Hoffnungsträger in Orange

Wie man in der Ukraine versuchte nach der Revolution 2004
einen eigenen Weg zu gehen und die warum dieser Versuch scheiterte

Im Herbst 2004 fegte in der Ukraine eine friedliche Bürgerrevolution unter orangefarbigen Bannern das korrumpierte Regime des ehemaligen Industriemagnaten Leonid Kutschma hinfort, der die Pfründe seines Clans zum Schluss noch mittels Wahlbetruges sichern wollte.

Viele Demokraten, auch aus Deutschland, schauten mit Euphorie und auch mit ein bisschen Neid auf die Vorgänge in der Ukraine, denn auch unserem Land hätte eine derartige Frischzellenkur gut getan.

Heute, über zwei Jahre nach der „Revolution“, ist das orangefarbige Lager gespalten, die Partei „Unsere Ukraine“ (NU) des neuen Präsidenten Viktor Juschtschenko regiert gemeinsam mit Kutschmas Spezi, dem damaligen Wahlfälscher Viktor Janukowitsch (Partei der Regionen). Julija Timoschenko, einst gefeierte Ikone der „Orangen Revolution“ hat mit ihrer Partei inzwischen auf den Oppositionsbänken platzgenommen. Doch gerade die frühere Premierministerin (Januar-September 2005) ist es, die noch für die Ideale von 2004 einsteht, während ihr Bündnispartner, der Präsident Juschtschenko, der die Ukraine nach Westen führen will, sich mittlerweile auf die gleichen Machtstrukturen wie einst Kutschma stützt.

Juschtschenko steht für einen liberal-kapitalistischen Staat nach us-amerikanischem Vorbild, während „Julija“, wie sie von ihren Anhängern bloß genannt wird, einen eigenen, ukrainischen Weg in Sachen Demokratie und Wirtschaft verfolgt.

Die heute 46-jährige, studierte Ökonomin wandelte sich von einer Oligarchin zu einer wahren Gerechtigkeitsfanatikerin. Nach dem Zerfall der Sowjetunion gelang es Frau Timoschenko in den wilden 90iger Jahren u.a. dank der Protektion des Schwiegervaters, eines einflussreichen KP-Funktionärs, mit ihrer Öl- und Erdgas-Firma „Vereinigte Energiesysteme der Ukraine“ (EESU) ein Vermögen von ca. 11 Mrd. US-Dollar zu scheffeln und so zur reichsten Frau des Landes aufzusteigen.
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Kay Hanisch – Welt im Blick


an ukrainischen Privatisierungsauktionen beteiligte Holdings

Industrial Union of Donbas (Industrialnij Sojuz Donbassa – ISD)
Die Industrial Union of Donbas (Industrialnij Sojuz Donbassa – ISD) wurde 1995 von regionalen Eliten in Donezk gegründet. In den folgenden Jahren gelang es ihr die Kontrolle über die Erdgasversorgung der Region Donezk zu übernehmen. Seit 1998 benutzte ISD die resultierenden Finanzströme, um sich in der Metallindustrie zu engagieren.
Sie erwarb Stahlproduzenten in der gesamten Ostukraine und begann auch sich in der Eisenerz- und Kohleproduktion zu engagieren. Im Rahmen einer umfassenden Investitionsstrategie übernahm ISD die Kontrolle über die gesamte Produktionskette der Stahlindustrie und stieg auch in den Maschinenbau ein. ISD erwarb zusätzlich Beteiligungen in der Lebensmittelindustrie, dem Transportwesen und der Gastronomie.
ISD wird nach außen durch ihren Leiter Sergei Taruta präsentiert. Die tatsächliche Eigentümerstruktur der Holding ist aber unklar. Als offi zielle Eigentümer fungieren fünf staatliche und private Strukturen, darunter z.B. die Akademie der Wissenschaften der Ukraine und die Donezker Industrie- und Handelskammer.

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Interpipe
Der Aufstieg der Holding Interpipe begann 1997. Sie erwarb wie die meisten Holdings Unternehmensbeteiligungen in den unterschiedlichsten Branchen.
Der Schwerpunkt des Engagements lag aber eindeutig in der Metallindustrie und insbesondere in der Röhrenproduktion.
Im Medienbereich wurden Beteiligungen an drei nationalen Fernsehsendern sowie einer Tageszeitung erworben.
Die Holding mit Sitz in Dnipropetrowsk wird von Viktor Pintschuk kontrolliert.
Pintschuk, der Schwiegersohn des ehemaligen Präsidenten Leonid Kutschma, war von 2000 bis 2004 auch offizieller Berater des Präsidenten.
Er hat enge Verbindungen zu Sergei Tihipko, der von 1997 bis 2001 in der Regierung für Wirtschaftsfragen zuständig war und anschließend bis 2004 die Leitung der Zentralbank übernahm.

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Privatbank
Die Privatbank wurde 1992 von Sergei Tihipko in Dnipropetrowsk gegründet.
Durch Finanzspekulationen und mit Unterstützung der Zentralbank konnte sie eine der erfolgreichsten Banken in der Ukraine werden.
Mit dem Wechsel von Tihipko in die Politik und seiner Allianz mit Interpipe wurde die Privatbank von Igor Kolomojskij übernommen.
Im Zuge der Privatisierungen wuchs die Holding der Bank zu einer der größten der Ukraine. Sie konzentrierte ihre Beteiligungen auf die Metallindustrie und die Erdölindustrie, erwarb aber auch Firmen in etlichen anderen Branchen wie der chemischen Industrie, der Lebensmittelindustrie und dem Baubereich.

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follow-up, 07.03.2014
Russland stellt ukrainische Bank unter Zwangsverwaltung
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DiePresse

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System Capital Management (SCM)
System Capital Management (SCM) fasst seit 2000 die Unternehmensbeteiligungen von Rinat Achmetow zusammen.
Achmetow übernahm 1995 die Handelsfirmen des Donezker Unternehmers Ahat Bragin, nachdem dieser einem Attentat zum Opfer gefallen war.
In den folgenden Jahren gelang Achmetow die Integration in die neue Elite der Region Donezk.
In enger Kooperation mit der Industrial Union of Donbas erwarb er bedeutende Firmen der Metallindustrie. Zusätzlich engagierte er sich in der Lebensmittelindustrie, der Gastronomie und dem Finanzsektor.
Ihm gehört auch der Fußballverein Schachter Donezk.
Bei den Parlamentswahlen im März 2006 erhielt Achmetow über die Liste der Partei der Regionen einen Abgeordnetensitz.

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Weitere Infos, insbesondere zum Bieterverfahren von Privatisierungsauktionen (2000-2004):
ukraine-analysen 08/06