Politik ohne Wahrheit

Das Wahlprogramm der Union

.

CDU-Parteizentrale in Berlin /Quelle: Wikipedia/Thomas Riehle

CDU-Parteizentrale in Berlin /Quelle: Wikipedia/Thomas Riehle
Die Deutschen glauben den Wahlversprechen der Parteien nicht mehr. Zu Recht, wie das „Regierungsprogramm“ der Union eindrücklich belegt. Leider hat die Union noch immer nicht begriffen, was das für die repräsentative Demokratie bedeutet.
.
Die deutsche Politik hat ein handfestes Glaubwürdigkeitsproblem. Im Januar fragte der ARD-Deutschlandtrend die Ehrlichkeit der Parteien vor der Wahl ab. Das Ergebnis war niederschmetternd. Und die CDU schnitt mit dem zweitschlechtesten Ergebnis ab. Vor ihr lag die FDP, von der 81 Prozent der Befragten meinten, sie sage vor der Wahl nicht ehrlich, was sie wolle. Dasselbe sagten 74 Prozent über die CDU. Am besten schnitten die Grünen ab, die von nur 62 Prozent der Befragten der Wahllüge verdächtigt wurden.
.
Dieser Tage nun legte die Union ihr lang erwartetes Programm für die Bundestagswahl im September vor. Sie selbst nennt es „Regierungsprogramm“, aber in Wahrheit ist es nichts weiter als ein Sammelsurium haltloser und noch dazu leicht durchschaubarer Ankündigungen und Versprechen. Das hielt die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel freilich nicht davon ab, es als Zeugnis von „Maß und Mitte“ zu loben. Doch sogar der CDU-Wirtschaftsrat mochte sich die Bemerkung nicht verkneifen, das Programm sei nicht darauf angelegt, es in praktische Politik umzusetzen. Es solle nur Wähler ködern.
.

Banal und nichtssagend

.
Wenn schon eine Organisation aus den eigenen Reihen ein so vernichtendes Urteil fällt, was soll dann erst der Bürger davon halten, den seit über drei Jahren nichts so sehr umtreibt wie die Euro-Krise und mit ihr die Angst davor, Wohlstand und Alterssicherung zu verlieren?
Doch über die Euro-Krise findet der Wähler in den 128 Seiten nichts, was ihm, was Deutschland und Europa irgendwie weiterhelfen könnte.
.
Stattdessen findet er Sätze wie diesen: „Wir sind davon überzeugt, dass Europa für ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand unverzichtbar ist.“
Damit Frieden, Freiheit und Wohlstand gesichert würde, brauche Europa „eine solide Finanzpolitik, Wachstumsförderung durch Strukturreformen und mehr Investitionen in Bildung und Forschung“.
Darum wirbt die CDU dafür, die duale Ausbildung in Schule und Betrieb in anderen europäischen Ländern einzuführen.
.

Eine Frechheit

.
Was da geschrieben steht, ist eine Frechheit. Die Merkel-Partei reiht Plattitüden aneinander, produziert Worthülsen und lässt die Menschen über die wahren Umstände und Folgen der Krise im Unklaren. Die Milliarden schweren Garantieverpflichtungen verschweigt die CDU ebenso wie die Maßnahmen, mit denen sie das sich abzeichnende Desaster  einzudämmen gedenkt. Es fehlt jede Aussage dazu, wie es mit dem Euro und Europa weitergeht, wenn die sich bereits abzeichnenden zusätzlichen Hilfeersuchen aus Griechenland, Spanien und Italien eintreffen.
.
Wie will die Regierungspartei die historisch hohen Schulden bezahlen?
Schulden lassen sich nicht wegsparen, sie wollen getilgt werden. Das Geld dazu muss irgendwo herkommen. Nur sagt die CDU nicht, woher sie es nehmen will. Sie bekennt sich nicht zu der Vergemeinschaftung der europäischen Schulden, die sie unter Angela Merkel auf den Weg gebracht hat. Und schon gar nicht spricht sie darüber, was das für die deutschen Spareinlagen bedeuten könnte.
.

Die Union baut Luftschlösser

.
Genauso wenig bekennt sich die Merkel-Partei zu den geplanten Kompetenzverlagerungen auf die EU in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Schließlich soll die politische Union mit einer gemeinsamen  Wirtschaftsregierung geschaffen werden.
Das hat Angela Merkel mit den anderen Staats- und Regierungschefs vereinbart.
.
Stattdessen baut sie Luftschlösser. Ab 2015 soll der Bundeshaushalt ohne neue Schulden auskommen. Aber 2016 soll der Staat sogar schon Schulden abbauen. Das heißt, die Union will drastisch sparen, aber sie sagt nicht wo, sondern will dem Wähler weismachen, dass sie in der Lage ist, einerseits brutal zu sparen und dennoch mehr Geld in die Bildung zu investieren und die Bundesfernstraßen mit 25 Milliarden Euro auszubauen.
Wie soll das gehen?
.

Grandios gescheitert

.
Obwohl sie Schulden in gigantischer Höhe angehäuft hat, verspricht die CDU „die Mitte der Gesellschaft steuerlich entlasten“ zu wollen. Sie will die Steuertarife an die Inflation anpassen.
Dabei unterschlägt sie, dass dem Staat auf diese Weise Einnahmen in Milliardenhöhe verloren gehen.
Wie passt das alles zusammen? Gar nicht!
.
Die CDU verspricht die Energiewende, an der sie in dieser Legislaturperiode grandios gescheitert ist. Sie sagt aber nicht, was sie künftig anders machen will. Und was verbirgt sich hinter ihrem Konzept der Kombirente, die sie als Innovation fürs Alter anpreist? In Wahrheit ist sie nichts anders als das Eingeständnis, dass die gesetzliche Rente am Ende ist und die Arbeitnehmer künftig ohne Nebenverdienst nicht mehr über die Runden kommen. Lebenslanges Arbeiten ist wahre Botschaft der CDU.
.

“Wahrheit in der Urne”

.
Wer so mit seinen Wählern umgeht, der nimmt sie, vorsichtig ausgedrückt, nicht ernst. Der glaubt, sie an der Nase herumführen und mit allerlei unsinnigen Versprechen blenden zu können. Genau das aber ist es, was die Bürger leid sind. Aus diesem Grund haben sie den Parteien das Vertrauen entzogen und wenden sich ab. So wächst die Zahl der Nichtwähler seit Jahren, und die parlamentarische Demokratie bekommt ein unübersehbares Legitimationsdefizit.
.
Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit und Verantwortung sollten elementare Prinzipien der Politik sein. Nichts davon ist mehr vorhanden. Und nichts kann den Gehalt dieses Wahlprogramms von CDU und CSU besser umschreiben als der Versprecher von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bei der Vorstellung der Inhalte: „Die Wahrheit liegt in der Urne.“
So ist es. Es gibt keine Wahrheit in diesem Programm. Sie fiel der Politik zum Opfer. Leider hat die Union noch immer nicht begriffen, was diese Erkenntnis für sie und die repräsentative Demokratie bedeutet.
.
Dank an Günther Lachmann – GEOLITICO für diese Bewertung

Dunkle Wolken über dem Élysée-Palast

Hollande’s Philosophie-Stunde

.


Bildrechte: CC, Author: Eric Pouhier
.
Nach dem ersten Jahr seiner Amtszeit geht der glücklose Präsident in die Offensive und bringt sich in die vielfältigen Debatten um die Fortentwicklung Europa’s ein.
Er plädiert für
  • die Schaffung einer Europäischen Wirtschaftsregierung
  • EU-weite Harmonisierung des Steuerrechts 
  • die Einführung von Euro-Bonds
  • stärkere Anstrengungen (€ 6 Mrd.)im Kampf gegen die Jugend-Arbeitslosigkeit
  • eine Europäische Gemeinschaft der Energie (mit Übergang zu erneuerbaren Energien)
  • Investitionsstrategien für Zukunfts-Industrien
  • eine neue Phase europäischer Integration
Für sein eigenes Land verkündet er Einschnitte ins Sozialsystem. So könne das französische Rentensystem in der bisherigen Form nur schwerlich beibehalten werden. Um die vollen Bezüge zu erhalten, würden die Bürger länger arbeiten müssen, sofern das System nicht effektiver werde.
.
Dass er bei seinen Landsleuten ohnehin schon unbeliebt ist, störe ihn nicht, so der Präsident mit einem etwas aufgesetzt wirkenden Selbstbewußtsein.
.
Es gehe ihm darum Europa aus seiner Lethargie zu holen mit dem Ziel, zeitnah die Umrisse einer politischen Union zu manifestieren.
Dabei hob er hervor, dass Deutschland bereits mehrfach seine Bereitschaft für eine politische Union in Europa deutlich gemacht habe.
.
Allerdings unterließ es der Präsident, zumindest die rhetorische Frage aufzuwerfen, ob sich die Bevölkerungen in Deutschland oder Frankreich bei der Gestaltung des zentralistischen Gebildes „Vereinigte Staaten von Europa“ mit derselben -schon fast zwanghaft anmutenden- Faszination mitnehmen lassen.
.
Im Zusammenhang mit den schmerzhaften Rezessions-Auswirkungen in Frankreich und den zerfallenden Volkswirtschaften im Süden Europas, formulierte er ein nach seiner Meinung zielführendes Erfolgskonzept:

„Die Herausforderung ist das Wachstum. Es ist der Weg aus der Rezession, der die Identität Europas bedroht.“

.
Wie diese Begrifflichkeit zu definieren sein könnte, überlässt Hollande (vorsorglich) der Phantasie des geneigten Zuhörers.
.
Der Spiegel bewertet Hollande’s Einschätzungen als „Parolen für die gebeutelte Nation“.
.
Die Kritik erscheint berechtigt, zumal Le Président nicht zu präzisieren vermag, wie er seine Wachstums-Phantasien konkret umzusetzen gedenkt.
Eine Ausweitung der französischen Staatsverschuldung oder gar vergemeinschaftete europäische Schuldenpolitik, beispielsweise mit Euro-Bonds läßt erhebliche Zweifel sowohl an einer demokratisch legitimierten Umsetzung, als auch deren ökonomischer Wirksamkeit zur Lösung des Europäischen Schuldendebakels entstehen.
Hollande’s philosophischer Diskurs lässt die Vermutung zu, dass bei deren Entwicklung der enge Machtzirkel seiner politischen Paten und ggfls. Profiteure seiner Politik, z.B.
.
Jacques Attali (langjähriger Mentor Hollande’s, 2007 von Sarkozy quasi als „Feigenblatt“ zur Ermittlung des Reformbedarfs in Frankreich eingesetzt)
Marisol Touraine (Expertin für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik)
Henri de Castris (AXA-Chef, enger Hollande-Freund und Studienkollege an der Eliteschule ENA)
Gérard Mestrallet (leitet den Energie-Multi GDF Suez und gilt als wichtiger Berater des Präsidenten)
Jean-Pierre Jouyet (Leiter der Finanzaufsicht AMF und einflussreicher Ratgeber zu Fragen der Finanzmärkte)
Emmanuel Macron (Partner von Rothschild & Cie .. soll nach französischen Medieninformationen maßgeblich an Hollande’s Wirtschaftsprogramm mitgewirkt haben)
Mathieu Pigasse (Europa-Vizechef der Bank Lazard und Aktionär des Medienkonzerns Le Monde, gilt als einflußreicher Unterstützer Hollande’s)
.
beratend zur Seite standen.
.
Wer an der Stelle berechtigte Kritik an Hollande’s Gedankengut formuliert, könnte beim Studium der Wahlkampf-Thesen zur Bundestagswahl überraschende Schnittmengen feststellen:
.
.
Eine Kurzanalyse des Büro Brüssel der österreichischen Bundesarbeitskammer zu den ‚Verträgen für Konvergenz- und Wettbewerbsfähigkeit‘ findet sich hier.
.
ergänzende Video-Clip’s
.
 
Francois Hollande: „We want to work together for the good of Europe“
.

.
.

Ihr Oeconomicus

.
.

CROSSPOST GEOLITICO


Walters Woche: „Wir haben eine Wirtschaftsregierung“

Walters Woche: „Wir haben eine Wirtschaftsregierung“

„Die Stimmen, die eine europäische Wirtschaftsregierung verlangen, werden lauter.
Ist das des Euros letzte Rettung? Und wie sollte eine solche Regierung überhaupt aussehen?
Diese Fragen und mehr beantwortet n-tv Finanzmarktexperte Norbert Walter.“

Norbert Walter im Interview…

Anmerkung

Eine europäische Wirtschaftsregierung bedeutet am Ende des Tages nichts anderes als einen spürbaren Entdemokratisierungsprozess. Sobald die Menschen dies erkannt haben und bei ihrer individuellen Lebensgestaltung spüren, kann dieser Weg zu erheblichen Verwerfungen des sozialen Friedens beitragen.

Ihr Oeconomicus


„Die Rettungsschirme laufen aus – das haben wir klar vereinbart“

„Die Rettungsschirme laufen aus – das haben wir klar vereinbart“

Dr. Wolfgang Schäuble im Interview nach seiner Teilnahme an einer Sitzung des französischen Kabinetts.

Jede Wette, dass Ihr Vorschlag gleichwohl nicht verwirklicht und stattdessen der Rettungsschirm für die Euroländer verlängert wird.

„Solange Angela Merkel Bundeskanzlerin ist und ich Finanzminister bin, würden Sie diese Wette verlieren. Die Rettungsschirme laufen aus. Das haben wir klar vereinbart. Griechenland wird insgesamt drei Jahre die Kreditlinien in Anspruch nehmen können. Dann können sie noch fünf Jahre laufen. Danach ist Schluss.“

Bundesfinanzministerium – 24.07.2010


Euro-Länder beschließen Hilfspaket für Griechenland

Euro-Länder beschließen Hilfspaket für Griechenland

Die 16 Länder der Euro-Zone haben sich auf einen Hilfsplan für das hoch verschuldete Griechenland geeinigt und damit einen wochenlangen Streit über den richtigen Kurs in der Krise beigelegt.

Europäische Wirtschaftsregierung soll kommen
[…]
Kredite nur als „ultima ratio“
[…]
Wird Athen die Kreditzusagen brauchen?
Der Vorsitzende der Eurogruppe, der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker, erwartet nach dem Hilfsversprechen eine Beruhigung der Finanzmärkte. „Die Spekulanten wissen jetzt, dass Griechenland nicht alleine gelassen wird“, betonte er. Juncker zeigte sich aber fest davon überzeugt, „dass Griechenland diese Hilfe nie wird in Anspruch nehmen müssen, weil das griechische Konsolidierungsprogramm in höchstem Maße glaubwürdig ist“.
[…]
Kampf um Glaubwürdigkeit
[…]
Griechenland-Paket soll kein Beispiel sein
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy schloss ähnliche Hilfen für andere Staaten in finanziellen Schwierigkeiten vorerst aus. Der griechische Fall sei eine Ausnahme, sagte er in Brüssel. Die Euro-Länder hätten in erster Linie die „sehr klare politische Botschaft ausgesandt“, dass man Griechenland nicht fallenlasse. Die Situation Portugals, dessen Kreditwürdigkeit ebenfalls herabgestuft wurde, bezeichnete Van Rompuy als „völlig anders“. Neben Griechenland und Portugal haben auch Spanien und Irland mit einer Rekordverschuldung zu kämpfen.

Quelle