EU hat 1634-seitiges CETA-Vertragswerk ins Netz gestellt (!)
Veröffentlicht: 26. September 2014 Abgelegt unter: CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement), Investitionsschutzabkommen - International Investment Treaties | Tags: Bildungsanerkennung, Datenschutz, Finanzdienstleistungen, Fritz Glunk, Investitionsschutz, ISDS-Schiedsklauseln, kommunale Selbstverwaltung, Niederlassungsfreiheit, Organstreitverfahren, Prof. Dr. Axel Flessner, Ratchet-Klausel, Richterliches Rechtsprechungsmonopol, Sozialstandards, Subsidiaritätsklage, Urheberrecht, Verfassungsbeschwerde, Vertragsabschlusskompetenz, Zuwanderung 12 KommentareEU hat 1634-seitiges CETA-Vertragswerk ins Netz gestellt (!)
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PDF – (1634 Seiten)
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Ihr Oeconomicus
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Erkenntnisse & Kommentare
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TTIP steht heftig in der Kritik
Unechter Freihandel
„Freihandel“ ist das große Argument für die Freihandelsabkommen, jetzt mit Kanada (CETA) und mit den Vereinigten Staaten von Amerika (TTIP), das alle Kritik an diesen Abkommen zu ersticken sucht. Für gegenseitige Vorteile echten Freihandels fehlen aber die Voraussetzungen. Die Abkommen werden den unechten Freihandel verstärken, welcher den Nutzen der international agierenden Finanzoligarchie und ihrer Unternehmen stärkt, nicht den Wohlstand der Völker mehrt. Die Grundlagen der sogenannten Freihandelspolitik, der sich die Europäische Union verschrieben hat, sollten bedacht sein, bevor konkrete Freihandelsabkommen geschlossen werden. Ich äußere mich als Staatswissenschaftler, der notwendig Staatsrechtslehre und Volkswirtschaftslehre zur Einheit verbindet.
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Prof. Dr. Karl-Albrecht Schachtschneider – 28.10.2014
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Zustimmung zu CETA wäre verfassungswidrig
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Souveränität – an diesen drei Grundpfeilern sägt das geplante EU-Kanada-Abkommen CETA. Dennoch wollen Sigmar Gabriel und Co. das Abkommen auf jeden Fall – und nehmen mögliche Milliardenklagen in Kauf. Der Rechtsprofessor Prof. Dr. Axel Flessner ist darüber verwundert und verrät im Interview, was hinter diesen Absichten stecken könnte.
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campact – 24.09.2014
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CETA nicht verharmlosen – keine Entwarnung beim Investorenschutz
Gutachten spielt Sonderrechte für Konzerne herunter
Zwei Tage vor dem EU-Kanada-Gipfel in Ottawa warnt Attac davor, die Gefahren durch das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) zu verharmlosen.
“Es bleibt dabei: CETA darf nicht unterzeichnet werden”
sagt Roland Süß vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.
“Insbesondere beim geplanten Investorenschutz gibt es keinen Anlass für Entwarnung. Der Vertragstext strotzt nur so vor unklaren Formulierungen, die viel Spielraum für Interpretationen im Sinne der Konzerne lassen. Mit CETA würde eine intransparente Paralleljustiz mit Sonderrechten für Konzerne etabliert. Das ist und bleibt inakzeptabel.”
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attac – 24.09.2014
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Das CETA-Abkommen mit Kanada ist rechtswidrig
Jetzt sind wir nicht mehr auf Vermutungen angewiesen: Die 1500 Seiten des Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) liegen vor, Ende September wollen die Vertragspartner sie in Ottawa unterschreiben. Was sie dort unterschreiben, ist wenig amüsant. Mehr noch: Es gibt Anlass zu der Frage, ob die EU-Kommission zu den Verhandlungen bestimmter Kapitel des Abkommens überhaupt befugt war, mit anderen Worten: Ist CETA rechtswidrig?
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Fritz Glunk – Blog: Dr. Norbert Häring – 07.09.2014
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follow-up, Oktober 2014
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Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben für das
Comprehensive Economic and Trade Agreement der EU und Kanada (CETA)
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Juristisches Kurzgutachten im Auftrag von attac/München
Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano, LL.M. (EUI)
Johan Horst, LL.M. (Georgetown)
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Zentrum für europäische Rechtspolitik (ZERP)
Fachbereich Rechtswissenschaft, Universität Bremen
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[Anmerkungen, Hervorhebungen und Link-/Querverweise by Oeconomicus]
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A. INHALTSVERZEICHNIS
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B. FRAGESTELLUNG
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C. RECHTSGUTACHTEN
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I. EUROPARECHTLICHE ANFORDERUNGEN AN DAS CETA
1. Verbandskompetenz der EU
a) Investitionsschutz: Materielle Regelungen
b) Investitionsschutz: Streitbeilegung zwischen Investor und Staat
c) Weitere Sachbereiche
d) Schaffung von Ausschüssen
e) Zwischenergebnis
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2. Ratifikationsverfahren auf Unionsebene
a) Zustimmung des Europäischen Parlaments
b) Einstimmigkeit im Rat
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3. Materielle Rechtmäßigkeit
a) ISDS-Schiedsklauseln des CETA
aa) Der Grundsatz der Autonomie der Unionsrechtsordnung
bb) Die Autonomie der Unionsrechtsordnung und ISDS-Klauseln
cc) Verletzung der Autonomie der Unionsrechtsordnung
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b) Die Ausschuss-Struktur des CETA-Abkommens
aa) Joint Committee
bb) Committee on Services and Investment
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c) Menschen- und umweltrechtliche Anforderungen
aa) Materieller Verpflichtungsgehalt der Umwelt- und Menschenrechte für die EU
bb) Menschen- und Umweltrechte beim Abschluss des CETA
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(1) Keine Absicherung der Menschen- und Umweltrechtsstandards im Investitionsschutzrecht
(a) Die Praxis der Investitionsschiedsgerichte
(b) Die Investitionsschutzklauseln des CETA
(c) Fehlende menschen- und umweltrechtliche Gewährleistungen im CETA
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(2) Fehlende Sozialstandards
(3) Mangelhafte Gesundheits- und Umweltstandards
(4) Fehlender Schutz von Individual- und Allgemeingütern
d) Kommunale Selbstverwaltung, Art. 4 Abs. 2 EUV
[„Die Union achtet die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt. Sie achtet die grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der nationalen Sicherheit. Insbesondere die nationale Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten.“]
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II. GRUNDGESETZLICHE ANFORDERUNGEN AN DAS CETA
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1. Formelle Rechtmäßigkeit: Verfassungskonformes Zustandekommen
a) Vertragsabschlusskompetenz
b) Gesetzgebungsverfahren
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2. Materielle Rechtmäßigkeit
a) Art. 92 GG: Richterliches Rechtsprechungsmonopol beim Investitionsschutz
[„Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.“]
b) Art. 38 iVm 20 Abs. 1, 28 GG: Demokratische Rückbindung
c) Menschen- und Umweltrechte
d) Art. 28 Abs. 2 GG: Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung
[„Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.“]
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III. RECHTSSCHUTZ
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1. Rechtsschutz auf EU-Ebene
a) Nichtigkeitsklage, Art. 263 AEUV
b) Subsidiaritätsklage, Art. 263 AEUV
[„Der Gerichtshof der Europäischen Union überwacht die Rechtmäßigkeit der Gesetzgebungsakte sowie der Handlungen des Rates, der Kommission und der Europäischen Zentralbank, soweit es sich nicht um Empfehlungen oder Stellungnahmen handelt, und der Handlungen des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates mit Rechtswirkung gegenüber Dritten. Er überwacht ebenfalls die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union mit Rechtswirkung gegenüber Dritten.
Zu diesem Zweck ist der Gerichtshof der Europäischen Union für Klagen zuständig, die ein Mitgliedstaat, das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung der Verträge oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs erhebt.
Der Gerichtshof der Europäischen Union ist unter den gleichen Voraussetzungen zuständig für Klagen des Rechnungshofs, der Europäischen Zentralbank und des Ausschusses der Regionen, die auf die Wahrung ihrer Rechte abzielen.
Jede natürliche oder juristische Person kann unter den Bedingungen nach den Absätzen 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.
In den Rechtsakten zur Gründung von Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union können besondere Bedingungen und Einzelheiten für die Erhebung von Klagen von natürlichen oder juristischen Personen gegen Handlungen dieser Einrichtungen und sonstigen Stellen vorgesehen werden, die eine Rechtswirkung gegenüber diesen Personen haben.
Die in diesem Artikel vorgesehenen Klagen sind binnen zwei Monaten zu erheben; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat.“]
c) Gutachtenverfahren, Art. 218 Abs. 11 AEUV
[„Ein Mitgliedstaat, das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission können ein Gutachten des Gerichtshofs über die Vereinbarkeit einer geplanten Übereinkunft mit den Verträgen einholen. Ist das Gutachten des Gerichtshofs ablehnend, so kann die geplante Übereinkunft nur in Kraft treten, wenn sie oder die Verträge geändert werden.“]
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2. Rechtsdurchsetzung auf nationaler Ebene
a) Verfassungsbeschwerde
b) Organstreitverfahren
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D. ZUSAMMENFASSUNG
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- Das CETA ist ein „gemischtes Abkommen“. Es kann nur in Kraft treten, wenn die EU und die Mitgliedstaaten das Abkommen ratifizieren. Unter dem Grundgesetz ist dafür nicht nur die Zustimmung des Bundestages, sondern auch des Bundesrates notwendig.
- Die Einführung von Investor-Staats-Schiedsgerichten im CETA verletzt das im Unionsrecht (Art. 19 EUV iVm Art. 263 ff. AEUV) und im Grundgesetz verankerte richterliche Rechtsprechungsmonopol (Art. 92 GG). Der EU fehlt zudem die Kompetenz, ein solches Verfahren auf Portfolioinvestitionen und den Bereich der Finanzdienstleistung zu erstrecken.
- Das CETA verletzt den verfassungs- und unionsrechtlich verankerten Grundsatz der Demokratie durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „indirekte Investition“ und „fair and equitable treatment“, die die demokratische Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialordnung durch die Einräumung von Schadensersatzansprüchen unverhältnismäßig einschränken und deren Auslegung einem demokratisch nicht legitimierten Ausschusssystem überantwortet wird, das seine Spitze im Joint Committee findet. Das Europäische Parlament und die nationalen Legislativ- und Exekutivorgane sind nicht hinreichend in dieses System eingebunden. Der Union fehlt zudem im Hinblick auf eine Reihe von Regelungsbereichen die Kompetenz zur Errichtung der Ausschüsse, weshalb Entscheidungen nicht in Ausschüssen gefällt werden dürfen, in die nationale Organe nicht eingebunden sind.
- Das CETA beeinträchtigt durch die Negativliste, die Ratchet-Klausel, die weitgehende Marktöffnung auch im Bereich kommunaler Dienstleistungen und das Verbot von Offsets, also das Verbot der gezielten Förderung lokaler Belange, die im Unionsrecht und im Grundgesetz verankerte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung unverhältnismäßig.
[Anmerkung zur Ratchet-Klausel:
Mit der in den Vertragsentwürfen enthaltenen Ratchet-Klausel besteht in der Praxis bei einmal erfolgter Privatisierung ein vollständiges Rekommunalisierungsverbot. Mit der ebenfalls geplanten Standstill-Klausel wird gleichzeitig festgelegt, dass neue Dienstleistungen nicht mehr von Unternehmen der öffentlichen Hand erbracht werden dürfen, sondern dem privaten Wettbewerb unterliegen. Die Vorteile der internationalen Schiedsgerichte, die vom Europäischen Parlament anscheinend schon akzeptiert wurden, gelten im Übrigen auch in Zukunft nur für ausländische Investoren. Die Auswirkungen kann man derzeit schon im Zusammenhang mit dem deutschen Atomausstieg erkennen: Während die deutschen Konzerne deutschen Gerichten unterliegen, geht Vattenfall über ein Schiedsgericht der Weltbank in Washington gegen die Bundesrepublik vor.
Im Bereich der Bildung sind heute schon zahlreiche Einrichtungen in private Trägerschaft überführt. Zumeist handelt es sich dabei um kirchliche Träger, die als sogenannte Tendenzbetriebe besondere Zuwendungen des Gesetzgebers genießen. Derzeit kann nur spekuliert werden, ob die ökonomischen Vorteile der Tendenzbetriebe auch internationalen Investoren im deutschen Bildungsbetrieb geboten werden müssen. Dass die Privatisierung des Schulwesens nicht immer von Erfolg geprägt ist, zeigt sich in Europa am Beispiel Schweden.
Auch im Bereich des Gesundheitswesens muss damit gerechnet werden, dass verstärkt private Unternehmen zum Zuge kommen. Da es Investoren erlaubt werden soll, ihre Dienstleistungen in jedem Vertragsstaat mit eigenem Personal zu erbringen, das dann auch den Vorschriften des Herkunftslandes unterliegt, wird der Wettbewerb in verstärktem Umfang auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Und was spricht dagegen, dass auch das gesamte Rettungswesen einschließlich der Feuerwehr für den privatwirtschaftlichen Wettbewerb geöffnet wird.
Mit TISA steht jedoch auch das Banken-System in Deutschland wieder einmal zur Disposition. Hier sind es in erster Linie die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen, die in ihrer derzeitigen Form nicht so recht ins Beuteschema der internationalen Finanzkonzerne passen wollen.] - Das CETA ist vor dem Hintergrund der menschen- und umweltrechtlichen Verpflichtungen der EU und der Mitgliedstaaten problematisch, weil es Sozial-, Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards nicht hinreichend verankert.
- Im Hinblick auf die gerichtliche Durchsetzung der o.g. Verpflichtungen kann der Europäische Gerichtshof angerufen werden und nach Art. 279 AEUV ggf. einstweilige Anordnungen erlassen:
a. Der EuGH kann im Wege des Gutachtenverfahrens mit dem CETA befasst werden. Antragsberechtigt sind insbesondere das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten. Nach § 7 IntVG müsste die Bundesregierung einem diesbzgl. Verlangen des Bundesrates nachkommen.
b. Auch eine Subsidiaritätsklage kann beim EuGH anhängig gemacht werden. Antragsberechtigt sind die Mitgliedstaaten, ihre Parlamente und deren Teile. Nach § 126a GOBT setzt dies einen Antrag „aller Mitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen,“ voraus.
c. Schließlich sind Nichtigkeitsklagen nach Art. 263 AEUV beim EuGH zulässig. Privilegiert klageberechtigt sind das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten. Nach § 7 IntVG müsste die Bundesregierung einem diesbezüglichen Verlangen des Bundesrates nachkommen. Nichtprivilegierte Kläger, wie bspw. Gemeinden und juristische Personen, müssten eine individuelle Betroffenheit durch das CETA nachweisen. - Im Hinblick auf die gerichtliche Durchsetzung der o.g. Verpflichtungen kann das Bundesverfassungsgericht im Wege der Verfassungsbeschwerde und des Organstreitverfahrens angerufen werden. Über eine einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG kann dem deutschen Vertreter im Europäischen Rat die Zustimmung zum CETA ggf. vorläufig untersagt werden.
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Quelle: Uni Bremen – Fachbereich Rechtswissenschaft – [PDF – 41 Seiten]
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Welt blickt nach Karlsruhe: Ein Urteil entscheidet über die Zukunft des Euro
Veröffentlicht: 12. September 2012 Abgelegt unter: Bundeshaushalt, ESM, Verfassungsbeschwerden | Tags: BVerfG, ESM, Fiskalpakt, Urteil, Verfassungsbeschwerde Hinterlasse einen KommentarWelt blickt nach Karlsruhe: Ein Urteil entscheidet über die Zukunft des Euro
Es ist die Entscheidung über die grösste Verfassungsbeschwerde der deutschen Geschichte: Die Richter verkünden voraussichtlich um 10 Uhr, ob der Euro-Rettungsschirm ESM und der Fiskalpakt starten dürfen.
20min.ch
Phoenix vor Ort:
Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Heute, Mittwoch, 12.09.12, 08.45 – 18.45 Uhr
Internationale Stimmen
ALJAZEERA
FINANCIAL INFO
IRISH TIMES
BBC News
CNN
euobserver
The New York Times
Euro-Staatsstreich vertagt
Veröffentlicht: 23. August 2012 Abgelegt unter: €URO, Finanzkrise | Tags: Budget-Hoheit, BVerfG, D-Mark, DEMOKRATIE, Dr. Wolfgang Schäuble, ESM, ISLAND - ICELAND, Prof. Andreas Voßkuhle, Prof. Dr. rer. pol. Wilhelm Hankel, Verfassungsbeschwerde, Wohlstandsopfer Hinterlasse einen KommentarEuro-Staatsstreich vertagt
von Prof. Dr. Wilhelm Hankel, Donnerstag, 23. August 2012 um 00:57
Bildrechte: Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Rechteinhabers
Der Rettungsschirm ESM gefährdet unsere Demokratie und unsere Sparguthaben. Die Karlsruher Verfassungsrichter haben ihn bis 12 September gestoppt.
Die Karlsruher Verfassungsrichter, vergleichbar den Ephoren im alten Sparta haben am 10. Juli ihre Entscheidung zum permanenten Rettungsschirm ESM, dem neuen Vertragspaket zur Euro-Rettung, fürs erste vertagt. Schon dass sie den Eil-Anträgen der vier Kläger-Gruppen (der Alt-Kläger um die Professoren Karl Albrecht Schachtschneider, meiner Wenigkeit und anderen, des CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler, der Fraktion Die Linke im Bundestag und einer Bürgerinitiative um die frühere Justizministerin Herta Däubler-Gmelin mit 23.000 Bürgerstimmen) stattgaben, war eine Sensation.
Die Bundesregierung war mehr als überrascht. Das zeigte sich am Formtief ihrer Repräsentanten, dem Bundesfinanzminister an der Spitze, bei der Verhandlung. Dass Wolfgang Schäuble unumwunden Abstriche an Deutschlands Demokratie sowie Wohlstandsopfer der Bürger als Preis für das Gelingen des Projektes Vereintes Europa bezeichnete und anforderte, veranlasste Gerichtspräsident Andreas Vosskuhle zur mahnenden Gegenrechnung: Europa brauche die Demokratie in Deutschland genau so wie Deutschland Europa.
Es waren die unfreiwilligen Steilvorlagen der Regierungsvertreter und der auf die Euro-Rettung um jeden Preis eingestimmten Parlamentarier, die die Verfassungsrichter zunehmend nachdenklicher machten und zu Nachfragen veranlassten. Am Ende stand fest: Einen kurzen Prozess, wie ihn die Bundesregierung sich wünscht, wird es mit Deutschlands Verfassungshütern nicht geben. Dafür steht zu viel an Grundrechten der Bürger, an ihrer Freiheit und an ihren Ersparnissen auf dem Spiel.
Die Argumente von uns Alt-Klägern lassen sich in fünf Punkten zusammenfassen.
- Durch den ESM wird nicht der Euro gerettet, sondern es werden schlecht regierte Euro-Staaten und verzockte Banken vor dem Konkurs bewahrt.
- Die Verträge über das Funktionieren der Währungsunion werden durch den ESM auf den Kopf gestellt. Mit den Hilfen des ESM soll belohnt werden, was bisher strikt untersagt war: hemmungsloses öffentliches und privates Schuldenmachen und das Haften andrer Staaten für den Euro-Sünder. Mit dem ESM und seinen Aufgaben wird ein Grundpfeiler unseres Rechtsystems und unserer marktwirtschaftlichen Ordnung ausgehebelt: die Eigenverantwortung für Versagen und Verluste.
- Der ESM sprengt mit seiner Macht alle demokratischen Verfassungen der europäischen Staaten und mit seinen Mitteln alle Dimensionen der europäischen Finanzwirtschaft. Sein Stammkapital ist mir 700 Milliarden Euro mehr als doppelt so groß wie ein deutscher Staatshaushalt und übertrifft insgesamt die Mittel von Europäischer Zentralbank, Bundesbank und der Deutschen Bank (als größter europäischer Privatbank) bei weitem. Europa wird statt von seinem Staaten und ihren demokratisch gewählten Politikern von der Geschäftsleitung des ESM regiert. Diese ist buchstäblich autark, denn sie schuldet keinem Parlament Rechenschaft, genießt Immunität und ist nicht gezwungen, Weisungen der Geldgeber zu befolgen. Die Euro-Länder liefern sich einer anonymen Finanz-Diktatur aus, deren Einfluss unser Leben bestimmen wird.
- Nachdem die Euro-Politiker bereits den Staaten Geld-Hoheiten und –Verantwortung genommen haben, starten sie nunmehr den Angriff auf deren Budget-Hoheit, den harten Kern der Demokratie. Wenn die Erstausstattungen des ESM nicht reicht, kann er Nachschüsse verlangen. Niemand kann verlässlich sagen, wo deren Grenze liegt. Die Gesetzeslage ist nicht klar. Deutschland läuft Gefahr, solange zahlen müssen, wie es das (noch) kann. Dem Finanzminister, der so etwas unterschreibt oder vorantreibt, sollten die Hände verdorren.
- Deutschland braucht einen starken Euro – so stark wie die D-Mark. Diesen starken Euro kann es aber im Verbund mit den heutigen (und morgigen) Schuldenländern nicht geben. Sie werden auch künftig versuchen, das schwarze Loch zwischen ihrer relativ niedrigen Produktivität und dem allseits gewünschten hohen Lebensstandard durch fremdes Geld zu stopfen – unseres!
Europa steht am Rubikon: Es muss die Währungsunion auflösen, bevor sie zur Sozialkrise führt. Im Südgürtel der Euro-Zone ist diese bereits angekommen. Mehr Arbeitslosigkeit, besonders unter der Jugend, ist kaum noch vorstellbar. Mehr Perspektivenlosigkeit für die Bürger auch nicht. Das alles steht dem zahlenden Norden, insbesondere Deutschland, noch bevor.
[…]
Die Karlsruher Richter haben erkannt, dass das vom Bundestag verabschiedete ESM-Gesetz Pfusch ist. Ich rechne nicht unbedingt damit, dass sie in ihrem Urteil am 12. September frontal gegen die Bundesregierung entscheiden werden. Aber sie werden sie zur Nachbesserung des Gesetzes verpflichten. Damit würde sich das Inkrafttreten des ESM um viele Monate verzögern, und das wäre faktisch das Todesurteil für den ESM und damit für den Euro. Über einen solchen Ausgang sollte niemand traurig sein.
Würde die Beendigung der fatalen Euro-Rettung wirklich größeren Schaden anrichten als ihre Endlos-Fortsetzung? Gilt nicht auch hier das Sprichwort: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende? Die Euro-Politiker behaupten: Ein Abbruch der Währungsunion verursache Kosten (zu fragen ist: bei wem?), die nicht mehr zu verkraften seien: Staatsbankrotte, Bankensanierungen, eine tiefe und lang angehaltende Krise der Realwirtschaft wie vor 80 Jahren, als nach dem „schwarzen Freitag“ und dem Zusammenbruch des weltweiten Goldstandards – nach der Pfund-Abwertung vom September 1931 – die wesentliche Weltwirtschaft kollabierte.
Eine Reise an Europas nördliche Peripherie, zur Insel Thule (Island), würde allerdings zeigen, wie wenig das Damals mit dem Heute zu vergleichen ist. Das kleine Land, das kein Mitglied der Euro-Zone und der EU ist, verlor beim Ausbruch der globalen Finanzkrise (in den Jahren 2008/2009) sein gesamtes Bankensystem. Bemerkenswerterweise verzichtet man anschließend auf dessen Sanierung auf Staats- und Steuerzahlerkosten, stattdessen ließ man die verzockten Banken pleitegehen. Die Inlandssparer wurden auf Staatskosten entschädigt, Aktionäre, Auslandsinvestoren sowie die verantwortlichen Manager gingen leer aus. (Einige der Auslandsinvestoren reichten Klage ein, wurden aber per Referendum abgewiesen, die Manager vor Gericht gestellt.) Seine überdimensionierten Bankschulden war das Land mit dieser Maßnahme los; sie drohten weder dem Staat noch der Wirtschaft zum Verhängnis zu werden. Der Staat musste sie weder übernehmen noch nachfinanzieren. Die Währung wurde zunächst drastisch ab- und später wieder leicht aufgewertet (und notiert derzeit um 50 Prozent gegenüber dem Stand vor der Krise). Island wird im Jahr 2012 ein Wirtschaftswachstum zwischen zwei und drei Prozent erzielen, das damit höher ist als jenes aller anderen Staaten der Euro-Zone. Islands Staatsanleihen, die inzwischen wieder gehandelt werden, werden mit BBB+ bewertet und kosten den Fiskus um die fünf Prozent pro Jahr, weit weniger also als die Zinsen, die jedes Krisenland der Euro-Zone zahlen muss.
Die moderne Island-Saga lehrt dreierlei: Ein Land mit eigener Währung hilft sich immer selbst; es ist weder auf fremde Unterstützung angewiesen, noch muss es fürchten, seine Staatlichkeit zu verlieren und zum finanziellen Protektorat seiner Helfer abzusinken, seien es nun EU oder IWF. Ein Land mit eigener Währung kann immer den Staatsbankkrott vermeiden und durch die externe Währungsabwertung ersetzen (was innerhalb der Euro-Zone unmöglich ist). Diese stellt dann die verlorene Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft und die Kreditfähigkeit des Staates wieder her. Das Land bleibt damit unabhängiger und gleichberechtigter Partner der Weltwirtschaftsfamilie; es gewinnt sein > in der globalen Finanzwelt wieder zurück. So geschah es mit allen Abwertungsländern seit den Tagen der Phönizier.
Bleibt abschließend zu fragen: Warum gehen EU und Europapolitik nicht diesen historischen und letztlich immer erfolgreichen Weg der Lösung der europäischen Währungskrise? Weshalb wird die Krise des Euro zum Mittel der Machterweiterung der EU und ihrer Organe missbraucht sowie zur Einschränkung (wenn nicht gar Abschaffung) von Rechtstaat und Demokratie in den (noch) souveränen Staaten Europas genutzt? Wem nutzt die Euro-Rettung, und wer verdient wie viel an ihr? Wie ehrlich sind die Argumente eines George Soros, der den Deutschen vorhält, zu wenig für Europa zu tun und noch immer nicht genügend Geld auf dem Altar des alten Kontinents verbrannt zu haben? Meint dieser Meisterspekulant Europas Krisenländer oder seine eigenen Konten?
Deutschland hat mit der Preisgabe seiner harten, stabilen D-Mark über Nacht alle mit einer solchen Währung verbundenen Vorteile verloren: den Zins- und den Wachstumsvorsprung der eigenen Volkswirtschaft vor denen der Nachbarn (mit Einführung der Euro-Zeit verwandelte sich Europas ehemalige Konjunkturlokomotive in den Wagen mit dem roten Schlusslicht), den Aufwertungsgewinn für die eigene Bevölkerung und Volkswirtschaft (Karl Schiller nannte ihn ein permanente Sozialdividende), der die Kosten- und Wettberwerbssituation der vom Import teurer Rohstoff-, Energie- und Vorprodukte abhängigen deutschen Industrie nachhaltig verbesserte), sowie die magnetische Anziehungskraft des Standortes Deutschland für Auslandskapital und –beteiligungen.
Deshalb: Gebt unsere D-Mark zurück!
Quelle: Prof. Dr. Wilhelm Hankel
Klage gegen ESM erweitert
Veröffentlicht: 5. August 2012 Abgelegt unter: BVerfG, DEUTSCHLAND - GERMANY, ESM, EZB, Verfassungsbeschwerden | Tags: Bundestag, BVerfG, Dietrich Murswiek, ESM, EZB, Franz Mayer, GRIECHENLAND / GREECE, Herta Däubler-Gmelin, Ingolf Pernice, ITALIEN, Mario Draghi, Peter Gauweiler, Rettungsschirm, SPANIEN, Verfassungsbeschwerde Hinterlasse einen KommentarKlage gegen ESM erweitert
Nachdem das Bundesverfassungsgericht derzeit die Rechtmäßigkeit des ESM prüft, soll es nun auch untersuchen, inwieweit die Finanzierung des Rettungsschirms durch Kredite der Europäischen Zentralbank rechtens ist.
Wie das Manager Magazin berichtet, hat Prof. Dietrich Murswiek hat als Prozessbevollmächtigter von Dr. Peter Gauweiler (MdB – CSU) die bereits anhängige Verfassungsbeschwerde um diesen Punkt erweitert.
Ergänzungen und Erweiterungen zur Verfassungsbeschwerde vom 06.07.2012 – Beschwerdeführer: Dr. iur. Wolfgang Philipp – Seite 7/7
Veröffentlicht: 1. August 2012 Abgelegt unter: BVerfG, DEUTSCHLAND - GERMANY, Verfassungsbeschwerden, Wolfgang Philipp | Tags: Auflösung des Rechtsstaats, Dr. iur. Wolfgang Philipp, ESM-Mitgliedsstaat, Pflichtverletzungen, Rechtsstaatsprinzip, Verfassungsbeschwerde Hinterlasse einen KommentarErgänzungen und Erweiterungen zur Verfassungsbeschwerde vom 06.07.2012
Beschwerdeführer: Dr. iur. Wolfgang Philipp
Seite 7/7
jeder ESM-Mitgliedsstaat unverzüglich alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um diesen Artikel in seinem eigenen Recht in Kraft zu setzen. Das würde bedeuten, dass beispielsweise der deutsche Bundesfinanzminister auch wegen schwerster Pflichtverletzungen, die mit seiner Mitgliedschaft im Gouverneursrat zusammenhängen und deutsche Interessen verletzen können, nicht zur Verantwortung gezogen werden könnte. So etwas kann nach deutschem Recht gar nicht ‑ entgegen Art. 35 Abs. 4 ‑ durchgesetzt werden, da es gegen das Rechtsstaatsprinzip verstieße, zivil‑ und strafrechtliche Normen nicht mehr allgemein gelten zu lassen sondern bestimmte Personen davon auszunehmen. Auch an dieser Stelle ist die Auflösung des Rechtsstaats in vollem Gange.
Rechtsanwalt
© by Herrn RA Dr. iur. Wolfgang Philipp – Veröffentlichung und Weiterverwendung dieses Dokuments erfolgt im Auftrag von Herrn Dr. Wolfgang Philipp.
Zitate aus diesem Dokument – auch auszugsweise – nur unter Angabe dieser URL oder mit Genehmigung von Herrn Dr. Philipp
Ergänzungen und Erweiterungen zur Verfassungsbeschwerde vom 06.07.2012 – Beschwerdeführer: Dr. iur. Wolfgang Philipp – Seite 6/7
Veröffentlicht: 1. August 2012 Abgelegt unter: BVerfG, DEUTSCHLAND - GERMANY, Verfassungsbeschwerden, Wolfgang Philipp | Tags: „Geberländer“, „Persönliche Immunitäten“, „Stabilitätshilfen“, Dr. iur. Wolfgang Philipp, ESM-Mitglieder, externe Abschlussprüfer, Gouverneursrat, Haushaltshoheit, Verfassungsbeschwerde, Weitere Ungereimtheiten Hinterlasse einen KommentarErgänzungen und Erweiterungen zur Verfassungsbeschwerde vom 06.07.2012
Beschwerdeführer: Dr. iur. Wolfgang Philipp
Seite 6/7
Interessenkonflikt auch die Haushaltshoheit des Deutschen Bundestages massiv beeinträchtigt.
IV.
Weitere Ungereimtheiten
1. Ein ähnliches Problem taucht auf, wenn ESM-Mitglieder „Stabilitätshilfen“ bei dem ESM verlangen. Der ESM-Vertrag enthält keine Regeln darüber, ob und inwieweit sie auch in diesem Falle stimmberechtigt sind. Das führt zu der absurden Situation, dass die Antragsteller selbst darüber entscheiden können, ob ihr Antrag auch genehmigt wird. Auf diese Weise entscheiden sie über die Haushaltskassen der „Geberländer“ mit, es sei denn, ihr Stimmrecht ist bereits gemäß Art. 4 Abs. 8 ausgesetzt. Auch dadurch wird das Haushaltsrecht und das zur Klage berechtigende Grundrecht der Bf verletzt.
2. Mit dem Grundsatz, Interessenkollisionen zu vermeiden, unvereinbar ist auch die Regel in Art. 5 Abs. 9. Danach nimmt der Gouverneursrat seine Geschäftsordnung und die Satzung des ESM an: Es ist absolut ungewöhnlich, dass sogar die Satzung einer juristischen Person nicht von deren Mitgliedern, sondern von einem von diesen ernannten Organ festgesetzt wird. Auch an dieser Stelle können heftige Interessenkollisionen auftreten, bei denen dann die Mitglieder des Gouverneursrates in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der heimischen Kabinette in höchst zwielichtige Interessenkonflikte geraten können.
3. Nach Art. 27 billigt der Gouverneursrat den Jahresabschluss des ESM. Nach Art. 29 wird der Abschluss von unabhängigen externen Abschlussprüfern geprüft, die mit Zustimmung des Gouverneursrats bestellt werden. Während nach deutschem Aktienrecht die Abschlussprüfer nicht etwa von Vorstand und Aufsichtsrat sondern von der Hauptversammlung bestellt werden, bestellt nach dem ESM-Vertrag der Gouverneursrat seine eigenen Prüfer, auch dies ist ein unerträglicher Interessenkonflikt.
4. Offenbar in Erkenntnis dieser unauflöslichen Konflikte sieht der ESM-Vertrag in Art. 35 eine geradezu unglaubliche Regelung vor mit der Überschrift „Persönliche Immunitäten“. Danach genießen „im Interesse des ESM“ die Mitglieder des Gouverneursrats, die Mitglieder des Direktoriums sowie der Geschäftsführende Direktor und die anderen Bediensteten des ESM Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen. Nach Art. 35 Abs. 4 trifft
© by Herrn RA Dr. iur. Wolfgang Philipp – Veröffentlichung und Weiterverwendung dieses Dokuments erfolgt im Auftrag von Herrn Dr. Wolfgang Philipp.
Zitate aus diesem Dokument – auch auszugsweise – nur unter Angabe dieser URL oder mit Genehmigung von Herrn Dr. Philipp
Ergänzungen und Erweiterungen zur Verfassungsbeschwerde vom 06.07.2012 – Beschwerdeführer: Dr. iur. Wolfgang Philipp – Seite 5/7
Veröffentlicht: 1. August 2012 Abgelegt unter: BVerfG, DEUTSCHLAND - GERMANY, Verfassungsbeschwerden, Wolfgang Philipp | Tags: Art. 66 Grundgesetz, Ämterkumulation, § 181 BGB, Banklizenz, Bibel, Dr. iur. Wolfgang Philipp, Einzahlungsverpflichtung, Erwerb einer Beteiligung, Gouverneursrat, Inkompatibilität, Interessenkonflikt, Interessenkollisionen, Selbstkontrahieren, unbegrenzte Mittel, Verfassungsbeschwerde Hinterlasse einen KommentarErgänzungen und Erweiterungen zur Verfassungsbeschwerde vom 06.07.2012
Beschwerdeführer: Dr. iur. Wolfgang Philipp
Seite 5/7
Interessen verpflichtet ist, die den deutschen Interessen zuwiderlaufen oder zuwiderlaufen könnten.
c) Nach neuesten aber noch nicht vertraglich festgelegten Bestrebungen soll der ESM eine Banklizenz erhalten und auf diese Weise unbegrenzte Mittel dadurch zur Verfügung haben, dass er sich bei der Europäischen Zentralbank refinanziert. Unabhängig von der rechtlichen und wirtschaftlichen Betrachtung dieser Bestrebung muss man sich auch hier vor Augen halten was es bedeutet, wenn sämtliche Finanzminister der Mitgliedsstaaten der Euro-Gruppe den Gouverneursrat bilden und auf diese Weise als Politiker unbeschränkten Zugriff auf das Geld haben.
d) Möglicherweise verstößt die mit den Pflichten eines Bundesministers unvereinbare Ämterkumulation auch gegen Art. 66 des Grundgesetzes. Danach dürfen Bundesminister u.a. kein anderes Besoldungsamt und keinen Beruf ausüben und auch nicht ohne Zustimmung des Bundestages dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören. Es ist nicht bekannt, ob die Gouverneure für ihre Tätigkeit eine Bezahlung erhalten. Außerdem vertritt ‑ wie schon in der Verfassungsbeschwerde näher ausgeführt worden ist ‑ die Bundesregierung selbst im Zusammenhang mit der Frage, ob die von Deutschland übernommene Einzahlungsverpflichtung von rund 190 Mrd. € als Schuld im Haushalt auszuweisen ist, die Auffassung, der Beitritt zu dem ESM stehe dem Erwerb einer Beteiligung (z.B. an einem auf Erwerb gerichteten Unternehmen) gleich. Bei dieser Betrachtungsweise wäre die Inkompatibilität eindeutig. Auf jeden Fall versucht das Grundgesetz, solche Interessenkollisionen möglichst zu vermeiden, was bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Bedeutung sein dürfte.
e) Schon in der Bibel steht, dass niemand zwei Herren dienen kann. Nach der Grundregel des § 181 BGB kann ein Vertreter im Namen des Vertretenen einerseits mit sich selbst im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen. Das gilt nur dann nicht, wenn ihm dies eigens gestattet ist oder nur eine Verbindlichkeit erfüllt werden muss. Es kann aber nicht sein, dass der Deutsche Bundestag den Bundesfinanzminister insbesondere auch in Haushaltsfragen das Selbstkontrahieren erlaubt und dadurch das Haushaltsrecht des Bundestages leer laufen lässt.
Das Bundesverfassungsgericht wird hiermit gebeten, auch diesen Gesichtspunkt aufzugreifen und festzustellen, dass die Installation eines derartigen Interessenkonflikts des Bundesfinanzministers als Mitglied des Kabinetts sach‑ und rechtsstaatswidrig ist. Die Bf können dies auch rügen, weil dieser installierte Interessen-
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