Schon die Schieflage einer Bank kann globalen Crash auslösen

Schon die Schieflage einer Bank kann globalen Crash auslösen

Eine Studie der ETH Zürich zeigt: Die internationalen Finanzinstitutionen haben die Krise genutzt, um sich noch stärker zu vernetzen. Durch die wechselseitige Abhängigkeit müssten daher auch kleinere Banken von den Notenbanken gerettet werden, weil heute praktisch jede Bank den totalen Crash auslösen könnte. Die Banken betreiben diese Strategie offenbar ganz bewusst, um auf jeden Fall durch einen Bailout abgesichert zu sein.

  |  Veröffentlicht: 12.08.12, 01:53  |  Aktualisiert: 12.08.12, 02:30  | 41 Kommentare

Die Studie der ETH Zürich

Zusammenfassung der ETH Zürich

Banking-Theorie

Auszug:

Infolge der Ausbreitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sind die Banken heute zunehmend weniger auf die Zentralbank angewiesen. De facto bestimmen die Banken die Geldmenge durch ihre Kreditvergabepraxis meist ohne Rücksicht auf die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft, da sie sich am eigenen Profit orientieren. Hierbei verhalten sie sich ausgeprägt prozyklisch. Sie übersteuern die Geldmenge wiederkehrend, indem sie in Wachstums- und Haussephasen überschießend zu viel Geld, in Stagnations- und Baissephasen zu wenig Geld in Umlauf bringen.

Die Banken realisieren aus ihrer Giralgeldschöpfung einen privaten Zinsextragewinn. Infolge der großen Giralgeldmenge entgeht den Zentralbanken, damit der öffentlichen Hand, ein großer Teil des Geldschöpfungsgewinns. Deren Summe bewegt sich für Deutschland in einer Größenordnung von jährlich 10–30 Milliarden Euro je nach Expansion der Geldmenge. Die Seigniorage entspricht in erster Annäherung einem Zuwachs der Geldmenge M1 in Proportion zum realen Wirtschaftswachstum, nach heutigen Maßstäben Summen in der Größenordnung von jährlich 25 bis 50 Milliarden Euro. [2]

Infolge der kaum mehr steuerbaren Entwicklung der Geldmengen M1 bis M3 haben sich die Zentralbanken von der Geldmengenpolitik auf Zinspolitik verlegt. Gemessen an den Resultaten ist dies weitgehend wirkungslos geblieben: Im Zeitraum von 1992 bis zum Kriseneinbruch 2008 hat sich die Geldmenge M1 in Deutschland um 189 Prozent ausgedehnt. Damit wuchs die Geldmenge fast viermal stärker als das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen, dessen Zuwachs sich auf 51 Prozent belief, und mehr als achtmal stärker als das preisbereinigte reale Bruttoinlandsprodukt, das um 23 Prozent stieg. [3]

In diesem Sachverhalt kommt zum Ausdruck, dass die prozyklisch überschießende Kreditexpansion und damit Giralgeldschöpfung nicht nur anhaltende Inflation nährt, teils schwächer, teils stärker, sondern zunehmend auch selbstbezügliche Finanzgeschäfte über den Bedarf der Realwirtschaft hinaus. Aus diesem Zusammenhang erklärt sich auch die massive Expansion des Investmentbanking in diesem Zeitraum sowie die in allen Teilen der Welt häufiger auftretenden Spekulationsblasen mit schweren Krisenfolgen, in Amerika und Europa vor allem die Dotcom Krise 2000 bis 2001 und die Finanzkrise von 2007 bis 2009, aber auch die Asienkrise von 1997 bis 1998.

Der Zusammenhang zwischen Kreditschöpfung und Wirtschaftswachstum sowie Vermögenswertezyklen wurde erst 1992 theoretisch dargelegt in einer ‚Disaggregierten Quantitätsgleichung des Kredits‘ von Richard A. Werner [4], sowie empirisch belegt. Werner testete die herkömmlichen Geldtheorien, sowie die disaggregierte Kredittheorie anhand der volkswirtschaftlichen Daten von Japan, wo einer spekulativen Blase in den 1980er Jahren über ein Jahrzehnt Rezession folgte. Dies wurde zur Grundlage seines ’neuen monetären Paradigmas‘.[5][6]

Während der Staat diese Prozesse monetär nicht mehr unter Kontrolle hat, muss er in solchen Krisen gleichwohl, um einen Systemkollaps zu verhindern, die allfälligen Verluste der Banken tragen und sich für ihren Bestand verbürgen. Dies macht fiskalische und budgetäre Bemühungen des Staates zunichte. Wirtschaft und Gesellschaft in der Breite haben die Kosten und Folgelasten zu tragen. Da zugleich viele Banken nicht damit aufgehört haben, Managern und Mitarbeitern exorbitante Boni zu zahlen, hat dies nachdrückliche Forderungen nach ‚mehr Kontrolle‘ und ‚strengerer Regulierung‘ der Banken auf den Plan gerufen, darunter auch viele Vorschläge an die Politik, die Banking-Theorien nicht länger zur Grundlage ihres Handelns zu machen.


Die Krise – ein Schauspiel der Ohnmacht

Die Krise – ein Schauspiel der Ohnmacht

Die Hauptverursacher der Krise sind gleichzeitig deren Gewinner. Den Kampf um eine Neuordnung der Finanzbranche haben Angela Merkel und ihre Kollegen gar nicht erst angetreten.

Die Inszenierung ist immer wieder beeindruckend:
Da empört sich Deutschlands Kanzlerin über die „Schande“, dass just jene Banken, „die uns an den Abgrund gebracht haben“, auch aus dem Schuldendebakel der Griechen ein Geschäft machen und verspricht, eine „neue Verfassung für die internationalen Finanzmärkte“.
Da zetert Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy über die „Entartung des Kapitalismus“ und fordert wie einst nur die Aktivisten von Attac die „Besteuerung der Spekulation“ gegen „die Raserei der Finanzmärkte“.
Da droht Luxemburgs Premierminister Jean- Claude Juncker im Namen aller Regierungen der Eurozone, man werde den Spekulanten die „Folterwerkzeuge“ zeigen und selbst Amerikas Präsident Barack Obama wettert gegen die „Bonzen an der Wall Street“ und prahlt wie ein Straßenjunge, er sei „bereit zum Kampf, wenn diese Leute ihn wollen“.

Essay von Harald Schumann – 07.03.2010 00:00 Uhr