‚Münchhausen‘-Rede zur Wirtschafts- und Währungsunion von Dr. Theodor Waigel im Deutschen Bundestag (12. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Dezember 1991)


public domain

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Im Dezember 1991 hat der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs in Maastricht den „Vertrag über die Europäische Union“ vereinbart.

Wirtschaftlicher Kern dieses Vertragswerkes ist es, bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen. Die wirtschaftliche Integration mit dem Europäischen Binnenmarkt als Herzstück ist bereits weitgehend realisiert.

Die Europäische Währungsunion (EWU), samt gemeinsamer Währung, bildet das Ziel und den Abschluss der währungspolitischen Integration in Europa.

Die wichtigsten Stationen von der Vorbereitung bis zur Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion sollen hier in loser Folge nachgezeichnet werden.

Bemerkenswerte Zitate seitens der EU-Verzückten als auch kritische Bewertungen renommierter Persönlichkeiten sollen die historischen Betrachtungen abrunden.

Als Auftakt soll die ‚Münchhausen‚-Rede des damaligen Bundesfinanzministers, Dr. Theodor Waigel zur Wirtschafts- und Währungsunion im Deutschen Bundestag (12. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Dezember 1991) hier dargestellt werden. Den Rest des Beitrags lesen »


Ungarn will den Euro doch nicht

Ungarn will den Euro doch nicht
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban lehnt eine Einführung des Euro in seinem Land ab. Warum, das erklärt er heute Bundeskanzlerin Angela Merkel. Deutschland ist für Ungarn einer der wichtigsten Handelspartner.
„Als wir den Beitrittsvertrag unterschrieben haben, sah die Euro-Zone ganz anders aus“, sagte Orban dem „Handelsblatt“. „Eine Beitrittspflicht zur Währungsunion kann deshalb nicht mehr automatisch sein.“
dradio
Programmhinweis:
Ein Interview mit dem Orban-Kritiker Gaspar Miklos Tamas gegen 6:50 Uhr auf Deutschlandradio Kultur.
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follow-up, 12.Oktober 2012: PressEurope meldet:

Orbán lehnt den Euro nicht ab

Nach seinem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am 11. Oktober in Berlin erklärte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, dass er nicht gegen einen Euro-Beitritt seines Landes wäre. Er stellte hingegen klar, dass heute „nicht der geeignete Zeitpunkt“ sei. Sein Besuch ist Zeichen einer gewissen Normalisierung der Beziehungen, nach einer Periode der Isolation Ungarns auf internationalem Parkett aufgrund des Autokratismus Orbáns. – Népszabadság, Budapest | Originalartikel aus Népszabadság

Spanischer Premier fordert rasche Einführung von Euro-Bonds

Spanischer Premier fordert rasche Einführung von Euro-Bonds

„Wir müssen jetzt darüber diskutieren“: Der spanische Ministerpräsident Rajoy hat sich für eine gemeinschaftliche Haftung der Euro-Länder ausgesprochen – und eine gemeinsame Haushaltspolitik bis spätestens 2018. Die derzeit hohen Zinsen seien nicht lange durchzuhalten.
SpOn

Der grosse Euro Schwindel – Wenn jeder jeden täuscht

Der grosse Euro Schwindel – Wenn jeder jeden täuscht
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Erstmalig werden die folgenschweren Fehlentscheidungen in der Frühphase des Euro in einer umfassenden Dokumentation aus der sehr persönlichen Sicht der Handelnden erzählt. Der Film ist mehr als eine spannende Chronik weltgeschichtlicher Ereignisse. Mit großem Rechercheaufwand rekonstruiert Michael Wech in der ARD/WDR-Dokumentation, wie sich Europas Politiker gegenseitig täuschten.
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Nahezu alle verantwortlichen Finanzpolitiker in Deutschland, Griechenland und Brüssel sprechen offen über die wilden Anfänge der Währung, darunter u.a. die beiden ehemaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel und Hans Eichel, der aktuelle Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der langjährige Chef der Eurogruppe Jean-Claude Juncker, der frühere Bundesbankchef Hans Tietmeyer, sowie der damalige Finanzminister Griechenlands, Yannos Papantoniou.
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Die Dokumentation blickt hinter die Kulissen und stellt ernüchternd fest:
Die Krise des Euro ist eine Geschichte von Betrug und Selbstbetrug — aller Mitglieder, auch der Deutschen.
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Anmerkung
Stellt sich hier nicht die Frage, welche Täuschungsmanöver aktuell im Gange sind? Wie war das noch .. „Wer einmal lügt .. (?)“
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Ihr Oeconomicus

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follow-up:

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EUPOLY – Ein europäischer Alptraum

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vom Verglühen des Epsilon

Zitat zum Tage

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«Die Griechen haben einiges beigetragen zur europäischen Kultur.
Wenn der Euro jetzt in Griechenland begraben wird, dann ist das auch die richtige Grabstätte.»


GNU-Lizenz für freie Dokumentation – Urheber: Michael Lucan, München

[ Hermes Hodolides (*1963), griech. Schauspieler, Quelle: ZDF, „Maybrit Illner“ ]

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vom Verglühen des Epsilon

[25. Mai 2012]

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Etwa im 9. Jahrhundert v.Chr. entstand das griechische Alphabet als Weiterentwicklung der phönizischen Schrift.

GNU-Lizenz für freie Dokumentation – Herkunft/Fotograf: Marsyas (2007)

Niemand der sieben Weisen aus der antiken griechischen Philosophie hätte sich erträumen können, dass dem „entblößten E“ der Phönizier und späterem griechischen Epsilon in Form eines Majuskel quasi eine [demnächst vielleicht sogar unrühmliche] weltweite Karriere bestimmt sein würde.

Der Weg zur Währungseinheit „EURO“ war mühsam. Unmittelbarer Vorläufer war der ECU, der als künstliche Währungseinheit, einer sog. Buchwährung am 13.3.1979 eingeführt worden war, um im Rahmen des sog. Europäischen Währungssystems (EWS) eine Bezugsgröße für die nunmehr in einer festen Bandbreite veränderbaren Wechselkurse der beteiligten nationalen Währungen zu haben.

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Mit dem Beginn der Vorbereitungen für die Schaffung einer Einheitswährung für die Teilnehmerländer der Europäischen Währungsunion gab es heftige Diskussionen um die Bezeichnung der künftigen Währung.
Nachdem die pro’s und con’s für die Bezeichnungen »ECU« und »Franken« ausdiskutiert waren, entschied man sich während eines Treffen der EU-Finanzminister im Oktober 1995 in Valencia für den Namensvorschlag des damaligen deutschen Finanzministers Theo Waigel.
Kurz danach, bei ihrem Madrider Gipfeltreffen, einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am 15./16. Dezember 1995 auf den Namen »Euro« für die geplante europäische Währung, da er wesentliche Kriterien erfülle:

akzeptabel für die Bürger, klar verständlich, leicht auszusprechen und national neutral.

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Auf dem EU-Gipfel im Dezember 1996 in Dublin kürten die Regierungschefs der EU das Signet zum Symbol für den Euro.


gemeinfrei – Urheber: Europäische Kommission

Im Duden-Sonderband von 1998 ist zu lesen:

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„Das Zeichen für den Euro …
stellt eine Kombination aus dem griechischen Epsilon als Symbol für die Wiege der europäischen Zivilisation,
dem Buchstaben E für Europa und den Parallelen (doppelter Querstrich) als Symbol für Stabilität dar.“

Sieht man sich die Grafik einer Euro-Banknote genauer an, erkennt man das griechischen Schriftzeichen EYPΩ:


Creative Commons-Lizenz von pj_vanf

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Somit steht zu vermuten, dass bei der Einführung des € die spätere Aufnahme Griechenland’s bereits beschlossene Sache war.

Im Zuge der EUphorie über das gelungene Meisterwerk erinnerte sich natürlich niemand an die Fabeln des Aesop:

„Klugen Leuten ziemt es, zunächst das Ende eines Unternehmens ins Auge zu fassen
und es erst dann also ins Werk zu setzen“

Warum auch, die Technokraten hatten doch u.a. mit dem Vertrag von Maastricht mit den Konvergenzkriterien für dauerhafte Stabilität der Gemeinschaftswährung gesorgt.

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Vorausschauende Ökonomen, die auf mögliche Gefahren der Gemeinschaftswährung aufmerksam machten wurden verspottet und ignoriert und in den Medien weitestgehend ausgegrenzt.

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Erwartungsgemäß ist die Schönwetter-Politik gescheitert, insbesondere nachdem wir alle die Grundsätze dieser verantwortungslosen und menschenverachtenden Gilde kennenlernen mußten …

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…ES GILT DAS GEBROCHENE WORT !!!

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Eben diese gebrochenen Versprechen und Verträge, gepaart mit kontraproduktiver Wirtschaftspolitik zugunsten von Konzernen und Finanz-Mafia, die man seit Jahren mit Schönreden, Verschleiern, Lügen, Vertuschen, zuzukleistern versucht, werden dieses EPSILON verglühen lassen.

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Daran werden auch professorale Mietmäuler mit verbogenen Gutachten und verfälschten Lehren nichts mehr ändern.

Ein hübsches Beispiel dazu lässt sich in einer Analyse von Prof. Dr. Paul J.J. Welfens [Jean Monnet Professor für Europäische Wirtschaftsintegration und Lehrstuhl für Makroökonomik an der Bergischen Universität Wuppertal] erkennen.

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Darin läßt er sich über
„volkswirtschaftliche Auswirkungen der EURO-Staatsschuldenkrise und neue Instrumente der Staats-Finanzierung in der EU als Stellungnahme für den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, Sitzung vom 9. Mai 2012 (Berlin)“
aus:

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Zitate aus der Zusammenfassung der Analyse sowie meine diesbezüglichen Anmerkungen:

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Prof. Welfens:
„Die vorliegende Analyse behandelt vor dem Hintergrund der Ausgangslage nach dem Doppel-Krisenjahr 2010/2011 die Probleme und Herausforderungen in der Eurozone.
Dabei wird zunächst auf den Bankensektor eingegangen, dessen Stabilität zum Teil eng verbunden ist mit Fragen einer soliden Staatsschuldenfinanzierung. Soweit man das Krisenmanagement in der Eurozone nur als halb erfolgreich einschätzen muss, bleibt Raum für dringende neue Politikschritte.“

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Oeconomicus:
Wie überall zu sehen ist, war das Krisenmanagement nicht „halb erfolgreich“, sondern eine einzige Katastrophe. Anscheinend sind die Fenster in Prof. Welfens Elfenbeinturm zugemauert, insbesondere in Richtung Griechenland, Italien und Spanien … und statt besagte Denkstube zu verlassen und sich mit den Menschen im bankrotten Wuppertal zu unterhalten, scheint er es vorzuziehen „Wolkenkuckucksheim“ zu analysieren.

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zum Thema Bankensektor:
Die Stabilität des Bankensektors hängt primär von der Umsetzung Basel III ab, es hätte längst das Eigenkapital erhöht werden müssen, und zwar aus Präventionsgründen. Regulierung des Bankensektors nach wie vor verschleppt.

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Prof. Welfens:
„Die Steuereinnahmen müssen in den Krisenländern wegen der steigenden Zinsausgabenquote erhöht werden; generell stellt sich die Frage, ob der Finanzsektor künftig stärker besteuert werden soll, wobei dies hier differenziert eingeschätzt wird.“

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Oeconomicus:
Jawoll! Steuererhöhungen in den Krisenländern sind der absolute Königsweg, insbesondere wenn man dabei auf signifikante Beteiligungen der Vermögens-Kaste verzichtet. (Beispiel: die verfassungsmäßige Verankerung der Steuerbefreiung von griechischen Reedern, oder die unsäglichen Plünderungen des griechischen und italienischen Volkes)
Statt an Steuereinnahmen ist an eine dringend überfällige Subventionskürzung erforderlich.
Es war schon immer der gravierende Fehler von Wissenschaft und Politik, das Heil in Einahmenerhöhungen zu suchen. Das ist ein Irrweg, weil Europa auch an den kreditfinanzierten Staatsquoten gescheitert ist.

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Prof. Welfens:
„Insbesondere die Möglichkeit, eine Volatilitätssteuer einzuführen mit Steuerbasis Eigenkapitalrendite bei Banken und anderen Finanzinstitutionen, wird als wünschenswert für Allokationseffizienz und Systemstabilität gesehen.“

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Oeconomicus:
Wir werden sehen, welche Wendehals-Manöver die Euro-Junkies auf Druck des neuen Monsieur le Président vornehmen werden.

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meine Anmerkung zu Prof. Welfens Hinweis auf Allokationseffizienzen:

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Wie sieht denn die Allokationseffizienz aus?

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Es gibt nur vier Besteuerungs-Varianten:

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Niedrige Eigenkapital-Rendite bei niedriger Volatilität
Niedrige Eigenkapital-Rendite bei hoher Volatilität
Hohe Eigenkapital-Rendite bei niedriger Volatilität
Hohe Eigenkapital-Rendite bei hoher Volatilität

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Für diese Matrix fehlen die entsprechenden Handlungsempfehlungen!

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Prof. Welfens:
„Die erheblichen mittelfristigen Ausgabeneinspareffekte für den Staat aus dem Sichere-Hafen-Effekt – also Spareffekte im Kontext der unnormal niedrigen Realzinssätze in Deutschland als Folge der Krise bzw. erhöhter Kapitalzuflüsse – und die positiven Investitions-, Wachstums- und Beschäftigungseffekte werden hier für Deutschland erstmals in einer Abschätzung präsentiert.
Größenordnungsmäßig ist der Gesamtvorteil für Deutschland im Zeitraum 2010-2017 erheblich und muss den völlig einseitigen Darlegungen von der Ifo-Spitze entgegengehalten werden; der kumulierte Effekt liegt bei etwa 2500 Euro pro Kopf bzw. 6-7% des Bruttoinlandproduktes von 2017.“

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Oeconomicus:
Die knapp 10 Millionen Menschen in Deutschland, die es sich unterhalb der Armutsgrenze „gemütlich gemacht haben“ wird diese Aussicht sicher jubilieren lassen. Statt Prof. Sinn (IFO-Institut) anzugreifen, wäre eine öffentliche Debatte, bspw. anläßlich einer öffentlichen Anhörung im Haushaltsausschuss des Bundestages wesentlich zielführender!
Die positiven Effekte sind Makulatur, wie der heute eingebrochene IFO-Index zeigt.
Die Wachstumseinbuße durch die Verunsicherung der Investoren und die Kapitalflucht aus Europa und dem Desaster, wenn Eurobonds kommen, ist quantitativ so hoch, dass unter dem Strich ein Minus herauskommt. Deutschland wird 2013 auf Rezessionsniveau agieren.

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Prof. Welfens:
„Bei der Frage der wirtschaftlichen Ungleichgewicht hat der neue Ansatz der Europäischen Kommission einige Ungereimtheiten, wobei hier als Ergänzung dringend ein Blick auf die echte Sparquote (adjusted net savings rate) – nach Weltbank-Konzept – empfohlen wird, was bei einigen Krisenländern schon frühzeitig Warnsignale gegeben hätte. Die längerfristige bzw. nachhaltige Stabilisierung der Eurozone wird nicht ohne Euro-Politikunion möglich sein, wobei hierzu einige Vorschläge unterbreitet werden.“

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Oeconomicus:
Dabei wäre es hilfreich in allen Ländern der Euro-Zone diese Forderung nach demokratischen Prinzipien per Referendum abzufragen!

Die volkswirtschaftliche Sparquote lässt sich nur erhöhen, wenn der Staat seine konsumptiven Ausgaben herunterfährt. Vor allem Subventionen. Dazu braucht man keine Politikunion. Hier ist jedes einzelne Land gefordert die Hausaufgaben zu machen. Auch zur Stärkung der verloren gegangenen Wettbewerbsfähigkeit der Südländer braucht es keine politische Union.

Eine Politunion ist vollkommen kontraproduktiv, wenn falsche Entscheidungen getroffen werden, wobei auf das „halberfolgreiche Krisenmanagement“ (s. Zitat 1) zu verweisen ist. Bei Politikversagen in dem von der EU gezeigten Umfang bedeutet jede Politikunion eine Verschlechterung der wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Nichts anderes war der Kurs im Euroraum.
Soll etwa ein polit-ökonomisches Totalversagen soll durch die Politikunion aus dem Feuer gerissen werden? Wie naiv ist das denn?

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Prof. Welfens:
„Zu Pessimismus besteht in der Eurozone und insbesondere auch in Deutschland kein Anlass, die Überwindung der Krise erfordert geduldige und gezielte Maßnahmen, wobei die Rolle der Europäischen Kommission mittelfristig deutlich gestärkt werden sollte.“

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Oeconomicus:
Für die EU-Kommission gilt das gleiche. Diese hat unter Aushebelung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes Europa an die Wand gefahren.
Wer glaubt weiterhin das Schicksal Europas in solche Hände legen zu müssen, hat in der Wissenschaft nichts verloren. Das sind Argumentationshilfen für Herrn Schäuble et.al, die man unnötigerweise für teueres Geld eingekauft hat. Inhaltsleere Floskeln und Politikergeschwätz sollten sich normalerweise ökonomischen Analysen entziehen.

Da geht es schon mehr um Allokationstheorie, Wachstumstheorie und Außenhandelstheorie, von der die EU-Komission offenbar noch nie etwas gehört hat. Dass diesbezüglich in Prof. Welfens Zusammenfassung nichts zu finden ist, spricht Bände!

Es stimmt schon irgendwie traurig, das es zielführender sein kann, diverse Kommentare in FAZ oder Handelsblatt zu lesen, die wesentlich ergiebiger und kostenfrei sind, als der vorliegende Sachvortrag.

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Weitere, teilweise hochbrisante Informationen, Dokumente und Video’s, insbesondere zur öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses vom 7.Mai 2012 und den teilweise verqueren Gutachten und Argumentationen ausgesuchter „Experten“ finden sich hier:

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Am Ende des Tages werden solche Miet-Experten ebenso untergehen, wie Ihre Auftraggeber, die sich noch als Absinger von EURO-Lobgesängen betätigen.

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Der innere Seismograph eines stetig wachsenden Teils unserer Bevölkerung registriert entsetzt die ersten Erschütterungen unserer einstmals demokratisch strukturierten Gesellschaft, deren Ursachen in den Glaubensbekenntnissen unserer EURO-Phantasten zu verorten sind.

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Der Gemeinschaftsgedanke in unserem Gemeinwesen wird ausgehöhlt und zerstört, wenn die Politik diese Schwingungen weiterhin ignoriert. Als Folge geht der ohnehin kaum vorhandene direkte Kontakt zu den Bürgern vollends verloren.

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Es steht zu befürchten, dass das System Macht und Pfründe verteidigen wird und diesen Zielen Gemeinwohl und Wohlfahrt in Europa unterordnet. Dabei spielen so „Kleinigkeiten“ wie Rechtsbrüche (etwa im Zusammenhang mit EFSF oder ESM) keine Rolle mehr.

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In Erweiterung betrifft dies auch die Aushebelung grundgesetzlich verankerter Rechte.

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Diese Entwicklung lässt sich an zahlreichen Beispielen sehr gut erkennen.
Dazu eine kleine Auswahl der Ereignisse der letzten Tage:

1. Demonstrationsverbote für die Blockupy-Bewegung in Frankfurt

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Mit dem Demonstrationsverbot in Frankfurt zeigen unsere Machthaber ganz offen, wohin künftig der Hase läuft.
Unmutskundgebungen gegen unser Banken-Regime wurden am Samstag geduldet (freie Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit sind nur an Samstagen zulässig!)

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Einer der Höhepunkte dieses traurigen Schauspiels fand am 18. Mai statt:
Drei Busse mit 200 Bürgern aus Berlin wurden gestoppt und in einer dreistündigen Prozedur durchsucht. Anschließend steckte man große Teile der Insassen ins Gefängnis. Was hatten sich die Menschen zu Schulden kommen lassen? Hatten sie Waffen bei sich – etwa eine Pumpgun, ein Maschinengewehr oder gar eine Panzerfaust?

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„Nein“, meinte der Pressesprecher der Polizei Frankfurt, „aber sie hatten passive Waffen bei sich“. Und was soll das sein?
Ich zitiere: „Helme und Handschuhe.“

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Dazu ein Videoausschnitt aus HR Hessenschau vom 18.05.2012:

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Eine kleine Zusammenfassung des unsäglichen Prozesses um die vom „Frankfurter Römer“ veranlassten Demonstrationsverbote und die darauf folgenden „Polizei-Festspiele“ :

Mein Fazit zu diesen Vorgängen:

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Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur wieder auf!

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… und noch eine persönliche Bemerkung an die Stadtverordneten im Frankfurter Römer:
Was immer Sie tun oder entscheiden … tun Sie dies im Sinne der Bevölkerung … sonst wird man Sie bald als symbolischen Teil von Pjöngjang wahrnehmen!

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2. G-8 Gipfel in Camp David und Hollande’s unverblümte Forderungen nach EURO-Bonds

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Der neue französische Präsident hat im Vorfeld des G-8-Gipfels mit seinem Treffen im Oval Office mit Präsident Obama offenbar Frau Dr. Merkel die Show gestohlen. Dem Vernehmen nach stand die Kanzlerin mit ihrem Glaubensbekenntnis zum Spar- bzw. Kürzungs-Diktat während der Tagung, auf der sie diese Position verteidigte, politisch weitestgehend isoliert da.

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Vielleicht deshalb ist wohl nun ein taktisches Wendehals-Manoever zum Thema Vergemeinschaftung von Schulden via EURO-Bonds zu erwarten. Jedenfalls steht zur Zeit die Begrifflichkeit Projekt-Bonds auf der politischen Agenda.

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Hollande und die EU-Baustellen
Schon fast erwartungsgemäß erneuert Monsieur le Président seine Forderung nach Neuverhandlung des bereits beschlossenen Fiskalpakts. In Berlin scheint sich die bislang harte Gegenhaltung zu lockern und ganz langsam die Erkenntnis durchzusetzen, dass Sparen allein die Krise nicht zu lösen vermag. Mit einem Signal zum Wachstumspakt und/oder für Strukturreformen verbindet sich die Hoffnung eine Konsenslinie mit Hollande zu erreichen.

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Ob die Vorstellung der Bundeskanzlerin, solche Impulse ohne nennenswerte Anschubfinanzierung umsetzen zu können, den harten Realitäten entspricht, darf getrost bezweifelt werden.

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Günther Nonnenmacher hat sich in der FAZ etwas ausführlicher mit diesem Thema beschäftigt.

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3. Tabubruch: GR-Exit – Debatte

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Die Euro-Austrittsdebatte nimmt Fahrt auf. Das bisherige Denkverbot der Politik welches willfährig von unseren Qualitätsmedien lange Zeit akzeptiert wurde, schwindet.
Aus Sicht der Eurokraten wird das politisch nicht korrekte hellenische Wahlergebnis, das bei jeder sich bietenden Gelegenheit unterschwellig kritisiert. Dies dürfte neben dem Konfrontationskurs der Grande Nation einer der Auslöser für die sich nunmehr anbahnende Austritts-Option sein.

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Selbstverständlich werden Gerüchte über interne Positionspapiere aus Berlin oder Brüssel noch zurückgewiesen.

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Ein angeblicher Referendum-Vorschlag den die Bundeskanzlerin dem griechischen Staatspräsidenten Dr. jur. Karolos Papoulias während eines Telefonates unterbreitet haben soll, wurde umgehend vom Kanzleramt dementiert.

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Wie u.a. im Handelsblatt zu lesen war, wurde diese „dementierte“ Einmischung in innere Angelegenheiten eines souveränen Staates unverzüglich von den Griechischen Medien aufgegriffen. Anscheinend schlugen diese Meldungen bei den Menschen in Griechenland wie ein Blitz ein und verschärften deren ohnehin nicht allzu freundliche Haltung gegenüber der Bundeskanzlerin.

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Von Paul Ronzheimer, der für die MeinungsBILDner aus Athen berichtet, war zu hören, dass der in Rede stehende Vorschlag von Frau Dr. Merkel unterbreitet worden sei.

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Ganz lustig fand ich im Nachgang dieses Vorganges eine Erklärung aus „informierten Kreisen“, dass es sich bei diesem angeblichen Vorschlag um einen Fehler des Übersetzers gehandelt habe.
Die Pointe liegt in der Tatsache begründet, dass der griechische Staatspräsident perfekt deutsch spricht.

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Dr. Papoulias hat jahrelang in Deutschland gelebt und an der Kölner Uni promoviert. Das „vorausschauende“ Thema seiner Dissertation: „Erwerb und Verlust des unmittelbaren Besitzes im griechischen und deutschen Recht.“

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Ein möglicher EURO-Austritt der Hellenen wird übrigens auch in den etwas versteckten Hinweisen von Prof. Papademos im Wall Street Journal-Blog thematisiert:

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„Although such a scenario is unlikely to materialize and it is not desirable either for Greece or for other countries, it can not be excluded that preparations are being made to contain the potential consequences of a Greek euro exit.”

THE WALL STREET JOURNAL BLOG

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Thomas Mayer [Deutsche Bank AG – DB Research Management] schlägt Griechenland den „GEURO“, eine Parallelwährung vor.

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Aus Zeitgründen war es mir noch nicht möglich, diesen Vorschlag zu ausgiebig zu analysieren und, um einen denkbaren Tunnelblick zu vermeiden, mit befreundeten Makro-Ökonomen zu diskutieren. Auf den ersten Blick wirft Mayer’s Idee mehr neue Fragen auf, als sie Antworten bietet.

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Vorab, und wie ich gerne einräumen will, vielleicht deshalb etwas voreilig, halte ich an meiner, den Lesern bekannten Position fest, dass Griechenland im festverschnürten EURO-Korsett KEIN funktionierendes Geschäftsmodell hat und so auch niemals haben wird, ganz gleich, welche „feuchten Träume“ den Hellenen präsentiert werden!

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But, you’ll never know .. vielleicht hat Thomas Mayer den ultimativen Lösungsansatz gefunden, der das geschundene Land aus dem konzertiert angerichteten Chaos zu befreien vermag.

zur Idee des „GEURO“ – PDF [8 Seiten]

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Mayer’s Überlegungen im Video-Kurz-Interview bei teleboerse

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An dieser Stelle möchte ich Ihnen sehr gerne zwei bemerkenswerte Statements von Prof. Wilhelm Hankel nahebringen:

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Europroblem: Ursache und Wirkung- Inflation, EU und mehr….

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Die Abwahl des Euro
Billionenpoker: Der Protest der Völker zwingt zur Umkehr / Rückkehr zu nationalen Währungen

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Die Franzosen wählten nicht Angela Merkels Wunschpartner Nicolas Sarkozy sondern den Sozialisten François Hollande zum neuen Staatspräsidenten. Die Griechen stimmten zu zwei Dritteln für rechte und linke Parteien, die das Spardiktat von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) grundweg ablehnen. Der Ausgang dieser Wahlen macht auch dem letzten Euro-Retter klar:
So wie bisher geplant läßt sich die Gemeinschaftswährung nicht mehr retten.

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Was nützen ein billionenschwerer Europäischer Stabilisierungs-Mechanismus (ESM), eine 1,1 Billionen-Kreditlinie europäischen Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) und weitere etwa 800 Milliarden Euro Überbrückungshilfen der Bundesbank an ihre notleidenden Zentralbankschwestern in den Euro-Krisenländern, wenn die einen (Griechen) ab sofort nicht mehr sparen und die anderen (Franzosen) bei der Sanierung (dem Fiskalpakt) partout nicht mehr mitmachen wollen.

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Die klaren Wählervoten machen die alten stereotypen Beschwichtigungsformeln der Eurokraten zu Makulatur. Wenn jetzt die einen „Wachstum“ wollen, die anderen an „Schuldentilgung“ und „Haushaltskonsolidierung“ festhalten, gibt es nichts „nachzuverhandeln“. Wenn die griechische Parlamentsmehrheit weiteres „Kaputtsparen“ ablehnt, kann man ihr nicht „etwas mehr nicht-sparen“ (oder weniger Selbstverstümmelung) schmackhaft machen – so wenig wie man Frankreich zumuten kann, sich bei der Euro-Rettung selber als „Grande Nation zweiter Klasse“ einzustufen.

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Die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble mögen noch so wendig sein im Segelstreichen und rechtzeitigem Kurswechsel. Doch wenn sie die Forderung nach „Staatschuldengrenzen“ über Nacht fallenlassen, dann bringt sie das nicht nur um ihre Regierungskoalition, sondern auch um ihre Wiederwahl bei der Bundestagswahl – und das wissen sie.
Die Zeit ist reif, es in Sachen EU-Politik und Integration einmal mit der ökonomischen Vernunft zu versuchen.

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Der Billionen-Rausch des ESM läßt Bürger und Steuerzahler blaß werden, die Finanzmärkte läßt der sogenannte Euro-Rettungsfonds kalt. Sie wissen:

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Gerade sein aufgepumptes Volumen (an Bilanz, geplanten Garantien, nicht eingezahltem Eigenkapital) macht ihn verdächtig. Ein solches „Superding“ (größer als EZB, Bundesbank und Deutsche Bank zusammen genommen) kann nur entweder seine Träger (die Euro-Staaten) ruinieren oder sich selbst. Schon der ESM-Vorgänger, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) zeigt, daß auch dieser Rettungsfonds gezwungen ist, seine Langfristkredite (über eine Dekade und länger) mit wesentlich kürzeren laufenden Anleihen zu finanzieren:

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Dieser Verstoß gegen die „Goldene Bankregel“ (Prinzip der Fristenkongruenz) bringt das Finanzieren à la Lehman Brothers nach Europa!

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Ecu-Wechselkursverbund statt Einheitswährung Euro

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EZB und Bundesbank haben als Zentralbanken völlig vergessen, daß sich Geldmenge und Geldmengenpotential nach der realen Leistung der ihnen anvertrauten Volkswirtschaften zu richten haben – in keinem Fall aber nach dem Geldbedarf von (noch dazu unseriös regierten) Staaten und der bei ihnen verzockten Banken. Der Geldbedarf der Wirtschaft war in dieser Krise (wie in jeder) mäßig. Gleichwohl haben EZB und Bundesbank ihr Bilanzvolumen mehr als verdoppelt. Die Bundesbank hat mit ihren großzügigen Target2-Krediten ein gutes Fünftel des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) ins Ausland transferiert!

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Es ist ein schwacher Trost, daß die daraus resultierenden Verluste an Volksvermögen am wenigsten den deutschen Sparer treffen (er unterhält dort keine Einlagen), sondern „nur“ den Finanzminister. Fette Einnahmen aus Bundesbank-Gewinnen wird Schäuble wohl sobald nicht mehr sehen. Verantwortungsvolle, auf Geldwertstabilität und Vermögenserhalt gerichtete Politik sieht anders aus! Und wie geht es weiter? Das Euro-Abenteuer sollte nicht „von selbst“ zu Ende gehen – das macht es noch einmal so teuer.

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Es muß jetzt überlegt beendet werden. Dafür gibt es realistischerweise nur den einen Weg:
Zurück zu den nationalen Währungen der Vor-Euro-Zeit. Die Völker haben ihren Regierungen an der Urne bestätigt, daß sie besser wissen, wo ihr Wohlergehen liegt und wo die Zukunft ihrer Kinder sicher aufgehoben ist: in ihren Staaten, in denen sie arbeiten und für ihre Gemeinschaftsaufgaben auch ihre Steuern erbringen. Die Lösung liegt nicht in einem nebulösen Europa der Funktionäre, Bürokraten und Illusionisten, das sie verführt hat, diese Steuern durch Kredite zu ersetzen und das sie nun mit diesen Schulden sitzen läßt, ohne zu wissen, wie man sie sozial verträglich tilgt.

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Und der Euro?

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Er könnte in einem neuen europäischen Währungs- und Wechselkursverbund nach dem Muster der alten fortleben, als ein „zweiter Ecu“ (Rechnungseinheit aus Währungskorb der EU-Länder) – und als Erinnerungsposten an den nicht mehr wiederholbaren Jugendstreich eines sehr alten Kontinents, der darüber um ein Haar seine Zukunft verspielt hätte.

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Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Wilhelm Hankel – 24. Mai 2012

Bei dem Versuch den desolaten Status des Landes wenigstens ansatzweise zu überblicken, fällt mir schon seit Beginn dieser Groteske immer wieder auf, dass der Vorhang oft nur ein eingeschränktes Sichtfeld auf das Bühnengeschehen ermöglicht.
Die Bühnenbeleuchtung lässt manchmal in diffusem Licht nur das Treiben weniger Akteure erkennen … die Operationen im Dunkeln sieht man hingegen nicht.

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Dem Publikum soll mit vermeintlicher Präzision, Ausdauer, Disziplin, Teamgeist und Motivation der Eindruck vermittelt werden, dass ein alternativloses großes Ganze geschaffen oder mühsam erhalten werden soll.

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Dem aufmerksamen Betrachter zeigt sich allerdings ein in von wahrhaft perfektem und dadurch perfidem„Muddling-Through“ geprägtes Bühnenstück.

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Zur musikalischen Untermalung erscheinen auf der Bühne ausdrucksstarke Solisten aus der Sparte der Mausefallen-Ökonomie, deren anheimelnde Lobgesänge beim geneigten Publikum die gewünschten Emotionen auslösen sollen.

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Praktische Anschauungs-Beispiele zum Lindblom’schen Muddling-Through-Theorem gerade in Bezug auf unser Thema sind im öffentlich-rechtlichen Sedierungsprogramm (und nicht nur dort) eher die Regel als die Ausnahme.

Aber sehen Sie selbst:

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BR – Münchner Runde mit Sigmund Gottlieb – Gäste: Peter Bofinger, Jotta Mitsiou-Polychronidou, Roland Tichy
Thema: „Kampf um den Euro: Fliegen die Griechen jetzt raus?“

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Video – Podcast 22.05.12 [44:41 Min]

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Anmerkung
Den Vortrag der Dame zum administrativen Progress des Landes vermag ich nur mit Anlehnung an Vers 765/Faust aus Faust I zu kommentieren: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“

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Professor Bofinger’s vermeintliche Patentrezepte erscheinen mir im Sinne des Lindblom’schen Theorems recht fragwürdig und ganz sicher nicht von der Mehrheit des deutschen Steuerzahler’s getragen. Getreu nach den Vorgaben unserer geliebten Vorsitzenden befürchtet er nach einem Austritt Griechenlands aus der EURO-Zone am Ende des Tages ein Auseinanderbrechen der Währungsunion. Gut so, wie ich meine!

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Die Einlassungen von Herrn Tichy’s sind überwiegend von Klartext geprägt.

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Herrn Gottlieb gebührt für seine einleitende Moderation,
Zitat: „[…] Gleichzeitig haben sie [Anm.: das griechische Volk] vor wenigen Wochen das politische Chaos, die politische Radikalität gewählt“
ein deutlicher Rüffel.

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Journalistische Ethik hat nichts mit Verunglimpfung von Wahlentscheidungen souveräner Bürger eines demokratischen Landes zu tun!

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… und noch ein wohlmeinender Ratschlag für Herrn Gottlieb:
Sofern Sie von Ihren Zuschauern weiterhin ernst genommen werden möchten, verlassen Sie doch bitte die Untiefen journalistischer Nebelkerzen-Semantik. Statt von „zurückgehendem Wirtschaftswachstum“ zu sprechen, wäre es vielleicht sinnvoller den Begriff „Rezession“ zu verwenden.

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Vielleicht werter Herr Gottlieb, hilft Ihnen in diesem Zusammenhang das nachfolgende Talmud-Zitat (ähnliches findet sich auch bei Konfuzius) bei der redaktionellen Vorbereitung Ihrer Talkrunden:

»Achte auf deine Gefühle, denn sie werden Gedanken.
Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden Taten.
Achte auf deine Taten, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.«

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Noch ein Wort zu der Diskussion zwischen Bofinger und Tichy [ab Min. 28:00]:

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Die Positionslinien von Prof. Bofinger im Zusammenhang mit

  • den Auswirkungen von EURO-Bonds
  • der Darstellung über die Unterschiede zwischen USA und Europa im Zusammenhang auf die Verschuldung und Wirtschaftskraft beider Volkswirtschaften
  • die (vermutlich aus Zeitgründen) bruchstückhaften Ausführungen zu Inflations- und Deflationsgefahren
  • seiner Definition des Verbraucherpreis-Indexes, auf dessen Wägungsschema er ebensowenig eingeht, wie auf das von der Fachwelt oft heftig kritisierte und vom Statistischen Bundesamt angewandte „hedonische Preisverfahren“

sind aus meiner Sicht unerträglich und beleuchten bestenfalls eine von vielen Facetten der tatsächlichen Gegebenheiten.

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Bei dem ökonomisch weniger versierten Zuschauer werden hier Szenarien vorgegaukelt, die zum Teil wissenschaftstheoretisch einfach nicht stimmig sind.
Ich werde bei nächster Gelegenheit diese Steilvorlagen aufnehmen und mich mit entsprechenden Aufsätzen den o.a. Themen widmen.

Sollten zwischenzeitlich bei Ihnen, werte LeserINNen, weiterer Informationsbedarf zu diesem oder ähnlichen Themen vorhanden sein, zögern Sie bitte nicht, mir Ihre Fragen, Anregungen, Kommentare und sehr gerne auch konstruktive Kritik per Mail zuzuleiten. Besten Dank.

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Ihr Oeconomicus

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Die Vorgeschichte des Euro als Dominostein der europäischen Einigung

Zitat zur Einstimmung

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„Europa ist wie eine Wohngemeinschaft. Jeder greift in die Haushaltskasse, und keiner bringt den Müll runter.“

 

[Matthias Beltz (1945 – 2002), deutscher Kabarettist]

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Die Vorgeschichte des Euro
als Dominostein der europäischen Einigung

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Geschichte ist nicht nur, was wir in der Schule oder während der Studien- und Ausbildungszeit lernen, sondern insbesondere das, was tagtäglich geschieht.
Jeden Tag wird Geschichte auf’s Neue gemacht, morgen ist schon gestern Geschichte und das Heute ist das Gestern von morgen. Will man das morgen, also die Zukunft gestalten, ist es unerläßlich das Heute, also die Gegenwart zu verstehen. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn man das Gestern, also die Vergangenheit kennt und versteht.
Deshalb sei hier versucht, den Themenkomplex Euro/Euro-Krise/Euro-Rettungsschirm, der uns fast täglich begegnet mit einem kurzen historischen Abriss zu beleuchten:

Zusammenfassung des Prozesses der europäischen Einigung

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chronologisch dargestellter Überblick der wichtigsten Meilensteine:

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1946:
Winston Churchill regt in einer Rede an der Universität Zürich die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa an, allerdings ohne Großbritannien.

youtube – [00:56]

Rede von Winston Churchill (Zürich, 19. September 1946) – Ton-Dokument, englisch [05:33 Min]

Redetext, deutsche Übersetzung

Sir Winston Churchill’s speech in the University of Zurich, 1946 – Part 1

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Sir Winston Churchill’s speech in the University of Zurich, 1946 – Part 2

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1947:
Der Internationale Währungsfond [IWF], dessen Gründung 1944 in Bretton Woods [USA] beschlossen wurde, nimmt seine Arbeit auf. Ein fester Wechselkurs zwischen dem US-Dollar und den übrigen Währungen wird festgelegt; er orientiert sich am Gold-Standard.
Ab 1947 erhielt der Fond den Status einer Sonderorganisation der UNO, wobei der Fonds gegenüber der UNO keiner Rechenschaftspflicht unterliegt. Mittlerweile sind 184 Staaten Mitglied beim IWF.

Nach seinen Statuten hat er folgende Aufgaben:

  • Finanzielle Kooperation zwischen den Staaten durch eine ständige Institution ermöglichen.
  • Internationalen Handel zu unterstützen und zu verstärken und dadurch Wachstum und Beschäftigung in den Mitgliedsstaaten zu fördern
  • Stabile Währungsbeziehungen sichern, Währungswettbewerb verhindern
  • Internationales Zahlungssystem ermöglichen, damit Zahlungsschwierigkeiten kein Hindernis für Handel und Wachstum sind
  • Finanzielle Hilfe bei der Überbrückung von Zahlungsschwierigkeiten
  • Unausgewogenheiten in den Zahlungsbilanzen der Mitglieder verhindern und abmildern

Finanzierung
Finanziert wird der IWF durch die Einzahlungen der Mitglieder. Als Grundlage für die Berechung der Quote werden das Bruttoinlandsprodukt, der Außenhandel und die Währungsreserven jedes Mitgliedlandes herangezogen. Die Quote ist wichtig, weil sie die Basis bildet für:

  • Einzahlungsverpflichtungen
  • Zugriffsmöglichkeiten eines Landes zu den IWF-Krediten
  • das Stimmrecht im Gouverneursrat als höchstes Entscheidungsgremium des IWF

Diese Quoten werden alle 5 Jahre überprüft und ggf. geändert. Mit einer Quote von 45,16 Prozent der Stimmen verfügen die sog. G-8 Staaten im Fonds über eine erhebliche Macht (USA: 17,11%, Japan: 6,14%, Deutschland 6%, Frankreich und Großbritannien: je 4,95%, Italien: 3,26%, Kanada: 2,99%, Russland: 2,75%)

1948:
Eine Währungsreform in den von des Westalliierten besetzten Zonen Deutschlands ruft die D-Mark ins Leben.

1948:
Der Haager Europakongress (7. bis zum 10. Mai 1948) legte die Basis für eine Union zwischen den Europäern. Die privat initiierte Konferenz brachte verschiedene Gruppen der europäischen Einheitsbewegung zusammen.
Unter der Schirmherrschaft von Winston Churchill diskutierten über 700 europäische Aktivisten, vor allem aus der u.a. von Altiero Spinelli gegründeten Union Europäischer Föderalisten und dem United Europe Movement, über die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen eines geeinten Europas.
Die verschiedenen Verbände beschlossen, sich zur Europäischen Bewegung zu vereinigen, die Ende 1948 gegründet wurde. Das in Den Haag erarbeitete Abschlussmanifest gab außerdem die Initialzündung zur Gründung des Europarats 1949.
In seiner gefeierten Ansprache verglich Churchill die Sowjetunion mit einer Bedrohung, gegen die es sich zu wehren gelte.

1950:
Am 9. Mai 1950 schlug der französische Außenminister Robert Schuman in einer Rede die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vor, deren Mitglieder ihre Kohle- und Stahlproduktion zusammenlegen sollten.

Die EGKS (Gründungsmitglieder: Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg) war die erste einer Reihe supranationaler europäischer Institutionen, die schließlich zur heutigen Europäischen Union wurden.

1951:
Am 18. April 1951 wurde in Paris der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) unterzeichnet. Er trat am 23. Juli 1952 in Kraft und seine Laufzeit war auf fünfzig Jahre begrenzt. Der Vertrag ist am 23. Juli 2002 ausgelaufen.

1957:
Frankreich, Italien, West-Deutschland, Belgien, die Niederlande und Luxembourg unterzeichnen die Römischen Verträge , durch die die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft [EWG] begründet wird.
Erinnerungen zum 50. Jahrestag

1962:
Ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln, Preiskontrolle, Subventionen, Produktivität …
1962 muss die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Landwirtschaft zu Hilfe kommen, die von zwei Kriegen geschwächt ist. In 50 Jahren ist der Anteil des Agrarsektors am Gesamthaushalt der EWG von 70% auf 40% gefallen. Trotz dieses Rückgangs steht die GAP sehr in der Kritik:
Überproduktion, hohe Sozialkosten, aufgegebene Betriebe, zu hohe Umverteilungen…

1967:
Die EWG wird zur Europäischen Gemeinschaft [EG] fortentwickelt.

1968:
Durch die Zollunion werden Zölle zwischen den EG-Staaten abgeschafft und Importbeschränkungen aufgehoben. Zwischen EG- und Nicht-EG-Staaten gilt eine einheitliche Zoll-Rate.

1969:
Der nach dem Luxemburger Pierre Werner benannte Werner-Plan sieht die Einführung einer Gemeinschaftswährung innerhalb von 10 Jahren vor.

1971:
Die USA geben den Gold-Standard und das System der festen Wechselkurse auf, was auch den Werner-Plan zu Fall bringt.

1972:
Die EG-Staaten rufen den Europäischen Währungsverbund ins Leben. Am 26. September 1972 lehnt Norwegen in einer Volksabstimmung den EG-Beitritt ab.

1973:
Durch den Beitritt von Großbritannien, Irland und Dänemark wächst die Zahl der EG-Mitglieder auf neun an.

1979:
Im März wird die künstliche Europäische Währungseinheit ECU [European Currency Unit] geschaffen.
Im Juni finden die ersten direkten Wahlen für das Europa-Parlament statt.

1981:
Griechenland wird EG-Mitglied.

1986:
Spanien und Portugal werden aufgenommen.

1990:
Im Juni wurde das Schengen-Abkommen zwischen Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten unterzeichnet. Es sieht vor, bis 1995 die Grenzkontrollen zwischen diesen Ländern abzuschaffen, zudem soll es in der Asyl- und Sicherheitspolitik eine bessere Koordination geben. In den folgenden zwei Jahren werden auch Italien, Spanien, Portugal und Griechenland Schengen-Mitglieder.

1990:
Bei der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) handelt es sich um einen Prozess der Harmonisierung der Wirtschafts- und Währungspolitik der EU-Mitgliedstaaten, die die Einführung des Euro als gemeinsame Währung ermöglichen soll. Sie war Gegenstand einer Regierungskonferenz im Dezember 1991 in Maastricht.

Die WWU entwickelte sich in drei Stufen:

  • Stufe I (1. Juli 1990 bis 31. Dezember 1993): Liberalisierung des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten, engere wirtschaftspolitische Abstimmung der Regierungen, verstärkte Zusammenarbeit der Zentralbanken;
  • Stufe II (1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1998): Konvergenz der innerstaatlichen Wirtschafts- und Währungspolitiken (Ziele: Preisstabilität und Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite), Errichtung des Europäischen Währungsinstituts (EWI) und danach der Europäischen Zentralbank (EZB) im Jahr 1998;
  • Stufe III (seit 1. Januar 1999): unwiderrufliche Festlegung der Wechselkurse, Einführung der einheitlichen Währung an den Devisenmärkten und im elektronischen Zahlungsverkehr. Einführung des Euro-Bargelds.

Bisher haben 18 der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union die einheitliche Währung eingeführt.

Drei Mitgliedstaaten haben die gemeinsame Währung nicht eingeführt, nämlich das Vereinigte Königreich und Dänemark, für die eine Ausnahmeregelung gilt, sowie Schweden, das den Euro nach einem negativ verlaufenen Volksentscheid im September 2003 ebenfalls nicht eingeführt hat. Die Staaten, die der Union am 1. Mai 2004 bzw. am 1. Januar 2007 beigetreten sind, sollten den Euro einführen, sobald sie alle Konvergenzkriterien hierfür erfüllen. Eine Ausnahmeregelung wurde ihnen in den Beitrittsverhandlungen nicht gewährt.

1991:
Das Abkommen über die Sozialpolitik wurde im Dezember 1991 von 11 Mitgliedstaaten – das Vereinigte Königreich wollte sich nicht daran beteiligen – unterzeichnet. Es legt zum einen die sozialpolitischen Ziele im Einklang mit der Sozialcharta von 1989 fest: Förderung der Beschäftigung, Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, Bekämpfung der Ausgrenzung, Förderung der Humanressourcen usw. Zum anderen schreibt es die Verfahren für die Annahme sozialpolitischer Maßnahmen fest und bekräftigt die Schlüsselrolle der Sozialpartner in diesem Bereich.

Bei seiner Unterzeichnung war das Abkommen dem Protokoll über die Sozialpolitik beigefügt, mit dem das Vereinigte Königreich die anderen Mitgliedstaaten ermächtigte, auf dem Gebiet der Sozialpolitik voranzuschreiten, ohne selbst teilzunehmen.

Nach dem Regierungswechsel im Mai 1997 erklärte sich das Vereinigte Königreich bereit, seinen Sonderweg aufzugeben. Daraufhin wurde das Abkommen über die Sozialpolitik mit dem Amsterdamer Vertrag in das einschlägige Kapitel des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft eingegliedert. Diese Einbindung führte zur förmlichen Aufhebung des Protokolls über die Sozialpolitik.

1991:
Mit dem Ziel bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen, hat der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs im Dezember 1991 in Maastricht den „Vertrag über die Europäische Union“ vereinbart.
Der damaligen Bundesfinanzministers, Dr. Theodor Waigel fasste diese Vereinbarung in seiner ‚Münchhausen-Rede‘ am 5. Dezember 1991 vor dem Deutschen Bundestag zusammen.

1992:
Am 7. Februar unterzeichnen die 12 EG-Länder den Vertrag von Maastricht, der am 1. November 1993 in Kraft tritt.

Die EG heißt nun Europäische Union [EU]. Der Vertrag sieht die Einführung einer gemeinsamen Währung bis zum 1. Januar 1999 [als Buchgeld – 1. Januar 2002 auch als Bargeld] vor. Voraussetzung für die Teilnahme sind Konvergenzkriterien, d. h. das Defizit muss unter drei, die Schulden müssen unter 60 Prozent des BIP liegen. Zudem werden eine gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik sowie eine engere Zusammenarbeit im Bereich der Justiz und des Innern vereinbart.

1993:
– EU-Beitrittskriterien
Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung in Kopenhagen Beitrittskriterien festgelegt, die 1995 vom Europäischen Rat in Madrid bestätigt wurden.

Um EU-Mitglied werden zu können, muss ein Staat drei Bedingungen erfüllen:

  • Politisches Kriterium: institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten
  • Wirtschaftliches Kriterium: funktionsfähige Marktwirtschaft und Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten
  • Acquis-Kriterium: Fähigkeit, die aus der Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen zu übernehmen und sich die Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion zu Eigen zu machen (Übernahme des „Acquis communautaire„, d. h. des gemeinschaftlichen Besitzstands)

Damit der Europäische Rat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen beschließen kann, muss das politische Kriterium erfüllt sein.
Jedes beitrittswillige Land muss die Beitrittskriterien erfüllen. Heranführungsstrategie und Beitrittsverhandlungen geben hierfür den Rahmen und die erforderlichen Instrumente vor.

1995:
Finnland, Schweden und Österreich treten er nun 15 Mitgliedstaaten umfassenden EU bei. Am 26.März tritt das Schengen-Abkommen in Kraft. Dadurch wird ein EU-Binnenmarkt geschaffen. Grenzkontrollen gibt es zwischen den meisten Ländern nun nicht mehr. Im Dezember wird auf dem EU-Gipfel in Madrid beschlossen, die künftig Gemeinschaftswährung EURO zu nennen.

1998:
Am 3. Mai legen elf Euro-Staaten den 1. Januar 1999 als Startdatum der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion [EWWU] und des Euro fest. Am 2. Juni nimmt die Europäische Zentralbank in Frankfurt die Arbeit auf.
Präsident wird der Holländer Wim Duisenberg.

dazu:
Sprachführer „Eurojargon“

Bedienstete der EU-Institutionen und Journalisten, die in den Medien über die Tätigkeiten der EU berichten, verwenden häufig „Eurojargon“, d. h. Ausdrücke, die nur im Kreise der „Eingeweihten“ verstanden werden. Dieser Eurojargon kann für die Öffentlichkeit sehr verwirrend sein.
Deshalb hat man seitens der EU diesen Sprachführer erstellt, um auch Sie in die „Geheimnisse des Eurojargon“ einzuweihen.
zum Eurojargon


Fahrplan zu den weitreichenden EWU-Entscheidungen im Frühjahr 1998

Anfang 1998 wird Großbritannien turnusgemäß für ein halbes Jahr die Präsidentschaft in der Europäischen Union übernehmen. Nachdem die britische Regierung kürzlich eine Teilnahme ihres Landes für die nächsten Jahre ausgeschlossen hat, ist es nicht ohne Ironie, daß gerade in diesem Zeitraum die große Entscheidung zur Europäischen Währungsunion (EWU) ansteht.
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Ziel dieses Artikels ist es, einen groben Überblick über den im Frühjahr nächsten Jahres anstehenden Entscheidungsprozess zu geben, soweit dies aus heutiger Sicht möglich ist.
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Ende Februar/Anfang März: Konvergenzdaten von Eurostat
[…]
Ende März: Konvergenzberichte des EWI und der Europäischen Kommission
[…]
April: parlamentarische Konsultationen
[…]
1.-3. Mai: Empfehlung des Ecofin-Rates und Entscheidung des Europäischen Rates
[…]
Rolle der Bundesbank und des BVerfG noch offen, aber wohl ohne großes Risiko
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Die Rolle der Deutschen Bundesbank im Entscheidungsprozeß gab wiederholt Anlaß zu Spekulationen. Ein “Minderheitsvotum” der Bundesbank im Gutachten des EWI ist nicht auszuschließen, erscheint aus heutiger Sicht aber eher unwahrscheinlich. Unabhängig davon ist mit einer expliziten Stellungnahme der Bundesbank im Hinblick auf die erreichte Konvergenz zu rechnen, da sie im Zuge der parlamentarischen Beratungen in Deutschland wahrscheinlich zu einer eigenen Beurteilung aufgefordert wird. Dieser Aufforderung würde sie sicherlich nachkommen. Dabei könnte die Bundesbank etwa hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Konvergenzerfolge oder der Notwendigkeit struktureller Reformen möglicherweise eine etwas kritischere Haltung einnehmen
als andere Institutionen. Ihren offiziellen Einfluß wird die Bundesbank aber primär im Rahmen des EWI-Berichts zur Geltung
bringen.
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Nach der EWU-Entscheidung (oder auch früher) ist mit einer Anrufung des deutschen Bundesverfassungsgerichts zu rechnen (vier deutsche Professoren [Anm. Hankel et.al.] haben diesen Schritt bereits angekündigt).
Die Chancen, daß die EWU-Mitgliedschaft Deutschlands durch ein verfassungsgerichtliches Urteil untersagt werden könnte, erscheinen allerdings sehr gering. Es ist fraglich, ob das Gericht den Fall überhaupt annehmen und sich erneut mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der EWU beschäftigen wird. Nach verbreiteter Auffassung haben Regierung und Parlamente auch und gerade im Licht des BVerfG-Urteils zum Maastricht-Vertrag bei der Auslegung der Teilnahmebedingungen für die EWU einen gewissen Spielraum, den der Vertrag ausdrücklich vorsieht. In dem zitierten Urteil gesteht das Gericht dem Europäischen Rat ausdrücklich “Einschätzungs-, Bewertungs- und Prognosespielräume” zu, er dürfe sich aber nicht von den vertraglich festgelegten Konvergenzkriterien lösen. Eine vertragswidrige Aufweichung der Kriterien kommt somit nicht in Frage, wird angesichts der beeindruckenden Konvergenzbilanz der voraussichtlichen EWU-Gründungsmitglieder aber wohl ohnehin nicht erfolgen.
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Ziel ist ein harmonischer Entscheidungsprozess
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Wenn im Vorfeld der EWU überhaupt noch Finanzmarktturbulenzen drohen, so ist die Phase vor der großen Entscheidung Anfang Mai 1998 sicher die gefährlichste. Unsicherheiten und Spekulationen über den Teilnehmerkreis (oder auch die bilateralen Umrechnungskurse zwischen den teilnehmenden Währungen) könnten noch zu Irritationen auf den internationalen Finanzmärkten führen, die im Extremfall kurz vor dem Ziel sogar zu erneuten Divergenzen in der Zins- und Wechselkursentwicklung führen könnten (allerdings ohne die Erfüllung der Kriterien noch zu gefährden).
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Zu heftigen Marktreaktionen würde es vor allem dann kommen, wenn die Entscheidungen des Europäischen Rates hinsichtlich der Teilnehmer (vom Starttermin 1999 ganz zu schweigen) sich nicht mit den Erwartungen der Finanzmarktakteure decken oder wenn die Entschließungen von Bundestag und Bundesrat von den Empfehlungen des EWI und der Kommission abweichen.
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Wir halten derartige Szenarien allerdings für wenig wahrscheinlich.
Gleichwohl: Um derartige Turbulenzen von vornherein auszuschließen, werden die beteiligten Entscheidungsträger aller Voraussicht
nach versuchen, den Prüfungs-, Abstimmungs- und Entscheidungsprozess so transparent und berechenbar wie möglich zu gestalten.
Denkbar erscheint zunächst ein gewisser informeller Meinungsaustausch zwischen EWI und der Europäischen Kommission, um widersprüchliche Beurteilungen der Konvergenzlage in der EU zu vermeiden.
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Zwischen den nationalen Regierungen ist außerdem mit einer frühzeitigen, inoffiziellen Abstimmung hinsichtlich des Teilnehmerkreises zu rechnen. Denn ein EU-Gipfel Anfang Mai, auf dem tatsächlich noch kritische Entscheidungen anstünden, wäre zumindest aus Sicht der Finanzmärkte sehr problematisch. Um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, dürften die heiklen Entscheidungen daher bereits weitgehend gefallen und der Öffentlichkeit signalisiert worden sein, wenn die EU-Staats- und Regierungschefs mit ihren Ministern Anfang Mai in Brüssel eintreffen.
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Jens Dallmeyer – DB Research