Prof. Dr. Wilhelm Hankel: Einführung in mein Buch – „Die Eurobombe wird entschärft“
Veröffentlicht: 22. April 2013 Abgelegt unter: Buch-Tipps & Literatur-Empfehlungen, Titel IV - Die Freizügigkeit, der freie Dienstleistungs- und Kapitalverkehr (Art. 45 - 66), Wilhelm Hankel, Wilhelm Hankel: Die Euro-Bombe wird entschärft | Tags: Alt-Schulden, Art. 66 AEUV, BIP, EFSF, ELA, ESM, Euro-System, EZB, Geldschöpfung, Goldstandard, Greshamsches Gesetz, Inflation, Kapitalexporte, Lohnkosten, monetäre Staatsfinanzierung, Prof. Dr. Wilhelm Hankel, Target, Währungswettbewerb, Zahlungsbilanzkredite, Zypern-Krise Hinterlasse einen Kommentar„Die Eurobombe wird entschärft“
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1. Die Ursachen der EU-Krise: Leistungsbilanzdefizite oder Lohnkostenexplosion? – Wissenschaftliche Glasperlenspiele.
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Der Theoretiker-Streit um die Ursachen der Eurokrise kreist um ein Henne-Ei-Problem. Geht die Zerreißprobe der Einheitswährung auf die chronischen Leistungsbilanzdefizite der Euro-Randstaaten (Portugal, Spanien, Italien, Griechenland etc.) zurück, oder sind diese die Folge von deren (dazu paralleler) Stücklohnkosten-Inflation?
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Das eine bedingt das andere: Ohne die intern (real) falschen Wechselkurse der Euro-Staaten (die einen sind unter-, die anderen überbewertet) gäbe es weder die auf Dauer „unfinanzierbaren“ Diskrepanzen der Leistungsbilanz-Salden (extreme Defizite der einen, Überschüsse der anderen) noch die Finanz-Ressourcen für die (realwirtschaftlich) die Produktivität übersteigenden Lohnkosten-Exzesse.
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Beides wird („simultan“) von Außen finanziert – in der ersten Euro-Phase geschah es über die Finanzmärkte (Kredite und Kapitalexporte der Überschussländer), inzwischen geschieht es „monetär“: über die eskalierenden „Liquiditätshilfen“ (ELA,TARGET, EFSF, ESM usw.) der EZB.
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Die EZB mit ihren Hilfsorganen ist zum „regionalen IWF“ mutiert, – nur dass letzterer seine Mittel nicht „schöpft“, sondern aus den Einlagen (Quoten) seiner Mitgliedsländer bezieht, während die EZB ihre „Zahlungsbilanzkredite“ aus eigener Geldschöpfung finanziert: Inflation produziert statt zu bekämpfen!
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Beides: Tiefrote Leistungsbilanzen und vom Produktivitäts-Maßstab abweichende Lohnentwicklung wären unmöglich – gäbe es (nationalen) Währungswettbewerb und einen marktgerechten Anpassungszwang für die Wechselkursbildung. Und keine den Anpassungs-Druck für Wechselkurse und Löhne aufhebende grenzen- und uferlose Zahlungsbilanz-Kredite seitens der EZB!
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Die drei Stoßrichtungen („ Ziele“) der Euro-Reform, die der Wissenschaftler-Streit unnötigerweise vernebelt, sind daher:
- Zurück zu Währungswettbewerb und nationalen Währungen,
- Wiederherstellung marktgerechter Wechselkurse mit Abwertungszwang für inflationäre Defizitländer und
- Verzicht der EZB auf Zahlungsbilanz- und darin involvierte Budget-Kredite („monetäre Staatsfinanzierung“).
Für alle drei Ziele besteht Handlungsbedarf und –zwang. Doch die Frage ist: Lassen sie sich umsetzen? Und wie rasch? Denn die „Lebenserwartung“ der gegenwärtigen Euro-Union ist wegen akuter Krisen-Eskalationsgefahr begrenzt.
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2. Die akute Krisen- und Zerfalls-Gefahr der Euro-Zone geht allein vom Finanzsektor aus
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Die Zypern-Krise deckt ein bislang tot geschwiegenes finanzielles Struktur-Problem der Euro-Zone gnadenlos auf: die Überdehnung des Bank-Sektors (Europas „overbanking“)
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Die Bankbilanz-Volumina der Euro-Länder übersteigen (im Gegensatz zu den USA) die realen Wirtschaftsleistungen (gemessen am BIP) bei weitem, am dramatischsten in Mini-Volkswirtschaften ohne industriellen Kern: Luxemburg, Malta, Zypern; außerhalb der EU in der Schweiz.
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Am Rande der Euro-Zone hat sich ein Gürtel wirtschaftlich schwacher Volkswirtschaften mit hypertrophiertem Bank-Sektor gebildet, der selber nicht in der Lage (zu „unterkapitalisiert“ ) ist, um sich im Krisenfall zu helfen. (In Luxemburg übersteigt das Bilanzvolumen der dort domizilierenden Banken das BIP um 2.100 Prozent. Weniger als 15% der lokal verdienten Einkommen stammen aus realer Wertschöpfung und Arbeit). Fälle wie Zypern werden sich wiederholen und bedrohen in letzter Konsequenz die weltweite Liquidität des Euro und des europäischen Kapitalverkehrs (Art. 66 AEUV). Das Euro-Krisenmanagement setzt auf Kapitalverkehrs-Kontrollen als „Lösung“. Der Euro mutiert statt zur „zweiten D-Mark“ zur „zweiten Mark der DDR“.
Mikroökonomisch angelegte Instituts-Lösungen (à la Basel oder der Ausbau der EZB zur Bankenaufsichts-Behörde) reichen zur Krisenabwehr nicht aus – und sind überdies erst auf lange Sicht einsatzbereit..
Das oben skizzierte Programm muss daher durch die Wiederherstellung nationaler „ Feuerwehrfonds“ mit nationalen Zentralbanken als „lender of inexhaustable resorts“ gegen finanzielle Flächenbrände (à la 1930er Jahre) ergänzt und zusätzlich abgesichert werden.(Ein Punkt auf den der Verf. schon in der Verfassungsklage von 1998 hingewiesen hatte)
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Wie sieht (oder sähe) ein solches den obigen Erfordernissen angepasstes Euro-System aus? Es wird in meinem Buch vorgestellt und begründet.
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3. Der Euro kann durch nationale Währungen nur ergänzt, nicht er-setzt werden. Ein Euro als ECU II würde zum „Goldstandard ohne das gelbe Metall“
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Vorbemerkungen:
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– Ein ersatzloses Streichen des Euro stürzt Europa in das größte Währungs- und Finanzchaos seit Untergang des Römischen Reiches. Der Block der aufgelaufenen Schulden und Vermögen in Euro (annähernd 12 bis 13 Billionen Euro, vier deutsche BIP) kann weder 1:1 (in alten Umrechnungskursen) zurück gerechnet, noch durch Abwertung in den neuen (alten) Währungen „aufgewertet“ (verteuert) werden. Deswegen muss für die Alt-Schulden-Regelung in Euro entweder eine europäische oder nationale „Bad-Bank-Lösung“ gefunden werden.
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– Die EZB hat als „europäische Bundesbank“ auf der ganzen Linie versagt. Daher kann sie weder als „ultimativer lender of liquidity“ beibehalten noch als „IWF der Euro-Zone“ fortgeführt werden. Unter beiden Prämissen ergibt sich für die Euro-Zone – sie ist beides: sowohl „nicht-optimaler“ wie „staatenloser“ Währungsraum (denn Brüssels zentralistischer Super-Staat ist aus politischen, rechtlichen wie ökonomischen Gründen abzulehnen) – eine durchaus funktionsfähige Währungsverfassung mit folgenden Elementen:
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– Euro und jeweils nationale Währung bilden in jedem Euro-Staat ein „duales Währungssystem“. Der zu Beginn zwischen beiden „gesetzlichen Zahlungsmitteln“ (am Einführungstag) festgelegte Umrechnungskurs ist und bleibt jedoch ein „monetärer Marktpreis“ und steht unter dem Diktat der Markt-Bewertung. Ein (monetär wie budgetär) „zu expansives“ Euro-Land gerät dadurch marktgesetzlich unter Abwertungs-Druck.
– Die EZB emittiert Euro nur gegen den Ankauf nationaler Währungen zu Markt-Bedingungen: sie sanktioniert damit den Abwertungs-Druck und verzichtet auf jede „Flutung“ mit Euro. (Liquiditäts-Hilfen à la ELA, TARGET usw. sind allein unter in ihrem Statut zu definierenden „Not- und Ausnahmefällen“ erlaubt.).
Unter diesen Bedingungen können inflatorische Prozesse (und Exzesse) nur von den nationalen Zentral- und Geschäftsbanken ausgehen (Die Gesamt-Geld-Mengen im Euro-System bleibt konstant und kann nur über Kredite konjunkturell „atmen“). Inflatorische Alleingänge einzelner Euro-Länder werden vom Markt durch Abwertung und Zinserhöhung „bestraft“; ihr Ansteckungseffekt auf andere Länder tendiert gegen Null.
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4. Welches sind die Vorteile des neuen (€+)-Systems?
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1. Das „Greshamsche Gesetz“ gilt wieder. Bürger und Anleger entscheiden, in welcher Währung sie sparen und ausgeben. Der (neue) Euro würde automatisch zum stabilsten, weil abwertungs-sicheren Geld Europas: Alle nationalen Währungen können (und müssen!) zum Euro abwerten. Der Euro würde zum „Gold ohne das gelbe Metall“.
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2. Europas Währungsgraben zwischen Euro- und Nicht-Euro-Ländern verschwindet. Nicht-Euro-Länder mit eigener Währung (Schweiz, Russland, Norwegen) könnten der EU und neuen Euro-Zone beitreten. Dasselbe gilt für alle WKII-Länder innerhalb der (alten) Euro-Zone.
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3. Selbstverschuldete nationale Währungs- und Finanz-Krisen (à la Zypern und demnächst andere) bleiben nationale Krisen und gefährden nicht mehr den Euro. Der Euro wird endlich, was er werden sollte: ein global sicheres und akzeptiertes Geld – sicherer als der US-Dollar.
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4. Die Euro-Alt-Schulden-Regelung – entweder über nationale „ Bad-Banks“ oder die bewährten Alt-Schulden – „Clubs“ unter Aufsicht des IWF (Pariser und Londoner Club) – befreien die heutigen Krisen-Länder (Griechenland & Co) von ihrer unzumutbaren (und politisch explosiven „Selbst-Kasteiung“. Sie erhalten über die Bad Bank-Lösung für ihre Alt-Euro-Schulden sowohl Zeit für eine Schuldenstreckung sowie die Chance der Schuldenstreichung („haircut“): Es wäre die die Beendigung ihrer Dauer-Krise. Die EU würde wieder an Zusammenhalt und Attraktivität gewinnen.
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5. Last but not least: Die akute Gefahr, dass die Euro-Staaten über die eskalierende Kapitalflucht in „totes Kapital“ (Gold, Immobilien, Alt-Aktien, Auslandsanlagen) wertvolles Wachstums- und Innovations-Potential verlieren, wäre gebannt. Die EU würde wieder zum dynamischen Akteur auf der Weltwirtschafts-Bühne, eine Rolle, die sie seit der Euro-Krise nicht mehr spielt.
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Quelle: Prof. Dr. Wilhelm Hankel, Königswinter
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Besten Dank für diese erkenntnisreichen Erläuterungen.
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Ihr Oeconomicus
Jens Weidmann kritisiert die Euro-Retter
Veröffentlicht: 25. Juni 2012 Abgelegt unter: Jens Weidmann (01.05.2011 - im Amt) | Tags: Euro-Krise, gemeinsame EZB-Risiken, Grenzen des Notenbank-Mandats, monetäre Staatsfinanzierung, Preisstabilität, Sonderfazilitäten, Sonderziehungsrechte Hinterlasse einen KommentarBundesbank-Chef kritisiert Euro-Retter
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Bundesbank-Chef Jens Weidmann hat den Kurs der europäischen Regierungen in der Euro-Krise kritisiert. Die Notenbanken hätten viel getan, um eine Eskalation der Krise zu verhindern, sagte Weidmann bei der von SPIEGEL und Körber-Stiftung veranstalteten Gesprächsreihe „Der Montag an der Spitze“.
Es sei aber nicht die Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB), politisches Nichthandeln auszugleichen.
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Weidmanns Kritik: Weil die europäischen Regierungen Entscheidungen bewusst nicht träfen, gerate die EZB unter Druck.
„Die Grenzen unseres Mandats wurden in der Krise weit gedehnt“
sagte er.
Was er meint:
Die eigentliche Aufgabe von Notenbanken sieht der Bundesbanker in der Preisstabilität. Staaten vor der Pleite zu bewahren, ist ihnen hingegen untersagt. Doch in der Krise ist die EZB mit Staatsanleihenkäufen auf dem Sekundärmarkt zum handelnden Akteur geworden.Die Bundesbank hat diesen Kurs von Beginn an kritisiert, mit Weidmann-Vorgänger Axel Weber und dem Ex-Chefvolkswirt der EZB gaben zwei führende deutsche Notenbanker im vergangenen Jahr ihre Posten auf – auch aus Protest gegen die Interventionen der EZB. Weidmann erneuerte nun die Kritik an den europäischen Regierungen:
Es entspreche nicht seinem Politikverständnis, „wenn die Politik sich bewusst nicht entscheidet und die Notenbanken das dann ausbügeln müssen“.
[…]
SpOn
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Anmerkung
Man kann sich Weidmanns Standpunkte gar nicht oft genug anhören, wozu ich die geschätzte Leserschaft sehr gerne aufrufen möchte.
In diesem Zusammenhang auftretende Fragen dürfen Sie jederzeit per Kommentar oder Mail aufwerfen .. und denken Sie bitte daran:
Gelegentlich auftretende Wissens- oder Verständnislücken sind keine Schande .. und ‚dumme Fragen‘ gibt es nicht !
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Ihr Oeconomicus
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Archiv-Beiträge mit weiteren Positionen von Jens Weidmann