Spanien plant Register mit Impf-Verweigerern

Spanien plant Register mit Impf-Verweigerern

Spanische Behörden planen ein Register mit den Namen von Menschen, die das Angebot einer Impfung gegen das neuartige Coronavirus abgelehnt haben.

Das geplante Register von Impf-Verweigerern gegen SARS-CoV-2 werde nicht-öffentlich zugänglich sein, jedoch an andere europäische Länder weitergegeben, sagte der spanische Gesundheitsminister Salvador Illa am Montag in einem Interview mit dem Fernsehsender La Sexta.
[…]
Quelle

Zur Person

Salvador Illa i Roca (* 5. Mai 1966 in La Roca del Vallès) ist ein spanischer Politiker, der seit dem 10. Januar 2020 das Amt des Gesundheitsministers Spaniens bekleidet. Seit 2016 ist er auch Sekretär für die Organisation der Partit dels Socialistes de Catalunya (PSC).

Illa war der ranghöchste Politiker unter den PSC-Kadern, die an der „Prou! Recuperem el seny“ (zu deutsch: „Genug! Lasst uns den gesunden Menschenverstand wiedererlangen“) Anti-Unabhängigkeitsdemonstration in Barcelona am 8. Oktober 2017 teilgenommen haben, organisiert von der Societat Civil Catalana.

Im Zusammenhang mit Illa’s in Rede stehender offensiver Planung mag sich die Frage erheben, ob das bei ihm mit der Wiedererlangung des gesunden Menschenverstandes wirklich geklappt hat.

Mehr noch, als Absolvent eines Philosophie-Studiums und Inhaber eines Master-Abschlusses in Wirtschaft und Unternehmensführung sollte dieser Herr verinnerlicht haben, dass Wissenschaft keineswegs auf statischen Erkenntnissen beruht, sondern davon lebt, dass (neues) Wissen geschaffen wird.

Sollte es an der Stelle Wissenslücken geben, sei erwähnt, dass Wissenschaft immer ein dynamischer Prozess sein muss, dessen Dynamik sich in aller Regel nicht an allgemein verbindlich erachteten Lehr- oder Mehrheitsmeinungen orientiert, sondern sich im wesentlichen aus substantiellem Widerspruch, oder besser noch Dissens, weiterentwickelt.

An der Stelle sei mir ein kleiner Hinweis gestattet, an all jene gerichtet, die Bücher nicht ausschließlich als hübsche Dekogegenstände, sondern als Quell von potentiellem Gedankengut betrachten:
Umberto Eco bemerkte in seinem Werk „Der ewige Faschismus“:
„In der modernen Kultur preist die wissenschaftliche Gemeinschaft den Dissens als ein Mittel zur Vermehrung des Wissens. Für den Ur-Faschismus ist Dissens Verrat.“
Es mag durchaus Stimmen geben, die Eco’s Erkenntnisgewinn bestreiten und damit Ausgangspunkt für ernsthaft geführte, kontroverse Diskussionen sein könnten.

An der Stelle sollte sich dieser Herr Minister einmal fragen, ob er während seiner Studienzeit jemals als „Wissenschaftsleugner“ diffamiert wurde, oder ob es an Universitäten jemals ein Register gab, in welches all jene „Dissidenten“ aufgenommen wurden, welche sich gegen die „herrschende wissenschaftliche Meinung“ stellten.

Man darf vielleicht hoffen, dass solche Register spätestens seit Kopernikus in seinem um 1543 erschienenen Hauptwerk
De revolutionibus orbium coelestium sein heliozentrisches Weltbild beschrieb und damit die Autorität der katholischen Kirche, die das ptolemäisches Weltbild, besser bekannt als das geozentrisches Weltbild, in Frage stellte.

Diesen Dissens nahm der berühmte Universalgelehrte Galileo Galilei auf und veranlassten ihn anlässlich zahlreicher kontroverser Diskussionen die Position zu vertreten, dass astronomische Angaben in der Bibel nicht wörtlich zu nehmen seien, mithin eine mit dem kopernikanischen System verträgliche Bibelauslegung möglich sei, und dass die Forschung frei von jeglicher Kirchendoktrin sein sollte.
Wie die Sache bis hin zum Inquisitionsprozess weiterging, dürfte hinreichend bekannt sein.

Vielleicht sollte Illa den Ball aufnehmen und im spanischen Gesundheitsministerium eine Stabsstelle „Inquisition“ einrichten.  Er wäre jedoch sehr gut beraten, wenn er sich zuvor aus profundem Munde Isaac Newtons „Wechselwirkungsprinzip“ erklären lassen würde, übrigens eine Übung, die so manche Physikerin während des Studiums wohl ausgelassen oder unterbewertet haben könnte.


«Abstieg ins Glück»

«Abstieg ins Glück»
Essay von David Hesse

Die finsteren Prognosen mehren sich, Europa wird ärmer, wir alle müssen sparen. Das ist kein Grund für Schwermut, behaupten Ökonomen und Politiker:
Der Niedergang wird uns gut tun.
Jetzt geht es ans Eingemachte. Europa muss sparen, die Bevölkerung sich auf den wirtschaftlichen Abstieg einstellen. Schwindende Staatsleistung, steigende Arbeitslosigkeit, geringerer Verdienst für gleiche Arbeit: Das blüht den Ländern des Südens, deren Sparwille nun fast täglich von Bankiers, EU-Beamten und Rating-Agenturen gemessen wird.
[…]
Der vermeintliche Sieg des Westens 1989 war der Anfang des Niedergangs
Soll man verzweifeln angesichts dieser düsteren Prognosen? Nein, finden jene europäischen Politiker und Ökonomen, die sich der Austerität verschrieben haben. Das Wort steht für Sparsamkeit, aber auch für Strenge und Askese. So verstanden wird der Wohlstandsverlust als Chance gedeutet. Plötzlich preisen smarte Analysten das einfache Leben. Der Abstieg Europas, versichern sie, wird uns alle weiterbringen – politisch und ökologisch, sozial und psychologisch.
Politisch werde der Niedergang eine Neupositionierung Europas bringen. Das glaubt der renommierte China-Experte Eberhard Sandschneider von der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik.
[…]
Endlich aufgeben
Die Lösung liegt laut Sandschneider im befreienden Aufgeben. Wir müssten uns von der Idee einer «vom Westen geprägten internationalen Ordnung» verabschieden. Wir sollten «Platz machen» und von Asien lernen. Dieser Machtverlust sei Voraussetzung für die erfolgreiche Neupositionierung Europas in der von Asien dominierten Weltordnung. Ob Europa dabei primär als Ferienfunpark oder als günstiges Produktionsland dienen soll, lässt der Autor offen.
[…]
In Deutschland mehren sich die Stimmen, die sich die armen, aber leistungsstarken Nachkriegsjahre zurück wünschen
[…]
Big Society als Vernebelungsmetapher?
Mit dem Schwung der Nachkriegszeit käme, so die Hoffnung, auch der soziale Zusammenhalt zurück. In Grossbritannien will die konservative Regierung im Zuge der Sparmaßnahmen die Big Society auferstehen sehen – eine breite Gesellschaft der Selbstverantwortung und Solidarität. Wie nach 1945 soll das Volk auch in der heutigen Krise dichter zusammenstehen. «Big Society heisst soziale Heilung», erklärte Premierminister David Cameron, als er das Programm vorstellte. Die Menschen sollten sich wieder mehr umeinander kümmern, Nachbarschaftshilfe und Freiwilligenarbeit leisten, nicht ständig darauf warten, dass der Staat mit Blaulicht vorfährt und jedes Problem für sie löst. Für Cameron ist die Bereitschaft zur Selbstverantwortung ein Bestandteil der britischen Identität.
[…]
Armut als warmer Ort
Trotz aller Kritik findet die Botschaft von Sparsamkeit und Selbstbeschränkung viel Gehör. Sie rührt an einen Nerv der Zeit. All jene, die den Konsumrausch der letzten Jahrzehnte zu satthaben (und das sind Hunderttausende), zeigen Verständnis für den Ruf nach mehr Bescheidenheit. Eine Abkehr von der Welt der Waren nämlich brächte neuen Raum für Wesentliches, für Freundschaften (nicht Facebook-Kontakte) und Naturerlebnisse (statt staffelweise Serien auf DVD), für frisch Geerntetes und tief Empfundenes. Wer lieber in Quartierstrassen Fussball spielt, als alleine auf dem Hometrainer zu sitzen, der hebe die Hand.
[…]
Die Zeit der Knappheit wird zur heilen Welt verklärt
Das Sehnen nach dem einfachen Leben der Vergangenheit beschäftigt die westlichen Denker spätestens seit der industriellen Revolution und Jean-Jacques Rousseaus Hymnen an Natur und edle Wilde. Diese Sehnsucht hat uns nie mehr verlassen. Nun zeitigt sie Armutsromantik.
Im krisengeschüttelten Irland schwärmen Schriftsteller wie Hugo Hamilton von der irischen Seele, die einfach nicht gemacht sei für Wohlstand und Überfluss: «Irland hat seine Seele an den freien, unregulierten Markt verkauft und bezahlt nun den Preis dafür.»
[…]
Wer genug Geld beiseite gelegt hat, wird die Zeit des Niedergangs am besten überstehen
[…]
Die Zeit des Niedergangs wird schmerzhaft werden. Am besten wird sie überstehen, wer genug Geld beiseite gelegt und krisensicher investiert hat. «Also genau die Geldeliten, die die Bankenkrise eigentlich angezettelt haben», ärgert sich der Wirtschaftsprofessor Mark Blyth, der an der US-Universität Brown an einem Buch über die gegenwärtige Austeritätspolitik arbeitet. In den letzten 30 Jahren seien die Einkommensgräben immer tiefer geworden. «Da ist es doch reichlich frech von den Reichen, den Armen jetzt Sparsamkeit zu predigen, zu behaupten, das tue ihnen gut. Mal sehen, was sie sagen, wenn ihre Häuser in Flammen stehen.»
[…]
Unterwegs ins neue Mittelalter?
Gut möglich also, dass der Abstieg doch etwas holpriger verlaufen wird, als die Verfechter der Austerität das vorhersagen. Einen ganz anderen Blick in eine arme Zukunft hat in den 70er-Jahren der italienische Schriftsteller Umberto Eco gewagt. Statt einer Neuauflage der wohlig-warmen Nachkriegszeit prophezeite er die Rückkehr des Mittelalters.
[…]
tagesanzeiger
Empfehlung
Einfach mal jenseits aller Dogmen darüber nachdenken, ob unsere reiz-orientierte Gesellschaft wirklich das Elysium bedeutet, wahre Werte hingegen in Vergessenheit geraten sein könnten?

Ihr Oeconomicus