‚rating‘ hat nichts mit raten zu tun (!)

Zitat zum Tage

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„Was anders sind also Reiche, wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, als große Räuberbanden?
Sind doch auch Räuberbanden nichts anders als kleine Reiche.
Auch da ist eine Schar von Menschen, die unter Befehl eines Anführers steht,
sich durch Verabredung zu einer Gemeinschaft zusammenschließt und nach fester Übereinkunft die Beute teilt.

Wenn dies üble Gebilde durch Zuzug verkommener Menschen so ins Große wächst,
daß Ortschaften besetzt, Niederlassungen gegründet, Städte erobert, Völker unterworfen werden,
nimmt es ohne weiteres den Namen ‚Reich‘ an, […]“
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Bildquelle, Bildrechte und Lizenzgenehmigung

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Zitat-Quelle:
[ Augustinus, Aurelius, „Vom Gottesstaat“, Übers. v. W. Thimme, Bd.1, Buch 1 – 10, München. 1977, 173f. ]
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‚rating‘ hat nichts mit raten zu tun (!)

Standard & Poor’s sei Dank!
Die Nation und vor allem der semantische Sedativa verbreitende Mainstream darf wieder einmal raten!
Die ‚phöse‘ Ratingagentur hat doch tatsächlich wieder zugeschlagen … die EU empört sich, die Euro-Alchimisten versuchen das Ereignis herunterzuspielen oder raten, die Ratingagenturen zu entmachten oder die downgradings einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen.
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Mir erschließt sich der Gedanke, warum sich über die Ursache(n) dieses Events Ratlosigkeit breit macht, oder gar böse Absichten unterstellt werden, nicht wirklich.
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Wie so oft, liegt des Rätsels Lösung einfach darin, die seitens S&P dargelegten Gründe für die Neubewertung zur Kenntnis zu nehmen:
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Zitat (S&P-Webseite):

„We also believe that the agreement [the latest euro rescue plan] is predicated on only a partial recognition of the source of the crisis: that the current financial turmoil stems primarily from fiscal profligacy at the periphery of the eurozone. In our view, however, the financial problems facing the eurozone are as much a consequence of rising external imbalances and divergences in competitiveness between the EMU’s core and the so-called “periphery”. As such, we believe that a reform process based on a pillar of fiscal austerity alone risks becoming self-defeating, as domestic demand falls in line with consumers’ rising concerns about job security and disposable incomes, eroding national tax revenues.“

It’s always an advantage to be able to read!
Isn’t it quite easy to understand the action instead of guessing around and/or distributing baloney?
Zu Recht schreibt S & P den Euro-Besoffenen ins Stammbuch, die wahren Ursachen der Krise nicht wahrgenommen zu haben bzw. vorsätzlich zu negieren.
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Der leider noch überwiegende Teil der Menschen, die ihren Mitgliedsausweis im „Club betreuter Denker“ als Privileg „der ersten Reihe“ wahrnehmen, wird weiterhin suggeriert, fiskalpolitische Abenteuer diverser Club-Med-Staaten seien die Hauptursache der aktuellen Verwerfungen.
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In der Tat ist die Eurokrise aber eher die folgerichtige Konsequenz unterschiedlichster ökonomischer Ausrichtung, Ressourcen und Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsländer.
Erzwungene und verfassungsmäßig festzuschreibende „Sparpakete“ oder „Schuldenbremsen“ sind nach Einschätzung der Ratingagentur kontraproduktiv, da solche Maßnahmen schlichtweg den Konsum drosseln und in der Folge auch Steuereinnahmen verringern.
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Schön, dass die S&P-Analyse diese Wechselwirkung so deutlich herausgearbeitet hat und damit unsere diesbezügliche Einschätzung, die ich in zahlreichen Beiträgen, Kommentaren und Analysen deutlich gemacht habe, teilt.
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Welche mittel- und unmittelbaren Konsequenzen sind nun, verursacht durch die Neubewertung, zu erwarten?
Japanische Investoren haben bereits reagiert und verlassen in Scharen die Eurozone.
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Damit deutsche Lebensversicherer sich nicht von den rückgestuften Staatsanleihen trennen müssen [was zu einer Kettenreaktion führen würde], erwägt die Bundeskanzlerin auf Anraten des stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion Michael Meister, diesbezügliche gesetzliche Vorschriften zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern.
Sollte dies so geschehen, wird das Risiko einer Staatspleite vom Versicherer, der solch toxische Papiere hält, auf den Versicherungskunden abgewälzt.
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Speziell Versicherungskunden, deren Lebensversicherung als Tilgungsinstrument für Hypothekenkredite dient, werden sich vermutlich am Ende der Kreditlaufzeit die Augen reiben.
Da kommt doch so richtig Freude auf, wenn nicht beim Versicherungskunden, so doch bei maroden Staatspleitiers, deren Papiere nun weiterhin von Versicherungsgesellschaften ins Portefeuille aufgenommen werden können.
Im Hinblick auf die Herabstufung Frankreichs [von mir bereits im Mai 2010 prognostiziert] dürfte die Bonität des Rettungsfonds EFSF ebenfalls gefährdet sein. Dies könnte das bisherige deutsche Garantievolumen erhöhen.

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Da sind wir doch alle gespannt, mit welcher Argumentation uns und dem Deutschen Bundestag solche neuen Wahrheiten serviert werden.

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Es würde wohl kaum überraschen, wenn sich Herr Schäuble wie so oft, zwischen Zweckoptimismus und ‚politischen‘ Wahrheiten um klare Eingeständnisse drückt.
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Ein hübsches Beispiel seines ‚Könnens‘ im Zusammenhang mit Fragen zur ESM Ausgestaltung sehen wir hier
Auf ein weiteres gelungenes Beispiel von Herrn Schäuble’s weitsichtigen Überzeugungen macht Almut Müller in ihrem Beitrag  „Wir gehen dann schon mal vor“  aufmerksam. Überlegungen zur europäischen Politik – [PDF – 11 Seiten] vom 01.Sept.1994 (!)
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NACHTRAG – 23:45h:
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S&P stuft erwartungsgemäß EFSF-Rettungsschirm ab!
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Macht nix … zahlt eben Deutschland noch einige hundert Milliarden mehr!
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Ihnen allen eine angenehme Woche.
herzlichst
Ihr Oeconomicus
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Sparen ist eine schlechte Idee

Sparen ist eine schlechte Idee

Spanien, Portugal und erst recht Griechenland sollen jetzt sparen bis zum Umfallen, sonst würden sich die Finanzmärkte gar nicht mehr beruhigen. Und nicht nur die Problembären der Eurozone sollen sparen, auch der Rest, Deutschland und Frankreich voran. Sarkozy und Merkel haben das schon mal angemerkt. Es ist richtig, dass die öffentlichen Haushalte durch die Krise (Bankenrettung und Konjunkturhilfen) arg gebeutelt wurden, und dass man in der mittleren Frist die Schulden auch wieder abbauen muss.
Dabei gibt es nur einige Fragen. Erstens, wenn die Staaten der Eurozone jetzt sparen, machen sie da nicht das zarte Pflänzchen Konjunktur, das jetzt anfängt zu sprießen, gleich wieder kaputt? Und zweitens, wenn dem so sein sollte (was sehr wahrscheinlich ist), was passiert dann mit den Einnahmen aus Steuern und Abgaben? Richtig, sie werden weiter sinken, und damit die Sparabsicht der Regierungen durchkreuzen. Wenn der Staat zu viel spart, reißt er die ganze Wirtschaft mit sich – und die Defizite werden dann genauso hoch, wenn nicht sogar höher sein als vorher. Das Bundesfinanzministerium oder die Forschungsinstitute sollten das doch mal ausrechnen: Welcher Effekt des Sparens wird denn überwiegen in nächster Zukunft?
[…]
Fabian Lindner – Herdentrieb/Die Zeit
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Ergänzungen
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Zerstörerisches Geld
Die seit Herbst 2008 andauernde Finanzkrise hat sich auch zu einer Krise des globalisierten Kapitalismus zugespitzt. Denn eine ungehemmte Liberalisierung der Märkte und die Ausdehnung der internationalen Arbeitsteilung haben die gigantischen Wachstums- und Wohlstandsversprechen nicht einlösen können.
Lehren aus der Hyperkrise, Teil 2: Gespräch mit dem Wirtschaftskolumnisten Paul Jorion [9.Mai 2010]
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Zehn Etappen zum Abgrund
Massenarbeitslosigkeit, schwaches Wirtschaftswachstum und alle Regierungen auf striktem Sparkurs – droht eine neue Weltwirtschaftskrise wie in den dreißiger Jahren?
Stephan Schulmeister, 01.11.1996 – DIE ZEIT