
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Um bereits pro-aktiv die Gemüter zu beruhigen, hat man vielleicht deshalb ausgerechnet heute einen von Jean-Claude Juncker, Donald Tusk, Jeroen Dijsselbloem, Mario Draghi, und Martin Schulz unterzeichneten Reform-Vorschlag lanciert, mit dessen Hilfe die Entscheidungsstrukturen im Euroraum erheblich zentralisiert werden sollen, was der Institutionalisierung einer Schulden- und Haftungsunion gleichkommt.
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Bei Licht betrachtet, bedeutet dies nichts anderes, als die Blaupause der Methode Monnet weiter umzusetzen. Schließlich darf man, um Winston Churchill zu zitieren, eine gute Krise nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Selbstverständlich ist es dabei unerheblich, ob mit solchen Maßnahmen nationale Parlamente entmachtet oder sukzessive weitere Souveränitätsrechte an den dreifaltigen Brüsseler Moloch abgetreten werden, Vorgänge die als stiller Putsch wahrgenommen werden könnten. Kurzum findet damit die Institutionalisierung der Haftungsunion, aufgehübscht mit dem Wörtchen Solidarität, statt.
In diesem Fall bliebe lediglich ein Fünckchen Hoffnung in die Handlungsoptionen des BVerfG übrig.
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Bleibt man hingegen in der Sache hart, ließe sich das ‚rotten ruling‘ der EU ganz elegant via EZB-Schraubzwingen ermöglichen, d.h. die EZB-Gouverneure könnten die finanzielle Blutzufuhr mittels ELA-Krediten (bereits ein Präjudiz der Haftungsunion) stoppen, um so ein Umdenken der griechischen Seite zu erzwingen, eine Entscheidung also mit hohem Erpressungspotential.
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Im Ergebnis dürfte der Verbleib im Euro trotz zahlreicher wohlfeiler Versprechungen großen Teilen der griechischen Bevölkerung keinerlei positiven Perspektiven bescheren und Merkel hätte vermutlich allergrößte Mühe im Deutschen Bundestag entsprechende Mehrheiten für weitere Hilfmaßnahmen zu finden .. Ausgang derzeit ungewiß!
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Option 2 – GREXIT
Immer häufiger wird der Grexit als Königsweg für die Hellenische Republik diskutiert … zur recht, wie ich finde.
Hans-Werner SinnJürgen Stark oder Max Otte beschreiben einhellig und völlig korrekt die Vorteile für Griechenland.
Meiner bescheidenen Einschätzung nach, werden jedoch Wechselwirkungen für Deutschland und die EU gerne verniedlicht.
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Selbst die Ratingagentur Standard & Poor’s hält die Risiken eines möglichen Austritts Griechenlands aus dem Euroraum für beherrschbar. So ließ S&P-Chefanalyst für die Bewertung der Kreditwürdigkeit von Staaten, Moritz Kraemer wissen:
„Ein Grexit ist in den vergangenen Monaten wahrscheinlicher geworden, der für den Rest der Eurozone qualitativ wie quantitativ zu schultern ist und keine Dominoentwicklung erwarten läßt“
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Stellvertretend für die Einschätzungen der Top-Ökonomen nachfolgend einige Remarks zum RTL-Interview mit Prof. Otte, verbunden mit generellen Überlegungen:
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Otte’s Hinweis auf den „nur“ 2-prozentigen Anteil der EU-Wirtschaftsleistung halte ich für eine viel zu kurz gesprungene Verniedlichung der Grexit-Nebenwirkungen.
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Auch seiner Schlussfolgerung, der Euro würde nach Wiedererlangung der griechischen Währungssouveränität wieder stärker, vermag ich nicht zu folgen.
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Übrigens, der Hinweis der RTL-Moderatorin, auch die Griechen selbst wollten im Euro bleiben (das Ergebnis einer Umfrage aus Nov. 2014) ist nach neuesten Befragungen nicht mehr uneingeschränkt aufrecht zu erhalten.
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Otte zur Frage:
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‚Was würde sich für uns in Deutschland ändern, außer dass wir beim GR-Urlaub wieder Geld tauschen müssten?‘
„Tatsächlich würde sich in Deutschland nichts ändern, wir würden das gar nicht merken. Die Griechen würden es natürlich spüren, weil in Importe teurer würden. Aber in Deutschland merken wir nichts! Wir merken nur, dass sich die politische Lage entspannt, dass die Hysterie aufhört, dass man endlich wieder zu einer normalen und vernünftigen Politik kommt“
Dann etwas später doch Otte’s implizite Einsicht: „… wenn GR pleite geht, dann haben wir ein Problem“
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Also was jetzt: merken wir nichts oder lauert da vielleicht doch ein Problem ?
Was Otte nicht weiß, ausblendet oder gar verschweigt, sind die Wechselwirkungen eines hellenischen Euroaustritts.
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  1. Mit der Wiedereinführung der eigenen Währung ist es dem Land möglich im Pariser/Londoner Club eine internationale Gläubiger-Konferenz durchführen zu lassen und den Kreditgebern zu verdeutlichen, dass nunmehr die Staatspleite eingetreten und an eine Rückzahlung der Staatsschulden nicht zu denken sei.
    Ggf. könnte man in Aussicht stellen, 10% oder mehr der angehäuften Schulden per rata temporis zurückzuzahlen, sobald das Land eine wirtschaftliche Erholung zu verzeichnen hat.
  2. Mit dem Austritt aus der Eurozone hätte man ein Exempel statuiert, welches Nachahmer finden könnte und vermutlich auch wird.
  3. Müsste nach dem offiziellen Eingeständnis der Staatspleite Deutschland mind. € 80 Mrd auf den Tisch blättern um verbürgte Garantien ggü den Gläubigern zu erfüllen.
  4. Wäre der EFSF praktisch pleite und müsste seine Garanten (die Staaten der Eurozone) um faktische Übernahme der übernommenen Bürgschaften verpflichten.
  5. Um nicht selbst insolvent zu werden, könnte der ESM-Gouverneursrat (die Finanzminister der Eurozone) gezwungen sein, gem. Satzung von den Garantiestaaten binnen 7 Werktagen den Einschuss verbürgter Kapitalzusagen verlangen.
    Die Auswirkungen für Italien, Frankreich, Spanien etc. mag man sich vorstellen.
  6. Die EZB käme möglicherweise nicht umhin, für die von ihr gehaltenen griechischen Staatsanleihen in Mrd.-Höhe entsprechende Wertberichtigungen vorzunehmen, was ggf. Kapitalerhöhungen nach sich ziehen würde. Inwieweit dies Nachschußpflichten bei deren Eigentümern auslösen könnte bleibt abzuwarten, da in der EZB-Bilanz Rückstellungen von € 56,374 Mrd. (Stand 06.02.2015) Mrd. aus IWF-Zuweisungen von Sonderziehungsrechten und “Ausgleichsposten aus Neubewertung” mit € 330,898 Mrd. – Aufwertungseffekte von Gold- und Währungsbeständen sowie aus sonstigen Wertpapieren (Stand 06.02.2015) ausgewiesen sind.
  7. Der Euro-Austritt könnte an den Märkten erhebliche Zweifel entstehen lassen, welches Euroland als nächstes dem Beispiel GR folgt – zur Auswahl stünden Irland, Italien, Spanien und Portugal (schlimmstenfalls auch Frankreich). Als Folge solcher Zweifel wäre mit Zinsanhebungen für deren Kreditengagements zu rechnen, was sowohl den Finanzstatus dieser Länder sowie deren Schuldentragfähigkeit erheblich verschlechtern würde.
  8. Selbstverständlich würden die dringend erforderlichen Importe der Hellenischen Republik (Energie, Medizinprodukte, Maschinen und Ersatzteile usw.) erheblich teurer, wobei der russische Präsident Herrn Tsipras anläßlich seines Moskau-Besuches im April 2015 bereits angeboten hat, Sonderkonditionen für den Bezug von Gas einzuräumen.
  9. Solchen signifikanten Mehrbelastungen der griechischen Volkswirtschaft stehen jedoch auch erhebliche positive Entwicklungen gegenüber:
    1. Steigerung der Exporterlöse, wobei nicht nur von Einnahmen aus Oliven oder Schafskäse auszugehen ist, sondern insbesondere von erheblichen Einnahmeverbesserungen aus der Touristik.
      Besagtes Szenario würde wiederum erhebliche Nachteile für Italien, Spanien und Portugal auslösen, die ihrerseits vor dem Dilemma stünden, mit drastischen Exportrückgängen von Oliven/Schafskäse, aber insbesondere deutlichen Touristikeinbußen dealen zu müssen.
      Folge:
      Raus aus dem Euro und zurück zur Lira, Peseta und dem Escudo!
      Als Profiteure eines solchen Szenarios dürfte ganz besonders die verhältnismäßig gut entwickelte italienische Industrie auszumachen sein, was deutschen Konkurrenten eher abträglich wäre.
      Im Gegenzug könnte, was die Lage in Spanien anbelangt, der VW-Konzern seine dortigen Produktionskapazitäten erhöhen und dadurch die eigene Ertragslage spürbar verbessern. Dies gilt natürlich auch für andere deutschen Unternehmen, die ebenfalls in Spanien produzieren.
    2. Chinesische und russische Großinvestoren -und nicht nur diese- würden vermutlich mit Freude Milliarden-Investition speziell in der hellenischen Touristik anschieben [Wer dies bezweifelt sollte sich die Gesellschafterstrukturen von Thomas Cook und TUI etwas genauer ansehen und wird dabei zu überraschenden Erkenntnisse gelangen].
    3. Als 2012 der Ex-Wirtschaftsminister Rösler mit rund 200 Inhabern deutscher mittelständischer Unternehmen einen Ausflug nach Athen unternahm, kam er entgegen aller Hoffnungen mit leeren Händen (was deren Investitionsbereitschaft anbelangte) zurück.
      Zwischenzeitlich ist jedoch bekannt, dass ein hoher Prozentsatz dieser Mittelständler mehr als 90 Prozent einstiger Exporte nach GR und weiteren Balkanstaaten eingebüßt haben.
    4. Im Lichte dieser Erkenntnisse ist nicht auszuschließen, dass so manches Unternehmen mit Wiedereinführung der Drachme die Gelegenheit nutzen könnte, in GR Produktionskapazitäten einzurichten und unter Vermeidung von Preiskannibalismus-Effekten den griechischen Markt, diverse Märkte auf dem Balkan und ggfl. Osteuropa und Nordafrika, bedienen könnte.
      Derzeit sind mir persönlich zwei namhafte deutsche Mittelständler bekannt, die in diese Richtung denken.
      Sollte sich eine solche Investitionsbereitschaft (auch aus anderen Ländern) breiter durchsetzen, wäre dies sicher sinnstiftend, sowohl für der hellenische Volkswirtschaft als auch für die Bevölkerung.
  10. Unter Berücksichtigung solcher oder ähnlicher Effekte im Einklang mit arrondierenden Maßnahmen würde Griechenland die Protagonisten der Eurozone schlichtweg Lügen strafen und beweisen, dass es auch ohne die Fesseln zweifelhafter europäischer Glaubenbekenntnisse möglich ist, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen.
  11. Last but not least spielen unter diesen Umständen auch geo.strategische Aspekte eine entscheidende Rolle. Der NATO-Partner Griechenland -bereits ohnehin mit China und Russland gut vernetzt- hätte weitere „Pfunde“ in der Hand, mit welchen man ggfl. wuchern könnte.
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Vielleicht ist es mit diesen wenigen und keinesfalls umfassenden Ausführungen gelungen, potentielle Wechselwirkungen eines denkbaren Euroaustritts der Hellenischen Republik aufzuzeigen.
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Ein mögliches Fazit:
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Der Euro hat sich vom ‚Hort der Stabilität und des Wohlstandes‘ zur Abrißbirne vom Recht auf Selbstbestimmung, kultureller Vielfalt, Völkerverständigung und Demokratie entwickelt.
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Sollten sich die Euroholiker hinsichtlich der Institutionalisierung der Haftungs- und Schuldenunion durchsetzen, könnte Mireille Mathieu’s Evergreen in Democracy Adieu! umgetextet werden, wogegen sich die Europäischen Völker mit allen zur Verfügung stehenden, friedlichen Mitteln wehren müssen.
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Aus Sicht der griechischen Bevölkerung -und nur dieser ist Tsipras und sein Team verpflichtet- erscheint der Grexit ultimativer Königsweg zu sein.
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Als Jean-Claude Juncker 2010 mit dem „Thomas von Kempen“-Preis ausgezeichnet wurde, beendete er seine Festrede mit dem Hinweis, Thomas von Kempen habe sich in seinem vierbändigen Werk „De imitatione Christi“ mit dem Ertragen von Leid beschäftigt. Juncker räumte ein, dass man Leid zwar nicht vermeiden, aber abkürzen kann.
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In diesem Sinne sollte sich Juncker auch dafür einsetzen, das Leid der kleinen Leute in Griechenland zu beenden!
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Merkel’s Diktum „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ ist nicht zwingend aufrecht zu erhalten, nicht Europa wäre gescheitert, sondern die von Beginn an fehlerhafte Konstruktion der Währungsunion. Die Dame sollte endlich erkennen, dass ihr von der Bevölkerung die Begrifflichkeiten Alternativlosigkeit und Unumkehrbarkeit bisheriger Europäischer Entwicklungen nicht mehr abgenommen werden.
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Während die Transatlantiker vornehmlich aus geostrategischen Gründen die Hellenische Republik innerhalb der Euro-Zone halten wollen, hat man vermutlich in Moskau und Peking mit einer XXL-Portion Popcorn in der ersten Reihe dieses großen Kinos Platz genommen um mit Spannung den weiteren Verlauf der Euro-Kernschmelze zu beobachten.
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Ihr Oeconomicus
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CROSSPOST: GEOLITICO

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(letzte Aktualisierung: 23.06.2015, 09:19h)

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Nachträge:
zu weiteren GREXIT-Bewertungen
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Prof. Dr. Thomas Straubhaar, ausgewiesener Fachmann für Internatinale Wirtschaftsbeziehungen
(bis Sept. 2014 Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts – HWWI):
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Der Grexit ist für Tsipras eine historische Versuchung
Verhandeln, taktieren, einigen? Nein, Athen ist kein diplomatischer Normalfall.
Die Regierung Tsipras könnte den Grexit tatsächlich wollen. Denn er ebnet den Weg zu einem Europa, von dem sie träumt.
[…]
Kolumne – die Welt
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Warum der Grexit kein Tabu sein darf

9 Kommentare on “Nächster Akt der €/EU-Kernschmelze oder Weiterwursteln nach der ‚Methode Monnet‘”

  1. Murksel sagt:

    So, nun soll Tsipras also eingeknickt sein.
    Obama hat wieder ein Machtwort gesprochen? Überrascht mich irgendwie nicht.
    Frustriert mich aber.

    Was mich in diesem Zusammenhang aber immer wieder wundert ist dass alle Länder des Westens sowie Japan und einige andere asiatische Staaten sich immer wieder den Wünschen dieser abscheulichen imperialistischen Amerikaner beugen. Und sie tun dies sogar wenn dem eigenen Staat dadurch Schaden zugefügt wird.

    Warum ist das so?

    Womit drohen die USA um ihre Wünsche immer wieder und wieder durchzusetzen?
    Mit Krieg?

    Man steht da nur noch fassungslos vis a vis. Es ist völlig unverständlich

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    • Oeconomicus sagt:

      Guten Morgen @Murksel,

      ich kann Ihre Entrüstung sehr gut verstehen.

      Zunächst bleibt jedoch abzuwarten, ob Tsipras wirklich eingeknickt ist und wie er diese etwaige Haltung seinen Mitstreitern im Parlament servieren will.

      Wie bereits dargelegt ist der MP in allererster Linie gegenüber der Bevölkerung in der Pflicht. Zugleich hat er aber auch den Entscheidungen des obersten Verwaltungsgerichts seines Landes Folge zu leisten, das die bereits vollzogenen Rentenkürzungen als rechtswidrig bewertet und die Rücknahme dieser Beschlüsse angeordnet hat.

      Am heutigen Mittwoch tagen in Brüssel erneut die Finanzminister der Eurozone. Es ist zu erwarten, dass unter Anwesenheit von EZB und IWF, das am Montag übermittelte Reformpapier der griechischen Regierung hinsichtlich Durchführbarkeit und fiskalischen Effekten diskutiert wird, wobei es dem Vernehmen nach zwischen den Institutionen bereits unterschiedliche Meinungen geben soll.

      Man wird für den am Donnerstag stattfindenden turnusgemäßen Summit des EU-Rates entsprechende Empfehlungen entwickeln, denen die Staatschefs gemäß ihrer Rolle als Uncle Sam-Puppets nach Abwägung aller Pro’s und Con’s wohl folgen werden.

      Danach ist sowohl das Votum im Bundeskasperl-Theater einzuholen, welches trotz publikumswirksamen Theaterdonners erteilt wird.

      Etwas schwieriger könnte sich die für Sonntag Abend angesetzte Abstimmung im hellenischen Parlament gestalten.

      In diesem Zusammenhang sei an das Prüfungsergebnis des Athener Parlamentsausschusses erinnnert, das die Zahlungsforderungen der internationalen Gläubiger an Athen als „illegal“ eingestuft und deren Rückzahlung kategorisch ablehnt hat (siehe auch: „Executive Summary of the report from the Debt Truth Committee„).

      Mancher Beobachter mag jene Haltung als schlechten Scherz betrachten, was sich jedoch als Trugschluss herausstellen könnte.

      An der Stelle sei an die von Alexander Nahum Sack [russischer Minister und nach der Russischen Revolution Professor des Rechts in Paris] entwickelte völkerrechtliche Begriffsschöpfung „Odious debts“ (verabscheuungswürdige Schulden, auch Diktatorenschulden) erinnert.

      Zwar ging dieser Begriff in seiner Gesamtheit bisher nicht in geltendes Völkerrecht ein und auf klar definierte Kriterien, ab wann Schulden odious debts sind, konnte man sich bislang noch nicht einigen.

      Es gibt jedoch einige Präzedenzfälle, z.B. 2003 die Entschuldung Iraks durch die USA oder 2008 in Ecuador.

      Dazu bemerkte Noam Chomsky anläßlich eines am 17.04.2015 geführten Euronews-Interviews:

      „Wie sind diese Schulden entstanden? Wem schuldet man sie? Teilweise wurden diese Schulden durch Diktatoren gemacht. In Griechenland war es die von den USA unterstützte faschistische Diktatur, die einen großen Teil der Schulden machte. Meiner Meinung nach waren die Schulden brutaler als die Diktatur. Das ist ein Begriff aus dem Völkerrecht, Diktatorenschulden, die müssen nicht zurückgezahlt werden. Das ist ein Prinzip, das von den USA in internationales Recht eingeführt wurde, als es in ihrem Interesse war. Ein Großteil der restlichen Schulden, die Hilfspakete für Griechenland, sind eigentlich Zahlungen an Banken, deutsche und französische Banken, die äußerst riskante Kredite mit nicht sehr hohen Zinsen gegeben hatten und jetzt mit der Tatsache konfrontiert werden, dass sie nicht zurückgezahlt werden können.”

      Sollte also das griechische Parlament den MP auffordern, diese Karte zu ziehen, wird es so richtig spannend, manche hochroten Köpfe zu beobachten.

      Hinzu kommt, dass Amerikas Pachtverträge zur Exploration von Öl- und Gasvorkommen abgelaufen sind und bislang nicht erneuert wurden.

      An der Stelle darf einmal geraten werden, wer daran Interesse haben könnte. 🙂

      Es liegt also auf der Hand, dass in dem Vozeigeland „totalitärer Volldemokratie“ bei der Vorstellung hübsche Marineeinheiten in der Ägäis bewundern zu dürfen, kein wirkliches Excitement aufzukommen vermag. Selbstverständlich wird man dies im weltweit operierenden „Verteidigungsbündnis“ ebenso sehen.

      Vor diesem Hintergrund ist Ihre (und unsere) Fassungslosigkeit bei allen Beschützern unseres „demokratischen Wertekanons“ bestenfalls als langweilige, rückwärtsgewandte „Fehlorientierung“ einzuschätzen.

      Got the picture ??

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  2. Widerstand sagt:

    Die MZ hat gestern diese Karikatur veröffentlicht, die die Situation um die Euro-Rettung pointiert beschreibt und nebenbei den Mitteldeutschen die wahre Bedeutung der Merkelraute == erklärt.

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  3. Traumschau sagt:

    Hallo zusammen,
    eine gute Analyse, die den Griechen den Euro-Austritt empfiehlt. Allerdings gibt es auch m.E. ernst zu nehmende Gründe die dagegen sprechen. Der folgende Beitrag von Michael Bernegger bei Norbert Häring erklärt die vollkommen falsche Diagnose der Krise und die Folgen für GR bei einem Grexit:

    Ein kleiner Auszug::
    „Für den Seetransport bringt eine Abwertung nichts, weil er ausgaben- und einnahmenseitig dollarbasiert ist. Diese beiden Hauptexportindustrien sind zudem sehr kapitalintensiv. Beim Tourismus bieten vor allem die Fünf- und Viersterne Hotellerie Potential, welche wie der Seetransport hohe Kapitalaufwendung erfordert. Nur mit der Zugehörigkeit zum Euro und mit einem Bankensystem, das ein elastisches Kreditangebot bei niedrigen Zinsen bieten kann, kann das Potential beider Wirtschaftszweige sich entfalten. Eine Rückkehr zur Drachme würde hohe und volatile Zinsen mit schwankenden Risikoprämien bedeuten. Das Bankensystem wäre von Kapital- und Kreditkontrollen eingeschränkt.“

    Quelle: http://norberthaering.de/de/27-german/news/400-bernegger#weiterlesen

    Was meint ihr dazu?
    LG Traumschau

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    • Traumschau sagt:

      Nachtrag:
      Da fällt mir noch ein, dass GR in ganz großem Stil Energie und LEBENSMITTEL importiert. Bei einer Neu-Drachme, die bei Einführung sofort ins bodenlose abstürzt, wäre – ohne einen zahlungskräftigen Partner (aus den BRICS?) – eine Hungerkrise vorprogrammiert.

      Ach, ich weiß es ja auch nicht, allerdings muss dieses aus meiner Sicht faschistoide Euro-Konstrukt abgewickelt werden. Daran besteht für mich allerdings kein Zweifel – aber wie??
      LG Traumschau

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    • Oeconomicus sagt:

      Der Kollege Haering zitiert aus einem Arbeits-Papier des Kollegen Michael Bernegger (SNB) „Die griechische Tragödie und ihre Lösung“ vom 5. Juni 2015 in welcher der Autor akribisch nachweist, dass der Bewertung der ökonomischen Rahmendaten von Griechenland ein fataler Statistik-Irrtum zugrunde liegt.
      Hier die erhellende 50-seitige Kurzzusammenfassung

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  4. Murksel sagt:

    Danke für diese erhellende Analyse!

    Nach allen Informationen tendiere ich aber dazu dass man den Euroaustritt Griechenlands nicht akzeptieren wird weil:

    1.) die Amerikaner unbedingt GR in der Nato halten und die Militär- Stützpunkte in GR behalten wollen.

    Also werden sie ihren Marionetten in der EU und Marionette Merkel schon klar machen was die zu tun haben, nämlich GR zu „retten“ (GR in der Abhängigkeit zu halten trifft es wohl eher) um jeden Preis. Und dies natürlich ausschließlich auf Kosten der Europäer.
    Hat sich der amerikanisch dominierte IWF doch auch schon aus der „GR-Rettung“ ausgeklinkt.

    Und die US-Vasallen der EU und der BRD werden in vorauseilenden Gehorsam die Wünsche der Amerikaner befriedigen. Wie US-hörig diese Gestalten sind, kann man ja an den, Europa schadenden, Russland-Sanktionen sehen.

    2.) die Eurokraten m. E. immense Angst davor haben dass das Beispiel GR Schule machen könnte.
    Wenn nach vielleicht 2-jähriger heftiger Durststrecke sich GR wieder aufrichtet, dann wird das in Staaten mit ähnlichen Problemen dazu führen diese Alternative auch wohlwollend zu prüfen.

    Und das will die EU bestimmt nicht.

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