Erste Bewertungen zum Troika-Bericht von Frank Schäffler
Ein erster Entwurf für den Troika-Bericht liegt mittlerweile vor. Endgültig lässt er sich selbstredend noch nicht bewerten, weil die schriftlichen Ausführungen dazu fehlen, wie die zusätzlich benötigten Finanzmittel aufgebracht werden sollen. Über die Finanzierungslücke und ihre Gründe lässt sich indes einiges sagen.
Im Mittelpunkt steht die desaströse wirtschaftliche Entwicklung. Diese zeigt sich am besten, indem man die erwarteten Zahlen für das Wirtschaftswachstum vergleicht. Der aktuelle Troika-Report wiederholt bewusst nicht die Erwartungen, die in der Vergangenheit gehegt worden sind. Es ist also wichtig und richtig, dieses Versäumnis hier nachzuholen. In der folgenden Tabelle vergleiche ich die Zahlen zum (erwarteten) Realwachstum des BIP, die schon Grundlage des ersten multilateralen Kredits waren, mit den Zahlen zum Zeitpunkt der zweiten Überprüfung im Herbst 2010, mit Zahlen einer Überprüfung aus dem Jahr 2011, mit den Zahlen aus März 2012, als über das Zweite Rettungspaket und den Schuldenschnitt entschieden wurde, und schließlich mit den Zahlen aus dem nun vorliegenden Entwurf:
Gemeinsam haben diese Zahlen zweierlei: Erstens haben sie den wirtschaftlichen Rückgang für die Zukunft immer unterschätzt. Zweitens musste die Zahlen der Vergangenheit angepasst und aktualisiert werden – in beide Richtungen. Offenbar lässt sich nicht einmal korrekt messen, wie sich die Wirtschaft Griechenlands in der Vergangenheit entwickelt hat.
Dem Hilfskredit lag im Frühjahr 2010 die Annahme zugrunde, Griechenland werde 2011 ein leichtes und ab 2013 ein kräftigeres Wachstum aufweisen. Der Schuldenschnitt ging noch von einem wirtschaftlichen Turnaround im nächsten Jahr aus. Nun ist das Zweite Hilfspaket genehmigt und wir müssen erfahren, dass für 2013 statt der schwarzen Null ein Rückgang der Wirtschaftsleistung von stattlichen 4,2 Prozent zu erwarten ist. Wenn schon die wirtschaftlichen Rahmendaten nicht stimmen, dann muss man folgenden Schluss ziehen: Der auf Heller und Pfennig vorgerechnete Hilfsumfang, das Defizit, das Wie, Warum und Wann der Finanzierung des griechischen Staats durch die Rettungspolitiker, das alles ist Makulatur. Hier wird vorgegaukelt, man könne sichere Annahmen über eine unsichere Zukunft treffen. Hier wird vorgegaukelt, das Verhalten der griechischen Wirtschaftssubjekte sei planbar. Hier wird vorgegaukelt, wir wüssten, was Griechenland kostet.
So ist es nicht. Und deshalb sollte man sich nicht auf sich die Zahlen, sondern die Aussagen in dem Bericht verlassen. Zu den Risiken nimmt die Troika nämlich durchaus Stellung, am Ende der Zusammenfassung und vor dem Punkt der noch fehlenden Empfehlung (S. 5): Die Risiken für das Programm bleiben sehr hoch. Insbesondere das Risiko der Programmumsetzung hängt an dem Willen einer fragilen Regierungskoalition in Griechenland. Einzelne Bestandteile des Programms stoßen auf Widerstand. Die fiskalische Konsolidierung könnte 2013 auch zu einem noch höheren Wirtschaftseinbruch 2013 führen. Viele Maßnahmen werden juristisch angegriffen und die griechischen Gerichte werden darüber entscheiden müssen, wodurch neue Finanzierungslücken entstehen können. Und, am wichtigsten: Eine Rückkehr zu nachhaltigem Wachstum ist nur möglich, wenn die Agenda der Strukturreformen schnell und komplett verwirklicht wird. Dazu müssen die Widerstände starker Interessengruppen und ihre vorherrschende Ausbeutungsmentalität gebrochen werden.
Um es deutlich zu sagen: Das halte ich in Griechenland für so unrealistisch, wie es in Deutschland derzeit unrealistisch wäre.
Gegenüber dem Interviewer Werner Kolhoff von der Westdeutschen Zeitung nahm Frank Schäffler Stellung zum jüngsten Troika-Bericht zu Griechenland und den praktizierten Rettungsversuchen für das Land. Er machte deutlich, dass der eingeschlagene Rettungsversuch scheitern wird und die Troika kein neutraler Gutachter sondern Teil des Systems ist. Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl empfahl er der FDP deshalb, den Steuerzahlern und Sparern wieder eine Stimme zu geben.
Bei Handelsblatt Online nahm Frank Schäffler Stellung zum jüngsten Troika-Bericht zu Griechenland. Der Inhalt des Papiers bewege sich „zwischen Horrorgeschichte und Fantasy-Roman“. „Der Bundestag muss nun verhindern, dass die Bundesregierung den Report durchs Parlament peitscht.“, so Schäffler.
Troika-Bericht zu Griechenland ist ein Märchenbuch
Gegenüber der Saarbrücker Zeitung bezeichnete Frank Schäffler den jüngsten Troika-Bericht zu Griechenland als „Märchenbuch“. „Die Troika ist kein neutraler Spieler, sondern Teil des Systems. Sie schreibt die Lage schön“, so Schäffler.
Aus tausendundeiner Nacht Oder:
„Troika-Bericht“ führt Erzähltradition der Gebrüder Grimm fort
„Es war einmal …“ Eigentlich wäre die treffendste Einleitung für den sogenannten Troika-Bericht zu Griechenland das Grimm’sche „Es war einmal …“ gewesen. Tatsächlich konnte die Troika – jene unheilbringende Allianz aus EU, EZB und IWF – erst nach ausgiebigem Aufpolieren des Datenkranzes den langersehnten „Bericht“ zur desolaten Lage des Landes präsentieren…
Wohlwollen gegenüber den Maßnahmen ging dabei offenbar vor Objektivität und vor allem vor Vollständigkeit, denn noch immer klaffen große Lücken in dem Werk. Pikanterweise sind zwei der drei Berichterstatter – EU und EZB – selbst die eifrigsten Aktivisten im Komödienstadl der „Rettungspolitik“.
Wenn vor diesem Hintergrund Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker den Bericht lediglich als „im Grundton positiv“ bewertet, dann ist das weniger als nichts.
Die dritte im Bunde, IWF-Chefin Christine Lagarde, verdrehte jedenfalls ebenso genervt wie undiplomatisch die Augen, als Juncker zum nächsten Rettungsstrohhalm griff: Eine zeitliche Streckung der griechischen Konsolidierung um weitere zwei Jahre soll es richten. Wertschätzung jedenfalls sieht anders aus.
Aktuell verdichten sich sogar die Gerüchte, dass der IWF in Sachen Griechenland am liebsten hinschmeißen würde. Zumindest wird die „Rettungstruppe“ um Juncker & Co. international immer mehr als Zumutung empfunden. Während sich also die „Retter“ der Troika langsam auseinanderzudividieren scheinen, entsteht auf den Straßen von Lissabon bis Athen so etwas, wie eine neue europäische Einheit – zumindest im Straßenkampf gegen die Entmündigung der europäischen Völker durch EU, EZB und IWF.
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