Wenn der Rubel rollt: Gedankenexperimente zu vermutlichen Wechselwirkungen einer US$-Abkehr bei Russlands Öl-und Gasexporten
Veröffentlicht: 15. August 2014 Abgelegt unter: BEWERTUNGEN ZUM ZEITGESCHEHEN, Wirtschaftsnachrichten | Tags: Petrodollar, US-Leistungsbilanz, Wechselwirkungen, Weltleitwährung 16 Kommentare
Official rouble sign – Официальный знак рубля
gemeinfrei
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Einem Reuters-Bericht zufolge hat sich Wladimir Putin für eine künftige Fakturierung russischer Öl- und Gasexporte in Rubel ausgesprochen:
„Russia should aim to sell its oil and gas for roubles globally because the dollar monopoly in energy trade was damaging Russia’s economy“
Ob es sich dabei um einen Testballon handelt, um herauszufinden, wie die Märkte auf eine Verschiebung der Währungsgleichgewichte reagieren könnten (ggfls. Rubel-Aufwertung), oder diese Äußerungen als Kampfansage gegen die Weltleitwährung zu bewerten sind, sei dahingestellt.
Jedenfalls ermuntert Putins Ansage, die wir in abgewandelter Form schon von Saddam Hussein oder Muammar Gaddafi hörten, zu Gedanken-Experimenten hinsichtlich etwaiger Wechselwirkungen solcher Überlegungen, welche ggfls. auch in Peking gewisse Sympathien auslösen könnten.
Nach allgemeinem ökonomischem Konsens erfüllt eine Weltleitwährung -die nun von Putin möglicherweise infrage gestellt wird- mehrere Funktionen:
- Die internationalen Zentralbanken müssen sie als Reserve- und Interventionswährung verwenden
- Sie dient als Handelswährung, in der die wichtigsten Kontrakte privater Akteure denominiert werden
- Für Kapitalanleger ist sie ultimative Anlagewährung, in der eine Vielfalt von Anleihen emittiert und gehandelt wird.
- Darüber hinaus fungiert sie als Öl-Währung (vgl. Petrodollar), weil mit ihr der strategische Preis des Energie-Inputs von Industriegesellschaften bezahlt wird.
Werden nun Ölexporte signifikant über alternative, nationale Währungen und/oder via Bartergeschäfte abgerechnet, erscheint der Status des US$ als Weltreservewährung nachhaltig gefährdet, da u.a. bei den öl-exportierenden Staaten die Notwendigkeit entfiele, Dollar-Überschüsse (vorzugsweise in US-Treasury bills) zu reinvestieren.
Ein solches Szenario hätte schon beinahe zwangsläufig mehrere denkbare Konsequenzen:
- Portfolio-Anpassungen der internationalen Zentralbanken
- Schwächung der Funktion als Handelswährung
- Kapitalanlagen in alternative Anlageformen
Solche Wechselwirkungen vorausgesetzt, würden für FED/US Department of the Treasury die liebgewonnenen, süßen Seignorage-Effekte entfallen, womit sich in der Folge der äußere Geldwert des US$ möglicherweise in einer Abwertungsspirale wiederfinden könnte, während der innere US$-Geldwert stark inflationsgefährdet sein könnte.
Im Zuge einer solchen ‚Dollar-Inflation‘ könnten sich die Öl-Exporteure genötigt sehen, entweder Alternativen zur US$-Fakturierung zu entwickeln, oder massive Preiserhöhungen durchsetzen zu wollen.
Schlimmstenfalls könnten solche Szenarien -möglicherweise gepaart mit Anlagealternativen im Yuan oder Euro- eine massive Kapitalflucht aus dem US$ auslösen und die permanenten und erheblichen strukturellen Defizite in der US-Leistungsbilanz und im Staatshaushalt, welche bislang durch US$-Überschüsse exportierender Staaten quasi refinanziert wurden, in den Fokus jeder Anlageentscheidung rücken.
Wie beim kalten Entzug eines Drogenabhängigen könnte die US-Regierung durch ein abebben oder gar ausbleiben ausländischer Dollar-Re-Investments erstmals gezwungen sein, äußerst schmerzhafte Strukturanpassungsmaßnahmen durchzuführen, deren Folgen bspw. in den Club-Med-Staaten anschaulich ablesbar sind.
Solche währungspolitischen Verwerfungen hätten zwangsläufig entsprechende Gegenmaßnahmen der US-Regierung zur Folge, welche im günstigsten Fall zu einer Neuauflage von Bretton Woods führen könnte.
Korrespondierende Diskussionsbeiträge, Fragen, Anregungen und gerne auch kritische Stimmen sind durchaus erwünscht und herzlich willkommen.
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Ihr Oeconomicus
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CROSSPOST MIT KOMMENTAREN: GEOLITICO
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Lars Schall: Die Woche im Rückspiegel betrachtet
Bye-bye, Petrodollar
Veröffentlicht: 9. März 2011 Abgelegt unter: Arabischer Frühling, Erdöl / Erdgas (crude oil / natural gasoline) | Tags: EZB, Finanzkrise, Inflation, Konjunktur, Martin Hüfner, Petrodollar, Rezession, Rohölpreis, Zinsen Hinterlasse einen KommentarBye-bye, Petrodollar
Die Krise in Nordafrika hat negative Folgen für den Kapitalmarkt. Künftig werden die arabischen Ölstaaten ihre Devisen selbst verwenden – und nicht mehr im Westen investieren.
Jeder denkt bei den ökonomischen Wirkungen der Krise in Nordafrika und im Nahen Osten im Augenblick an die höheren Ölpreise und die gestiegenen Unsicherheiten für Konjunktur und Inflation. Daneben gibt es aber auch andere Auswirkungen.
Auf den Kapitalmärkten geht eine Ära zu Ende, die die vergangenen 40 Jahre geprägt hat.
dazu:
Kein Anlass zur Panik
Durch die Ereignisse in Nordafrika sind die Ölpreise allein in den letzten zwei Wochen um über 10 Prozent gestiegen. Sie liegen inzwischen um 25 Prozent über dem des Vorjahres. Die Benzinpreise haben sich auf bisher nicht gekannte Niveaus erhöht. Ein Ende ist noch nicht abzusehen.
Das schmälert nicht nur die Kaufkraft der Verbraucher. Auch die Kosten der Unternehmen erhöhen sich. Nach einer Faustformel kostet ein Anstieg des Rohölpreises um einen Dollar die deutsche Volkswirtschaft rund 500 Millionen Euro. Die Inflationsrate geht nach oben. Die Europäische Zentralbank könnte vor diesem Hintergrund die Zinsen früher erhöhen, als dies ohnehin geplant war.
Die Sorgen sind also berechtigt. Wir sind durch frühere Ölpreisschocks gebrannte Kinder.
In den 70er und 80er Jahren führten die damaligen Ölpreissteigerungen zu weltweiten Rezessionen. Der starke Ölpreisanstieg in 2008 (auf damals 150 Dollar je Barrel – das waren 50 Prozent mehr als heute) war neben der Finanzkrise mit verantwortlich für den Einbruch des Jahres 2009.
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zur Ölpreis-Entwicklung