Die Anstalt: Steueroasen | Starbucks | Apple | Amazon | TTIP | Bundeswehr

Die Anstalt: Steueroasen | Starbucks | Apple | Amazon | TTIP | Bundeswehr
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Bereits einige Tage vor Halloween haben Max Uthoff und Claus von Wagner bittersüße und saure Themen aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gesammelt.
Die beiden Vollblutkabarettisten präsentieren sie in der Anstalt und bringen dabei die ein oder andere politische Maske zum Fallen. Tatkräftig unterstützt werden sie dabei von Michael Mittermeier, HG. Butzko und Chin Meyer.
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historische US-Regulierungen von Derivaten

Im Zusammenhang mit den allfälligen Diskussionen über Derivate, den ‚Massenvernichtungswaffen‘ der Neuzeit, wie Warren Buffet konstatierte, wird häufig ausgeblendet, dass in den Vereinigten Staaten unter den Bedingungen des Commodities Exchange Act von 1936-1982 alle Derivate illegal waren.

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Die Deregulierung dieser Instrumente wurde in USA zwischen 1982 und 1999 vorgenommen und dürfte als der größte einzelne Faktor der finanziellen Verwerfungen der letzten Jahre betrachtet werden.
Zu den einflussreichsten Protagonisten dieses Deregulierungsprozesses zählten u.a. Lawrence ‚Larry‘ Summers und der Ex-Finanzminister Robert Rubin, die -so läßt sich vermuten- von den Akteuren der ‚Financial Leaders Group‚ tatkräftig unterstützt wurden.

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Im Zuge falsch verstandener Ordnungspolitik oder schlichtweg getragen von entsprechenden Wünschen transatlantischer Freunde, schloss sich die rot-grüne Bundesregierung dem Deregulierungswahn der Finanzmärkte unter Applaus von Angela Merkel,  Horst Seehofer, Sigmar Gabriel, Olaf Scholz, usw. gerne an.

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Noch im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2005 schrieb die CDU/CSU:

„Wir entschlacken die Vorschriften zum Kreditwesengesetz und führen die bestehende Überregulierung bei der Bankenaufsicht auf das notwendige Maß zurück.“

Beispielhaft sei hierzu der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) zitiert:

„Hedgefonds sollen gegenüber herkömmlichen Investmentfonds nicht mehr diskriminiert werden.“

Eichel schwärmte damals auch noch öfffentlich von Verbriefungen,

„dass private Anleger von den höheren Renditen der Hedge-Fonds profitieren könnten“

.. woran er heute natürlich nicht mehr erinnert werden möchte, ebensowenig wie die damaligen Claquere aus CDU/CSU, SPD, Grüne oder FDP.

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Nur zur Erinnerung: zu den damaligen warnenden und zugleich einsamen Rufern zählten u.a. Oskar Lafontaine und Heiner Flassbeck.

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Wolfgang Schäubles Eingeständnis vom 06. Februar 2013

„Die übertriebene Deregulierung der Finanzmärkte war ein Fehler“

kam nicht nur viel zu spät, sondern erscheint im Hinblick auf die laufenden TTIP-Verhandlungen, in welchen solche Regulierungsbestrebungen im Sinne amerikanischer Interessen erneut eingenordet  werden könnten, wenig glaubwürdig.

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Ihr Oeconomicus


TiSA: Die Freihandelszone nach TTIP und ACTA

ACTA wurde durch internationale Kritik gestoppt,
mit dem Freihandelsabkommen TTIP könnte es entsprechend laufen,
jetzt erfahren wir von TiSA, das in eine ähnliche Richtung zielt

Das „Trade in Services Agreement“ (TiSA) ist ein von den USA, der EU und 21 kleineren Ländern verhandelter Vertrag mit dem Ziel, Handelshemmnisse im öffentlichen Dienstleistungssektor zu beseitigen und dadurch neue Marktchancen zu öffnen. Die Gespräche wurden, wie man jetzt erfuhr, bereits vor einem Jahr aufgenommen – begleitet von der bereits von ACTA und TTIP bekannten und allseits heftig kritisierten Geheimhaltung.

Die Sprache in den bisher geleakten Dokumenten ähnelt der bisheriger „Freihandelsabkommen“ verdächtig, nur die unmittelbare Zielrichtung unterscheidet sich. Standen bislang die Verhinderung von Handel mit gefälschten Produkten oder der allgemeine Abbau von Handelshindernissen im Vordergrund, so zielt TiSA zunächst auf den öffentlichen Sektor. Also die in Europa sehr kontrovers diskutierte Privatisierung von Wasserversorgung, Nahverkehr, Gesundheitseinrichtungen, Bildungsstätten und anderen Angeboten, die auf dem alten Kontinent traditionell von Betrieben in öffentlichem Besitz bereitgestellt werden. Die bisherigen Erfahrungen mit der Privatisierung solcher Dienste waren auch durchaus ambivalent.
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Fritz Effenberger – Telepolis


Anmerkungen zum Petitionsentwurf „Separation der Bundesländer für eine Rückkehr zur Demokratie“

Bei ik-news wurde heute ein Petitionsentwurf mit dem Titel „Separation der Bundesländer für eine Rückkehr zur Demokratie“ veröffentlicht.

So sehr ich die Motivation des Autors zu verstehen glaube, erscheinen mir einige Begründungen nicht ausreichend dargelegt bzw. argumentativ noch etwas unscharf ausformuliert zu sein.

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„Begründung der Legitimation einer Separation der Bundesländer aus dem Bund:“

Unter Punkt 1 lesen wir:

„Durch die aktive und passive Beteiligung der Bundesrepublik an Drohnenangriffen, welche in Deutschland aus der US-Militärbasis in Ramstein durchgeführt werden, verletzt die Bundesrepublik Deutschland gegen das GG Art. 26 Abs.1: Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“

(vgl. mit meinem Aufsatz „Täuschland, die Schaltzentrale im weltweiten Drohnenkrieg)

und weiter:

„Ein Nato-Truppenstatut kann hier nicht über dem Völkerrecht und dem Grundgesetz stehen (GG Art. 25). Dadurch, dass das US-Militär sich in Deutschland weiterhin den quais-Status einer Besatzungsmacht gibt, ist die Bundesrepublik in der der aktuellen Vertragskonstellation handlungsunfähig. Nur eine neue, demokratische Verfassung kann diesen Zustand wirksam verändern“

Bei der Bewertung der Vorgänge in Ramstein wäre es vielleicht hilfreich gewesen, sich eingehend mit

  • dem Natotruppenstatut (Art.5)
  • den Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut
  • und den weiteren Abkommen (insbesondere den Änderungen des Statutes nach der deutschen Wiedervereinigung)

zu beschäftigen.

In all diesen Abkommen, Erweiterungen und Ergänzungen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für in Deutschland stationierte Nato-Truppen -und dies gilt selbstverständlich auch für US-Basen- grundsätzlich deutsches Recht gilt!

Die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bündnispartner haben sich jedoch darauf verständigt, dass bestimmte Hoheitsrechte von den Entsendestaaten ausgeübt werden. Hat eine deutsche Behörde etwa den Verdacht, dass auf US-Basen gegen deutsches Recht verstoßen wird, dann kann sie keine Zwangsmaßnahmen auf den Stützpunkten ergreifen, sondern lediglich die US-Behörden dazu auffordern, für die Einhaltung deutschen Rechts Sorge zu tragen, wozu diese sich vertraglich verpflichtet haben.

Zur Vertiefung dieser Materie sei das Studium der relevanten Dokumente und Bewertungen empfohlen.

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Zustimmung zu Punkt 2 „Genmais 1507“, wobei es, wie hier ausgeführt, natürlich weitaus mehr dazu zu sagen gäbe.

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In Punkt 3 der Begründungen des Petitionsentwurfes wird korrekterweise auf das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) hingewiesen.
Hier erscheint es mir zwingend geboten, auf das CETA-Abkommen zwischen EU und Kanada hinzuweisen, da im Falle eines Scheiterns der TTIP-Verhandlungen, amerikanische Interessen über diesen Umweg wahrgenommen werden könnten.

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Während Punkt 4 (Ukraine-Krise und die politische Forderung nach Wirtschafts-Sanktionen gegen Russland) ausreichend substantiiert klingt, erscheint mir Punkt 5 revisionsbedürftig.

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Im Einzelnen halte ich es für fraglich, das BVerG-Urteil dahingehend auszulegen, dass nunmehr eine verdeckte Staatsfinanzierung durch den ESM legitimiert sei, da solche nach Art. 123 Abs. 1 AEUV verbotenen Maßnahmen durch die EZB erfolgen (vgl. OMT).

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Bei der ESM-Entscheidung gehörte zu den wesentlichen Erwägungen des Senats

„1. Die Kontrollaufgabe des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung darauf, ob Handlungen von Organen und
Einrichtungen der Europäischen Union auf ersichtlichen Kompetenzüberschreitungen beruhen oder den nicht übertragbaren Bereich der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität des Grundgesetzes betreffen.

2. Verstieße der OMT-Beschluss gegen das währungspolitische Mandat der Europäischen Zentralbank oder gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung, läge darin ein Ultra-vires-Akt.

a) Nach der Honeywell-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 126, 286) ist dazu ein hinreichend qualifizierter Verstoß erforderlich. Dieser setzt voraus, dass das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führt.

b) Die Verträge enthalten ein auf die Währungspolitik beschränktes Mandat der Europäischen Zentralbank (Art. 119 und 127 ff. AEUV und Art.17 ff. ESZB-Satzung). Sie ist nicht zu einer eigenständigen Wirtschaftspolitik ermächtigt, sondern darauf beschränkt, die Wirtschaftspolitik in der Union zu unterstützen (Art. 119 Abs. 2, Art. 127 Abs. 1 Satz 2 AEUV; Art. 2 Satz 2 ESZB-Satzung).

Geht man -vorbehaltlich der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union- davon aus, dass der OMT-Beschluss als eigenständige wirtschaftspolitische Maßnahme zu qualifizieren ist, so verstößt er offensichtlich gegen diese Kompetenzverteilung. Diese Kompetenzverschiebung wäre auch strukturell bedeutsam, denn der OMT-Beschluss kann Hilfsmaßnahmen im Rahmen der „Eurorettungspolitik“ überlagern, die zum Kernbereich der wirtschaftspolitischen Kompetenz der Mitgliedstaaten rechnen (vgl. Art. 136 Abs. 3 AEUV). Zudem können die Outright Monetary Transactions zu einer erheblichen Umverteilung zwischen den Mitgliedstaaten führen und damit Züge eines Finanzausgleichs annehmen, den die europäischen Verträge nicht vorsehen.

c) Auch soweit der OMT-Beschluss gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung (Art. 123 Abs. 1 AEUV) verstoßen sollte, läge darin eine offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitung. Der Verstoß wäre offensichtlich, weil das Primärrecht das Verbot ausdrücklich normiert und Kompetenzen der Europäischen Zentralbank insoweit zweifelsfrei ausschließt. Er wäre auch strukturell bedeutsam, denn das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung ist eine der zentralen Regeln für die Ausgestaltung der Währungsunion als Stabilitätsunion. Zudem sichert es die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages ab.“

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Abschließend noch ein Wort zu den Zitaten von Prof. Schachtschneider
So sehr ich den Sachverstand von Karl-Albrecht Schachtschneider schätze, sei darauf hingewiesen, dass es durchaus eine Reihe nicht weniger kompetenter Staatsrechtler gibt, welche seine Thesen nicht unterstützen.
Diesbezüglich hätte ich mir gewünscht, dass der Autor im Lichte ausgewogener Bewertungen dahingehend die notwendigen Recherchen durchgeführt hätte, was sicherlich den wissenschaftlichen Diskurs zwischen Schachtschneider und Kollegen beflügeln könnte.

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Auf die finale Version der Petition und insbesondere deren Unterstützung darf man jedenfalls gespannt sein.

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Ihr Oeconomicus


Gefährliche Geheimnisse – Wie USA und EU den Freihandel planen

In diesen Wochen verhandeln die USA und die EU hinter verschlossenen Türen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen, das 2015 in Kraft treten soll. Die Geheimverhandlungen bedrohen massiv die Rechte der Bürger in Europa. Das geplante Regelwerk ist in erster Linie ein Angriff auf den Verbraucherschutz – auch in Deutschland.

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Nicht Parlamentarier, sondern Fachbeamte und Konzernberater sitzen bei den Verhandlungen exklusiv am Tisch. Eine Teilhabe demokratisch legitimierter Akteure ist nicht vorgesehen. Setzen sich die Unternehmen und ihre Lobbyisten durch, könnten Deutschland und Europa hinter gesetzte Standards zurückfallen: Grenzwerte für toxische Belastung könnten sinken, das Recht auf Privatsphäre eingeschränkt, die Errungenschaften des Arbeitsschutzes aufgeweicht und die Fortschritte der Klimapolitik zunichte gemacht werden.

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Staaten und Regierungen würden zudem einen Großteil ihrer Souveränität verlieren, sodass Kritiker von einem „Staatsstreich in Zeitlupe“ sprechen. Sollte es in Einzelfällen zum Streit kommen, würden demokratisch nicht legitimierte Schiedsgerichte entscheiden.

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Fallen unsere Demokratie, der Verbraucherschutz und unsere Standards einem Kuhhandel zum Opfer?

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zur Vertiefung:

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Mit der 3Sat-Doku wurde endlich mal wieder etwas Wahrheit im Lügenkasten ausgestrahlt!

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Diskussion – Verschlußsache Freihandelsabkommen
Gert Scobel diskutiert mit Matthias Fifka (Wirtschaftswissenschaftler), Jack Ewing (Handelskorrespondent), Jean Feyder (WTO-Experte)

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Ihr Oeconomicus

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Archiv-Beiträge:
Kategorie: free trade protection

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korrespondierender Beitrag:
The Brussels Business – Wer regiert die EU?


TTIP/TAFTA: US-Senator Harry Reid’s ‚No!‘ zu einem „Fast-Track“-Gesetz

Harry Reid, 74, ist Senator des US-Bundesstaates Nevada, und als Mehrheitsführer der Demokraten im Senat einer der wichtigsten Verbündeten von Barack Obama.

Wie jetzt bekannt wurde hat Reid nun etwas überraschend Obama’s „Heiligenschein“ deaktiviert und angekündigt, er sei nicht bereit, ein „Fast-Track“-Gesetz zu unterstützen, das es dem Präsidenten erlauben würde, internationale Handelsverträge beschleunigt durch den Kongress zu bringen.

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In ihrem Werk Die Außenpolitik der USA: Theorie – Prozess – Politikfelder – Regionen liefern die Herausgeber Simon Koschut und Magnus-Sebastian Kutz Hintergrund-Informationen zum  fast-track-Mandat [ab Seite 173 – Hervorhebungen/Verlinkung durch mich]:

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Auf dem Gebiet der Außenpolitik ist der Präsident verfassungsrechtlich mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet:

„Er hat das Recht auf Anraten und mit Zustimmung des Senats Verträge zu schließen, vorausgesetzt, dass 2/3 der anwesenden Senatoren zustimmen“

(vgl. Artikel 2, Absatz 2 der Verfassung 1)

Die Ausgestaltung des Außenhandels obliegt nach Artikel 1, Abschnitt 8 der Verfassung 1 jedoch eindeutig dem Kongress:

„Der Kongress hat das Recht: Steuern, Zölle, Abgaben und Akzisen aufzuerlegen und einzuziehen (und) den Handel mit fremden Ländern, zwischen den Einzelstaaten und mit den Indianerstämmen zu regeln.“

Der Präsident ist somit zwar befugt, auch ohne die Ermächtigung des Kongresses mit anderen Staaten Handelsverträge zu verhandeln. Allerdings müssen internationale Handelsabkommen im Gegensatz zu anderen internationalen Verträgen beide Kammern des Kongresses durchlaufen.

Die Kompetenzaufteilung zwischen Exekutive und Legislative spiegelt den fiskalischen Ursprung der US-amerikanischen Handelspolitik wider:

Die Gründungsväter der USA legten die Außenhandelspolitik in die Hände des Kongresses, da Zolleinnahmen die Haupteinnahmequelle der jungen Republik darstellten. Der fiskalpolitische Ursprung der Handelspolitik erklärt auch, warum heute die Finanzausschüsse im Repräsentantenhaus und im Senat (das House Committee on Ways and Means bzw. das Senate Committee on Finance) maßgeblich für dieses Politikfeld zuständig sind.

Der Kongress wirkt in dreifacher Weise an der Gestaltung der Handelspolitik mit:

Er berät und beschließt die Gesetze, kann seine Bedenken in Handelsangelegenheiten durch die Mittelvergabe an die wichtigsten Handelsbehörden zum Ausdruck bringen und die Verhandlungsmacht der Exekutive empfindlich einschränken, in dem er ihr das Handelsmandat verweigert. Die Administration wiederum bestimmt nach Beratungen mit einer Vielzahl von Gremien die handelspolitische Agenda und führt die internationalen Verhandlungen durch. Verhandlungsführer ist der mit Kabinetts- und Botschafterrang ausgestattete US-amerikanische Handelsbeauftragte (Trade Representative, USTR). Er fungiert als Vermittler zwischen den innenpolitischen Interessen und den Interessen ausländischer Regierungen sowie als Koordinierungsstelle zwischen den an der Handelspolitik beteiligten Institutionen innerhalb und außerhalb der Exekutive.

Bis in die 1930er Jahre nahm der Kongress seine verfassungsrechtliche Kompetenz in der Handelspolitik größtenteils unabhängig von der Exekutive wahr. Erst mit dem 1934 verabschiedeten Reciprocal Trade Agreements Act (RTAA) gestattete der Kongress dem Präsidenten, für eine festgelegte Dauer (durchschnittlich drei Jahre) in bilaterale Verhandlungen auf der Basis der Reziprozität (Gegenseitigkeit) Zölle in bestimmten Margen zu senken. Die vom Präsidenten ausgehandelten Exekutivabkommen wurden automatisch per Proklamation zum Gesetz. Motiviert war der RTAA durch den Smoot Hawley Tariff Act aus dem Jahr 1930, durch den die durchschnittliche Zollbelastung in den USA auf rund 50 Prozent angestiegen war. Dieser trug maßgeblich zur Schwere und internationalen Verbreitung der Großen Depression bei. Dieses Gesetz hatte den Kongress noch einmal ganz deutlich vor Augen geführt:

Um angesichts der vielschichtigen Interessenlagen im Repräsentantenhaus Mehrheiten zu finden, müssen sich Abgeordnete auf politische Kuhhandelpraktiken einlassen und Stimmen untereinander bündeln (log-rolling). Dies gilt im besonderen Maße für Zollinitiativen, da über Zölle auf produktspezifischer Basis (Produkt für Produkt) abgestimmt wurde. Die Abgeordneten stimmten also gegenseitig für ihre Initiativen. Das Ergebnis war eine Spirale von Protektionismus, die ihren Höhepunkt im Smoot Hawley Tariff Act fand.

1974 wurde der RTAA durch das Fast Track Procedure abgelöst. Auch beim fast track-Mandat übertrug der Kongress Teile seiner konstitutionellen Handelskompetenz an den Präsidenten. Anders als beim RTAA bezog sich das fast track-Mandat aber nicht nur auf den Abbau von Zöllen, sondern auch auf nicht-tarifäre Handelshemmnisse (NTBs) -Standards und Regulierungen, die den Handel beschränken-, die zunehmend auf die Agenda der internationalen Verhandlungen gerückt waren.

Eingeschränkt wurde die neue Verhandlungsvollmacht dadurch, dass von der Exekutive ausgehandelte Abkommen nun vom Kongress (mit einfacher Mehrheit) ratifiziert werden mussten. Diese Modifikation war notwendig geworden, weil Handelspolitik immer tiefer in die Binnenregulierungen notwendig machte. Gleichwohl verpflichtete sich der Kongress, die Abkommen beschleunigt zu bearbeiten. Zusätze oder Modifizierungen waren nicht möglich; Repräsentantenhaus und Senat konnten das Abkommen nur komplett annehmen oder ablehnen.

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Senator Reid’s Vorstoss ist sehr ernst zu nehmen, im politischen Geschäft gilt er als ‚tough guy‘, der exzellent vernetzt und es gewohnt ist, für seine Überzeugungen zu kämpfen.

Einer seiner Gegenspieler, der US-Handelsdelegierte und TTIP-Verhandler Michael Froman unterstrich in der Financial Times seine Position:

„..man könne garantieren, dass es seitens des Kongresses volle Rückendeckung für das Abkommen geben würde. Das, obwohl es auch in den USA kritische Töne im Zusammenhang mit Freihandelsabkommen mit Europa und auch Asien gibt..“

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Man mag davon ausgehen, dass Harry Reid im Gegensatz zu dem US-Handelsdelegierten den zunehmenden Druck der Strasse spürt. Seit mehr als 20 Jahren hat man den US-Arbeitern erzählt, dass neue Handelsabkommen für mehr Export und neue Arbeitsplätze sorgen würden. Zwischenzeitlich wird zunehmend erkannt, dass es sich dabei um graue Theorie handelte, die bislang in der Praxis nicht eingetroffen ist.

Wer auf die politischen Sprechblasen der Clinton-Administration im Vorfeld der NAFTA 2-Verhandlungen mit Kanada und Mexico (1992/1993) zurückblickt, wird sich an Versprechungen, wie steigende Handelsbilanzüberschüsse, Lösung der wirtschaftlichen Probleme in Mexico, neue gut bezahlte amerikanische Arbeitsplätze, drastische Reduzierung illegaler Einwanderung, etc. erinnern.

All diese NAFTA-Seifenblasen sind geplatzt:

  • Amerika verzeichnete seither einen Nettoverlust von 700,000 Arbeitsplätze
  • der einstige US-Handelsbilanzüberschuss mit Mexico mutierte zu einen chronischen Defizit
  • die illegale Einwanderung nahm deutlich zu

In der Folge führte das nach dem Fast Track Procedure abgeschlossene Abkommen in den USA zu

  • massivem Lohndumping
  • Mißbrauch von Arbeitsmigranten
  • partieller Zerschlagung von Gewerkschaften (vgl. „Right-to-work-Law“)
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weitere schmerzhafte US-Lektionen
durch Handelsabkommen zur Intensivierung der Globalisierungs-Effekte

Seit dem Übereinkommen zur Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 1994, welches ebenfalls nach dem fast-track-Verfahren vom Kongress ratifiziert wurde, sind in der Folge des Beitritts von China (2001) in USA etwa 2,7 Mio Arbeitsplätze verloren gegangen, weitere 40,000 US-Jobs wurden durch das Handelsabkommen mit Korea vernichtet.

In all diesen Fällen waren die ultimativen Profiteure solcher Handelsverträge … na, wer?
… richtig, multinational operierende Konzerne und Giganten der Finanzbranche!

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Ihr Oeconomicus

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1 Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika

2 Literatur-Verzeichnis des German Institute of Global and Aerea Studies (GIGA)

 

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korrespondierende Archiv-Beiträge

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follow-up, 14.02.2014

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Joe Biden bestätigt Sen. Reid’s ‚No!‘ zu einem Fast-Track-Procedere
„Vice President Joe Biden acknowledged that Congress will not grant President Obama fast-track trade promotion authority, which analysts say is critical to the president’s hopes to forge huge trade deals with Asia and Europe. Mr. Biden’s comments called into question the central pillars of the White House’s trade agenda, most immediately the Trans-Pacific Partnership, a regional trade pact involving 12 nations, which is the most visible element of Mr. Obama’s strategic shift toward Asia.“

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Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass sich hinter Biden’s Haltung im Hinblick auf den ‚2016 run‘ eine ganz andere Motivlage verbirgt.

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