EZB beginnt vor Übernahme der Aufsichtsfunktion mit umfassender Bewertung

PRESSEMITTEILUNG DER EZB:
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23. Oktober 2013 – EZB beginnt vor Übernahme der Aufsichtsfunktion mit umfassender Bewertung

  • Große Banken werden Risikobewertung, Prüfung von Aktiva-Qualität und Stresstest unterzogen
  • Bewertung beginnt im November und dauert zwölf Monate
  • Maßnahme soll Transparenz, Korrekturen und Vertrauensbildung fördern

Heute gibt die Europäische Zentralbank (EZB) Einzelheiten der umfassenden Bewertung bekannt, die sie als vorbereitende Maßnahme vor Übernahme der vollen Verantwortung für die Aufsicht im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus durchführt. Zudem wird die Liste jener Banken veröffentlicht, die Gegenstand der Bewertung sind. Die Bewertung stellt eine wichtige Etappe bei der Vorbereitung des einheitlichen Aufsichtsmechanismus dar und ist generell als Schritt hin zu mehr Transparenz bei den Bankbilanzen und zu einer einheitlicheren Vorgehensweise im Bereich Aufsicht in Europa zu sehen.

Aufgenommen wird die Bewertung, die zwölf Monate in Anspruch nehmen wird, im November 2013. Sie wird gemeinsam mit den zuständigen nationalen Behörden (National Competent Authorities – NCAs) jener Mitgliedstaaten durchgeführt, die am einheitlichen Aufsichtsmechanismus teilnehmen, und durch unabhängige Dritte auf allen Ebenen der EZB und der NCAs unterstützt.

Durch die Bewertung sollen vor allem drei Ziele – Transparenz, Korrekturen und Vertrauensbildung – erreicht werden: Transparenz durch die Verbesserung der Qualität der verfügbaren Informationen zur Situation der Banken, Korrekturen durch Ermittlung und Umsetzung gegebenenfalls notwendiger Korrekturmaßnahmen und Vertrauensbildungda sich alle Interessenträger gewiss sein können, dass die Banken grundlegend solide und vertrauenswürdig sind.

Die Bewertung setzt sich aus drei Elementen zusammen:

  • Erstens erfolgt eine aufsichtliche Risikobewertung, bei der die Hauptrisiken – u. a. Liquidität, Verschuldungsgrad und Refinanzierung – in quantitativer und qualitativer Hinsicht geprüft werden.
  • Zweitens wird eine Prüfung der Aktiva-Qualität (Asset Quality Review – AQR) zur Steigerung der Transparenz in Bezug auf die Engagements von Banken vorgenommen. Hierbei wird die Qualität der Bankaktiva auf den Prüfstand gestellt, u. a. wird analysiert, ob die Bewertung der Aktiva und Sicherheiten adäquat ist und die damit zusammenhängenden Rückstellungen angemessen sind.
  • Und drittens wird ein Stresstest durchgeführt, mit dem die Widerstandsfähigkeit der Bankbilanzen bei Stress-Szenarien untersucht wird.

Diese drei Elemente greifen eng ineinander. Grundlage der Bewertung wird eine Eigenkapitalquote von 8 % hartem Kernkapital sein, wobei sowohl für die AQR als auch für das Basisszenario des Stresstests die in der Eigenkapitalrichtlinie IV/Eigenkapitalverordnung, einschließlich Übergangsregelungen, enthaltene Definition herangezogen wird. Einzelheiten zum Stresstest werden zu einem späteren Zeitpunkt in Abstimmung mit der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde bekanntgegeben.

Den Abschluss der umfassenden Bewertung bildet die Veröffentlichung – in zusammengefasster Form – der Ergebnisse auf Länder- und Bankenebene nebst etwaigen Empfehlungen für aufsichtliche Maßnahmen. Diese umfangreichen Ergebnisse, die auch die im Rahmen der drei Säulen der umfassenden Bewertung gewonnenen Erkenntnisse enthalten, werden veröffentlicht, bevor die EZB im November 2014 die Aufsichtsfunktion übernimmt.

Mario Draghi, der Präsident der EZB, äußerte sich wie folgt zu diesem Thema:

„Eine einheitliche umfassende Bewertung, die auf alle bedeutenden Banken – die rund 85 % des Bankensystems des Euroraums ausmachen – gleichermaßen Anwendung findet, ist ein wichtiger Schritt nach vorn für Europa und für die Zukunft der Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets. Transparenz ist hierbei das oberste Ziel. Wir gehen davon aus, dass durch die Bewertung das Vertrauen des privaten Sektors in die Solidität der Banken des Eurogebiets und in die Qualität ihrer Bilanzen gestärkt wird.“

Nähere Einzelheiten können der Übersicht über die wichtigsten Merkmale der umfassenden Bewertung entnommen werden (siehe Link).

Medienanfragen sind an Frau Jill Forde oder Frau Uta Harnischfeger zu richten unter +49 69 1344 7455.

Europäische Zentralbank
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Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.

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Anmerkung
Der Prüfungsansatz ist sinnvoll und richtig, schlimmstenfalls jedoch unzureichend, da nicht erkennbar ist, ob überhaupt und falls ja, in welchem Umfang ausserbilanzielle Risiken (Special Purpose Vehicles, Stillhalter-Geschäfte, Derivate-Engagements) ebenfalls einer intensiven Prüfung unterzogen werden.
Daneben sind derzeit keine Hinweise ersichtlich, ob und in welcher Weise Assets in den Bankbilanzen, die nach IAS-Standards nach dem fair-value-Prinzip bewertet sind, einer kritischen Untersuchung unterzogen werden sollen.
Ausserdem erscheint es zwingend geboten, alle relevanten Daten und Fakten einer intensiven Prüfung zu unterziehen, die sich auf Kredit-Engagements mit staatlichen und halbstaatlichen Schuldnern beziehen. Besonders spannend hierbei wäre es, die aktuelle und künftige Risiko-Qualität z.B. von Kassenkrediten und ausgereichten Darlehen an US-Municipals zu überprüfen.
Wenn man schon Begrifflichkeiten wie Transparenz und Rückgewinnung von Vertrauen in den Ring wirft, sollten drei weitere Aspekte unbedingt in die Bedingungen der Stress-Tests mit einfließen:

  1. Verschärfung der Definition von non-performing loans (bislang geht es hier um Engagements, die seit mind. 90 Tagen nicht mehr bedient werden – eine drastische Verkürzung dieser Frist erscheint mir dringend geboten)
  2. eine kritische Würdigung juristischer Risiken insbesondere hinsichtlich etwaiger Sanktionen der US-Behörden im Zusammenhang mit intransparenten oder fragwürdigen Geschäftspraktiken, für welche es ggfls. Rückstellungsbedarf geben mag. 
  3. last but not least sollte darüber nachgedacht werden, wie man -als Folge des Libor-Skandals– etwaige Zinsrückforderungen seitens geschädigter Kunden bewerten möchte.

Ihr Oeconomicus