Was steckt hinter TARGET2 ?
Veröffentlicht: 30. Juni 2012 Abgelegt unter: Hans-Werner SInn, Target-2 | Tags: Bundesbank, ESM, Eurobonds, EZB, Finanzkrise, gesetzliches Zahlungsmittel, Goldstandard, Handelsbilanzüberschuss, Handelsbilanzdefizit, Prof. Dr. Hans-Werner Sinn, Prof. Dr. Philipp Bagus, Target Hinterlasse einen KommentarWas steckt hinter TARGET2 ?
30.6.2012 – von Prof. Dr. Philipp Bagus
Kürzlich gab es in Europa eine intensive Debatte bezüglich des Target2-Systems (Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System 2), dem gemeinsamen Verrechnungssystem der Eurozone.[1] [2] Die Bedeutung des Systems wird sehr unterschiedlich gesehen. Einige Ökonomen, der prominenteste darunter ist sicherlich Hans-Werner Sinn, argumentierten, dass TARGET2 einem “Rettungsschirm” gleichkommt – andere bestreiten dies vehement. Der frühere EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark sagte kürzlich, dass einige ihr Ansehen als seriöse Ökonomen verlieren könnten, wenn sie TARGET2 als Rettungssystem. bezeichneten.
In der Tat haben sich die TARGET2 Verbindlichkeiten und Forderungen erst seit Beginn der Finanzkrise aufgebaut. Während die Länder der Peripherie TARGET2-Verbindlichkeiten angehäuft haben, betrugen die TARGET2-Forderungen der Deutschen Bundesbank per April 2012 nahezu € 644 Milliarden. Das sind ungefähr € 8.000 für jeden Deutschen.
Aber ist das TARGET2-System wirklich ein verstecktes Rettungssystem für den unhaltbaren Lebensstandard der Peripherie? Starten wir unsere Analyse anhand eines einfachen Beispiels zweier Privatpersonen, die sich einer Bank für den Ausgleich ihrer Zahlungen bedienen.
Person A verkauft eine Ware oder eine Dienstleistung für € 100 an Person B. Um es mit einem Begriff internationaler Handelsbeziehungen auszudrücken: A hat nun einen Handelsbilanzüberschuss und B ein Handelsbilanzdefizit. A hat eine Forderung gegenüber der Bank in Höhe von € 100, nachdem die Zahlung ausgelöst wurde (die gestrichelte Linie in Abbildung 1). B hat eine Verbindlichkeit und schuldet der Bank € 100. Die Schuldverhältnisse sind als durchgehende Pfeile in Richtung des Schuldners dargestellt.
A hat nun ein Guthaben bei seiner Bank und plant, beispielsweise im Ruhestand darauf zurückzugreifen. B ist nun gezwungen, etwas an Wert herzustellen, um die entstandene Schuld zurückzahlen zu können. Genau genommen wird A letztendlich erst durch die Herstellung realer Güter durch B bezahlt.
Für A ist es wichtig, dass das Bankdarlehen an B mit einer guten Sicherheit oder Pfand unterlegt ist, beispielsweise einer erstklassigen Anleihe oder einer Immobilie. Fehlt eine solche Sicherheit, beginnen die Probleme für A spätestens dann, wenn B seine Schuld nicht bezahlt, weil er verstirbt oder aus anderen Gründen nicht mehr zahlen kann. Wenn die Bank nicht über anderes Vermögen verfügt, um den Forderungsausfall auszugleichen, wird A nach dem Tod des B mit einer Forderung gegenüber einer bankrotten Bank dastehen.
Wenn natürlich die Bank mit dem Privileg ausgestattet ist, Geld (als gesetzliches Zahlungsmittel) zu drucken, wird die Bank nicht bankrott gehen und kann A auszahlen. Allerdings wird A nur “Papier” zurückerhalten, eine wertlose Forderung, denn B hat nichts produziert und außerdem ist er tot. Was soll A also mit frisch bedrucktem Papier kaufen? A’s Lebensstandard wird im Ruhestand sinken, da sein Wohlstand nur auf Papier basiert.
Nehmen wir nun an, A lebt in Deutschland und B lebt in Spanien. Außerdem stellen wir uns vor, die Commerzbank ist A’s Bank in Deutschland und Banco Santander ist B’s Bank in Spanien. Zusätzlich kommen noch zwei nationale Notenbanken und die EZB hinzu.
Wir nehmen wieder an, dass A Waren im Wert von € 100 an B exportiert. Wenn die Zahlung ausgelöst wird, erhält A eine Forderung gegenüber der Commerzbank. A’s Bankguthaben erhöht sich um € 100. B bekommt ein Darlehen über € 100 von der Banco Santander (oder sein Guthaben bei der Banco Santander reduziert sich um diesen Betrag). Die Commerzbank erhält eine Forderung gegenüber der Bundesbank (oder reduziert ihre Verbindlichkeiten dort), während die Banco Santander ihre Verbindlichkeiten bei der Bank of Spain (der spanischen Zentralbank) erhöht (oder ihre Überschussreserven dort reduzieren sich).
Auf der Ebene der Notenbanken erhält die Bundesbank eine Forderung gegenüber der EZB, während die Bank of Spain ein Darlehen erhält. Unterlegt ist dieser Vorgang mit einem Import von Waren nach Spanien, der von der Banco Santander finanziert wurde, indem diese neues Geld in Form eines Darlehens an B geschaffen hat. Diese Geldschöpfung stellt sich in TARGET2-Verbindlichkeiten der Bank of Spain und in TARGET2-Forderungen der Bundesbank dar.
Nun vergleichen wir das Vorgehen bei TARGET2 mit der Finanzierung von Importen in einem Goldstandard. In beiden Systemen können Importüberschüsse mit Kapitalimporten finanziert werden, in unserem Fall kaufen A oder die Commerzbank eine Anleihe von B. Wenn in einem Goldstandard keine private Finanzierung zustande kommt, muss der Import durch den Transfer von Gold bezahlt werden. Im Eurosystem dagegen wird der Importüberschuss einfach durch die Schaffung von Forderungen gegenüber der EZB finanziert. Statt Gold erhält die Bundesbank TARGET2-Forderungen. Während in einem Goldstandard die Bezahlungen von Importen (sofern nicht durch private Darlehen finanziert) durch den Abfluss von Gold begrenzt wird, gibt es bei TARGET2-Forderungen kein Limit – die Importüberschüsse können ohne jegliches Limit durch die Schaffung von Euro-Forderungen finanziert werden.
Wie können nun TARGET2-Verbindlichkeiten und Forderungen wieder verschwinden? Die Differenzen verschwinden, wenn A etwas von B importiert, B eine Anleihe an A verkauft oder B sich von A ein privates Darlehen geben lässt. Gegen eine Finanzierung von Importen mittels privater Darlehen und Anleihen gibt es nichts einzuwenden. TARGET2-Verbindlichkeiten jedoch stellen keine privaten Darlehen dar, sondern kommen staatlichen Zentralbankkrediten gleich. Ohne TARGET2 wäre ein spanischer Importeur gezwungen, einen privaten Investor zu finden, um das Handelsdefizit zu finanzieren. Hierfür müsste er womöglich hohe Zinsen zahlen, vor allem, wenn er keine erstklassigen Sicherheiten stellen kann.
So gesehen kommt das TAGRET2-System in der Tat einem Rettungssystem für eine nicht wettbewerbsfähige Wirtschaft mit zu hohen Preisen gleich. Dank dieses Rettungsmechanismus ist das Land nicht gezwungen, den Arbeitsmarkt zu regulieren und die Staatsausgaben zu senken, damit sich die Preise anpassen. Reformen können aufgeschoben werden, dank der TARGET2-Finanzierung. Im Gegenteil, der Kaufrausch kann weitergehen und die nachteiligen internen Strukturen bleiben unverändert.
Aber werden die TARGET2 Verbindlichkeiten und Forderungen niemals ausgeglichen? Überraschenderweise gibt es wirklich weder ein Limit für die TARGET2-Rettungen, noch werden die Konten ausgeglichen. Im Gegensatz hierzu werden im Federal Reserve System Verbindlichkeiten mit Goldzertifikaten abgesichert und regelmäßig abgerechnet. Hat beispielsweise die Federal Reserve Bank von Richmond eine Verbindlichkeit gegenüber der Federal Reserve Bank von New York, gleicht erstere ihr Konto mittels der Übermittlung von Goldzertifikaten aus.[2] [5]
Das Eurosystem aber erlaubt nicht nur die Finanzierung von Importen durch die Schöpfung neuen Geldes; es ermöglicht sogar “Kapitalflucht”. In der augenblicklichen Situation würde eine Pleite des griechischen Staates das Bankensystem in den Bankrott stürzen. Um Verluste zu vermeiden, überwiesen griechische Sparer – und tun es noch immer – ihre Guthaben von Konten bei griechischen Banken auf Konten bei deutschen Banken oder in andere Länder. Durch diesen Transfer verliert eine griechische Bank Guthaben während eine deutsche Bank Guthaben erhält. Die griechische Bank erhöht ihre Refinanzierung mit der nationalen Notenbank (d.h. sie erhält neu geschaffenes Geld) während die deutsche Bank ihre Verbindlichkeiten bei der Bundesbank reduzieren kann (oder dort Überschussreserven ansammelt). Die Bundesbank erhält eine TARGET2-Forderung, für die griechische Notenbank entsteht eine TARGET2-Verbindlichkeit. Wenn der griechische Staat Pleite geht und die Forderungen an die griechische Notenbank ausfallen, entstehen Verluste für die EZB. Folglich tragen die deutschen Sparer das Risiko eines Zahlungsausfall Griechenlands durch das TARGET2-System mit.
Welche Schlüsse sind aus diesen Erkenntnissen zu ziehen?
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Wo liegen die Risiken für ein TARGET2-Gläubigerland wie Deutschland?
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Wo liegen die Risiken für ein TARGET2-Gläubigerland wie Deutschland?
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TARGET2, Eurobonds, ESM: wo liegt der Unterschied?
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Quelle
Original-Aufsatz in englischer Sprache
Anmerkung
Was lernen wir hieraus?
Wesentliche Teile des deutschen Handelsbilanz-Überschusses werden durch Target2 finanziert!
Mit anderen Worten: Die „Exporterfolge“ deutscher Unternehmen in die Eurozone bezahlen wir, die Steuerzahler und Sparer, letztendlich über Target 2 selbst!
EURO im Verbund mit dem Target2-System sind somit aus deutscher Sicht die größte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme aller Zeiten!
Ach, das glauben Sie nicht?
DANN BITTE STELLEN SIE SICH NACHFOLGENDE FRAGEN:
Warum ist denn die Arbeitslosenquote in Deutschland im europäischen Vergleich so außergewöhnlich niedrig?
Weil wir so „schlau“ sind? Weil wir so „fleißig“ sind?
Könnte es nicht sein, das man uns genau dies einreden möchte, in Wahrheit wir aber letztlich -zumindest für große Teile der Euro-Zone- einfach umsonst arbeiten?
Kleine Analogie gefällig?
Stellen Sie sich einen freundlichen Kneipenwirt vor, der seine Gäste immer nur anschreiben lässt, ohne Chance, diese Forderungen jemals eintreiben zu können. Am Ende des Tages kann er sich keineswegs über „zu wenig Arbeit“ beklagen .. dies ändert allerdings nichts daran, dass er letztlich nur „Freibier“ ausgeschenkt hat!
Message understood?
Ihr Oeconomicus
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Ergänzungen
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Leitlinie der Europäischen Zentralbank
vom 26. April 2007
über ein transeuropäisches automatisiertes Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystem (TARGET2)
(ECB/2007/2) (2007/600/EG)
eur-lex.europa
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TARGET imbalances: Financing the capital-account reversal in Europe
Ashoka Mody, Fabian Bornhorst, 7 March 2012 – voxeu
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Target2-Defizite: Warum die Leistungsbilanz nicht entscheidend ist
Ermöglicht es die Europäische Zentralbank über Target2 den Krisenstaaten in der Peripherie, weiter über ihre Verhältnisse zu leben? Verzögert die Zentralbank so die nötigen Anpassungsprozesse? Treiben die Leistungsbilanz-Ungleichgewichte im Euro-Raum die Target-Salden?
Olaf Storbeck – 7. März 2012 – Blog Handelsblatt
Überprüfung von €-Bargeld-Beständen
Veröffentlicht: 24. März 2010 Abgelegt unter: €URO | Tags: € Banknoten, Bundesbank, EZB, gesetzliches Zahlungsmittel Hinterlasse einen KommentarVerwendung des Euro und daran gekoppelter Währungen weltweit.
Länder und Territorien außerhalb Europas sind mit Namen markiert
Zoom-Ansicht
Bildrechte: CC – Autor: Hansbaer
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Überprüfung von €-Bargeld-Beständen
(re-loaded!)
Präfix der Seriennummern
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Manche/r LeserIn mag diesen Hinweis als unnötige Übervorsicht interpretieren. Mit den nachfolgend aufgelisteten Fakten könnten solche Einschätzungen revisionsbedürftig werden.
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Jedenfalls kann es nicht schaden, bei den Euro Bargeldbeständen die jeweilige Seriennummer zu überprüfen, die sich aus einem Buchstaben und einer 11-stelligen Ziffernfolge zusammensetzt [die Buchstaben repräsentieren den jeweiligen Ausgabestaat bzw. dessen Notenbank]:
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Buchstabe | Ausgabestaat |
Z | België/Belgique (Belgien) |
Y | Elláda (Griechenland) |
X | Deutschland |
W | Danmark (Dänemark) |
V | España (Spanien) |
U | France (Frankreich) |
T | Ireland (Irland) |
S | Italia (Italien) |
R | Lëtzebuerg (Luxemburg) [nach EZB-Informationen (Stand 13.11.2013) wurden Banknoten mit dem Buchstaben „R“ bisher noch nicht ausgegeben. Neue, von der Banque centrale du Luxembourg ausgegebene Euro-Banknoten tragen den Code der Zentralbanken jener Länder, in denen die Banknoten für Luxemburg hergestellt werden.] |
Q | nicht belegt |
P | Nederland (Niederlande) |
O | nicht belegt |
N | Österreich |
M | Portuguesa (Portugal) |
L | Suomi (Finnland) |
K | Sverige (Schweden) |
J | United Kingdom (Großbritannien) |
I | nicht belegt |
H | Slovenija (Slowenien) s. Archivbeiträge zum Krisenland Slowenien |
G | Zypern Seit der „Nacht-und Nebelaktion“ von EZB und Bundesbank (Ende März 2013) sollen auf Zypern angeblich vorwiegend Banknoten mit „Präfix X + M“ kursieren. Banknoten mit „Präfix G“ sollen nach offiziell nicht bestätigten Informationen in Finnland und Spanien in Umlauf sein |
F | Malta Nach offiziell nicht bestätigten Informationen sollen insbesondere €20 Banknoten mit „Präfix F“ in Belgien in Umlauf gebracht worden sein. |
E | Slowakei |
D | Estland |
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Auszug aus dem Amtsblatt der Europäischen Union
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„BESCHLUSS DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK
vom 20.03.2003 über die Stückelung, Merkmale und Reproduktion sowie den Umtausch und Einzug von Euro-Banknoten.
Artikel 5
Einzug von Euro-Banknoten
Der Einzug einer Euro-Banknotenstückelung oder -serie wird durch einen Beschluss des EZB-Rates geregelt, der zur allgemeinen Unterrichtung im Amtsblatt der Europäischen Union und in anderen Medien veröffentlicht wird.
Der Beschluss enthält Mindestangaben über Folgendes:
- die Euro-Banknoten-Stückelung oder -Serie, die aus dem Umlauf genommen werden soll;
- den Zeitraum, in dem der Umtausch erfolgt;
- den Zeitpunkt, zu dem die jeweilige Euro-Banknotenstückelung oder -Serie ihre Gültigkeit als gesetzliches Zahlungsmittel verliert, und
- die Behandlung von Euro-Banknoten, die nach Ablauf der Umtauschfrist und/oder nach Verlust ihrer Gültigkeit als gesetzliches Zahlungsmittel eingereicht werden.“
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MMnews:
Stellungnahme der Deutschen Bundesbank über die Hintergründe der Kodierung der Euro-Scheine und zur Frage, was bei einem Staatsbankrott passiert.
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ergänzende Informationen
Seit 2008 wurde seitens der EZB in größeren Intervallen verlautet, eine zweite Eurobanknoten-Serie mit veränderten Sicherheitskriterien und Länderkennungen sei in Arbeit und solle 2010/2011 ausgegeben werden.
Angeblich konnten aufgrund nötiger Weiterentwicklungen hinsichtlich der Sicherheitsmerkmale die angestrebten Termine nicht eingehalten werden.
Schließlich gab am 9. November 2012 die Europäische Zentralbank in einer Mitteilung des Präsidenten Mario Draghi bekannt, dass ab 2013 eine neue Banknotenserie, die so genannte „Europa-Serie“ eingeführt werden solle.
Am 10. Januar 2013 wurden die neuen Fünf-Euro-Noten offiziell präsentiert und sind seit dem 2. Mai 2013 im Umlauf.
Die anderen Nennwerte sollen in aufsteigender Reihenfolge später folgen. Die Einführungsdaten der übrigen Noten der Europa-Serie sind noch nicht bekannt, allerdings gab die Deutsche Bundesbank die Ausgabe der 10-Euro-Note im Laufe des Jahres 2014 und der 20-Euro-Note für 2015 bekannt.
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Links
- EuroTracer.net, die Webseite zum Verfolgen von € Scheinen und Münzen
- EuroBillTracker, die Webseite zum Verfolgen von € Scheinen
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abschließende Hinweise und Fazit
Es dürfte nicht auszuschließen sein, dass es den ein oder anderen „Schelm“ geben mag, der aus vorliegenden Fakten eine Zwischenstufe für etwaige nationale Suspendierungen des Euro als gesetzliches Zahlungsmittel basteln könnte.
Natürlich müsste man solche Gedanken-Experimente nach dem Duktus unserer großen Vordenkerin als blanken Unsinn zurückweisen, oder etwa nicht?
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However, wer mag kann sich dem Benjamin Disraeli zugeschriebenen (sinngemäßen) Motto:
„Hope for the best, but be prepared for the worst“