Nächster Akt der €/EU-Kernschmelze oder Weiterwursteln nach der ‚Methode Monnet‘

zur Einstimmung:
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„Europas Länder sollten in einen Superstaat überführt werden,
ohne dass die Bevölkerung versteht, was geschieht.

Dies muss schrittweise geschehen, jeweils unter einem wirtschaftlichen Vorwand.
Letztendlich führt es aber zu einer unauflösbaren Föderation.“
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[Jean Monnet (1888-1979), Cognac-Händler, der nie ein gewähltes Mandat innehatte
und als Gründer des „Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa“ gilt
Quelle: FOCUS Magazin, Ausgabe Nr.34, 2010]
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Nächster Akt der €/EU-Kernschmelze oder Weiterwursteln nach der ‚Methode Monnet‘ ?
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Während er letzten 7 Jahrzehnte durften wir relativ unbeschwert die vielschichtigen Freuden unseres Lebens genießen. Diesen Zustand zu erhalten, bedarf angesichts schon fast unübersichtlicher weltweiter Verwerfungen erheblicher Anstrengungen nahezu aller Gesellschaftsschichten.
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Die Erkenntnis, dass dies auch für die Kaste der Euroholiker gilt, mag man in dieses Tagen schon fast mit Händen greifen. Wir erleben einen zunehmend aufgeregten Hühnerhaufen deren Vorturner sich primär dem eigenen Machterhalt und dessen -Zuwachs verpflichtet fühlen und seit Jahren erfolglos versuchen, jene Probleme der EU zu lösen, die es ohne dieses demokratieferne Konstrukt gar nicht gäbe.
Mehr noch:
man lustwandelt von Krisengipfel zu Krisengipfel, erstellt in übernächtigtem Zustand nichtssagende Abschluss-Kommuniqués, deren vermeintliche Praxistauglichkeit kaum einem Realitäts-Check standhält, wofür dann gerne ein geeigneter Boogeyman gesucht wird.
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Bekanntermaßen wird heute Abend ein weiteres Krisen-Summit zelebriert, bei welchem zwar Befindlichkeiten und Perspektiven der hellenischen Volkswirtschaft auf der Tagesordnung stehen, implizit jedoch auch über die Zukunftsfähigkeit der Eurozone und damit über die Werthaltigkeit unserer individuellen Lebensleistungen und die Zukunft unserer Kinder und Enkel verhandelt wird.
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Derzeit erscheint es höchst ungewiß, ob man
  1. auf Biegen und Brechen Griechenland in der Eurozone halten will, ja geradezu muß
  2. für ein hellenisches Ausscheiden aus der Eurozone votiert
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Im chinesischen Sprachgebrauch hat das Wort ‚Krise‘ zwei Bedeutungen: Gefahr und Gelegenheit!
Nach diesen Kriterien sollen die denkbaren Entscheidungsoptionen des EU-Summits untersucht werden.
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Option 1 – Verbleib in der Euro-Zone
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Nach Lage der Dinge scheint dies das von Merkel, Juncker, Schulz usw. favorisierte Szenario zu sein zu dessen Umsetzung von der griechischen Regierung jedoch signifikante Reformen, wie Rentenanspassungen, Mehrwertsteuererhöhungen, deutliche Fortschritte bei der Privatisierung hellenischen Tafelsilbers. uvm. gefordert werden.
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Solche Voraussetzungen können Tsipras und Varoufakis nicht wirklich versprechen, ohne zu Hause in Teufels Küche zu geraten.
Dies dürfte auch den EU-Verhandlungsführern hinreichend bekannt sein.
Sollte man einen Konsens herbeiführen wollen, wäre diese harte Linie aufzuweichen, was erheblichen Widerspruch der Eurostaaten mit Sozialstandards, die unterhalb hellenischer Bedingungen angesiedelt sind, auslösen.
Frankreich, Irland Italien, Spanien und Portugal deren Volkswirtschaften entgegen aller vorgebeteten Politmärchen keineswegs auf Rosen gebettet sind, würden sich ebenfalls gegen softere Konditionalitäten stellen.
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Um bereits pro-aktiv die Gemüter zu beruhigen, hat man vielleicht deshalb ausgerechnet heute einen von Jean-Claude Juncker, Donald Tusk, Jeroen Dijsselbloem, Mario Draghi, und Martin Schulz unterzeichneten Reform-Vorschlag lanciert, mit dessen Hilfe die Entscheidungsstrukturen im Euroraum erheblich zentralisiert werden sollen, was der Institutionalisierung einer Schulden- und Haftungsunion gleichkommt.
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Bei Licht betrachtet, bedeutet dies nichts anderes, als die Blaupause der Methode Monnet weiter umzusetzen. Schließlich darf man, um Winston Churchill zu zitieren, eine gute Krise nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Selbstverständlich ist es dabei unerheblich, ob mit solchen Maßnahmen nationale Parlamente entmachtet oder sukzessive weitere Souveränitätsrechte an den dreifaltigen Brüsseler Moloch abgetreten werden, Vorgänge die als stiller Putsch wahrgenommen werden könnten. Kurzum findet damit die Institutionalisierung der Haftungsunion, aufgehübscht mit dem Wörtchen Solidarität, statt.
In diesem Fall bliebe lediglich ein Fünckchen Hoffnung in die Handlungsoptionen des BVerfG übrig.
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Bleibt man hingegen in der Sache hart, ließe sich das ‚rotten ruling‘ der EU ganz elegant via EZB-Schraubzwingen ermöglichen, d.h. die EZB-Gouverneure könnten die finanzielle Blutzufuhr mittels ELA-Krediten (bereits ein Präjudiz der Haftungsunion) stoppen, um so ein Umdenken der griechischen Seite zu erzwingen, eine Entscheidung also mit hohem Erpressungspotential.
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Im Ergebnis dürfte der Verbleib im Euro trotz zahlreicher wohlfeiler Versprechungen großen Teilen der griechischen Bevölkerung keinerlei positiven Perspektiven bescheren und Merkel hätte vermutlich allergrößte Mühe im Deutschen Bundestag entsprechende Mehrheiten für weitere Hilfmaßnahmen zu finden .. Ausgang derzeit ungewiß!
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Option 2 – GREXIT
Immer häufiger wird der Grexit als Königsweg für die Hellenische Republik diskutiert … zur recht, wie ich finde.
Hans-Werner SinnJürgen Stark oder Max Otte beschreiben einhellig und völlig korrekt die Vorteile für Griechenland.
Meiner bescheidenen Einschätzung nach, werden jedoch Wechselwirkungen für Deutschland und die EU gerne verniedlicht.
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Selbst die Ratingagentur Standard & Poor’s hält die Risiken eines möglichen Austritts Griechenlands aus dem Euroraum für beherrschbar. So ließ S&P-Chefanalyst für die Bewertung der Kreditwürdigkeit von Staaten, Moritz Kraemer wissen:
„Ein Grexit ist in den vergangenen Monaten wahrscheinlicher geworden, der für den Rest der Eurozone qualitativ wie quantitativ zu schultern ist und keine Dominoentwicklung erwarten läßt“
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Stellvertretend für die Einschätzungen der Top-Ökonomen nachfolgend einige Remarks zum RTL-Interview mit Prof. Otte, verbunden mit generellen Überlegungen:
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Otte’s Hinweis auf den „nur“ 2-prozentigen Anteil der EU-Wirtschaftsleistung halte ich für eine viel zu kurz gesprungene Verniedlichung der Grexit-Nebenwirkungen.
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Auch seiner Schlussfolgerung, der Euro würde nach Wiedererlangung der griechischen Währungssouveränität wieder stärker, vermag ich nicht zu folgen.
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Übrigens, der Hinweis der RTL-Moderatorin, auch die Griechen selbst wollten im Euro bleiben (das Ergebnis einer Umfrage aus Nov. 2014) ist nach neuesten Befragungen nicht mehr uneingeschränkt aufrecht zu erhalten.
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Otte zur Frage:
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‚Was würde sich für uns in Deutschland ändern, außer dass wir beim GR-Urlaub wieder Geld tauschen müssten?‘
„Tatsächlich würde sich in Deutschland nichts ändern, wir würden das gar nicht merken. Die Griechen würden es natürlich spüren, weil in Importe teurer würden. Aber in Deutschland merken wir nichts! Wir merken nur, dass sich die politische Lage entspannt, dass die Hysterie aufhört, dass man endlich wieder zu einer normalen und vernünftigen Politik kommt“
Dann etwas später doch Otte’s implizite Einsicht: „… wenn GR pleite geht, dann haben wir ein Problem“
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Also was jetzt: merken wir nichts oder lauert da vielleicht doch ein Problem ?
Was Otte nicht weiß, ausblendet oder gar verschweigt, sind die Wechselwirkungen eines hellenischen Euroaustritts.
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  1. Mit der Wiedereinführung der eigenen Währung ist es dem Land möglich im Pariser/Londoner Club eine internationale Gläubiger-Konferenz durchführen zu lassen und den Kreditgebern zu verdeutlichen, dass nunmehr die Staatspleite eingetreten und an eine Rückzahlung der Staatsschulden nicht zu denken sei.
    Ggf. könnte man in Aussicht stellen, 10% oder mehr der angehäuften Schulden per rata temporis zurückzuzahlen, sobald das Land eine wirtschaftliche Erholung zu verzeichnen hat.
  2. Mit dem Austritt aus der Eurozone hätte man ein Exempel statuiert, welches Nachahmer finden könnte und vermutlich auch wird.
  3. Müsste nach dem offiziellen Eingeständnis der Staatspleite Deutschland mind. € 80 Mrd auf den Tisch blättern um verbürgte Garantien ggü den Gläubigern zu erfüllen.
  4. Wäre der EFSF praktisch pleite und müsste seine Garanten (die Staaten der Eurozone) um faktische Übernahme der übernommenen Bürgschaften verpflichten.
  5. Um nicht selbst insolvent zu werden, könnte der ESM-Gouverneursrat (die Finanzminister der Eurozone) gezwungen sein, gem. Satzung von den Garantiestaaten binnen 7 Werktagen den Einschuss verbürgter Kapitalzusagen verlangen.
    Die Auswirkungen für Italien, Frankreich, Spanien etc. mag man sich vorstellen.
  6. Die EZB käme möglicherweise nicht umhin, für die von ihr gehaltenen griechischen Staatsanleihen in Mrd.-Höhe entsprechende Wertberichtigungen vorzunehmen, was ggf. Kapitalerhöhungen nach sich ziehen würde. Inwieweit dies Nachschußpflichten bei deren Eigentümern auslösen könnte bleibt abzuwarten, da in der EZB-Bilanz Rückstellungen von € 56,374 Mrd. (Stand 06.02.2015) Mrd. aus IWF-Zuweisungen von Sonderziehungsrechten und “Ausgleichsposten aus Neubewertung” mit € 330,898 Mrd. – Aufwertungseffekte von Gold- und Währungsbeständen sowie aus sonstigen Wertpapieren (Stand 06.02.2015) ausgewiesen sind.
  7. Der Euro-Austritt könnte an den Märkten erhebliche Zweifel entstehen lassen, welches Euroland als nächstes dem Beispiel GR folgt – zur Auswahl stünden Irland, Italien, Spanien und Portugal (schlimmstenfalls auch Frankreich). Als Folge solcher Zweifel wäre mit Zinsanhebungen für deren Kreditengagements zu rechnen, was sowohl den Finanzstatus dieser Länder sowie deren Schuldentragfähigkeit erheblich verschlechtern würde.
  8. Selbstverständlich würden die dringend erforderlichen Importe der Hellenischen Republik (Energie, Medizinprodukte, Maschinen und Ersatzteile usw.) erheblich teurer, wobei der russische Präsident Herrn Tsipras anläßlich seines Moskau-Besuches im April 2015 bereits angeboten hat, Sonderkonditionen für den Bezug von Gas einzuräumen.
  9. Solchen signifikanten Mehrbelastungen der griechischen Volkswirtschaft stehen jedoch auch erhebliche positive Entwicklungen gegenüber:
    1. Steigerung der Exporterlöse, wobei nicht nur von Einnahmen aus Oliven oder Schafskäse auszugehen ist, sondern insbesondere von erheblichen Einnahmeverbesserungen aus der Touristik.
      Besagtes Szenario würde wiederum erhebliche Nachteile für Italien, Spanien und Portugal auslösen, die ihrerseits vor dem Dilemma stünden, mit drastischen Exportrückgängen von Oliven/Schafskäse, aber insbesondere deutlichen Touristikeinbußen dealen zu müssen.
      Folge:
      Raus aus dem Euro und zurück zur Lira, Peseta und dem Escudo!
      Als Profiteure eines solchen Szenarios dürfte ganz besonders die verhältnismäßig gut entwickelte italienische Industrie auszumachen sein, was deutschen Konkurrenten eher abträglich wäre.
      Im Gegenzug könnte, was die Lage in Spanien anbelangt, der VW-Konzern seine dortigen Produktionskapazitäten erhöhen und dadurch die eigene Ertragslage spürbar verbessern. Dies gilt natürlich auch für andere deutschen Unternehmen, die ebenfalls in Spanien produzieren.
    2. Chinesische und russische Großinvestoren -und nicht nur diese- würden vermutlich mit Freude Milliarden-Investition speziell in der hellenischen Touristik anschieben [Wer dies bezweifelt sollte sich die Gesellschafterstrukturen von Thomas Cook und TUI etwas genauer ansehen und wird dabei zu überraschenden Erkenntnisse gelangen].
    3. Als 2012 der Ex-Wirtschaftsminister Rösler mit rund 200 Inhabern deutscher mittelständischer Unternehmen einen Ausflug nach Athen unternahm, kam er entgegen aller Hoffnungen mit leeren Händen (was deren Investitionsbereitschaft anbelangte) zurück.
      Zwischenzeitlich ist jedoch bekannt, dass ein hoher Prozentsatz dieser Mittelständler mehr als 90 Prozent einstiger Exporte nach GR und weiteren Balkanstaaten eingebüßt haben.
    4. Im Lichte dieser Erkenntnisse ist nicht auszuschließen, dass so manches Unternehmen mit Wiedereinführung der Drachme die Gelegenheit nutzen könnte, in GR Produktionskapazitäten einzurichten und unter Vermeidung von Preiskannibalismus-Effekten den griechischen Markt, diverse Märkte auf dem Balkan und ggfl. Osteuropa und Nordafrika, bedienen könnte.
      Derzeit sind mir persönlich zwei namhafte deutsche Mittelständler bekannt, die in diese Richtung denken.
      Sollte sich eine solche Investitionsbereitschaft (auch aus anderen Ländern) breiter durchsetzen, wäre dies sicher sinnstiftend, sowohl für der hellenische Volkswirtschaft als auch für die Bevölkerung.
  10. Unter Berücksichtigung solcher oder ähnlicher Effekte im Einklang mit arrondierenden Maßnahmen würde Griechenland die Protagonisten der Eurozone schlichtweg Lügen strafen und beweisen, dass es auch ohne die Fesseln zweifelhafter europäischer Glaubenbekenntnisse möglich ist, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen.
  11. Last but not least spielen unter diesen Umständen auch geo.strategische Aspekte eine entscheidende Rolle. Der NATO-Partner Griechenland -bereits ohnehin mit China und Russland gut vernetzt- hätte weitere „Pfunde“ in der Hand, mit welchen man ggfl. wuchern könnte.
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Vielleicht ist es mit diesen wenigen und keinesfalls umfassenden Ausführungen gelungen, potentielle Wechselwirkungen eines denkbaren Euroaustritts der Hellenischen Republik aufzuzeigen.
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Ein mögliches Fazit:
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Der Euro hat sich vom ‚Hort der Stabilität und des Wohlstandes‘ zur Abrißbirne vom Recht auf Selbstbestimmung, kultureller Vielfalt, Völkerverständigung und Demokratie entwickelt.
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Sollten sich die Euroholiker hinsichtlich der Institutionalisierung der Haftungs- und Schuldenunion durchsetzen, könnte Mireille Mathieu’s Evergreen in Democracy Adieu! umgetextet werden, wogegen sich die Europäischen Völker mit allen zur Verfügung stehenden, friedlichen Mitteln wehren müssen.
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Aus Sicht der griechischen Bevölkerung -und nur dieser ist Tsipras und sein Team verpflichtet- erscheint der Grexit ultimativer Königsweg zu sein.
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Als Jean-Claude Juncker 2010 mit dem „Thomas von Kempen“-Preis ausgezeichnet wurde, beendete er seine Festrede mit dem Hinweis, Thomas von Kempen habe sich in seinem vierbändigen Werk „De imitatione Christi“ mit dem Ertragen von Leid beschäftigt. Juncker räumte ein, dass man Leid zwar nicht vermeiden, aber abkürzen kann.
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In diesem Sinne sollte sich Juncker auch dafür einsetzen, das Leid der kleinen Leute in Griechenland zu beenden!
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Merkel’s Diktum „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ ist nicht zwingend aufrecht zu erhalten, nicht Europa wäre gescheitert, sondern die von Beginn an fehlerhafte Konstruktion der Währungsunion. Die Dame sollte endlich erkennen, dass ihr von der Bevölkerung die Begrifflichkeiten Alternativlosigkeit und Unumkehrbarkeit bisheriger Europäischer Entwicklungen nicht mehr abgenommen werden.
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Während die Transatlantiker vornehmlich aus geostrategischen Gründen die Hellenische Republik innerhalb der Euro-Zone halten wollen, hat man vermutlich in Moskau und Peking mit einer XXL-Portion Popcorn in der ersten Reihe dieses großen Kinos Platz genommen um mit Spannung den weiteren Verlauf der Euro-Kernschmelze zu beobachten.
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Ihr Oeconomicus
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CROSSPOST: GEOLITICO

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(letzte Aktualisierung: 23.06.2015, 09:19h)

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Nachträge:
zu weiteren GREXIT-Bewertungen
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Prof. Dr. Thomas Straubhaar, ausgewiesener Fachmann für Internatinale Wirtschaftsbeziehungen
(bis Sept. 2014 Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts – HWWI):
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Der Grexit ist für Tsipras eine historische Versuchung
Verhandeln, taktieren, einigen? Nein, Athen ist kein diplomatischer Normalfall.
Die Regierung Tsipras könnte den Grexit tatsächlich wollen. Denn er ebnet den Weg zu einem Europa, von dem sie träumt.
[…]
Kolumne – die Welt
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Warum der Grexit kein Tabu sein darf

„Bundestag gab Euro-Rettern Blankoscheck“

„Bundestag gab Euro-Rettern Blankoscheck“

Vollmundig wendet sich Berlin gegen eine Banklizenz für den Euro-Rettungsschirm. Dabei hat das Parlament längst einen Freibrief zum Gelddrucken ausgestellt, belegt ein Gutachten. Nun sind die Verfassungsrichter gefragt.
Konkret geht es um die Frage, ob der der ESM-Vertrag eine Refinanzierung des ESM über die Europäische Zentralbank (EZB) wie bei einer Bank erlaubt? Und wenn ja, ob die EZB dies auch dürfte?
Die Frage ist heikel, denn von einem ESM mit einer quasi Bank-Lizenz war im Zuge des Ratifizierungsverfahrens nie die Rede gewesen. Die Antwort ist auch pikant. Sie lautet: Ja. Zu diesem ersten Ergebnis kommt der Staats-, Europa- und Finanzrechtler Hanno Kube von der Universität Mainz in einem vom Familienunternehmer-Verband in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten.
Handelsblatt – 29.08.2012, 13:19 – Kommentare
Refinanzierung des ESM bei der EZB – Welche Grenzen setzt das Recht?
Rechtsgutachten von Prof. Dr. Hanno Kobe im Vorfeld der BVerfG-Entscheidung am 12. September 2012
PDF – 21 Seiten

Mitschrift Pressekonferenz: Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Europäischen Rat

Mitschrift Pressekonferenz:
Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Europäischen Rat
markantes Statement von Dr. Angela Merkel:
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„Wenn diese Überwachungsinstitution dann einmal existiert,
kann es eine wiederum einstimmige Entscheidung im Gouverneursrat des ESM geben,
dass mit Hilfe dieser Institution eine direkte Kapitalisierung von Banken möglich ist,
nachdem das Land, in dem die jeweilige Bank ist, einen Antrag gestellt hat.
Wir brauchen also zweimal einstimmige Entscheidungen,
was in Deutschland auch bedeutet,
dass der Deutsche Bundestag damit befasst wird und auch mit seiner Mehrheit entscheiden muss“.

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weitere, nicht weniger wichtige (unkorrigierte) Aussagen von Frau Dr. Merkel aus dem Mitschnitt (Hervorhebungen by Oeconomicus)

„Wir haben darüber ist gestern schon gesprochen worden, deshalb kann ich das kurz machen einen Pakt für Wachstum und Beschäftigung beschlossen, in etwa in der Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union. Das ist, glaube ich, eine wichtige Anstrengung. Es wird in dem Papier sehr, sehr deutlich, dass es vor allen Dingen um die Schaffung von Arbeitsplätzen geht, ganz besonders auch von Arbeitsplätzen für jüngere Menschen. Sie wissen, dass dies bei durchschnittlich über 20 Prozent Jugendarbeitslosigkeit von sehr großer Bedeutung ist.

Die drei großen Blöcke oder zwei große Blöcke und ein kleinerer Block in diesem Wachstumspaket sind zum ersten die bessere Verwendung der Strukturfondsmittel, zum zweiten die Aufstockung des Kapitals der Europäischen Investitionsbank und zum dritten die Pilotphase und hoffentlich dann anschließend auch weitere Phasen von sogenannten Projektanleihen, die man mit Private Public Partnership verbinden kann.

Wir haben dann gestern Abend eine Runde gehabt, in der wir in der Eurogruppe zusammengetreten sind. Das war deshalb notwendig, weil auf der einen Seite der Bericht der vier Präsidenten diskutiert wurde. Für diesen Bericht haben wir in den Schlussfolgerungen deutlich gemacht, dass es durchaus unterschiedliche Meinungen dazu gab, aber dass die vier Blöcke, um die es dort geht, weiter bearbeitet werden, und zwar in einem Verfahren, das die Mitgliedstaaten mit einbezieht, und dass dann im Oktober ein Zwischenbericht und zum Ende des Jahres ein weiterer Bericht gegeben werden. Die Inhalte ich sagte es schon sind zum Teil kontrovers diskutiert worden; das ist aber angesichts der unterschiedlichen Interessen auch nicht verwunderlich.

Wir haben uns dann mit kurzfristigen Maßnahmen zur unmittelbaren Stärkung der Finanzstabilität der Wirtschafts- und Währungsunion auseinandergesetzt. Hier gibt es im Wesentlichen drei Punkte, die von Bedeutung sind.

Der erste Punkt ist einer, der mittelfristiger Natur ist. Dieser Punkt hat mit dem, was jetzt zum Beispiel im Bundestag abgestimmt wird, nämlich dem ESM, nichts zu tun, aber er ist dann von Relevanz, wenn die entsprechenden Arbeiten vorangegangen sind. Da geht es um die Frage: Wie soll in Zukunft eine bessere Aufsicht über Banken in Europa aussehen? Dazu haben wir einen Auftrag auf der Grundlage von Art. 127 Abs. 6 des Vertrages gegeben. Das heißt, dass die Kommission einen Vorschlag unterbreiten wird, dass die EZB in dieser Aufsicht eine besondere Rolle bekommt. Die EZB hat diese Überwachungsrolle heute nicht in 15 der 17 Euro-Staaten haben die jeweiligen Notenbanken die Überwachungsrolle ; das heißt, sie muss dazu erst einmal aufgebaut werden. Das bedeutet dann auch, dass die EZB Vorschläge machen kann, welche Restrukturierungen und vieles andere notwendig sind. Wenn das einmal aufgebaut ist, dann wird der Rat einstimmig darüber entscheiden, ob diese Überwachungsinstitution unseren Vorstellungen entspricht. Wenn diese Überwachungsinstitution dann einmal existiert, kann es eine wiederum einstimmige Entscheidung im Gouverneursrat des ESM geben, dass mit Hilfe dieser Institution eine direkte Kapitalisierung von Banken möglich ist, nachdem das Land, in dem die jeweilige Bank ist, einen Antrag gestellt hat. Wir brauchen also zweimal einstimmige Entscheidungen, was in Deutschland auch bedeutet, dass der Deutsche Bundestag damit befasst wird und auch mit seiner Mehrheit entscheiden muss.

Zweitens ging es um die Frage der Rekapitalisierung der spanischen Banken; das ist nun ein ganz aktuelles Problem. Hierzu haben wir klargestellt und deutlich gemacht: Der Antrag wird über die EFSF gestellt, und dann, wenn der ESM zur Verfügung steht, in den ESM überführt, ohne dass der Status der Vorrangigkeit bei der Überführung (erhalten) wird. Das bedeutet, dass in diesem einen Falle nämlich dem Falle der spanischen Bankenrekapitalisierung – bei der Übertragung aus der EFSF in den ESM keine Vorrangigkeit begründet wird. Es ändert sich aber nichts am ESM generell, in dem der „preferred creditor status“ ja festgeschrieben ist. Ich sage das deshalb, weil das uns und vielen anderen Ländern sehr wichtig war.

Drittens haben wir darüber gesprochen, welche Instrumente wir in der EFSF und dem ESM haben, die gegebenenfalls genutzt werden können, um die Finanzstabilität im Euroraum zu garantieren. Hier geht es um Instrumente wie zum Beispiel Primärmarktankäufe und Sekundärmarktankäufe, die ja neben Bankenrekapitalisierung und Vollprogramm schon heute Bestandteile der Instrumente, also von EFSF und ESM, sind. Hier ist festgelegt worden, dass, falls von bestimmten Instrumenten im Sinne der Finanzmarktstabilität das sind also Sekundärmarktinterventionen oder Primärmarktinterventionen Gebrauch gemacht wird, die Konditionalität inhaltlich dadurch ausgefüllt wird, dass man die Länderempfehlungen der Kommission nimmt und sagt: Diese müssen verpflichtend von den Ländern, die einen Antrag stellen, umgesetzt werden, und zwar in einem auszuhandelnden zeitlichen Ablauf.

Das Ganze wird, wie es im EFSF und ESM immer ist, in einem Memorandum of Understanding aufgeschrieben. Und damit es auch gar keine Unklarheiten gibt, haben wir heute noch einmal in die allgemeinen Schlussfolgerungen aufgenommen, dass die existierenden Instrumente EFSF und ESM immer entsprechend der existierenden Guidelines, also Richtlinien, angewandt werden, die die jeweiligen Prozeduren Wie stelle ich ein MoU auf, wie mache ich einen Sekundärmarktkauf, wie mache ich einen Primärmarktkauf? im Detail darstellen. Das wird deshalb gemacht, damit hier wirklich keinerlei Unschärfe auftritt; denn die Diskussion ging ja ein bisschen in eine Richtung, die es so aussehen ließ, als gäbe es keine Konditionalität mehr und als würde man von den normalen Abläufen im EFSF und ESM abweichen. Das ist nicht so. Der einzige Unterschied ist, dass der Inhalt des MoU aus den Länderempfehlungen der Kommission besteht. Diese Länderempfehlungen gibt es erst seit diesem Jahr, das heißt, früher konnten wir die gar nicht als Grundlage nehmen. Die Länder, die solche Instrumente benutzen, müssen das dann verpflichtend und in einem bestimmten Zeitrahmen erfüllen.“

die Mitschrift

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Liebe Freunde,
ich hoffe Sie haben verstanden, worum es hier geht … in letzter Konsequenz um die kalte Enteignung unser aller Lebensleistung (!)
Um dies nochmals schonungslos zu verdeutlichen, sei an das Grußwort von Prof. Wilhelm Hankel anläßlich eine Demo in Karlsruhe vom 12. Juni 2012 erinnert:
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Dazu eine Bemerkung zum Eingangs-Zitat:
Nach regierungsamtlicher Vertragsauslegung bedarf es  nicht einmal einer Änderung des ESM-Vertrages sondern lediglich einer Gouverneursrat-Entscheidung nach Artikel 19 über die Ausweitung des Instrumentariums der Finanzhilfen, um die Staaten aus der Haftung zu entlassen. EIN SKANDAL!
Es steht jedem, insbesondere den „betreuten Denkern“ frei, diese Meinung anzuzweifeln. Wer hingegen dieses Thema vertiefen möchte, findet auf diesem Blog entsprechende Antworten und/oder hat die Möglichkeit über die Kommentarfunktion drängende Fragen zu formulieren, auf die ich nach bestem Wissen und Kenntnisstand gerne eingehe.
herzlichst

Ihr Oeconomicus