Die Illusionen in der öffentlichen Finanzwirtschaft

Amilcare Puviani (* 1854 in San Felice sul Panaro; † 1907) war ein italienischer Ökonom und gilt als früher Vertreter der Public-Choice-Theorie.
Er befasste sich mit Staatsfinanzierung sowie deren soziologischen und gesellschaftspolitischen Aspekten.

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Puviani stammte aus der Provinz Modena. Am 29. Juli 1876 beendete er ein Jurastudium an der Universität Bologna mit Auszeichnung und einem Thema zur „indirekten Prävention“ („Della prevenzione in generale e specialmente della prevenzione mediata“).
Danach studierte er Finanzwesen in Perugia und erhielt dort eine Professur. 1903 publizierte er in seinen „Illusionen in der öffentlichen Finanzwirtschaft“ die erste systematische Analyse der Zusammenhänge und Effekte von Steuern und öffentlichen Ausgaben Italiens. Er fand in den engen Beziehungen zwischen Gesetzgeber und Interessengruppen die Hauptursache für fehlende Transparenz.
Seine Ideen wurden später in der Neuen Politischen Ökonomie durch James M. Buchanan weiterentwickelt und seine Bücher einige Male neu aufgelegt.

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Puviani’s Arbeiten werden häufig auf 11 Vorschläge seines Werkes „Teoria della illusione finanziaria“ reduziert, in dem er einer Regierung empfiehlt, wie sie möglichst viel Geld aus ihren Untertanen pressen kann ohne offenen Widerstand zu provozieren.
Diese waren :

  1. Besser indirekte als direkte Steuern, um diese im Warenpreis verbergen zu können.
  2. Kreditfinanzierung der Staatsausgaben, um künftige Generationen (und nicht die jetzige) zu besteuern.
  3. Förderung der Inflation, um Staatsschulden zu entwerten.
  4. Besteuerung von Luxusgütern und Schenkungen, da leichter akzeptabel.
  5. Etabliere „zeitlich befristete Steuern“ in einer Ausnahmesituation und lasse sie bestehen.
  6. Nutze soziale Konflikte zur Besteuerung unpopulärer Gruppen, wie z.B. Reiche.
  7. Drohe mit der Verweigerung von Leistungen und sozialem Zusammenbruch bei Steuerminderung.
  8. Zerlege die Steuern über das Jahr in Raten.
  9. Verschweige die tatsächliche Höhe der Belastung.
  10. Führe die Haushaltsberatungen im Parlament so, dass sie unverständlich bleiben.
  11. Verstecke Ausgabepositionen im Haushaltsplan hinter Allgemeinbegriffen.

Jörg Guido Hülsmann hat Puvianis Techniken mit einleuchtenden Beispielen treffend analysiert und um vier weitere ergänzt:

Die zwölfte Technik ist die Fehlklassifizierung bestimmter Komponenten des Bruttoinlandsprodukts.
Es wäre ja aufschlussreich zu sehen, wie hoch der Staatsanteil ist. Bloß: Was zählt als Staat?
Da haben wir beispielsweise die Bahn – die zählt als privat und taucht gar nicht mehr bei den Staatsausgaben auf.
Die Post: ebenfalls privat. Oder Energieunternehmen – in den meisten EULändern staatliche Monopolisten, aber sie werden dem Bereich der Privatwirtschaft zugeschlagen. Dadurch entsteht schnell der Eindruck, der Staatsanteil liege beispielsweise bei 56 Prozent, während er in der Tat viel höher liegt – vielleicht bei 60 Prozent, vielleicht auch bei 70 Prozent.

Die dreizehnte Technik sind erzwungene Arbeitsleistungen.
Bei Besteuerung denkt man zunächst vorrangig an Geldzahlung. Aber es gibt auch so etwas wie Zwangsarbeit – nicht mehr die Zwangsarbeit früherer Zeiten, die die Untertanen an bestimmten Tagen des Jahres für die Obrigkeit zu leisten hatten, aber eine versteckte Form der Zeitaneignung. Wenn man an die Erhebung von Steuern denkt, die direkt von den Unternehmen durchgeführt werden muss – Mehrwertsteuer, Lohnsteuer und dergleichen –, fällt auf, dass der Unternehmer hier zum Steuereintreiben zwangsverpflichtet wird. Er muss einen Teil seiner Arbeitszeit oder der von ihm bezahlten Arbeitszeit seiner Mitarbeiter darauf verwenden, nicht Güter zu produzieren, sondern Steuern einzutreiben.

Die vierzehnte Technik:
Wir erleben heute eine Steuerpropaganda in einem Ausmaß, das Puviani zu seiner Zeit wohl kaum für möglich gehalten hätte.
Nicht nur den Bürgern, auch den jungen Ökonomen an den Universitäten werden Rechtfertigungen eingebläut, damit sie bloß nicht auf den Gedanken kommen, dass an der herrschenden Steuerpropaganda irgend etwas falsch sein könnte. Wenn die Ökonomen heute Dinge nicht mehr wissen, die ihren Kollegen bereits im 19. Jahrhundert selbstverständlich waren, dann ist es für sie schwer, in profunder Weise Kritik zu üben.

Die fünfzehnte Technik und zugleich die letzte:
Wir erleben heute, was in der Fachpresse finanzielle Repression genannt wird.
Dabei geht es darum, dass der Staat durch verschiedene Eingriffe die Sparer, aber auch die Finanzinstitutionen, drängt, Staatsanleihen zu kaufen anstelle von Finanzpapieren.
Um nur einige Methoden zu nennen, wie dabei vorgegangen wird:
Versicherungen und auch Banken werden mittels Finanzmarktregulationen genötigt, einen bestimmten Anteil ihrer Bilanzsumme in Form staatlicher Anleihen zu halten. Auch mittels Bankenregulierung werden große Anreize gesetzt, staatliche Anleihen zu kaufen, statt beispielsweise Kredite an Handwerksfirmen zu vergeben. Und schließlich der staatliche Kampf gegen alternative Investitionsformen, insbesondere Auslandsbesitz von Bankkonten.“

Die Liste könnte über die genannten fünfzehn Techniken hinaus fortgeschrieben werden – fest steht, dass im Lichte des hier Ausgeführten die tatsächliche Steuerbelastung viel höher ist, als aus dem offiziellen Zahlenmaterial hervorgeht.

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Puviani’s Werk ist anscheinend -wie Hülsmann schon zwischen den Zeilen bemerkte- nur den wenigsten Ökonomen bekannt und/oder als sog. ‚Herrschaftswissen‘ konserviert. Oder kennen Sie ein wirtschaftswissenschaftliches Seminar, dass sich ausführlich mit Puviani’s Thesen auseinandersetzt?
Das Buch des Finanzwissenschaftlers ist eine ‚hard to find‘ Pretiose und mit € 58 für die Taschenbuchausgabe nicht gerade preiswert.
In gut sortierten Uni-Bibliotheken ist Puviani’s erkenntnisreiches Werk allerdings verfügbar.

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Die mir vorliegende Ausgabe mit 124 Seiten wurde von Prof. Dr. G. Schmölders, Universität Köln herausgegeben und bei Hans Winter Buchdruckerei, Berlin im Jahr 1960 gedruckt.
Die nachfolgende Inhaltsangabe mit dem Geleitwort von G. Schmölders (Köln, im März 1960) ist daraus entnommen.

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Ihr Oeconomicus

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Inhalt

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Erstes Kapitel
Von der politischen Illusion im allgemeinen
§ 1. Die politische Illusion, ihre Natur und ihre Formen
§ 2. Steuerwilligkeit und Steuerwiderstand
§ 3. Die Wirkungen der flnanzwirtschaftlichen Illusion sind graphisch darstellbar – Indifferenzpunkt, Indifferenzlinie
§ 4. Die Wirkungen der optimistischen und pessimistischen Illusion in graphischer Darstellung
§ 5. Wie die Bürger und Steuerzahler entsprechend ihrem hedonistischen Kalkül eine bestimmte Stellung zum Staate einnehmen
§ 6. Der Einfluss der Illusion auf die Stellung der Bürger und Steuerzahler dem Staat gegenüber
Zweites Kapitel
Die finanzwirtschaftliche Illusion
§ 7. Die Grundarten der Illusion bei den öffentlichen Ausgaben
§ 8. Die Grundarten der Illusion bei den öffentlichen Einnahmen
§ 9. Illusionen durch Tarnung der unmittelbaren schmerzhaften Wirkungen der Steuer (1)
§ 10. Illusionen durch Tarnung der unmittelbaren schmerzhaften Wirkungen der Steuer (2)
§ 11. Illusionen durch Tarnung der unmittelbaren schmerzhaften Wirkungen der Steuer (3)
Drittes Kapitel
Die teilweise Verheimlichung staatlicher Einkommens- und Vermögensabschöpfung, in dem einzelne ihrer Quellen verheimlicht werden
§ 12. Von der Illusion durch die teilweise Verheimlichung staatlicher Einkommens- und Vermögensabschöpfung im allgemeinen
§ 13. Verheimlichung der mittels der Einkiinfte und der Veräußerung der Domänen erfolgten Einkommens- und Vermögensabschöpfung
§ 14. Vom Verbergen öffentlicher Einkommens- und Vermögensabschöpfungen im Preis der Produkte
§ 15. Die verborgene Einkommens- und Vermögensabschöpfung durch Geldverschlechterungen
§ 16. Die Tarnung von Vermögensverlusten, die in Verbindung mit Steuern und Anleihen auftreten
§ 17. Verheimlichung der Höhe der öffentlichen Anleihen und ihrer Zinsen
§ 18. Die verborgene Einkommens- und Vermögensabschöpfung durch den Verkauf öffentlicher Ämter
§ 19. Die Verheimlichung künftiger Abgabelasten durch falsche Versprechungen der öffentlichen Macht
Viertes Kapitel
Verschleierungen der Quantität und Dauer der öffentlichen Ausgaben und Einnahmen im Budget
Erster Teil
Die Zeit vor der französischen Revolution
§ 20. Verschiedene Arten solcher Verschleierungen
§ 21. Die mehr oder weniger starke Verheimlichung der Besteuerung in ihrer Gesamtheit sowie der Ausgaben mit Hilfe von Einrichtungen und Techniken in Verbindung mit der rechnerischen Struktur des Einnahmen- und Ausgabenbudgets
§ 22. Fortsetzung
§ 23. Die mehr oder weniger starke Verheimlichung der Besteuerung in ihrer Gesamtheit sowie der Ausgaben durch Einrichtungen und Techniken in Verbindung mit der Organisation der Staatsführung
§ 24. Einrichtungen und Techniken in Verbindung mit der Organisation der Staatsführung, die die Gesamtheit der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben auf indirekte Weise verdunkelten
§ 25. Fortsetzung
Fünftes Kapitel
Verheimlichung: der Qualität, Quantität und Dauer der öffentlichen Ausgaben und Einnahmen im Budget
Zweiter Teil
Die neuere Zeit
§ 26. Verheimlichung der Qualität, Quantität und Dauer der öffentlichen Ausgaben und Einnahmen mit Hilfe der Haushaltstechnik
§ 27. Fortsetzung der vorhergehenden Ausführungen unter besonderer Berücksichtigung der französischen Verhältnisse
§ 28. Haushaltstechnische bzw. politische Manoever der mit der Budgetaufstellung betrauten Personen
§ 29. Gewisse verfassungsmäßige Einrichtungen in ihrer Bedeutung für die Budgetverschleierung (1)
§ 30. Gewisse verfassungsmäßige Einrichtungen in ihrer Bedeutung für die Budgetverschleierung (2)
§ 31. Zusammenfassung
Sechstes Kapitel
Illusionen infolge der Verknüpfung der Steuer mit privaten Freuden des Steuerzahlers
§ 32. Die Steuerwilligkeit in Abhängigkeit von gewissen unmittelbaren Befriedigungen des Steuerzahlers
§ 33. Angenehme Befriedigungen privater Natur, mit denen die Schenkungsund Erbschaftssteuern verknüpft wurden
§ 34. Angenehme Befriedigungen privater Natur, mit denen die Steuern auf Veräusserungen verknüpft wurden
§ 35. Angenehme Befriedigungen privater Natur, mit denen gewisse Verbrauchsteuern verbunden wurden
Siebentes Kapitel
Von privaten Befriedigungen, die einzelne öffentliche Dienste größer und die Steuerlast geringer erscheinen lassen
§ 36. Der Einfluss angenehmer privater Ereignisse auf das Urteil über den Nutzen einzelner öffentlicher Dienste
§ 37. Die Gebührenerhebung bei familiären Ereignissen
§ 38. Die Erhebung von Steuern oder Gebühren auf Befriedigungen, die mit öffentlichen oder privaten Vergnügungen zusammenhängen
§ 39. Die Erhebung von Steuern oder Gebühren auf Befriedigungen, die mit der Eröffnung gewerblicher Unternehmen zusammenhängen
§ 40. Die Erhebung von Steuern oder Gebühren auf Befriedigungen, die mit dem Besuch öffentlicher Schulen und dem Erwerb lukrativer Ehrentitel zusammenhängen
§ 41. Die Erhebung von Gebühren oder zusätzlichen Steuern auf Befriedigungen, die mit einer Beförderung oder dem Neuerwerb eines öffentlichen Amtes zusammenhängen
§ 42. Befriedigungen klassenspezifischer Art, die durch die Steuer selbst hervorgerufen werden und deren Druck abschwächen
Achtes Kapitel
Die finanzwirtschaftliche Illusion, die der Gegenüberstellung eines vermeidbaren größeren Übels mit dem kleineren Übel der Steuer entspringt
§ 43. Die Natur dieses Irrtums und seine wichtigsten Arten
§ 44. Die neue Steuer, die irrtümlicherweise einer alten vorgezogen wird
§ 45. Schmerzdämpfende Mittel für zu Unrecht erhobene Steuern
§ 46. Die Steuer als angebliches Mittel zur Abwehr von Angriffen auf die rechtliche Ordnung oder den Wohlstand des Staates
Neuntes Kapitel
Die finanzwirtschaftliche Illusion, die dadurch entsteht, dass das Leid verschiedener Steuern miteinander oder mit anderem Leid verknüpft wird
§ 47. Ein psychisches Gesetz und seine Anwendung in der Finanzpolitik
§ 48. Die Besteuerung des Staatsbürgers bei dessen wirtschaftlichem Zusammenbruch
§ 49. Die Auflagen im Zusammenhang mit Strafurteilen
§ 50. Die Besteuerung der nächsten Angehörigen eines Verstorbenen
§ 51. Die verschiedenen Arten der Illusion hinsichtlich der Erbschaftssteuer
§ 52. Die Abschwächung der Last der von den nächsten Angehörigen erhobenen Erbschaftssteuer ist von einer Einschränkung bestimmter sensueller Bedürfnisse abhängig
§ 53. Andere Steuern, die anläßlich des Todes eines nahen Angehörigen erhoben werden und deren Schmerzhaftigkeit gemildert oder annulliert wird durch eine Einschränkung der Bedürfnisse der gemeinen Natur
§ 54. Verknüpfung des Leids verschiedener Steuern untereinander
Zehntes Kapitel
Die auf der Aufsplitterung der Zwangsabgaben beruhende Illusion
§ 55. Die Abschwächung des Steuerleids, die auf die Aufsplitterung der Steuer zuruckzuführen ist
§ 56. Zwei psycho-physische Gesetze
§ 57. Finanztheoretische Ursachen
Elftes Kapitel
Illusionen über die Person
§ 58. Ihr Wesen und ihre grundlegenden Arten
§ 59. Illusionen über die Person des Steuerzahlers in der Zeit
a) Die früheren Steuerzahlern angerechnete Steuer, die dem Anschein nach auf gegenwärtigen Steuerzahlern lastet
§ 60. Illusionen über die Person des Steuerzahlers in der Zeit
b) Die falsche Überzeugung der gegenwärtigen Generationen, den schädlichen Wirkungen von Steuern, die von vergangenen Generationen erhoben wurden, zu entgehen
§ 61. Illusionen über die Person des Steuerzahlers in der Zeit
c) Die scheinbare Steuerfreiheit der augenblicklichen Steuerzahler aufgrund der Annahme, dass die Last auf die zukünftigen Generationen überwälzt sei
§ 62. Die Illusion über die Person gegenwärtiger Steuerzahler
a) Man hält jemanden für den tatsächlichen Steuerzahler, der es in Wirklichkeit nicht ist
§ 63. Die Illusion über die Person gegenwärtiger Steuerzahler
b) Man glaubt, dass jemand von der Steuer befreit sei, der es in Wirklichkeit nicht ist
Zwölftes Kapitel
Die finanzwirtschaftliche Illusion in den verschiedenen sozialen Klassen
§ 64. Die von der Illusion betroffene Person des Steuerzahlers
§ 65. Wie sich die Illusion über die öffentlichen Ausgaben auf die verschiedenen sozialen Klassen verteilt
§ 66. Fortsetzung
§ 67. Wie die verschiedenen Arten der Illusion über die öffentlichen Einnahmen sich auf die sozialen Klassen verteilen
a) Die Steuerillusionen der oberen Schichten
§ 68. Wie die verschiedenen Arten der Illusion sich auf die sozialen Klassen verteilen
b) Die Steuerillusionen der unteren Schichten
§ 69. Schlußfolgerung
Dreizehntes Kapitel
Die geschichtliche Entwicklung der finanzwirtschaftlichen Illusion
§ 70. Die finanzwirtschaftliche Illusion in den ersten Jahrhunderten nach dem Jahre 1000
§ 71. Die finanzwirtschaftliche Illusion im Zeitalter des Feudalismus
§ 72. Die finanzwirtschaftliche Illusion im bürgerlichen Zeitalter
Vierzehntes Kapitel
Die Ursachen der finanzwirtschaftlichen Illusion
§ 73. Die mehr und die weniger speziellen und variablen Umstände, die die finanzwirtschaftliche Illusion bestimmen
§ 74. Der letzte Beweggrund der Steuerillusionen liegt in der Wirtschaftsverfassung und ihren Veränderungen
Anhang
Von der finanzwirtschaftlichen Desillusion
§ 1. Die finanzwirtschaftliche Desillusion in der Neuzeit
§ 2. Wie die Ursachen der finanzwirtschaftlichen Desillusion vorwiegend äkonomischen Charakters sind
§ 3. Die finanzwirtschaftliche Desillusion im 18. Jahrhundert


Bankenunion: Es droht der deutsche Volksbankrott

Bankenunion: Es droht der deutsche Volksbankrott
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von Prof. Dr. Philipp Bagus
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Die Staatsschulden sind nichts gegen die Bankschulden. Vergessen Sie die Angst vor der Gefahr eines Staatsbankrotts.
Durch die Bankenunion droht etwas Größeres: der deutsche Volksbankrott.
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Etliche Staaten der Eurozone haben über ihre Verhältnisse gelebt. Die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, EZB, und die implizite Beistandsgarantie Deutschlands ermöglichten vor allem den Peripheriestaaten eine Schuldenaufnahme zu bis dahin unbekannt günstigen Zinssätzen.
Es kam zu mehreren miteinander verquickten Blasen. Am Beispiel Spaniens lässt sich das gut nachverfolgen.
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Spanien erlebte dank Kreditboom eine ausgedehnte Immobilienblase. Parallel wuchs eine Bankenblase, da der Kreditboom dem Finanzsektor zu stattlichen Einnahmen und Expansion verhalf. Die Gewinne des Finanz- und Bausektors ließen die Steuereinnahmen sprudeln, die der spanische Staat mit offenen Händen ausgab. Es entstand eine Staatsblase.
Von 2000 bis 2007 verdoppelten sich die Staatsausgaben beinahe. Besonders das öffentliche Gesundheits- und Bildungswesen expandierte und züchtete binnen kurzem Ansprüche an den Sozialstaat heran, die nun von der Bevölkerung als ureigene „Rechte“ verteidigt werden.
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Heute ist die spanische Immobilienblase bereits geplatzt. Die Bankenblase entleert sich. Die durch den Boom künstlich erhöhten Steuereinnahmen sind drastisch weggebrochen. Jedoch sträubt sich die auf das verwöhnte spanische Wahlvolk fokussierte Politik vehement gegen das Aufstechen der Staatsblase.
Die Staatsausgaben liegen selbst 2012 immer noch über dem Vorkrisenniveau von 2007.
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In anderen Peripheriestaaten sieht es ähnlich aus. In Irland gab es auch die angesprochenen drei Blasen.
Griechenland ließ die Immobilienblase aus und machte aus dem Land einen staatlichen Vergnügungspark.
Portugal und Italien nutzten die Gunst der Stunde, überfällige Reformen zu verschieben, den Staatssektor auszubauen und verkrustete Strukturen mit Staatshilfe zu erhalten.
So kam es in der Peripherie zu immensen Fehlinvestitionen in Form von Immobilien oder nicht tragfähigen Wohlfahrtsstaaten.
Diese Verluste sind bereits angefallen und werden früher oder später von irgendjemand getragen werden müssen.
Zur Zeit schlummert ein Teil dieser Verluste versteckt in den Bilanzen der Banken, die den Immobilienboom, aber auch die Staatsblase finanzierten.
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In der Finanzkrise retteten zahlreiche Staaten der Eurozone nationale Banken mit Steuergeldern. Heute sind aber einige Staaten nicht mehr in der Lage, die Bankenrettung aus eigener Kraft zu stemmen.
Die Kosten der Bankenrettung würden die Staaten selbst in die Zahlungsunfähigkeit und deshalb unter den ungeliebten – da mit Auflagen ausgestatteten – Rettungsschirm treiben.
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Was liegt da näher, als diese Kosten auf Steuerzahler im Ausland abzuwälzen. Hier kommt die Bankenunion ins Spiel. Diese ermöglicht es, dass eine Rettung insolventer Banken nicht durch den betroffenen Staat selbst erfolgt, sondern aus dem dazu ermächtigten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) kommt.
Die öffentliche Schuldenlast erhöht sich damit nicht. Fehlinvestitionen können weiter laufen und die Banken weiter brav die Staatsanleihen ihrer Länder aufsaugen.
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Dieser Schachzug zielt in erster Linie darauf ab, deutsche Steuergelder und Sparvermögen für die bereits angefallenen und noch zu erwartenden Verluste in Südeuropa verfügbar zu machen. Das einzige, was der deutschen Seite gegen dieses Ansinnen einfiel, war, als Bedingung für die Bankenunion eine gemeinsame Bankaufsicht zu fordern, um die Banken an die Leine zu nehmen. Durch dieses taktische Manöver konnte die Einführung der Bankenunion verzögert werden.
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Es geht bei der Bankenunion in erster Linie aber nicht um die Banküberwachung, die die EZB übernehmen soll, wodurch Deutschland wohl wieder das gleiche Gewicht wie Malta bekommt und strukturell gegen Südeuropa in der Minderheit ist.
Es geht bei der Bankenunion vielmehr darum, dass Deutschland für die Südbanken haftet.
Dieser Vorgang musste natürlich verschleiert werden. Und so wurde die Nebelkerze der gemeinsamen Bankenaufsicht gezündet.
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Dass die Bankenaufsicht nur ein Vorwand ist, liegt auf der Hand. Wollte man die Banken zu verantwortlicherem Handeln ermutigen, dann würde man eben nicht die Verbindung zwischen Handlung und Haftung kappen. Man würde insolvente Banken nicht retten, und schon gar nicht ihnen einen ständigen Rettungsschirm öffnen. Gerade die Existenz dieses Schirms verleitet zu unverantwortlichem Handeln und garantiert letztlich auch seine Inanspruchnahme. Vielmehr würde man die Marktteilnehmer, die ihr Geld in die Banken investierten – sprich Aktionäre und Gläubiger – die Verluste selbst tragen lassen.
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Die Bankenunion begnügt sich jedoch nicht mit den Steuergeldern aus dem Norden – und damit mehrheitlich aus Deutschland –, die durch die Ermächtigung des ESM an den Parlamenten vorbei den Südbanken zur Verfügung gestellt werden sollen. Zusätzlich soll die Bankenunion noch eine gemeinsame Einlagensicherung bringen und damit deutsches Sparkapital zur Sicherung von ausländischen Banken nutzbar machen. Der Vorwand für die gemeinsame Einlagensicherung ist das Ziel, die Kapitalflucht aus dem Süden in den Norden zu stoppen. Die Kapitalflucht wird jedoch erst enden, wenn die Haftungsunion komplett ist und ein deutscher Euroaustritt ausgeschlossen werden kann.
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Durch die Bankenunion käme der Norden nicht nur wie jetzt schon für insolvente Regierungen auf, sondern auch für deren insolvente Banken.
Das ist allein daher pikant, weil die Staatsschulden weit geringer sind als die Bankschulden.
In Spanien werden die Staatsschulden am Jahresende bei 85 % des Bruttoinlandsprodukts liegen. Die Bankschulden stehen jedoch jetzt schon bei 305 % des BIP.
Verschaffen wir uns einen kurzen Blick über die gewaltigen Bankschulden, die das deutsche Sparvermögen bedrohen.
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Flag Banks / Nationality debt in € Mrd.
Spanien Spain 3,300
Griechenland Greece 400
Portugal Portugal 500
Irland Ireland 1,200
Italien Italy 3,700
Belgien Belgium 1,100
Belgien France 7,900
total 18,100
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Es handelt sich um zusammen gut 9 Billionen Euro an Bankschulden aus den peripheren Ländern wie Spanien, die Überbleibsel aus Immobilien- und Staatsblasen beinhalten und in die Bankenunion eingebracht werden.
Zu den Ländern mit prekärem Bankensektor sollten wir noch das überschuldete Belgien sowie Frankreich hinzuzählen. Frankreich ähnelt mit seiner fehlenden Wettbewerbsfähigkeit, seinem inflexiblen Arbeitsmarkt und einer reformunwilligen Regierung, die die Staatsblase nicht aufstechen will, sehr Spanien.
Mit Belgien und Frankreich sind wir bei gut 18 Billionen Euro !
Dagegen nehmen sich das deutsche Rekord-Steueraufkommen von 2012 in Höhe von 0,6 Billionen Euro und auch das deutsche Bruttoinlandsprodukt mit 2,6 Billionen Euro mickrig aus.
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Schwindelerregend ist selbst der Vergleich mit dem Nettovermögen der Deutschen, das mit 8,7 Billionen Euro weit geringer als die genannten Bankschulden ausfällt. Würden die Banken der erwähnten Länder Verluste in Höhe von 25 Prozent ihrer Schulden publik machen und diese von Deutschland alleine getragen, verschlänge dies die Hälfte des deutschen Volksvermögens. Durch die Bankenunion droht der deutsche Volksbankrott.
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Trotz des Ablenkungs- und Bremsmanövers der gemeinsamen Bankenaufsicht ist es das Ziel der Bankenunion, deutsche Steuergelder und Sparvermögen den Südbanken verfügbar zu machen. Und zwar nicht nur zur Begleichung von Verlusten, die aus den Blasen der Vergangenheit stammen, sondern auch, um das angenehme Schuldenmachen, das Verzögern von Reformen, die Fehlinvestitionen in Prestigeprojekte und Sozialstaatswohltaten in Zukunft fortsetzen zu können. Der einzige Wermutstropfen: Angesichts der absehbaren Verluste ist selbst das deutsche Volksvermögen sehr begrenzt.
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Prof. Dr. Philipp Bagus lehrt Volkswirtschaft an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid. Der Geld- und Konjunkturtheoretiker ist Koautor einer Studie zum isländischen Finanzkollaps (Deep Freeze. Iceland’s Economic Collapse). Sein jüngstes Buch „Die Tragödie des Euro. Ein System zerstört sich selbst“ erschien im FinanzBuch Verlag.
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Erstveröffentlichung durch Prof. Bagus – 29.11.2012 – Hauptstadtbrief
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Prof. Bagus: Webauftritt — Twitter
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herausragende Vorträge von Prof. Bagus

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MONEY
Vortrag bei MISES UNIVERSITY, Auburn/Alabama – July 2012
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BANKING AND FINANCIAL MARKETS
Archived from the live Mises.tv broadcast, this lecture by Philipp Bagus was presented at the 2012 Mises University in Auburn/Alabama
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THE EUROCRISES
Archived from the live Mises.tv broadcast, this lecture by Philipp Bagus was presented at the 2012 Mises University in Auburn/Alabama
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Prof. Dr. Wilhelm Hankel und Prof. Dr. Philipp Bagus bei Nigel Farage
Prof. Dr. Hankel und Prof. Dr. Philipp Bagus sprechen in einer Konferenz, organisiert von Nigel Farage, in Brüssel über die Eurokrise.
Die Eurokrise ist nach Hankel eine politische Krise, die selbst gemacht wurde. „Wir hätten niemals eine Eurokrise gehabt ohne die Rettungspakete,“ sagte Hankel.
Bagus stellt klar, dass ein Ausstieg aus dem Euro billiger wäre als dessen Erhalt.
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Kommentar zu diesem Event in deutscher Sprache
International Business Times

Athen droht bis 2020 neuer Anstieg der Schulden

Athen droht bis 2020 neuer Anstieg der Schulden
Die langfristige Prognose für die Entwicklung der griechischen Staatsschulden hat sich einem Pressebericht weiter verschlechtert. Griechenland drohe bis zum Jahr 2020 ein Anstieg der Schulden auf 140 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, berichtete die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf Verhandlungskreise. Ursprünglich hatte sich die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) mit Athen darauf geeinigt, den Schuldenstand bis 2020 auf 120 Prozent zu senken.
(DiePresse.com)
Anmerkung
Wird der ‚Notausgang‘ Drachme 2.0 wider Erwarten nicht genutzt, werden wir nicht bis 2020 auf den Eintritt der obigen Prognose warten müssen. Die Troika-Erwartungen dürften sich schon recht bald als fataler Zweckoptimismus herausstellen.

Ihr Oeconomicus


Nachgerechnet: Italiens Staatsschuld höher als angegeben

Nachgerechnet: Italiens Staatsschuld höher als angegeben
Es sind diese Nachrichten, die das Vertrauen in Südeuropa aushöhlt: Italiens Statistiker haben jetzt Italiens Staatsschulden neu berechnet. Prompt kam in der Revision ein schlechterer Wert für 2011 heraus. Die Schulden sollen jetzt 120,7 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Italiens betragen.
ManagerMagazin

Euro-Krise: Spanien macht mehr Schulden als erwartet

Euro-Krise: Spanien macht mehr Schulden als erwartet

Die Haushaltslage in Spanien ist noch bedenklicher als bislang angenommen: Die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy teilte am Samstag mit, dass die Staatsverschuldung bis Jahresende auf 85,3 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes steigen werde. 2013 werde sie schließlich 90,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erreichen. Diese Quoten liegen deutlich über den bisherigen Prognosen. Allerdings hatte sich bereits in den vergangenen Tagen abgezeichnet, dass Spanien seine ursprünglichen Verpflichtungen zum Defizitabbau nicht würde einhalten können.

SpOn


Der Preis des Geldes

Der Preis des Geldes

Alternativen zur Zinswirtschaft. Wer sich bei einer Bank Geld leiht, muss Zinsen zahlen. Wer anderen einen Kredit gewährt, bekommt Zinsen. Dieses Prinzip ist so selbstverständlich, dass bislang kaum jemand auf die Idee gekommen ist, es infrage zu stellen. Durch die Finanzkrise und die drückende Last der Staatsschulden hat sich der Blick auf Zins und Zinseszins jedoch verändert. Müssen Zinsen wirklich sein? Tatsächlich gibt es Modelle, die ohne sie auskommen. Dazu gehören Komplementärwährungen und das Islamic Banking. Ein Blick in die Zukunft und die Geschichte des Zinses, der immer auch ein Machtinstrument war.
swr2-wissen – Podcast [26:06 Min]

Paul Ryan will Millionen Jobs schaffen

Paul Ryan will Millionen Jobs schaffen

Paul Ryan hat seine Nominierung als republikanischer Vizekandidat offiziell angenommen. Er versprach, zwölf Millionen Jobs zu schaffen. US-Präsident Obama habe auf der ganzen Linie versagt.
Versagen beim Anwachsen der Staatsschulden
Ryan machte auch klar, dass die Republikaner bei einem Wahlsieg die Gesundheitsreform Obamas abschaffen wollen. Obama habe auf der ganzen Linie versagt. „Was im Weißen Haus fehlt, ist Führungskraft.“ Das größte Versagen sei aber das Anwachsen der Staatsschulden. „Wir dürfen kein Geld ausgeben, das wir nicht haben.“
Ex-Außenministerin Condoleezza Rice mahnte, die USA dürften ihre militärische Überlegenheit nicht verlieren. „Frieden kommt durch Stärke.“ Obama warf sie vor, die politische Führungsrolle der USA in der Welt verspielt zu haben.
N24
Anmerkung
Die Staatsschulden der USA – Stand 28.08.2012: 16 Billionen Dollar – nahmen im zweiten Quartal um 274,3 Mrd. Dollar zu, während das Bruttoinlandsprodukt nur um 117,6 Mrd. Dollar anzog. Im Ergebnis ist der Schuldenstand also um 133% schneller gewachsen, als die wirtschaftliche Gesamtleistung!
Zerohedge schreibt dazu, dass Amerika bei einem Zinssatz von 2,13% im laufenden Jahr gigantische 340 Mrd. Dollar für fällige Zinsen aufzuwenden hat. Die chinesischen Zinseinnahmen aus US-Bonds haben mittlerweile ein Volumen erreicht, das ausreichen würde, um den gesamten US-Militärhaushalt zu finanzieren. Den „Falken“ im US-Senat könnten dabei die Hände zittern!
Der Blog „Sovereign Man“ bringt die Lage unter Bezug auf historische Betrachtungen zum Osmanischen Reich auf den Punkt:
In the 19th century, the Ottoman Empire was facing a similar debt crisis. In just 11-years, the Ottoman central government went from spending 17% of its tax revenue on interest payments, to spending over 52% of its tax revenue on interest payments. Then came default. Eleven years. The US is at 15% right now. How long will it take for the interest burden to become unbearable? – This is banana republic stuff, plain and simple… and smart, thinking people ought to be planning on capital controls, wage and price controls, pension confiscation, and selective default. Because the next trillion will be here before you know it.

Ihr Oeconomicus