‚Münchhausen‘-Rede zur Wirtschafts- und Währungsunion von Dr. Theodor Waigel im Deutschen Bundestag (12. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Dezember 1991)


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Im Dezember 1991 hat der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs in Maastricht den „Vertrag über die Europäische Union“ vereinbart.

Wirtschaftlicher Kern dieses Vertragswerkes ist es, bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen. Die wirtschaftliche Integration mit dem Europäischen Binnenmarkt als Herzstück ist bereits weitgehend realisiert.

Die Europäische Währungsunion (EWU), samt gemeinsamer Währung, bildet das Ziel und den Abschluss der währungspolitischen Integration in Europa.

Die wichtigsten Stationen von der Vorbereitung bis zur Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion sollen hier in loser Folge nachgezeichnet werden.

Bemerkenswerte Zitate seitens der EU-Verzückten als auch kritische Bewertungen renommierter Persönlichkeiten sollen die historischen Betrachtungen abrunden.

Als Auftakt soll die ‚Münchhausen‚-Rede des damaligen Bundesfinanzministers, Dr. Theodor Waigel zur Wirtschafts- und Währungsunion im Deutschen Bundestag (12. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Dezember 1991) hier dargestellt werden. Den Rest des Beitrags lesen »


Prof. Dr. Wilhelm Hankel: Einführung in mein Buch – „Die Eurobombe wird entschärft“

„Die Eurobombe wird entschärft“

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Die Euro Bombe

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1. Die Ursachen der EU-Krise: Leistungsbilanzdefizite oder Lohnkostenexplosion? – Wissenschaftliche Glasperlenspiele.
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Der Theoretiker-Streit um die Ursachen der Eurokrise kreist um ein Henne-Ei-Problem. Geht die Zerreißprobe der Einheitswährung auf die chronischen Leistungsbilanzdefizite der Euro-Randstaaten (Portugal, Spanien, Italien, Griechenland etc.) zurück, oder sind diese die Folge von deren (dazu paralleler) Stücklohnkosten-Inflation?
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Das eine bedingt das andere: Ohne die intern (real) falschen Wechselkurse der Euro-Staaten (die einen sind unter-, die anderen überbewertet) gäbe es weder die auf Dauer „unfinanzierbaren“ Diskrepanzen der Leistungsbilanz-Salden (extreme Defizite der einen, Überschüsse der anderen) noch die Finanz-Ressourcen für die (realwirtschaftlich) die Produktivität übersteigenden Lohnkosten-Exzesse.
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Beides wird („simultan“) von Außen finanziert – in der ersten Euro-Phase geschah es über die Finanzmärkte (Kredite und Kapitalexporte der Überschussländer), inzwischen geschieht es „monetär“: über die eskalierenden „Liquiditätshilfen“ (ELA,TARGET, EFSF, ESM usw.) der EZB.
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Die EZB mit ihren Hilfsorganen ist zum „regionalen IWF“ mutiert, – nur dass letzterer seine Mittel nicht „schöpft“, sondern aus den Einlagen (Quoten) seiner Mitgliedsländer bezieht, während die EZB ihre „Zahlungsbilanzkredite“ aus eigener Geldschöpfung finanziert: Inflation produziert statt zu bekämpfen!
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Beides: Tiefrote Leistungsbilanzen und vom Produktivitäts-Maßstab abweichende Lohnentwicklung wären unmöglich – gäbe es (nationalen) Währungswettbewerb und einen marktgerechten Anpassungszwang für die Wechselkursbildung. Und keine den Anpassungs-Druck für Wechselkurse und Löhne aufhebende grenzen- und uferlose Zahlungsbilanz-Kredite seitens der EZB!
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Die drei Stoßrichtungen („ Ziele“) der Euro-Reform, die der Wissenschaftler-Streit unnötigerweise vernebelt, sind daher:
  •  Zurück zu Währungswettbewerb und nationalen Währungen,
  •  Wiederherstellung marktgerechter Wechselkurse mit Abwertungszwang für inflationäre Defizitländer und
  •  Verzicht der EZB auf Zahlungsbilanz- und darin involvierte Budget-Kredite („monetäre Staatsfinanzierung“).
Für alle drei Ziele besteht Handlungsbedarf und –zwang. Doch die Frage ist: Lassen sie sich umsetzen? Und wie rasch? Denn die „Lebenserwartung“ der gegenwärtigen Euro-Union ist wegen akuter Krisen-Eskalationsgefahr begrenzt.
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2. Die akute Krisen- und Zerfalls-Gefahr der Euro-Zone geht allein vom Finanzsektor aus
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Die Zypern-Krise deckt ein bislang tot geschwiegenes finanzielles Struktur-Problem der Euro-Zone gnadenlos auf: die Überdehnung des Bank-Sektors (Europas „overbanking“)
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Die Bankbilanz-Volumina der Euro-Länder übersteigen (im Gegensatz zu den USA) die realen Wirtschaftsleistungen (gemessen am BIP) bei weitem, am dramatischsten in Mini-Volkswirtschaften ohne industriellen Kern: Luxemburg, Malta, Zypern; außerhalb der EU in der Schweiz.
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Am Rande der Euro-Zone hat sich ein Gürtel wirtschaftlich schwacher Volkswirtschaften mit hypertrophiertem Bank-Sektor gebildet, der selber nicht in der Lage (zu „unterkapitalisiert“ ) ist, um sich im Krisenfall zu helfen. (In Luxemburg übersteigt das Bilanzvolumen der dort domizilierenden Banken das BIP um 2.100 Prozent. Weniger als 15% der lokal verdienten Einkommen stammen aus realer Wertschöpfung und Arbeit). Fälle wie Zypern werden sich wiederholen und bedrohen in letzter Konsequenz die weltweite Liquidität des Euro und des europäischen Kapitalverkehrs (Art. 66 AEUV). Das Euro-Krisenmanagement setzt auf Kapitalverkehrs-Kontrollen als „Lösung“. Der Euro mutiert statt zur „zweiten D-Mark“ zur „zweiten Mark der DDR“.
Mikroökonomisch angelegte Instituts-Lösungen (à la Basel oder der Ausbau der EZB zur Bankenaufsichts-Behörde) reichen zur Krisenabwehr nicht aus – und sind überdies erst auf lange Sicht einsatzbereit.
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Das oben skizzierte Programm muss daher durch die Wiederherstellung nationaler „ Feuerwehrfonds“ mit nationalen Zentralbanken als „lender of inexhaustable resorts“ gegen finanzielle Flächenbrände (à la 1930er Jahre) ergänzt und zusätzlich abgesichert werden.(Ein Punkt auf den der Verf. schon in der Verfassungsklage von 1998 hingewiesen hatte)
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Wie sieht (oder sähe) ein solches den obigen Erfordernissen angepasstes Euro-System aus? Es wird in meinem Buch vorgestellt und begründet.
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3. Der Euro kann durch nationale Währungen nur ergänzt, nicht er-setzt werden. Ein Euro als ECU II würde zum „Goldstandard ohne das gelbe Metall“ 
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Vorbemerkungen:
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– Ein ersatzloses Streichen des Euro stürzt Europa in das größte Währungs- und Finanzchaos seit Untergang des Römischen Reiches. Der Block der aufgelaufenen Schulden und Vermögen in Euro (annähernd 12 bis 13 Billionen Euro, vier deutsche BIP) kann weder 1:1 (in alten Umrechnungskursen) zurück gerechnet, noch durch Abwertung in den neuen (alten) Währungen „aufgewertet“ (verteuert) werden. Deswegen muss für die Alt-Schulden-Regelung in Euro entweder eine europäische oder nationale „Bad-Bank-Lösung“ gefunden werden.
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– Die EZB hat als „europäische Bundesbank“ auf der ganzen Linie versagt. Daher kann sie weder als „ultimativer lender of liquidity“ beibehalten noch als „IWF der Euro-Zone“ fortgeführt werden. Unter beiden Prämissen ergibt sich für die Euro-Zone – sie ist beides: sowohl „nicht-optimaler“ wie „staatenloser“ Währungsraum (denn Brüssels zentralistischer Super-Staat ist aus politischen, rechtlichen wie ökonomischen Gründen abzulehnen) – eine durchaus funktionsfähige Währungsverfassung mit folgenden Elementen:
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– Euro und jeweils nationale Währung bilden in jedem Euro-Staat ein „duales Währungssystem“. Der zu Beginn zwischen beiden „gesetzlichen Zahlungsmitteln“ (am Einführungstag) festgelegte Umrechnungskurs ist und bleibt jedoch ein „monetärer Marktpreis“ und steht unter dem Diktat der Markt-Bewertung. Ein (monetär wie budgetär) „zu expansives“ Euro-Land gerät dadurch marktgesetzlich unter Abwertungs-Druck.
– Die EZB emittiert Euro nur gegen den Ankauf nationaler Währungen zu Markt-Bedingungen: sie sanktioniert damit den Abwertungs-Druck und verzichtet auf jede „Flutung“ mit Euro. (Liquiditäts-Hilfen à la ELA, TARGET usw. sind allein unter in ihrem Statut zu definierenden „Not- und Ausnahmefällen“ erlaubt.)
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Unter diesen Bedingungen können inflatorische Prozesse (und Exzesse) nur von den nationalen Zentral- und Geschäftsbanken ausgehen (Die Gesamt-Geld-Mengen im Euro-System bleibt konstant und kann nur über Kredite konjunkturell „atmen“). Inflatorische Alleingänge einzelner Euro-Länder werden vom Markt durch Abwertung und Zinserhöhung „bestraft“; ihr Ansteckungseffekt auf andere Länder tendiert gegen Null.
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4. Welches sind die Vorteile des neuen (€+)-Systems? 
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1. Das „Greshamsche Gesetz“ gilt wieder. Bürger und Anleger entscheiden, in welcher Währung sie sparen und ausgeben. Der (neue) Euro würde automatisch zum stabilsten, weil abwertungs-sicheren Geld Europas: Alle nationalen Währungen können (und müssen!) zum Euro abwerten. Der Euro würde zum „Gold ohne das gelbe Metall“.
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2. Europas Währungsgraben zwischen Euro- und Nicht-Euro-Ländern verschwindet. Nicht-Euro-Länder mit eigener Währung (Schweiz, Russland, Norwegen) könnten der EU und neuen Euro-Zone beitreten. Dasselbe gilt für alle WKII-Länder innerhalb der (alten) Euro-Zone.
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3. Selbstverschuldete nationale Währungs- und Finanz-Krisen (à la Zypern und demnächst andere) bleiben nationale Krisen und gefährden nicht mehr den Euro. Der Euro wird endlich, was er werden sollte: ein global sicheres und akzeptiertes Geld – sicherer als der US-Dollar.
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4. Die Euro-Alt-Schulden-Regelung – entweder über nationale „ Bad-Banks“ oder die bewährten Alt-Schulden – „Clubs“ unter Aufsicht des IWF (Pariser und Londoner Club) – befreien die heutigen Krisen-Länder (Griechenland & Co) von ihrer unzumutbaren (und politisch explosiven „Selbst-Kasteiung“. Sie erhalten über die Bad Bank-Lösung für ihre Alt-Euro-Schulden sowohl Zeit für eine Schuldenstreckung sowie die Chance der Schuldenstreichung („haircut“): Es wäre die die Beendigung ihrer Dauer-Krise. Die EU würde wieder an Zusammenhalt und Attraktivität gewinnen.
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5. Last but not least: Die akute Gefahr, dass die Euro-Staaten über die eskalierende Kapitalflucht in „totes Kapital“ (Gold, Immobilien, Alt-Aktien, Auslandsanlagen) wertvolles Wachstums- und Innovations-Potential verlieren, wäre gebannt. Die EU würde wieder zum dynamischen Akteur auf der Weltwirtschafts-Bühne, eine Rolle, die sie seit der Euro-Krise nicht mehr spielt.
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Quelle: Prof. Dr. Wilhelm Hankel, Königswinter
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Besten Dank für diese erkenntnisreichen Erläuterungen.
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Ihr Oeconomicus


Zornige alte Männer und der drohende europäische Bürgerkrieg

Zornige alte Männer und der drohende europäische Bürgerkrieg

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Arnulf Baring rief die Bürger auf die Barrikaden / Screenshot aus einem Video im Text

Arnulf Baring rief die Bürger auf die Barrikaden / Screenshot aus einem Video im Text

Der Schaden ist längst angerichtet. Alle werden bezahlen müssen. Das wissen Arnulf Baring, Wilhelm Hankel und Hans-Olaf Henkel. Aber sie suchen immerhin nach einem Ausweg. Ein bloßes Zurück zur D-Mark ist für sie indes keine Lösung.

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Es ist schon auffällig, die aktuelle und immer noch alternativlose Euro-Politik wird in Deutschland medienwirksam vor allem von älteren Professoren/Professorinnen und Ex-Managern angegriffen. Das mittlere und jüngere Alterssegment ist nicht so stark vertreten. Das ist nachvollziehbar, denn die Arbeitsbelastung des alltäglichen Berufs ist erheblich und der unsichtbare Konformitätsdruck des Establishments bezüglich Karrierechancen oder Forschungsaufträgen wird vorhanden sein.
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Die in der Öffentlichkeit hervortretenden „Euro-Nörgler“ sind oft Leute, die zwar inhaltlich etwas zu sagen haben, deren Ausstieg aus Politik und Berufsleben aber entweder schon lange her ist oder die schon eine vollendete Karriere hinter sich haben und in gewissem Maße nicht mehr angreifbar sind. Auch die neue Euro-Protest-Partei AfD ist im Kern eine Gründung eher älterer, gut situierter Ökonomieprofessoren, was nicht per se negativ ist (manche Politiker haben den wirtschaftlichen Sachverstand dieser Partei schon zu spüren bekommen), aber doch bezeichnend für die politische Kultur in Deutschland.
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Zorn ist laut Duden ein heftiger, leidenschaftlicher Unwille über etwas als Unrecht Empfundenes, dem eigenen Willen Zuwiderlaufendes. Die drei hier nun aufgeführten zornigen alten Männer geben schon seit Langem ihrem Unwillen gegenüber einer sich immer mehr verfahrenden Politik lautstark Ausdruck. In der letzten Woche haben sie, alle drei erklärte Gegner der Merkelschen Rettungsschirmpolitik, wieder einmal zugebissen, verbal zumindest.
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Diktatorischer Akt
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Beginnen wir mit Arnulf Baring, Jahrgang 1932, dem man wirklich vorwerfen kann, er würde mit seiner Meinung hinter dem Berg halten. Er ist ein Verfechter von eindeutiger und direkter Aussage. In Diskussionen und Buchveröffentlichungen nimmt er engagiert klare Positionen ein und wurde deshalb in der FAZ auch schon „erster Wutbürger des Staates“ tituliert.
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Das ist schon abschätzig formuliert, Wut ist in ihrer Unbeherrschtheit nicht produktiv, Zorn schon. Arnulf Baring gehört zu den publizistisch wirksamen Menschen in Deutschland, die der Einführung des Euro von Anfang an skeptisch gegenüberstanden. Schon in den 90er-Jahren warnte er davor, die Risiken der Euro-Einführung zu unterschätzen, auch im Hinblick darauf, dass eine eigentlich notwendige Volksabstimmung zu diesem Thema nie gewagt wurde. Heute wird ja von Kohl offen zugegeben, dass die Einführung im Grunde „diktatorisch war, weil in freier Volksabstimmung der Euro abgelehnt worden wäre.
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In einem Artikel in Focus Online schrieb Arnulf Baring letzte Woche, es sei schon seit Langem seine Überzeugung, dass die Deutschen bzw. ihre politischen Vertreter die Realität in Europa einfach nicht wahrhaben wollten:
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„Wenn bei uns von Europa die Rede ist, geht man von einem Europa aus, das es gar nicht gibt. Wir tun so, als ob alle EU-Länder in der gleichen Richtung unterwegs wären. Doch die Mentalitäten auf unserem Kontinent sind extrem verschieden, man kann von einem gemeinsamen Denken und Handeln überhaupt nicht reden. Auf Dauer wird der Euro in seiner heutigen Form scheitern, denn die Leistungsunterschiede werden bleiben.“

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Eine Missgeburt
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Der Euro komme uns nicht nur sehr teuer zu stehen, sondern ruiniere zugleich alles, was in den letzten Jahrzehnten aufgebaut worden sei. Baring ist ja kein Befürworter von Konflikten, wenn er davor warnt, dass es neue Konfliktlinien geben wird. Gerade in Deutschland scheint es vielen Menschen schwer zu fallen, den Überbringer schlechter Nachrichten nicht mit dem Verursacher zu identifizieren. Baring sieht die neuen Konflikte am Horizont auftauchen und ist entsetzt. Die europäische Wirtschaftsgemeinschaft hat großen Wohlstand und in ihrem Gefolge eine beispiellose politische Stabilität und den Abbau von Antipathien und Vorurteilen bewirkt, es ist eine Friedensgesellschaft entstanden, die für die Nachkriegsgenerationen Europas zur Normalität wurde. Die Missgeburt „Euro“ – das sind nicht Barings Worte, aber so muss man ihn verstehen – frisst nun diese erreichte Normalität auf.

„Aufs Ganze gesehen, sind unsere Politiker ängstlich zusammengerückt in der kollektiven Überzeugung, es existiere keine Alternative zum gegenwärtigen Kurs. In Politik und Medien gibt es dagegen so gut wie keinen Widerspruch. Wir sind auf dem Weg, ein autoritäres System zu werden – ohne Autoritäten.

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Aber wie soll es weitergehen? Ich plädiere nicht dafür, zur D-Mark zurückzukehren – ein Zusammenschluss mit den Ländern, die eine ähnliche Leistungsfähigkeit haben wie wir, scheint mir die einzige Lösung zu sein. (…).
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Aus der Hoffnung Europa ist eine Bedrohung für uns Deutsche geworden. Wir müssen aufpassen, dass durch die zunehmende Krisenanfälligkeit des Euro nicht unser gesamtes demokratisches System ins Rutschen kommt.“
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Team Stronach
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Baring ist auch klar, dass ein unabgestimmter Brachial-Ausstieg aus dem Euro niemandem etwas bringen würde, an anderer Stelle hat er deutliche Sympathien für die Nord-Euro Idee von Olaf Henkel geäußert (s.u.). Baring geht es als Politikwissenschaftler und Historiker aber vor allem auch um die Demokratie. Sein Wort von dem „autoritären System ohne Autoritäten“, in das seiner Meinung nach unser politisches System langsam abrutscht, sollte auch Euro-Befürworter etwas wacher machen. Soll der Euro denn wirklich um jeden Preis verteidigt werden?
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In derselben Woche gab es – ebenfalls im Focus Online – eine Besprechung des neuen Buchs des Euro-Klageveteranen Wilhelm Hankel, Jahrgang 1929, der schon zusammen mit anderen Mitstreitern wie z.B. Joachim Starbatty vor Einführung und erst recht nach Einführung des Euro gegen diese Währung gerichtlich aktiv wurde.
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Hankel ist seit einiger Zeit wissenschaftlicher Berater in Währungsangelegenheiten der österreichischen Protestpartei „Team Stronach“, die im September 2013 anstrebt, in den Nationalrat des Nachbarlandes gewählt zu werden. In diesem Zusammenhang sind wohl auch die Vorschläge in der neuen Veröffentlichung Hankels zu sehen. Natürlich ergeht auch an diese neue österreichische Partei der Vorwurf, sie sei populistisch. Das übliche deutsche Schubladendenken versagt im Übrigen aber bei dieser politischen Gruppierung, wie überhaupt die politischen Vorgänge im Nachbarland für deutsche Beobachter manchmal äußerst bunt erscheinen. Es bleibt aber festzuhalten, dass der 84jährige Ökonom Hankel einmal mehr seinen Zorn in ein politisches Engagement produktiv umgesetzt hat und nun eine offizielle Funktion in einer Partei des Nachbarlandes ausübt. Auch als Unterstützer der Freien Wähler ist er jetzt hervorgetreten, mischt sich also auch in den deutschen Wahlkampf ein.
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Über seine Ablehnung der verunglückten Währung hat Wilhelm Hankel nie einen Hehl gemacht. Schon Anfang des letzten Jahres ging er soweit, die endgültige Abwicklung des Euros zu fordern:
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„Der Kampf um den Euro ist verloren. Die einzig vernünftige Lösung ist seine geordnete Abwicklung, die Liquidation der Währungsunion. Das verursacht die geringsten Kosten und es gibt historische wie aktuelle Modelle dafür. Auf dem Balkan, in Albanien etwa, hat man nationale Währungen und den Euro als Parallelwährung. Der Markt regelt das Umtauschverhältnis. Auch nach dem Ersten Weltkrieg, nach Auflösung des Habsburger Reiches, wurden nationale Währungen eingeführt und die alte Kronenwährung eine Zeit lang fortgeführt.“

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Die Euro-Bombe
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In seinem Buch „Die Euro-Bombe wird entschärft“ versucht er nun, in Anknüpfung an die schon 2012 geäußerten Gedanken eine Lösung für die unheilvolle Entwicklung darzustellen, die der Euro mit sich gebracht hat. Der Wirtschaftswissenschaftler Hankel sieht große Probleme bei einem ungeordneten Zusammenbruch des Euro.
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Eine Abschaffung von heute auf morgen würde Europa in heftige Turbulenzen stürzen. Es gebe ein massives Problem mit den Staatsschulden. Würden die in Euro aufgehäuften Staatsschulden auf einmal nicht mehr in Euro notiert sein, sondern in schwächere nationale Währungen umgerechnet würden, verlören die Besitzer von Staatsanleihen mit einem Schlag Billionen. Die Folge – so Hankel – wäre „das größte Chaos in Europa seit dem Untergang des römischen Reiches“. Es muss über einen realistischen und politisch gangbaren Ausstieg aus der bestehenden Situation der Euro-Währung geredet werden.
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Man merkt, dass die politische Funktion Hankels auch zu vorsichtigeren Formulierungen führt. Hat Hankel Anfang 2012 noch für so etwas wie eine kontrollierte Liquidation des Euro plädiert, kann er sich nun vorstellen, dass der Euro als Langzeit-Leitwährung verschiedener nationaler Währungen, die in einem Währungssystem zusammengefasst sind, bestehen bleibt. In dem Artikel zum Buch heißt es dann auch:
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„Der neue Euro sei komplett durch nationale Währungen gedeckt. Die Europäische Zentralbank (EZB) würde Euro nur im Tausch gegen nationale Währungen ausgeben. Auch die Folgen einer Doppelwährung für das tägliche Leben hält Hankel für beherrschbar. ‚Die Europäer würden den neuen, stabilen Euro zum Sparen verwenden – und im Supermarkt mit den nationalen Währungen zahlen.‘ “.

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Auch wenn man berechtigte Zweifel hegen kann, dass diese Vorstellungen von Hankel unter den gegebenen Umständen konkrete Politik werden können, sind sie doch zumindest das Formulieren einer Gegen-Option in einer Zeit der alternativlosen Konformität, in die Deutschland unter der Kanzlerschaft Merkels hineingeraten ist.
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Traum vom Nord-Euro
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Zu guter Letzt der im Vergleich zu den erstgenannten zornigen Alten noch relativ junge Hüpfer Hans-Olaf Henkel, Jahrgang 1940, der sich nun, zornerfüllt wie er ist, der gerade an diesem Wochenende als Partei gegründeten AfD als Berater zur Verfügung stellt. Im Unterschied zu Baring und Hankel war er nicht von Anfang an euroskeptisch, sondern hat erst nach Einsetzen der Euro-Krise die fatale Wirkung der gemeinsamen Währung erkannt. Er wandelte sich somit vom Euro-Saulus zum Nord-Euro-Paulus.
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Auch er veröffentlichte in der letzten Woche in seiner regelmäßigen Kolumne im Handelsblatt Online wieder einmal einen eurokritischen Beitrag. Henkel „träumt“ von seinem Nord-Euro:
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„Am Wochenende schlief ich im ICE zwischen Berlin und Hamburg ein. Ich träumte, dass der französische Staatspräsident der deutschen Bundeskanzlerin den Wunsch Frankreichs und anderer Südländer nach einem Ausstieg Deutschlands aus der Eurozone übermittelte.“

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Die Tatsache, dass Henkel das Ganze in einen Traum kleidet zeigt auch seine Zweifel an einer derzeitigen Realisierung des Nord-Euro-Konzeptes auf. Ein Großteil seines Traumes beschäftigt sich mit Protagonisten der deutschen Innenpolitik, die wenig freundlich in ihrer jeweiligen politischen Beschränktheit beschrieben werden. Hier wandelt sich Zorn in Polemik. Aber als Traumgeschehen mag es durchgehen. Schließlich kommt es zum Höhepunkt – der Gründung des Nord-Euro, des Eurogulden, eine Bezeichnung, mit der viele in Deutschland leben könnten:
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„Nach Annahme des französischen Vorschlages durch Finnland, Holland und Österreich, so träumte ich weiter, sah sich auch die Bundesregierung genötigt, zuzustimmen. Auch wurde bekannt, dass sich der neuen Währung – auf Vorschlag der Holländer „Eurogulden“ genannt – die Nichteuroländer Dänemark, Schweden, Polen und Tschechien anschließen wollen. Alle Teilnehmer der neuen Eurowährung würden den ursprünglichen Vertrag von Maastricht einhalten, einschließlich der „No-Bail-Out“-Klausel, die jede Vergemeinschaftung von Staatschulden untersagt.“

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Gefahr des Bürgerkriegs
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Der Realismus-Check für das geschilderte Szenario erbringt in der derzeitigen europolitischen Situation eine wohl eher geringe Wahrscheinlichkeit für eine solche Entwicklung:
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  1. Niemals wird Frankreich freiwillig einen solchen Schritt tun. Deutschland müsste die Forderung stellen und wäre wahrscheinlich sofort politisch isoliert.
  2. Die Angst vor einer neuen Nordeuro-Führungsmacht Deutschland ist wohl immer noch groß genug, um andere Länder vom Eintritt in einen solchen Währungsverbund abzuhalten. Aber träumen darf man natürlich.
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Für die drei hier behandelten Euro-Gegner, deren Kennzeichnung als „zornige alte Männer“ keinesfalls abwertend gemeint ist, ist ein bloßes Zurück zur D-Mark keine Lösung. Die Lösungswege sind unterschiedlich bei Hankel auf der einen und Baring/Henkel auf der anderen Seite. Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie versuchen, wenigstens Alternativen für eine völlig verfahrene Situation zu formulieren und zu veröffentlichen, auch wenn die Chance, in der Politik Gehör zu finden, gering ist und klar ist, dass die Wächter der political correctness solche Äußerungen als versteckten Nationalismus und geltungssüchtigen Rechtspopulismus brandmarken werden.
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Letztendlich passiert das alles vor dem Hintergrund, dass die bisherige Rettungspolitik der Euro-Zone erkennbar erneut in eine Krisensituation gerät: teilenteignete Sparer auf Zypern, dessen Geldbedarf aber weiter ansteigt; blockierte italienische Innenpolitik mit immer größeren antideutschen Tönen; verfassungsgerichtlicher Stopp portugiesischer Sparmaßnahmen; die zweitgrößte Euro-Wirtschaft Frankreich im Trudeln.
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Man fragt sich, wie lange es noch dauern wird, bis auch in Deutschland eine größere Anzahl etablierter Politiker endlich den Mund aufmachen wird, um andere Optionen zu diskutieren. Was wir von den Politikern verlangen können, ist ein Denken in Alternativen. Eine Neustrukturierung der Währungsunion, die allen Beteiligten eine Chance lässt und zu einer nachhaltigen und stabilen Lösung führt, wäre allemal besser als die jetzige Politik des „Augen zu und durch“, die in den völligen Bankrott der Menschen in Europa und schlimmstenfalls in einen neuen europäischen Bürgerkrieg führt.
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Eines ist allerdings sicher, der Schaden ist schon angerichtet, diese Banken- und Verschuldungskrise, denn das ist nun einmal der Kern der Euro-Krise, werden alle bezahlen müssen, auch und vor allem die Deutschen.
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Erstveröffentlichung: GEOLITICO

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Abdruck mit freundlicher Genehmigung durch Günther Lachmann
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Korrespondierende Archiveinträge

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05. Mai 2012:
Prof. Baring:
„Der Euro war und ist eine Schnapsidee“
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Zitat von Prof. Baring aus dem Artikel:

„Ich selbst habe nie an die Überlebenschancen dieses Euros geglaubt, schon vor 15 Jahren seine Krisenanfälligkeit öffentlich beschrieben und behauptet, er werde nach einiger Zeit zu massiven Transferzahlungen zwingen und am Ende auf ein gewaltiges Erpressungsmanöver hinauslaufen.“

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by the way:
In einem seiner Bücher formulierte der bekannte Historiker und AfD-Unterstützer Prof. Dr. Arnulf Baring bereits 1997:
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„Es wird heißen, wir finanzieren Faulenzer, die an südlichen Stränden in Cafés sitzen… Die Währungsunion wird am Ende auf ein gigantisches
Erpressungsmanöver hinauslaufen… Wenn wir Deutschen Währungsdisziplin einfordern, werden andere Länder für ihre finanziellen Schwierigkeiten eben
diese Disziplin und damit uns verantwortlich machen. Überdies werden sie, selbst wenn sie zunächst zugestimmt haben, uns als eine Art
Wirtschaftspolizisten empfinden.
Wir riskieren auf diese Weise, wieder das bestgehasste Volk Europas zu werden.“

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Nachdem Baring diese These seinerzeit auch in einem FAZ-Interview verbreitet hatte, schickte Helmut Kohl einen wütenden Brief an die fünf Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Ex-Premier Mário Soares fordert Euro-Austritt (follow-up s. Kommentare)

Portugals Ex-Premier fordert Euro-Austritt

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Jeder ist sich selbst der Nächste .. so in etwa könnte das Leitmotiv des portugiesischen Ex-Premier’s Mário Soares aussehen.
Im Interview mit dem Telegraph fordert er nach argentinischem Vorbild einen deutlichen Schuldenschnitt für sein Land und setzt sich konsequenterweise für den Euro-Austritt Portugal’s ein.
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Anscheinend schwindet die Zahl europäischer Euro-Glyzerin Jongleure, die weitere Menschen- bzw. Sozialopfer auf dem Merkel’schen Schulden-Altar zu opfern gewillt sind.
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Ich möchte fast wetten, dass wir in naher Zukunft ähnliche Töne führender Politiker aus der Euro-Zone hören werden und sich die Knopfleiste ernsthaft überlegen muß, Prof. Hankel’s Lösungsvorschlag zeitnah umzusetzen.
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Ihr Oeconomicus


Der Euro als Qualitätswährung – Bericht zur Bundespressekonferenz mit Prof. Hankel und Hubert Aiwanger

Aiwanger und Hankel sprechen sich für Zweitwährungen zumindest in Krisenländern aus

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© Oeconomicus (eigene Aufnahme) – frei verwertbar für die Bundespartei Freie Wähler

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Bei einer Pressekonferenz in Berlin wendeten sich der Bundesvorsitzende der FREIEN WÄHLER Hubert Aiwanger und der international renommierte Währungsexperte und „Vater des Bundesschatzbriefes“ Wilhelm Hankel gegen die Merkel’sche Politik des „weiter so!“ und gegen die verantwortungslose Forderung von Eurogegnern nach einem Austritt Deutschlands aus dem Euro aus.
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Aiwanger und Hankel forderten stattdessen den Euro so attraktiv zu gestalten, dass er nicht länger nur eine „Zonenwährung“ der 17 Euroländern ist, sondern auch weitere Länder der EU, wie z.B. Dänemark, Schweden oder Polen der Währung überhaupt beitreten wollen. Dazu müsste an den Maastrichtkriterien festgehalten werden, nach denen ein Land nicht für die Schulden der anderen in Haftung genommen werden dürfe. Anstatt Schuldengemeinschaft durch ESM müssten deshalb im Bedarfsfall Entschuldungen nach den bewährten Verfahren des Pariser und Londoner Clubs erfolgen.
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Zweitwährungen, z.B. die Drachme in Griechenland zusätzlich zum Euro würden die Möglichkeit eröffnen, den nötigen Wechselkursspielraum wieder herzustellen und damit Spannungen innerhalb der Eurozone aufgrund der unterschiedlichen Wirtschaftskraft der Mitgliedsstaaten abzubauen. Aiwanger zeigte sich überzeugt, dass die FREIEN WÄHLER bei der Bundestagswahl ein Überraschungsergebnis einfahren werden, da sie einen vernünftigen, proeuropäischen Kurs fahren, der sich deutlich abgrenzt von der lobbygesteuerten Merkelpolitik, der die Spaltung Europas betreibt.
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Folgt man den Ausführungen von Prof. Hankel werden u.a. auch die ökonomischen Luecken des AfD-Gründers deutlich.
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Aufzeichnung der Bundespressekonferenz

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TEIL 1:
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TEIL 2 – Nachfragen der Journalisten
u.a. zu Merkel’s Schulden-Altar, Altschuldenregelungen, Geldmengenausweitung durch Fed, BoE, BoJ, Inflations-/Deflations-Szenarien, Jugendarbeitslosigkeit, etc:

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Korrespondierende Artikel
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März 2003 – Deutsche Bundesbank:
WELTWEITE ORGANISATIONEN UND GREMIEN IM BEREICH VON WÄHRUNG UND WIRTSCHAFT
Kapitel zum Pariser und Londoner Club ab Seite 227
PDF [258 Seiten] – sehr zu empfehlen
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07. März 2011 – Oeconomicus:
Die Vorgeschichte des Euro
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04. August 2011 – Oeconomicus:
Lebenslügen des Euro
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10. Juni 2012 – Oeconomicus:
Semantische Abenteuer-WELTen
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06. März 2013 – GEOLITICO:
Tiefe Einblicke in die politische „Alternative für Deutschland“
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21. März 2013 – Oeconomicus:
Prof. Wilhelm Hankel: Die Euro-Bombe
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10.April 2013 – WELT:
Das passiert bei einer Rückkehr zur D-Mark
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11. April 2013 – Junge Freiheit:
Aiwanger attackiert „Alternative für Deutschland“
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11. April 2013 – FAZ:
Anti-Euro-Partei wächst rasant
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12. April 2013 – FREITAG:
Hunderte AfD-Mitglieder zum Parteitag ausgeladen!
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15:50h: Aktuelle, recht merkwürdige Meldung bei Facebook:
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afd
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Ihnen Allen und insbesondere den unkritischen Hosianna-Chören ein angenehmes Wochenende
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Ihr Oeconomicus


“Ohne Euro ginge es ganz Europa besser!”

“Ohne Euro ginge es ganz Europa besser!”

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In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) bedauert der Erfinder der Bundesschatzbriefe, Prof. Dr. Wilhelm Hankel, die Entscheidung des Bundes. „Ich bin traurig. Vor allem aber betrübt mich, dass es so eine kleine Trauergemeinde gibt“, so Wilhelm Hankel zur FAS.
Das Bundesschätzchen habe es verdient, dass mehr Bürger über ihrer Empörung über deren Abschaffung Luft machen, führt der Wirtschaftswissenschaftler aus.
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In einem heute geführten Gespräch konnten wir das Urgestein näher befragen.
[…]
Quelle
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Nationale Währungen plus Euro – Diese Idee soll den Euro so sicher wie Gold machen
Er hat die Regierung beraten und die Bundesschatzbriefe erfunden – doch den Euro hält Wilhelm Hankel in seiner jetzigen Form für unhaltbar. In einem Interview präsentiert er eine Alternative, die Europas Währung so sicher wie Gold machen soll.
[…]
Focus
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Anmerkung
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Am Donnerstag, 11. April wird ab 10:30h Prof. Wilhelm Hankel in Haus der Bundespressekonferenz erwartet, wo er mit dem Parteivorsitzenden der Freien Wähler Bundesvereinigung, Herrn Hubert Aiwanger zu diesen und weiteren Fragen unter anderem in Bezug auf die Teilnahme der FREIEN WÄHLER zur Bundestagswahl und währungspolitische Fragen zur Verfügung zur Verfügung stehen wird.
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BV-Einladung 11.4.13

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Wenn Sie mögen, sehen wir uns in Berlin!
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Ihr Oeconomicus


Alkohol für Trinker

Alkohol für Trinker

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Zypernkrise: Bei der Euro-Rettung werden Recht und Ökonomie mit Füßen getreten
Was schockiert am Fall Zypern mehr: die Sorglosigkeit, mit der Europas Spitzenpolitiker ein kleines, für Europas künftige Gas-Versorgung jedoch geostrategisches Schlüsselland in beispielloses Elend und Chaos stürzen – oder die Skrupellosigkeit, mit der sie die in allen europäischen Staatsverfassungen garantierten Grundrechte des Geldeigentums mit Füßen treten, von „pacta sunt servanda“ bis zu Sparerschutz und Einlagensicherheit?
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Mit ihrem Pfusch übertreffen die Pannenhelfer den Originalschaden um Zehnerpotenzen. Was wäre passiert, hätte man Zypern den Kredit, ein Klacks gemessen an den hunderten Milliarden Euro, die die Euro-Rettung bislang gekostet hat, ohne sinnlose Folterung gewährt?
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Oder noch einfacher: Wenn man das Land aus dem Euro-Gefängnis wieder heraus gelassen hätte?
Gleich Island hätte Zypern die Chance bekommen, sich am eigenen Schopf aus seinem Schuldensumpf heraus zu ziehen. Im einen wie dem anderen Falle wären Euro und Euro-Zone nichts passiert. Hinter der Rettungs- Hysterie steckt das Motiv, daß es den Euro-Rettern (entgegen dem Versprechen, mit dem man die Deutschen in die Euro-Falle gelockt hat) ja gar nicht um die Stabilität der Währung geht. Es geht ihnen um Zusammenhalt und Ausweitung der Euro-Zone. Ihre Endstation Sehnsucht ist der europäische Superstaat, gleichgültig, ob er mit Demokratie, Marktwirtschaft, einer offenen Weltwirtschaft oder den Gesetzen der Mitgliedsländer vereinbar ist.
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Die Misere wird klar, wenn man versteht, wie das Euro-System funktioniert: wie eine Kneipe, in der der Wirt ohne Unterlass Freibier ausschenkt und sich dann wundert, dass sich seine Gäste betrinken – solange bis er darüber selber pleitegeht!
Gäste der Euro-Kneipe sind Zypern, Griechenland & Co, ihr Wirt ist das Euro-System.
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Doch was wäre die Kneipe ohne ihre Kellner, die das Euro-Bier zum Euro-Trinker befördern: die Banken? Zwar erweist sich der Realsektor: die investierende, reale Werte und neue Arbeitsplätze schaffende Wirtschaft in der gegenwärtigen Krise des Euro als äußerst diszipliniert und zurückhaltend. Umso mehr langt offen oder versteckt hinter der Theke die Riege der Kellner zu.
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Die Euro-Zone ist 2012 mit einem Bilanzvolumen der Banken von 34 Billionen Euro, dem Dreieinhalbfachen der realen Wirtschaftsleistung der in ihr vereinigten Volkswirtschaften„ overbanked“ – weit mehr als jede andere Region der Welt, die USA eingeschlossen. Spitzenreiter dieser Fehlentwicklung ist der „Groß-Staat“ Luxemburg. Der dortige Finanzsektor bringt es mit dem 21,7-fachen der Bilanzsumme seiner „kellnernden“ Bankenüber die Jahreswirtschaftsleistung des Landes auf einen unschlagbaren Weltrekord.
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Luxemburg lebt gut und üppig von seiner finanziellen „Wertschöpfung“, die in der Zypern-Krise unter anderem darin bestand, das Geld der Oligarchen aus Russland und anderen Ländern über die dortigen Filialen der jetzt zu „reformierenden“ Zypern-Banken sicher (vor ihrer Konfiskation) außer Landes zu bringen. Doch wehe, wenn Luxemburgs Banken das Schicksal der zypriotischen oder demnächst maltesischen droht!
Versteht man jetzt den Dauereinsatz luxemburgischen Spitzen-Politiker bis hin zu Ex-Euro-Gruppenchef Jean Claude Junker für die Belange Europas? Und ihre Bemühungen um Rettung der Banken, pardon des Euro?
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Lange vor der „Alternative für Deutschland“ (AfD) hatten die Euro-Kritiker der ersten Stunde vor den in die Währungsunion eingebauten Sprengsätzen gewarnt. Lief sie doch auf den Kuhhandel von Ländern mit starker Export-Lobby (wie Deutschland),letzterer war ein weicher Euro stets lieber als eine harte D-Mark, diskret arbeitender Bank-und Finanzlobby und jenen Ländern an der Peripherie Europas hinaus, die nur auf eines scharf waren: möglichst billig an Geld und Kredit heranzukommen.
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Seit Einführung des Euro kapitulieren Deutschlands Regierungen vor dieser unheiligen Allianz von Export- und Finanz-Interessen. Dem Süden der Euro-Zone ist das recht. Denn dort verstand man Demokratie im Euro-System ohnehin so, dass man den Wählern einen Lebensstandard versprach, den andere für sie bezahlten. Man ersetzte unpopuläre Steuern durch Euro-Schulden.
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Nur: So wird der Euro nicht gerettet. Eine EZB, die frisches Geld druckt, nur um die Schulden haltloser Euro-„Trinker“ zu übernehmen, eine Transferunion, die darauf angelegt ist, diese Schulden den Nüchternen aufzuhalsen, läßt Sparern und Anlegern keine andere Wahl, als sich einen anderen Speicher zu suchen, in dem ihr Geld nicht verrottet.
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Unter den älteren Deutschen sind längst die schlimmsten Albträume wiederwach. Artikel 66 des EU-Arbeitsvertrages (eingeführt auf Wunsch Frankreichs und von Deutschland akzeptiert) legitimiert alle Euro-Staaten zum Bau solcher „monetären Mauer“, hinter der einst DDR oder UdSSR ihre Sparer und Bürgereinsperrten. Noch stehen Deutschlands Sparern die guten und sicheren Geldanlagen der ganzen Welt offen.
Seit Zypern müssen sie sich allerdings fragen, wie lange noch?
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Wilhelm Hankel, Königswinter – 04. April 2013