Hauptsacheverfahren ESM/EZB: Urteilsverkündung sowie Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union

Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -

Pressemitteilung Nr. 9/2014 vom 7. Februar 2014


Beschlüsse vom 17. Dezember 2013 und 14. Januar 2014
2 BvR 1390/12 (teilweise abgetrennt als 2 BvR 2728/13)
2 BvR 1421/12 (teilweise abgetrennt als 2 BvR 2729/13)
2 BvR 1438/12 (teilweise abgetrennt als 2 BvR 2730/13)
2 BvR 1439/12
2 BvR 1440/12
2 BvR 1824/12 (teilweise abgetrennt als 2 BvR 2731/13)
2 BvE 6/12 (teilweise abgetrennt als 2 BvE 13/13)

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts wird auf Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 11. und 12. Juni 2013 (siehe Pressemitteilungen
Nr. 29/2013 vom 19. April 2013 und Nr. 36/2013 vom 14. Mai 2013) am

Dienstag, 18. März 2014, 10.00 Uhr,
im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,
Amtssitz „Waldstadt“, Rintheimer Querallee 11, 76131 Karlsruhe

sein Urteil zu den Verfahrensgegenständen im Zusammenhang mit der Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und mit dem Vertrag
vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalpakt) verkünden. Die Akkreditierungsbedingungen werden zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben; derzeit sind noch keine Akkreditierungen möglich.

Die Verfahrensgegenstände, die sich auf den OMT-Beschluss des Rates der Europäischen Zentralbank vom 6. September 2012 beziehen, hat der Senat abgetrennt, diese Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Gegenstand der Vorlagefragen ist insbesondere, ob der OMT-Beschluss mit dem Primärrecht der Europäischen Union vereinbar ist. Nach Auffassung des Senats sprechen gewichtige Gründe dafür, dass er über das Mandat der Europäischen Zentralbank für die Währungspolitik hinausgeht und damit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten übergreift sowie gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung verstößt. Der Senat neigt deshalb zur Annahme
eines Ultra-vires-Aktes, hält es aber für möglich, durch eine einschränkende Auslegung des OMT-Beschlusses im Lichte der Verträge zu einer Konformität mit dem Primärrecht zu gelangen. Die Entscheidung ist mit 6:2 Stimmen ergangen; die Richterin Lübbe-Wolff und der Richter Gerhardt haben jeweils ein Sondervotum abgegeben.

Zum Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer der Verfassungsbeschwerden und die Antragstellerin des Organstreitverfahrens wenden sich bei verständiger Würdigung ihrer Anträge zum einen gegen die Mitwirkung der Deutschen Bundesbank an der Umsetzung des Beschlusses des Rates der Europäischen Zentralbank vom 6. September 2012 über Technical features of Outright Monetary Transactions („OMT-Beschluss“), zum anderen dagegen, dass die Bundesregierung und der
Deutsche Bundestag in Ansehung dieses Beschlusses untätig geblieben sind. Im OMT-Beschluss ist vorgesehen, dass das Europäische System der Zentralbanken Staatsanleihen ausgewählter Mitgliedstaaten in unbegrenzter Höhe ankaufen kann, wenn und solange diese Mitgliedstaaten zugleich an einem mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) oder dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) vereinbarten Reformprogramm teilnehmen. Erklärtes Ziel ist die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen geldpolitischen Transmission und der Einheitlichkeit der Geldpolitik. Der OMT-Beschluss ist bislang nicht umgesetzt worden.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

1. Die Kontrollaufgabe des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung darauf, ob Handlungen von Organen und Einrichtungen der Europäischen Union auf ersichtlichen Kompetenzüberschreitungen beruhen oder den nicht übertragbaren Bereich der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität des Grundgesetzes betreffen.

2. Verstieße der OMT-Beschluss gegen das währungspolitische Mandat der Europäischen Zentralbank oder gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung, läge darin ein Ultra-vires-Akt.

a) Nach der Honeywell-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 126, 286) ist dazu ein hinreichend qualifizierter Verstoß erforderlich. Dieser setzt voraus, dass das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führt.

b) Die Verträge enthalten ein auf die Währungspolitik beschränktes Mandat der Europäischen Zentralbank (Art. 119 und 127 ff. AEUV und Art.17 ff. ESZB-Satzung). Sie ist nicht zu einer eigenständigen Wirtschaftspolitik ermächtigt, sondern darauf beschränkt, die Wirtschaftspolitik in der Union zu unterstützen (Art. 119 Abs. 2, Art. 127 Abs. 1 Satz 2 AEUV; Art. 2 Satz 2 ESZB-Satzung).

Geht man -vorbehaltlich der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union- davon aus, dass der OMT-Beschluss als eigenständige wirtschaftspolitische Maßnahme zu qualifizieren ist, so verstößt er offensichtlich gegen diese Kompetenzverteilung. Diese Kompetenzverschiebung wäre auch strukturell bedeutsam, denn der OMT-Beschluss kann Hilfsmaßnahmen im Rahmen der „Eurorettungspolitik“ überlagern, die zum Kernbereich der wirtschaftspolitischen Kompetenz der Mitgliedstaaten rechnen (vgl. Art. 136 Abs. 3 AEUV). Zudem können die Outright Monetary Transactions zu einer erheblichen Umverteilung zwischen den Mitgliedstaaten führen und damit Züge eines Finanzausgleichs annehmen, den die europäischen Verträge nicht vorsehen.

c) Auch soweit der OMT-Beschluss gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung (Art. 123 Abs. 1 AEUV) verstoßen sollte, läge darin eine offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitung. Der Verstoß wäre offensichtlich, weil das Primärrecht das Verbot ausdrücklich normiert und Kompetenzen der
Europäischen Zentralbank insoweit zweifelsfrei ausschließt. Er wäre auch strukturell bedeutsam, denn das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung ist eine der zentralen Regeln für die Ausgestaltung der Währungsunion als Stabilitätsunion. Zudem sichert es die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages ab.

3. Die Bejahung eines Ultra-vires-Aktes in diesem Sinne löste Unterlassungs- und Handlungspflichten deutscher Staatsorgane aus. Diese sind vor dem Bundesverfassungsgericht jedenfalls insoweit einklagbar, als sie sich auf Verfassungsorgane beziehen.

a) Aus der Integrationsverantwortung erwächst für den Bundestag und die Bundesregierung die Pflicht, über die Einhaltung des Integrationsprogramms zu wachen und bei offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch Organe der Europäischen Union aktiv auf die Einhaltung des Integrationsprogramms hinzuwirken.
Eine Kompetenzanmaßung können sie nachträglich legitimieren, indem sie eine Änderung des Primärrechts anstoßen und die in Anspruch genommenen Hoheitsrechte im Verfahren nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 GG förmlich übertragen. Soweit dies nicht möglich oder nicht gewollt ist, sind sie dagegen grundsätzlich verpflichtet, im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen mit rechtlichen oder mit politischen Mitteln auf die Aufhebung vom Integrationsprogramm nicht gedeckter Maßnahmen hinzuwirken sowie – solange die Maßnahmen fortwirken – geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die innerstaatlichen Auswirkungen der Maßnahmen so weit
wie möglich begrenzt bleiben.

b) Ein Verstoß gegen diese Pflichten verletzt subjektive, mit der Verfassungsbeschwerde rügefähige Rechte der Wahlberechtigten. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ist Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt, wenn das Wahlrecht in einem für die politische Selbstbestimmung des Volkes wesentlichen Bereich leerzulaufen droht. Dagegen gewährt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG keinen Anspruch auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht.

Gegenüber offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch die europäischen Organe hat der Schutz aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG auch eine verfahrensmäßige Komponente:

Der wahlberechtigte Bürger hat zur Sicherung seiner demokratischen Einflussmöglichkeit im Prozess der europäischen Integration grundsätzlich ein Recht darauf, dass eine Verlagerung von Hoheitsrechten nur in den dafür vorgesehenen Formen erfolgt, die bei einer eigenmächtigen Kompetenzanmaßung jedoch unterlaufen werden. Der Bürger kann deshalb verlangen, dass Bundestag und Bundesregierung sich aktiv mit der Frage auseinandersetzen, wie die Kompetenzordnung wiederhergestellt werden kann, und eine positive Entscheidung darüber herbeiführen, welche Wege dafür beschritten werden sollen. Ein Ultra-vires-Akt kann ferner Gegenstand eines Organstreits sein.

4. Vorbehaltlich der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ist der OMT-Beschluss nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Primärrecht unvereinbar; eine andere Beurteilung könnte allerdings bei einer primärrechtskonformen Auslegung des OMT-Beschluss geboten sein.

a) Der OMT-Beschluss dürfte nicht vom Mandat der Europäischen Zentralbank gedeckt sein. Die Währungspolitik ist nach Wortlaut, Systematik und Zielsetzung der Verträge insbesondere von der primär den Mitgliedstaaten zustehenden Wirtschaftspolitik abzugrenzen. Für die Abgrenzung kommt es auf die objektiv zu bestimmende unmittelbare Zielsetzung einer Maßnahme, die zur Erreichung dieses Ziels gewählten Mittel sowie ihre Verbindung zu anderen Regelungen an. Für die Einordnung des OMT-Beschlusses als wirtschaftspolitische Maßnahme spricht die unmittelbare Zielsetzung, Zinsaufschläge auf Staatsanleihen einzelner Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes zu neutralisieren.
Diese beruhen nach Auffassung der Europäischen Zentralbank teilweise auf einer Furcht der Anleger vor einer Reversibilität des Euro; nach Ansicht der Bundesbank spiegeln solche Zinsaufschläge dagegen nur die Skepsis der Marktteilnehmer wider, dass einzelne Mitgliedstaaten eine hinreichende Haushaltsdisziplin einhalten werden, um dauerhaft zahlungsfähig zu bleiben. Auch der selektive Ankauf von Staatsanleihen nur einzelner Mitgliedstaaten ist ein Indiz für die Qualifikation des OMT-Beschlusses als wirtschaftspolitische Maßnahme, denn dem geldpolitischen Handlungsrahmen des Europäischen Systems der Zentralbanken ist eine zwischen einzelnen Mitgliedstaaten differenzierende Vorgehensweise grundsätzlich fremd. Die Parallelität mit Hilfsprogrammen der EFSF bzw. des ESM sowie das Risiko, deren Zielsetzung und Auflagen zu unterlaufen, erhärten diesen Befund. Der vom OMT-Beschluss vorgesehene Ankauf von Staatsanleihen zur Entlastung einzelner Mitgliedstaaten erscheint insoweit als funktionales Äquivalent zu einer Hilfsmaßnahme der genannten Institutionen – allerdings ohne deren parlamentarische Legitimation und Kontrolle.

b) Art. 123 Abs. 1 AEUV verbietet der Europäischen Zentralbank, Staatsanleihen unmittelbar von den emittierenden Mitgliedstaaten zu erwerben. Es liegt auf der Hand, dass dieses Verbot nicht durch funktional äquivalente Maßnahmen umgangen werden darf. Die genannten Gesichtspunkte der Neutralisierung von Zinsaufschlägen, der Selektivität des Ankaufs sowie der Parallelität mit EFSF- und ESM-Hilfsprogrammen sprechen dafür, dass der OMT-Beschluss auf eine verbotene Umgehung von Art. 123 Abs. 1 AEUV zielt.

Hinzu kommen folgende Aspekte:

die Bereitschaft, sich mit Blick auf die zu erwerbenden Anleihen an einem Schuldenschnitt zu beteiligen; das erhöhte Risiko; die Möglichkeit, die erworbenen Staatsanleihen bis zur Endfälligkeit zu halten; der Eingriff in die Preisbildung am Markt und die vom EZB-Rat ausgehende Ermutigung der Marktteilnehmer zum Erwerb der in Rede stehenden Anleihen am Primärmarkt.

c) Die von der Europäischen Zentralbank zur Rechtfertigung des OMT-Beschlusses angeführte Zielsetzung, eine Störung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus zu beheben, vermag hieran nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nichts zu ändern. Dass der Ankauf von Staatsanleihen unter Umständen auch zur Erreichung währungspolitischer Zielsetzungen beitragen kann, macht den OMT-Beschluss als solchen noch nicht zu einer währungspolitischen Maßnahme. Würde man den Kauf von Staatsanleihen bei jeder Störung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus zulassen, käme dies einer Befugnis der Europäischen Zentralbank gleich, jede Verschlechterung der Bonität eines Euro-Mitgliedstaates durch den Kauf von Staatsanleihen dieses Staates beheben zu dürfen. Dies würde das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung weitgehend außer Kraft setzen.

d) Der OMT-Beschluss wäre aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts jedoch möglicherweise dann nicht zu beanstanden, wenn er primärrechtskonform so ausgelegt oder in seiner Gültigkeit beschränkt würde, dass er die Konditionalität der Hilfsprogramme von EFSF und ESM nicht unterläuft und tatsächlich einen die Wirtschaftspolitik in der Union nur unterstützenden Charakter behält. Mit Blick auf Art. 123 Abs. 1 AEUV setzte dies wohl voraus, dass die Inkaufnahme eines Schuldenschnitts ausgeschlossen werden müsste, Staatsanleihen einzelner Mitgliedstaaten nicht in unbegrenzter Höhe angekauft werden und Eingriffe in die Preisbildung am Markt soweit wie möglich vermieden werden. In der mündlichen Verhandlung und in dem Verfahren vor dem Senat abgegebene Erklärungen der Vertreter der Europäischen Zentralbank deuten darauf hin, dass eine solche primärrechtskonforme Auslegung mit Sinn und Zweck des OMT-Beschlusses durchaus noch vereinbar sein dürfte.

5. Ob der OMT-Beschluss und sein Vollzug auch die Verfassungsidentität des Grundgesetzes verletzen können, ist derzeit nicht sicher absehbar und hängt nicht zuletzt von Inhalt und Reichweite des -primärrechtskonform ausgelegten – OMT-Beschlusses ab.

Abweichende Meinung der Richterin Lübbe-Wolff:

In dem Bemühen, die Herrschaft des Rechts zu sichern, kann ein Gericht die Grenzen richterlicher Kompetenz überschreiten. Das ist meiner Meinung nach hier geschehen. Die Anträge hätten als unzulässig abgewiesen werden müssen. Die Frage, wie Bundestag und Bundesregierung auf eine Verletzung von Souveränitätsrechten der Bundesrepublik Deutschland, sei sie kriegerischer oder nicht kriegerischer Art, zu reagieren haben, ist nicht sinnvoll im Sinne der Auferlegung bestimmter positiver Handlungspflichten verregelbar. Die Auswahl zwischen den vielfältigen Möglichkeiten der Reaktion, die von bloßen Missfallensbekundungen bis hin zum Austritt aus der Währungsgemeinschaft reichen, kann nur Sache des politischen Ermessens sein. Es verwundert deshalb nicht, dass sich diesbezügliche Regeln weder dem Verfassungstext noch der Rechtsprechungstradition entnehmen lassen.

Die Annahme, dass unter näher bestimmten Voraussetzungen nicht nur positiv-souveränitäts-beschränkende Akte deutscher Bundesorgane, sondern auch eine bloße Untätigkeit bei qualifizierten Übergriffen der Union unter Berufung auf Art. 38 Abs. 1 GG angegriffen werden können, weicht von erst jüngst bekräftigter Rechtsprechung ab, nach der ein Unterlassen von Bundestag oder Bundesregierung mit der Verfassungsbeschwerde nur gerügt werden kann, wenn sich der Beschwerdeführer auf einen ausdrücklichen Auftrag des Grundgesetzes berufen kann, der Inhalt und Umfang der als verletzt behaupteten Handlungspflicht im Wesentlichen umgrenzt. Auch für Anträge im Organstreitverfahren hat der Senat noch kürzlich festgestellt, dass sie nur gegen ein konkretes Unterlassen zulässig sind, das heißt gegen das Unterlassen einer konkreten als geboten darstellbaren Handlung. Die Annahme, dass unter anderem ein bloßes Unterlassen der Bundesregierung, sich auf der Ebene der Union in bestimmter Weise zu verhalten, zulässiger Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein kann, stünde zudem in Gegensatz dazu, dass
selbst positive Mitwirkungshandlungen der Bundesregierung an Beschlüssen von Organen der Union oder intergouvernementalen Beschlüssen in Angelegenheiten der Union noch vor kurzem zu  untauglichen Angriffsgegenständen erklärt worden sind.

Abweichende Meinung des Richters Gerhardt:

Ich halte die Verfassungsbeschwerden und den Antrag im Organstreitverfahren, soweit sie den OMT-Beschluss betreffen, für unzulässig. Der vorliegende Beschluss erweitert die Möglichkeit des Einzelnen, über Art. 38 Abs. 1 GG – ohne Rückanbindung an ein materielles Grundrecht – eine verfassungsgerichtliche Kontrolle in Bezug auf Akte von Unionsorganen zu initiieren. Mit der Zulassung einer solchen Ultra-vires-Kontrolle wird die Tür zu einem allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch geöffnet, den das Grundgesetz nicht kennt.

Die Integrationsverantwortung der deutschen Verfassungsorgane besteht gegenüber der Allgemeinheit, und aus ihr folgt nichts für die Konstruktion eines subjektiven Rechts eines jeden Wahlberechtigten auf Tätigwerden von Verfassungsorganen. Bundesregierung und Bundestag muss bezüglich der Frage, ob ein qualifizierter Ultra-vires-Akt vorliegt, ein vom Bürger hinzunehmender Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zukommen. Der Beschluss geht davon aus, dass eine Kompetenzüberschreitung auch dann offensichtlich sein kann, wenn dem ein längerer Klärungsprozess vorausgeht. Wie schwierig das Kriterium der Offensichtlichkeit zu handhaben ist, zeigt der Fall überdeutlich.
Währungs- und Wirtschaftspolitik sind aufeinander bezogen und können nicht strikt unterschieden werden. In der Gesamtschau erscheint mir das Vorbringen, es gehe in erster Linie um die Wiederherstellung des monetären Transmissionsmechanismus, nicht mit der zu fordernden Eindeutigkeit widerlegbar.

Dass der Einzelne das Selbstbefassungsrecht des Bundestags mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts in eine bestimmte Richtung lenken kann, fügt sich nicht in die grundgesetzlichen Rahmenbedingungen parlamentarischer Arbeit. Der Bürger kann mittels Eingaben, über die Parteien und Abgeordneten sowie insbesondere über die Medien auf Art und Ziel der politischen Willensbildung Einfluss nehmen. Der Bundestag hätte ohne weiteres auf politischem Wege den OMT-Beschluss missbilligen, gegebenenfalls auch eine Nichtigkeitsklage androhen, die Reaktion der Europäischen Zentralbank und der Finanzmärkte abwarten und dann weitere Konsequenzen ziehen können. Dass er all dies nicht getan hat, indiziert kein Demokratiedefizit, sondern ist Ausdruck einer Mehrheitsentscheidung für eine bestimmte Politik zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise im Euro-Währungsraum.

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BVerfG – Pressemitteilung (Hervorhebungen durch mich)

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STAATSRECHT III
TEIL 3: DEUTSCHLAND ALS EU-MITGLIED
X. Entscheidungen des BVerfG zu Inhalt und Grenzen der europäischen Integration
[…]
Prof. Dr. Nele Matz-Lück – PDF [4 Seiten]

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Grundgesetz – Artikel 23

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Grundgesetz – Artikel 38

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Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Artikel 119 (ex-Artikel 4 EGV)

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Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Artikel 123 (ex-Artikel 101 EGV)

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Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Artikel 127 (ex-Artikel 105 EGV)

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Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
Artikel 136

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PROTOKOLL (Nr. 4) ÜBER DIE SATZUNG DES EUROPÄISCHEN SYSTEMS
DER ZENTRALBANKEN UND DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

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EuGH entscheidet über Rechtmäßigkeit: OMT-Programm steht auf der Kippe
OMT-Programm: Nur wenige Anleger dürften bis vor einigen Tagen von diesem Programm der EZB gehört haben. Doch wer die Presse zuletzt aufmerksam verfolgte, bekam zu hören, dass genau an diesem Programm womöglich die Zukunft des Euro hängt.
Worum geht es beim OMT-Programm? Weshalb gilt dieses als „Lebensversicherung des Euro“?
Dietmar Zantke bei Börse Stuttgart TV.

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Einschätzungen von Gunnar Beck:
„Es fehlt den Verfassungsrichtern nicht an Kompetenz, sondern an Charakter, nicht an Argumentationsschärfe, sondern an Integrität. Darum fürchten sie die Verantwortung.“
GEOLITICO
Dr. Gunnar Beck lehrt EU-Recht und Rechtstheorie an der Universität London. Er ist Autor der Studie The Legal Reasoning of the Court of Justice of the European Union, die im Februar bei HART Legal Publishing Publishing (Oxford) erschienen ist.

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Karlsruhe und das währungspolitische F-Wort
Als Mario Draghi am 6. September 2012 den Beschluss des Rates der Europäischen Zentralbank über die „Outright Monetary Transactions“ verkündete, öffnete er die geldpolitische Tür Europas in Richtung Unendlichkeit. Denn das unbegrenzte Aufkaufen von Staatsanleihen kennt ersichtlich schon rein begrifflich kein Halten. Was unbegrenzt ist, ist grenzenlos und also unendlich. Nichts anderes besagt schließlich auch der englische Name des Programms: „Outright“ ist gänzlich, ganz und gar, komplett, vorbehaltlos, völlig und vollständig. Die liegende 8 als Zeichen der mathematischen Analysis für die Unendlichkeit symbolisiert genau diejenige Funktion, die über alle Grenzen wächst.
[…]
Carlos A. Gebauer – ef-magazin

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Archiv-Beiträge zu ‚Outright Money Transactions‘ (OMT)

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Wir sehen uns am 18. März 2014 in Karlsruhe.

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Ihr Oeconomicus

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The Economic Warfare by IMF

Als Einstimmung zum Themenkomplex:

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“When the IMF arrives in a country, they are interested in only one thing.
How do we make sure the banks and financial institutions are paid?“

[ Joseph E. Stiglitz (Joseph Eugene „Joe“ Stiglitz; * 9. Februar 1943 in Gary, Indiana) ist ein US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler. Für seine Arbeiten über das Verhältnis von Information und Märkten erhielt er 2001 zusammen mit George A. Akerlof und Michael Spence den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. ]

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In dem erkenntnisreichen Beitrag (Zitatquelle) zeichnet der Autor Johann Hari an einigen Beispielen die Aktivitäten des IMF seit Gründung im Jahre 1944 nach und kommt zu folgender Bewertung:

„The IMF itself should be on trial!“

Das hübsch gestrickte Image, als kompetenter Helfer für in Schieflage geratene Staaten tätig zu werden, wird bei genauem Hinsehen zu einer hässlichen Fratze mit schlimmen Details.

In Bedrängnis geratene Staaten werden systematisch ausgeplündert und/oder versklavt, wie man an belegten Beispielen wie Malawi, Peru, Äthiopien, Argentinien, Thailand, Kenia, Sambia, Ungarn, El Salvador und Pakistan erkennen kann.

In Fachkreisen wird im Zusammenhang mit dem IWF der Begriff des „economic warfare“ angeführt. Dieser bedeutet, dass eine aktive Verschuldungspolitik unter anderem durch den IWF durchgeführt wird mit dem Ziel, ganze Länder durch Überschuldung in Abhängigkeit, Not und Armut zu bringen.

Vor allem das Buch von John Perkins „Bekenntnisse eines Economic Hitman“ [Wirtschaftsattentäter] werden diese Praktiken ausgiebig bezeugt. John Perkins war selbst Täter, erkannte aber mit der Zeit, dass er mit der Schuld nicht leben konnte. In seinem Werk zeichnet er eine Politik der Verschuldung ganzer Staaten, die selbst vor Mord an hohen Persönlichkeiten, die dabei nicht mitspielen, nicht zurückschreckt.

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Prominentes Beispiel aus Deutschland war der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler, der als Präsident des IWF die Unterschrift über ein Umschuldungsbegehren Argentiniens verweigerte und damit eine Staatskrise in Argentinien auslöste, bei der in Straßenschlachten aufgebrachte Argentinier in Buenos Aires niedergeknüppelt wurden, weil sie ihre Ersparnisse verloren und anschließend im Müll nach Essen suchen mussten.

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Wer sich näher damit beschäftigt, was im Umkreis des IWF tatsächlich abläuft, kommt aus dem Staunen nicht heraus!

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Es lohnt sich also wirklich, und das nicht nur für unsere griechischen Freunde, sich mit der Materie näher zu beschäftigen.

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Die geschilderten Umstände in Malawi und Ungarn erscheinen für Griechenland wie eine Blaupause.

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Extreme Steuerbelastungen, massive Einkommensverluste, Einschränkungen bis hin zur Einstellung von Investitionen im Bereich „public spending“, Einschnitte in der Bildungspolitik und quasi erzwungene Privatisierungsprogramme mit teilweise katastrophalen Folgen für die Lebensverhältnisse der Bevölkerung waren damals und sind heute die Konsequenz der Knechtschaft durch den IMF.

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Solche sog. Strukturanpassungs-Maßnahmen führen sehr oft zu einem Demokratiedefizit und lösen fast zwangsläufig Proteste und Widerstand der betroffenen Bevölkerung aus.

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Das für Banken und andere Finanzinstitutionen überaus segenreiche Handeln des IMF ist im eingangs erwähnten Aufsatz von Johann Hari sehr schön skizziert und verdient weitere Aufmerksamkeit und Recherche.

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vertiefende Dokumente:

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LOAN FACILITY AGREEMENT

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Für alle, die den Knebelvertrag seitens der EU und der Hellenischen Republik noch nicht kennen:
GREECE loan facility agreement – PDF 100 Seiten, englisch 
(ursprünglich gesetzter Link im Netz nicht mehr auffindbar, daher mit O-Dokument ersetzt)

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besonders interessanter Auszug:

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aus Seite 16 des PDF-Dokuments:

14. GOVERNING LAW AND JURISDICTION
[…]
(5) The Borrower hereby irrevocably and unconditionally waives all immunity to which it is or may become untitled, in respect of itself or its assets, from legal proceedings in relation of this Agreement, including, without limitation, immunity from suit, judgement or other order, from attachment, arrest or injuction prior to judgement, and from execution and enforcement against its assets to the extent not prohibited by mandatory law.

Hier werden die Griechen verraten und verkauft – congratulation, well done!

PDF, griechische Version [104 Seiten]

Von besonderem Interesse sind die „letter’s of intend“ mit all den hübschen Sparmaßnahmen, welche der IMF von Griechenland fordert, die man schlichtweg als Aufgabe sämtlicher Souveränitätsrechte der Hellenischen Republik bezeichnen kann:

„Letter of Intent“ – vom 6. August 2010 – PDF, englisch [54 Seiten]

„Letter of Intent“ – vom 8. Dezember 2010 – PDF, englisch [62 Seiten]

Die wirklich „harten Auflagen“ sind ab Seite 31 aufgelistet

Auszüge:

„Expenditure cuts
– Wage bill (seasonal bonuses and allowances): at least EUR 400 million;
– Pensions (seasonal bonuses): EUR 500 million;
– Specific reduction in highest pensions: EUR 150 million;

Revenue increases
– VAT: at least EUR 750 million;
– Excises on fuel: at least EUR 250 million;
– Excises on tobacco: at least EUR 250 million;
– Excises on alcohol: at least EUR 50 million;
– Luxury good tax: at least EUR 50 million;
– Incentives to regularise land-use violations yielding at least EUR 150 million and increased amounts in 2012 and 2013;“

Vieles davon erscheint recht unrealistisch, manches abstrus, gelegentlich sogar lustig [bspw. will man allen Ernstes Schmuggler besteuern [siehe Ende Seite 32/oben Seite 33].
Wie man dies praktisch umsetzen will, ist leider nicht erkennbar! Eine wahrhaft köstliche Realsatire!

Die Liste aller veröffentlichten IMF-Dokumente zu Griechenland, beginnend mit einem „background-paper“ vom 03.Oktober 1995 finden sich hier

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Im Magazin Mitbestimmung 12/1999 der Hans-Böckler-Stiftung werden die Krisen- und IMF-Erfahrungen von Thailand und Vietnam nachgezeichnet.

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Stefan Mai, Institut für Wirtschaftspolitik in Köln, ging am 8.Juli 1999 der Frage nach:
Brauchen globale Kapitalmärkte den IWF als Lender of Last Resort?
hier seine Bewertung

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Die vom IWF gesponserte wirtschaftliche Katastrophe in Brasilien

Das internationale Finanzsystem und die Position der Schweiz

Bericht des Bundesrates vom 4. Oktober 1999

Innenansichten des IWF

Der Internationale Währungsfond IWF gilt Kritikern der Globalisierung als der Beelzebub des Weltkapitalismus schlechthin.
Ausgerechnet der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Joseph Stiglitz, zeigt in seinem Buch „Die Schatten der Globalisierung“, dass die Kritik berechtigt ist.
zu den Innenansichten

Renner-Institut
Bericht zum Symposium „60 Jahre Bretton Woods – Wege in eine gerechtere Welt“

Symposium vom 19.Juni 2004 – PDF [5 Seiten]

Bretton Woods – Der Jahrhundert-Betrug

The Euro-Debt Crisis: Greece, Portugal, Spain

„The Debts are Unpayable. Once the Lending Stops the Bottom Falls Out.“

diese Meinung vertritt Bob Chapman, globalresearch

Ist die Währungsunion zu retten?
Kernelemente für einen anreizeffizienten Krisenmechanismus

Kann der Europäische Stabilitätsmechanismus Schuldenkrisen wie die in Griechenland und Portugal künftig verhindern?
Eindeutig nicht, denn private Investoren profitieren nach wie vor von den hohen Zinsen der notleidenden Staatsschuldtitel – angemessen an den Ausfallrisiken beteiligt sind sie hingegen nicht.
Wie sollte ein besserer Krisenmechanismus aussehen, der den betroffenen Ländern, den privaten Gläubigern und den Garantieländern der Euro-Zone einen Anreiz bietet, die Schuldenkrisen zu überwinden, und der geeignet ist, die Währungsunion vor dem Zerfall zu retten?
Henning Klodt auf der Suche nach Antworten


„Eigentlich!“

Deutsche Steuerzahler sollen Altlasten der europäischen Pleite-Banken schlucken

Griechenland und Irland wollen die Milliarden-Schulden für die geretteten Banken heimlich in den ESM verschieben. Das könnte auch Spanien und Zypern gefallen. Damit würden den europäischen Steuerzahlern die Altlasten der Pleite-Banken untergejubelt.

Finanzminister Schäuble sieht diese Möglichkeit „eigentlich“ nicht.
„Eigentlich“ ist ein sehr gefährliches Wort in der Euro-Krise.

Seit Juni vergangenen Jahres ist es möglich, Banken direkt über den ESM zu rekapitalisieren. Dem hat auch der Bundestag zugestimmt. Strittig ist jedoch, ob auch Altlasten der Banken vom ESM übernommen werden. Griechenland und Irland drängen indessen darauf, die bisher über den Staatshaushalt geflossenen Summen rückwirkend auf den ESM „umzubuchen“.

In einer Rede am vergangenen Donnerstag anlässlich des Parlamentarischen Abends der Bundesbank Hauptverwaltung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein in Hamburg warnte Bundesbankpräsident Jens Weidmann vor einer Vergemeinschaftung der Altlasten der Bankschulden.

Insbesondere bezog sich Weidmann auf die bevorstehende Bankenunion und betonte, Altlasten in den Bankbilanzen müssten vorher mit Hilfe einer gründlichen und strengen Überprüfung identifiziert werden. Da der Kapitalbedarf unter nationaler Aufsicht entstanden ist, sollte er auch auf nationaler Ebene bereinigt werden – von den jeweiligen Heimatländern der Banken. Alles andere ginge mit einem Transfer einher und sollte dann auch als solcher offengelegt werden. Es dürfe nicht zu einer heimlichen Vergemeinschaftung von Bilanzrisiken unter dem Deckmantel der Bankenunion kommen, so Weidmann.

Unterdessen drängt Griechenlands Finanzminister Stournaras darauf, die bereits für die Bankenrettungen des Landes bewilligten 50 Milliarden Euro aus dem „Rettungsfonds“ EFSF – wovon bisher bereits 39 Milliarden Euro abgerufen wurden, rückwirkend auf den ESM umzubuchen, berichtet das Handelsblatt.

Hintergrund ist, dass die Summe dem griechischen Staat zur Verfügung gestellt wurde und den Haushalt direkt belastet. Sollte der entsprechende Betrag rückwirkende auf den ESM „umgebucht“ werden, entlastete dies den griechischen Staatshaushalt und damit dessen Schuldenstand, würde im Gegenzug jedoch „europäisiert“ und dem Steuerzahler aufgebrummt. Deutschland haftet beim ESM (wie auch bei den „Rettungsfonds“ EFSF und EFSM) jeweils mit etwa 27 Prozent.

Auch Irland, das seit November 2010 mit bisher 67,5 Milliarden Euro aus dem „Rettungsfonds“ EFSF gestützt wird, möchte gern die Altlasten der Banken von etwa 30 Milliarden Euro rückwirkend auf den ESM abladen. Dadurch würden sich die Refinanzierungskosten des Landes auf dem Anleihemarkt enorm vergünstigen. Das Land möchte sich nach Auslaufen des „Rettungsschirms“ EFSF zum Jahresende wieder am internationalen Markt finanzieren.

Demnach erhebt sich die Frage ob nicht auch Spanien in den Genuss einer „rückwirkenden Umbuchung“ kommen möchte. Dem Land wurden im Juni vergangenen Jahres 100 Milliarden Euro zur Bankenrettung aus dem ESM zugesprochen, wovon aktuell 41,4 Milliarden Euro abgerufen sind. Diese Summe kam zwar direkt vom ESM, wurden jedoch dem spanischen Bankenrettungsfonds FROB zugeleitet, wofür (aktuell) der spanische Staat haftet. Im Grunde sind auch diese bisher abgerufenen 41,4 Milliarden Euro sozusagen als Altlasten der spanischen Banken zu verstehen.

Und auch Zypern, das zur Refinanzierung seiner Banken von den zugesagten 9 Milliarden Euro aus dem ESM bisher drei Milliarden Euro erhalten hat, dürfte nicht hinten anstehen wollen.

Die Frage der rückwirkenden Finanzierung der Altlasten der Banken in der Peripherie ist gesetzlich nicht geregelt. Die Statuten des ESM geben es schlicht nicht her (mehr hier).

Darauf reagierte am Montag auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Doch sein Dementi klingt, wenn man die Usancen der Euro-Rettung kennt, wie eine gefährliche Drohung. Schäuble sagte: „Die Chancen einer rückwirkenden Bankenrekapitalisierung sehe ich eigentlich nicht als gegeben.“ Ein solches Hilfsinstrument gebe es bisher auch nicht, berichtet Reuters.

Eigentlich nicht.

Denn bisher hatten die Finanzjongleure der Eurozone stets eine kreative juristische Lösung gefunden.

Vor allem werden mittlerweile im Monats-Takt alle Vereinbarungen und Gesetze gebrochen, die in der Euro-Zone eigentlich gelten sollten.

Eigentlich.

Der Bundestag hatte im Juni 2012 einer Kapitalisierung der Banken über den ESM zugestimmt. Verteilungen und Zuordnungen bestimmt ausschließlich der Gouverneursrat. Dieses Gremium ist niemandem verantwortlich, unterliegt keiner Jurisdiktion und ist an keinerlei Transparenz-Vorschriften gebunden.

Der deutsche Vertreter im ESM ist der Bundesfinanzminister. Ihm obliegt eine – wenn auch minimale – Berichtspflicht gegenüber dem Haushaltsausschuss. Er muss lediglich die Stellungnahme des Haushaltsausschusses mit einbeziehen.

Die Abgeordneten werden zum ESM gefragt, wenn eine Aufstockung der bisherig geregelten Haftungssumme Deutschlands von 190 Milliarden Euro ansteht.

Sonst nicht.

Artikel 25 des ESM-Vertrags verpflichtet Deutschland, im entsprechenden Fall die Kapitaleinzahlungen von Ländern zu übernehmen, die ihren Anteil nicht einzahlen können. Dieser Artikel geht möglicherweise im „Verlustfall“ dem Artikel 8 vor, der die deutsche Kapitaleinlage auf 190 Milliarden Euro beschränkt.

Sinn der Übung ist, dass die Kapitaleinzahlungen Deutschlands in den ESM nur bedingt den Maastricht-Schuldenstand erhöhen: „Kredite, die in der Zukunft vom ESM vergeben werden, haben keinen Einfluss auf die nationalen Schuldenstandsquoten der Geberländer“ lautet es im Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums.

Es handelt sich also um ein Beispiel von äußerst kreativer Buchführung: Die Schulden werden so lange hin- und hergebucht, bis sie am Ende bei denen landen, von denen man glaubt, dass sie sie am ehesten bezahlen können.

Das ist bei der Euro-Rettung immer der europäische Steuerzahler.

Der deutsche Steuerzahler ist stets mit 27 Prozent der Gesamtsumme dabei.

Kredite sind beim ESM und nicht bei den Mitgliedstaaten schuldenstandswirksam, da dieser von Eurostat als internationale Finanzinstitution eingeordnet wird, heißt es dazu aus dem Finanzministerium auf Rückfrage der Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Die von EFSF und ESM ausgereichten Garantien sind allgemein weder schuldenstands- noch defizitwirksam. Bei Abruf kann es allerdings zu defizit- und schuldenstandswirksamen Effekten kommen.

Dann ist der Bundeshaushalt gefragt, den eigentlich der Deutsche Bundestag als Königsrecht der Souveränität beschließen sollte.

Mit dem ESM haben sich die Euro-Retter also ein Vehikel geschaffen, dass es ihnen ermöglicht, Transaktionen so vorzunehmen, dass der Deutsche Bundestag nur Zuseher ist.

Die Bundestagsabgeordneten, die seinerzeit alternativlos und mit Begeisterung ihrer eigenen Entmachtung zugestimmt hatten, wollten eigentlich stets mitreden.

Eigentlich.

Erstveröffentlichung DWN


Bundestag stimmt für Übertragung der Bankenaufsicht

Bundestag stimmt für Übertragung der Bankenaufsicht

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Die bisher national wahrgenommenen Aufgaben der Bankenaufsicht können bald von der Europäischen Zentralbank (EZB) übernommen werden. Der Deutschen Bundestag stimmte am Donnerstag, den 13. Juni 2013, mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen sowie mit den Stimmen von SPD-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem von den Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung gleichlautend eingebrachten Entwurf für ein Gesetz zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (17/1347017/13829,17/1390117/13961) zu.
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Die Abgeordneten der Linksfraktion stimmten dagegen. Damit kann der deutsche Vertreter im Europäischen Rat der Verordnung zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (SSM-Verordnung) seine Zustimmung erteilen. Dem neuen einheitlichen Aufsichtsmechanismus werden automatisch sämtliche Eurozonen-Mitgliedsländer angehören. Nicht-Eurozonen-Mitgliedstaaten können freiwillig teilnehmen.
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CDU/CSU: Wir setzen auf Europa
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„Wir machen heute den Weg für die europaweit einheitliche Bankenaufsicht frei“, sagte Bundestagsvizepräsident Eduard Oswald (CDU/CSU). Der deutsche Gesetzgeber nehme seine Integrationsverantwortung wahr. „Es zeigt auch, das wir auf Europa setzen, statt die Bürger mit Euro-Austritts-Phantasien zu beunruhigen.“ Oswald hob auch hervor, dass es gelungen sei, dass kleine und mittlere Banken wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken unter nationaler Aufsicht bleiben werden.
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Zugleich bedankte sich der Vizepräsident, der nicht wieder für den Bundestag kandidiert, für die gute Zusammenarbeit. Er würdigte die „Kollegialität über alle Fraktionsgrenzen hinweg“ und appellierte an das Plenum: „Wir alle müssen gemeinsam daran arbeiten, hier im Plenum in einer Sprache zu reden, die nicht nur von den Experten verstanden wird. Auch das gegenseitige Zuhören und auf die Argumente des anderen einzugehen, muss immer wieder neu erarbeitet werden.“
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SPD: Forderung nach unabhängiger Aufsicht
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Manfred Zöllmer (SPD-Fraktion) stellte fest: „Die Risiken sind europäisch geworden, die Aufsicht ist aber national geblieben.“ Daher brauche man dringend eine europäische Bankenunion. Viele Banken in Europa seien marode und würden nur künstlich am Leben gehalten. Die Übertragung der Aufsicht an die EZB sei aber problematisch, weil es keine klare Trennung zwischen Geldpolitik und Aufsicht gebe. Es müsse auf Dauer eine unabhängige Aufsicht geschaffen werden.
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FDP: Keine Zeit zu warten
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„Wir haben keine Zeit, weiter zu warten“, appellierte Volker Wissing (FDP-Fraktion). Die Bankenaufsicht werde zu mehr Vertrauen führen, das dringend gebraucht werde. Über Restrukturierungsmaßnahmen werde später entscheiden. Wichtig sei jetzt, dass die gemeinsame Aufsicht komme, weil ausländische Banken auch Risiken haben könnten, die für deutsche Steuerzahler teuer werden könnten.
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Linke: Bankenaufsicht halbherzig umgesetzt
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Durch die Finanzkrise seien viele Menschen in Existenzkrisen geraten, und die Verschuldung der Staaten sei stark gestiegen, kritisierte Barbara Höll (Die Linke), die der Regierung vorwarf, viel zu spät gehandelt zu haben. Man brauche Maßnahmen gegen die Finanzzockerei und für die Abwicklung von Banken.
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Ihre Fraktion sehe die Notwendigkeit einer europäischen Bankenaufsicht, aber sie werde so halbherzig umgesetzt, dass sie nicht zustimmen könne. Die Bankenaufsicht werde im Vergleich zu heute nicht besser, weil zum Beispiel die Aufsicht nicht für den größten Bankenplatz London zuständig sein werde. Außerdem gebe es einen Zielkonflikt zwischen Geldpolitik und Aufsichtstätigkeit.
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Grüne: Europa hat drei Jahre verloren
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Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, es gehe darum, einen Fehler der Regierung zu korrigieren. Es gebe bereits eine Bankenaufsicht, und trotzdem werde jetzt eine neue Aufsicht gegründet. Das sei notwendig, weil man der bereits bestehenden Aufsicht die notwendigen Durchgriffsrechte nicht gegeben habe. Europa habe auch wegen des Widerstandes der Bundesregierung drei Jahre verloren. „Das war teuer, auch für den deutschen Steuerzahler.“
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Es wäre gut gewesen, wenn man bereits eine Aufsicht gehabt hätte, und man hätte sich „dramatische Monate der Rettung ersparen zu können“, sagte Schick mit Blick auf Spanien und Zypern. Er verlangte eine europäische Restrukturierungs- und Abwicklungsregelung, „dass Banken von Banken gerettet werden und nicht mehr vom Steuerzahler“.
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EZB-Aufsicht konzentriert sich auf bedeutende Banken
Wie in der Begründung des Gesetzentwurfs erläutert wird, konzentriert sich die direkte EZB-Aufsicht auf „bedeutende“ Kreditinstitute der teilnehmenden Länder. Kreditinstitute oder Konzerne mit einer Bilanzsumme über 30 Milliarden Euro oder mehr als 20 Prozent des Bruttoninlandsprodukts eines Mitgliedslandes gelten grundsätzlich als bedeutend.
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„Unabhängig von diesen Kriterien beaufsichtigt die EZB mindestens die drei bedeutendsten Kreditinstitute eines jeden teilnehmenden Mitgliedstaats direkt“, schreiben die Fraktionen. Außerdem soll die EZB jene Kreditinstitute beaufsichtigen, die vom Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) oder der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) direkte Unterstützung beantragt oder erhalten hätten.
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Ablehnung mehrerer Oppositionsanträge
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Abgelehnt wurden mehrere Oppositionsanträge. So hatten die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (17/1187817/13961) „einen neuen Anlauf zur Bändigung der Finanzmärkte“ gefordert. Sie verlangten die Schaffung einer starken europäischen Bankenunion und wollten bei einer Übernahme von Aufsichtsfunktionen durch die Europäische Zentralbank (EZB) sichergestellt wissen, „dass die strikte Trennung von Geldpolitik und Aufsichtsfunktion gewährleistet bleibt.
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Auch ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/13908), in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, einer raschen Übertragung der Kompetenzen für die Bankenrestrukturierung und Bankenabwicklung auf die Europäische Kommission zuzustimmen, wurde ebenso abgelehnt wie der Grünen-Antrag (17/13909) zur Stärkung der Kontrollrechte des Europäischen Parlaments. Nicht durchsetzen konnte sich auch die SPD-Fraktion mit einem Entschließungsantrag (17/13965), in dem ebenfalls ein einheitlicher europäischer Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus gefordert wird.
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Schließlich fand auch der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/13910) keine Mehrheit, in dem der Bundesregierung vorgeworfen wird, mit der Vorlage eines Zustimmungsgesetzes zur EU-Verordnung zur Schaffung einer europäischen Bankenaufsicht (SSM-Verordnung) das bewährte Zustimmungssystem nach Artikel 23 des Grundgesetzes verlassen zu haben, ohne hierfür eine Begründung geliefert zu haben.
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„Das Vorgehen der Bundesregierung kann die Rechtsgemeinschaft in der EU stark beschädigen und könnte unabsehbare Folgen für die Rechtsetzung der EU haben“, warnen die Abgeordneten in ihrem Antrag in dem auch darauf verwiesen wird, dass solche Verordnungen nach bisheriger Praxis keiner Zustimmung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates bedürfen und stellen zugleich fest: „Eine Präjudizwirkung – dahin, dass in Zukunft bei Verordnungen vermehrt die Mitwirkung beider Kammern durch Gesetz verlangt wird – hat das vorliegende Verfahren nicht.“
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Quelle: Bundestag
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Frank Schäffler – Rede zur Übertragung der Bankenaufsicht an die EZB 13.06.2013

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Barbara Höll, DIE LINKE: Eine europäische Bankenaufsicht ohne Durchgriffsmöglichkeiten

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Deutsche Bundesbank: Stellungnahme zum SSM-Zustimmungsgesetz

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Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages am 3. Juni 2013
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I. Stellungnahme zur Drucksache 17/13470 und Bewertung des Verordnungsentwurfs zur Übertragung von besonderen Aufgaben in der Bankenaufsicht auf die EZB (Ratsdokument 7776/1/13 Rev 1)

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1. Die Bundesbank begrüßt, dass auf europäischer Ebene eine Einigung der nationalen Regierungen über einen Entwurf für eine Verordnung zur Errichtung eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus (single supervisory mechanism,SSM) erzielt wurde und dass Bundestag und Bundesrat nun die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Zustimmung Deutschlands zu dieser Verordnung schaffen wollen. Eine gemeinsame Aufsicht kann zu einer Stärkung der Finanzstabilität und des institutionellen Rahmens der Währungsunion beitragen.
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Sie ist mit Blick auf die ausgeprägten finanziellen Verflechtungen europäischer Kreditinstitute und die länderübergreifenden Wirkungen von Bankenkrisen sinnvoll. Auf einer umfassenderen Informationsbasis und mit der Möglichkeit zu länderübergreifenden Quervergleichen ausgestattet, kann sie Risiken, die das Bankensystem bedrohen oder von ihm ausgehen, frühzeitiger und besser erkennen. Es entfällt der Ansatz, aus nationalen Erwägungen Banken zu schonen und damit auch ein Risiko für andere Mitgliedstaaten zu begründen.
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In der Krise hat sich gezeigt, dass die enge Verbindung zwischen den Risiken aus den öffentlichen Finanzen eines Landes und der Lage des dortigen Bankensystems problematisch ist. Künftigen Problemen sollte mit einem konsistenten, institutionellen Gesamtrahmen vorgebeugt werden. Hierzu gehört auch eine gemeinsame Aufsicht, die eine wichtige Bedingung für eine potenzielle Risikovergemeinschaftung über eine direkte Bankenrekapitalisierung durch den ESM darstellen sollte.
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In seiner Grundkonzeption enthält der Verordnungsentwurf eine Reihe von zielführenden Ansätzen. Insbesondere sind die vorgesehene Differenzierung zwischen signifikanten und weniger signifikanten Instituten und die daran anknüpfende Arbeitsteilung zwischen EZB und nationalen Aufsehern zu begrüßen.
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Zu begrüßen ist auch, dass der Entwurf die Handlungsfähigkeit makroprudenzieller Politik auf nationaler Ebene belässt, was sachgerecht ist, da die makroökonomischen Kosten einer systemischen Krise auf nationaler Ebene anfallen. Der EZB wird aber richtigerweise das Recht eingeräumt, die nationale makroprudenzielle Politik zu verschärfen. Aufgrund der zunehmenden Vergemeinschaftung von Risiken in der Währungsunion ist die Möglichkeit einer makroprudenziellen Intervention durch eine europäische Institution sachgerecht, falls nationale Stellen aus europäischer Sicht notwendige Verschärfungen ihrer regulatorischen Vorgaben hinauszögern oder unterlassen und damit unerwünschte Risiken für andere Mitgliedstaaten entstehen.
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Ein europäischer Aufsichtsmechanismus sollte bestimmte Anforderungen erfüllen, um auch langfristig eine tragfähige Lösung darzustellen. So sollten grundsätzlich geldpolitische und aufsichtliche Funktionen strikt getrennt und die Unabhängigkeit der EZB und ihrer Entscheidungsgremien zweifelsfrei gewährleistet werden. Um einen möglichst breiten geographischen Anwendungsbereich des SSM in Europa zu ermöglichen, sollten die Interessen der Mitgliedstaaten außerhalb des Eurogebiets, die mithin nicht in den EZB-Entscheidungsorganen EZB-Rat und EZB-Direktorium vertreten sind, angemessen berücksichtigt werden.
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2. Der am 16. April 2013 gefundene Kompromiss (Ratsdokument 7776/1/13 REV 1), der dem Gesetzentwurf zugrundeliegt, wird diesen Anforderungen nicht in jeder Hinsicht gerecht. Es verbleiben einige Schwachstellen des Verordnungstextes, die auf das Bestreben zurückgehen, möglichst kurzfristig und ohne Änderung des EU-Primärrechts eine europäische Bankenaufsicht zu schaffen. Zu diesem Zweck überträgt die Verordnung der EZB weitreichende bankaufsichtliche Funktionen auf Basis des Artikels 127 Absatz 6 AEUV.
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Die strikte Trennung der geldpolitischen und bankaufsichtlichen Aufgaben ist auf Basis dieser Rechtsgrundlage ohne Änderung des primärrechtlich verankerten, institutionellen Rahmens der EZB nicht möglich. Es wird die Errichtung eines neuen Aufsichtsgremiums (Supervisory Board) vorgesehen, das Entscheidungen des EZB-Rates vorbereitet; über Meinungsverschiedenheiten zwischen EZB-Rat und Aufsichtsgremium befindet ein Vermittlungsausschuss mit einfacher Mehrheit. Dieser Vermittlungsausschuss soll die Trennung zwischen geldpolitischen und aufsichtlichen Funktionen innerhalb der EZB gewährleisten. Nach geltendem europäischen Primärrecht muss der EZB-Rat jedoch grundsätzlich die Letztverantwortung für bankaufsichtliche Entscheidungen tragen. Insofern ist es begrüßenswert, dass im Kompromisstext vom April eine zuvor enthaltene Passage, die auf eine Letztentscheidungsbefugnis des Vermittlungsausschusses hindeutete („with an aim to finally resolve“, wenn auch nur in den Erwägungsgründen), gestrichen wurde.
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Wird entgegen diesen grundsätzlichen Einwänden von einer Befugnis des Vermittlungsausschusses zu letztverbindlicher Entscheidung in Streitfällen ausgegangen, ergeben sich weitere Bedenken im Hinblick auf die Rolle derEZB-Ratsmitglieder. Wenn diese eine Entscheidung des Vermittlungsausschusses als verbindlich behandeln müssten, würde dies die Unabhängigkeit des EZB-Rats einschränken.
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Kritisch ist zudem zu sehen, dass der EZB-Rat nach dem Verordnungsentwurf Entscheidungsvorlagen des Aufsichtsgremiums nur annehmen oder ablehnen, jedoch nicht selbst gestalten kann. Wenn der EZB-Rat die Verantwortung für aufsichtliche Entscheidungen tragen soll, muss er die Maßnahmen auch entsprechend gestalten können.
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Schließlich lässt der geltende institutionelle Rahmen insbesondere im Hinblick auf die Letztverantwortung des EZB-Rats keine gleichrangige Teilnahme von Mitgliedsstaaten außerhalb des Eurogebiets, die gleichwohl dem SSM beitreten, zu. Insbesondere lässt das Primärrecht ein Stimmrecht der Vertreter dieser Staaten im EZB-Rat nicht zu.
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II. Aus dem einheitlichen Abwicklungsmechanismus folgende europäische Arbeiten

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Der SSM sollte nicht als für sich allein stehendes Projekt verstanden, sondern im Kontext weiterer Reformmaßnahmen gesehen werden, die bereits im Gange sind oder zeitnah angestoßen werden sollten.
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Mittelfristig sollte neben die gemeinsame Bankenaufsicht auch eine adäquate materielle Regulierung treten, die verhindert, dass Banken übermäßige Risiken aus der Staatenfinanzierung übernehmen, unter anderem durch eine risikoangemessene Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen und Obergrenzen für die Kreditvergabe an Staaten.
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Benötigt wird ferner ein Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus, der sicherstellt, dass neben den Eigentümern in erster Linie die Investoren im Risiko für ihre Anlageentscheidung bleiben. Insofern begrüßt die Bundesbank den Fortschritt der Arbeiten an der Bank Recovery and Resolution Directive(BRRD), die derzeit auf Ratsebene verhandelt wird und die die nationalen Abwicklungsrechte harmonisieren soll. Ein zeitlicher Gleichlauf zwischen der aufsichtsrechtlichen Verantwortung für die als systemisch bedeutend erklärten Banken im Euroraum nach Errichtung des SSM und der auf einer harmonisierten Rechtsgrundlage gegebenen Möglichkeit einer effizienten Beteiligung der Gläubiger der Banken an Restrukturierungs- und Abwicklungskosten in allen Mitgliedstaaten ist sicherzustellen; hierzu ist ein einheitliches europäisches Restrukturierungs- und Abwicklungsrecht erforderlich.
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Wird die Kontrolle über aufsichtliche Entscheidungen auf die europäische Ebene verlagert, so muss letzten Endes auch die Verantwortung für die Sanierung und Abwicklung von Banken europäisiert werden. Die Politik sollte mit Nachdruck die Schaffung der erforderlichen Voraussetzungen angehen, insbesondere die Errichtung einer europäischen Abwicklungsbehörde und eines europäischen Abwicklungsfonds auf einer gerichtsfesten Grundlage ermöglichen. Dafür ist eine Änderung des Primärrechts der Europäischen Union unumgänglich. Diese Änderung könnte zudem dazu genutzt werden, die oben genannten Schwachstellen in der SSM-Verordnung nachträglich zu bereinigen, ohne den Start des einheitlichen Aufsichtsmechanismus zu verzögern.
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Die Bundesbank begrüßt deshalb, dass die Kommission für den Sommer 2013 einen Entwurf für eine Verordnung angekündigt hat, mit der ein einheitlicher institutioneller Abwicklungsmechanismus (single resolution mechanism, SRM) errichtet werden soll, welcher über die Befugnisse aus derBRRD verfügen wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Haftung für Altlasten der künftig vom SSM beaufsichtigten Banken nicht auf europäischer Ebene sondern auf nationaler Ebene verbleiben sollten.
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III. Aus dem einheitlichen Abwicklungsmechanismus folgender nationaler Anpassungsbedarf

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Die Errichtung des SSM wirft auch einige national zu klärende Fragen auf, die die Legislative nach der Zustimmung zur SSM-Verordnung in Angriff nehmen sollte. So ist auch die Frage der Vertretung Deutschlands im neuen Aufsichtsgremium zu klären.
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Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Regierungen der Euro-Mitgliedsstaaten entschieden haben, umfassende bankaufsichtliche Befugnisse auf die Europäische Zentralbank zu übertragen. Damit wird derEZB-Rat als das nach EU-Primärrecht vorgesehene Entscheidungsgremium Einzelfallentscheidungen gegenüber systemisch relevanten Instituten im Euroraum verantworten und die allgemeine Ausrichtung der Aufsichtspraxis gegenüber allen Kreditinstituten im Geltungsbereich gestalten. Dadurch ändert sich die Rolle der zuständigen nationalen Aufsichtsinstitutionen fundamental. Das gilt vor allem in Deutschland, in dem, anders als in elf der 17 Staaten der Währungsunion, die Zentralbank bisher aufsichtsrechtliche Maßnahmen nicht verantwortet. Künftig wird der Präsident der Deutschen Bundesbank als Mitglied des EZB-Rates Mitverantwortung für aufsichtliche Entscheidungen des SSM tragen.
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Gefunden werden muss eine Antwort auf die Frage, wie Deutschland bei den im SSM vorgesehenen Entscheidungsstrukturen das erforderliche Gewicht und die Durchsetzungsfähigkeit bei den anstehenden Entscheidungen sicherstellt. Dazu muss die Deutsche Bundesbank nicht nur ständig im Aufsichtsgremium vertreten sein, sondern auch das deutsche Stimmrecht gemeinschaftlich zwischen BaFin und Bundesbank ausgeübt werden.
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Diese Lösung wird der geänderten Rolle des Bundesbankpräsidenten in der Bankenaufsicht gerecht und stünde in Einklang mit dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 1 und Abs. 2 der SSM-Verordnung, der Aufsichtsbehörde und Zentralbank auch der Mitgliedstaaten als Einheit behandelt, bei denen die Zentralbank nicht die Instanz ist, die für bankaufsichtliche Rechtsakte verantwortlich zeichnet.
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Zudem kann nur mit einer Einbindung der Bundesbank in alle Entscheidungsstrukturen, insbesondere in die Diskussion und Entscheidungen des Aufsichtsgremiums, gewährleistet werden, dass die deutschen Positionen stringent und konsistent vertreten werden – so wie das die Mehrheit der anderen Mitgliedsstaaten im SSM gewährleisten kann.
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IV. Anmerkungen zum Antrag aus Drucksache 17/11878

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Wir teilen viele der Einschätzungen, die in dem Antrag „Ein neuer Anlauf zur Bändigung der Finanzmärkte“ angesprochen werden. Insbesondere schließen wir uns dem Plädoyer für eine europäische Bankenaufsicht ebenso an wie der Einschätzung, dass diese primär ein präventives Instrument sei, das die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Krisen verringern, die akuten Probleme aber nicht lösen könne. Ebenso teilen wir die Forderungen nach einer strikten Trennung von Geldpolitik und Aufsichtsfunktion sowie nach zügiger Herbeiführung einer Einigung hinsichtlich der BRRD.
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Die Bundesbank steht der im Antrag enthaltenen Forderung nach Umsetzung des Konzeptes zu einem Schuldentilgungsfonds, das der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vorgelegt hat, jedoch skeptisch gegenüber. Durch die umfangreiche Gemeinschaftshaftung würden Haftung und Kontrolle erheblich aus der Balance geraten. Der grundsätzliche Rahmen nationaler Eigenverantwortung für die Finanzpolitik würde kaum angetastet – zumal der Vorschlag wohl im Rahmen der bestehenden Verfassungen und Verträge umgesetzt werden soll. Es werden faktisch auch für den Fall, dass Regeln nicht eingehalten werden, keine Souveränitätsrechte auf die europäische Ebene verlagert oder Durchgriffsrechte auf die nationalen Haushalte begründet. Die faktischen Eingriffsmöglichkeiten gehen kaum über das schon derzeit vorhandene Niveau hinaus und die angedeutete Sicherheitenstellung scheint bei Weitem keine ausreichende Absicherung darzustellen. Der Schuldentilgungspakt sieht im Vergleich zu den bisherigen Vereinbarungen auch keine ambitionierte fiskalische Ausrichtung vor, so dass der Name „Tilgungspakt“ hier missverständlich sein kann. So sollen im Wesentlichen die vorhandenen Vorgaben eines annähernd ausgeglichenen Haushalts umgesetzt werden. Vorübergehend werden Eurobonds ausgegeben, und diese sollen wieder getilgt werden. Sie werden aber lediglich wieder durch nationale Emissionen ersetzt und die Schuldenquote soll durch das steigende BIP (im Nenner) reduziert werden. Die Rückführung der Schuldenquote im Zeitverlauf würde somit nicht stärker ausfallen als auf Basis der bestehenden Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts bzw. des Fiskalpakts.
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Insgesamt gesehen stellt der Vorschlag eines Schuldentilgungspaktes eine umfassende Einführung von gemeinschaftlicher Verschuldung in den nächsten Jahren dar, ohne dass hiermit eine ausreichende Abgabe nationaler Souveränitätsrechte verbunden wäre.
Ob eine Umsetzung im Rahmen der bestehenden europarechtlichen Verträge und auch der deutschen Verfassung möglich wäre, erscheint zudem sehr fraglich. Insofern erscheint im bestehenden Ordnungsrahmen die Hilfsmechanismen des EFSF oder des ESM deutlich angemessener. Sie sehen strikt konditionierte Hilfen als Ultima Ratio vor und sollten möglichst mit Zinsaufschlägen einhergehen.
Eine umfassende Gemeinschaftshaftung wie sie der Schuldentilgungspakt vorsieht, wäre nur mit einer umfassenden Reform des Ordnungsrahmens derEWU hin zu einer Fiskalunion zu rechtfertigen.
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Quelle: Bundesbank

BVerfG: mündliche Verhandlung im Hauptsacheverfahren ESM/EZB vom 11. und 12. Juni 2013

Verantwortung der Staaten und Notenbanken in der Euro-Krise

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Temporärer Dienstsitz des Bundesverfassugserichts bis 2014 / Quelle: Wikipedia/Matthias Cantow

Temporärer Dienstsitz des BVerfG bis 2014 / Quelle: Wiki/Matthias Cantow
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Als einer der Sachverständigen im Auftrag des Bundesverfassungsgerichts nahm Prof. Hans-Werner Sinn zu den Klagen gegen den Ankauf der Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank Stellung. Der Präsident des ifo Instituts beschrieb die Regulierungsfehler, durch die die südeuropäischen Länder ungehindert in eine immer größere private und öffentliche inflationäre Kreditblase geraten konnten, die sie ihrer Wettbewerbsfähigkeit beraubte, und dokumentierte das Ausmaß der inzwischen zur Verfügung gestellten Hilfskredite.
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Etwa zwei Drittel dieser Kredite wurden durch die EZB gewährt, nur ein Drittel floss unter der Kontrolle der Parlamente.
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In seinem Gutachten stellt Sinn die Grundlage der angekündigten Käufe von Staatspapieren im Rahmen des OMT-Programms der EZB sowie die der SMSF des Rettungsfonds ESM in Frage. Da die beiden Instrumente offenbar genau dasselbe tun, besteht der Verdacht, dass entweder die EZB ihre Kompetenzen überschreitet, indem sie Fiskalpolitik betreibt, oder der ESM, indem er Geldpolitik durchführt. Prof. Sinn setzt sich außerdem kritisch mit der ökonomischen Begründung der EZB für die Durchführung des OMT-Programms auseinander. Die EZB spricht von einer Dysfunktionalität der Märkte, die sich in der starken Ausspreizung der Zinsen niederschlage und bezeichnet es als Aufgabe des OMT-Programms, durch Marktinterventionen die Zinsspreizung zu reduzieren. Hingegen weist Prof. Sinn auf die marktwirtschaftliche Bedeutung der Zinsspreizungen hin, die die unterschiedlichen Risiken der Investitionen abbilden.
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Am Ende des Gutachtens findet sich eine Kurzzusammenfassung in Thesenform.
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Quelle: Pressemitteilung: CesIfo
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Sinn-Juni2013-EZB-Kurs
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Auszug – Gliederung

1. Regulatorische Gründe für die Krise
2. Refinanzierungskredite und Target-Salden
2.1 Die Target-Salden
2.2 Target-Salden und offene Rettungskredite
2.3 Die Absenkung der Sicherheitsstandards für die Besicherung der Refinanzierungskredite
2.4 Mittelbare Staatsfinanzierung durch Refinanzierungskredite an die Banken
3. Staatspapierkäufe der EZB und offizielle Rettungsprogramme
3.1 Von der mittelbaren zur unmittelbaren Staatsfinanzierung: Das SMP-Programm
3.2 Die Rettungsschirme der Staatengemeinschaft: EFSF, ESM & Co.
3.3 Geldpolitik oder Fiskalpolitik: ESM, SMP und OMT
4. Die Risiken und Kosten der EZB-Politik
4.1 Die mögliche Haftung aus dem OMT-Programm
4.2 Risiken aus Refinanzierungskrediten
4.3 Target-Verluste bei einem Austritt und Konkurs, doch Fortexistenz des Euro
4.4 Target-Verluste bei einem Untergang des Euro oder einem deutschen Austritt
4.5 Verlagerung der Wachstumskräfte durch kostenlosen Versicherungsschutz
4.6 Die Pfadabhängigkeit der Politik
4.7 Schleichende Enteignung der Sparer
5. Ökonomische Bewertung der EZB-Politik
6. Politikmaßnahmen gegen Zinsspreizungen: Die Begründungen der EZB
6.1 Die ökonomische Bedeutung von Zinsspreizungen
6.2 Diskussion der Argumente der EZB
7. Zusammenfassung in Thesenform

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Prof. Dr. Wilhelm Hankel: Einführung in mein Buch – „Die Eurobombe wird entschärft“

„Die Eurobombe wird entschärft“

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Die Euro Bombe

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1. Die Ursachen der EU-Krise: Leistungsbilanzdefizite oder Lohnkostenexplosion? – Wissenschaftliche Glasperlenspiele.
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Der Theoretiker-Streit um die Ursachen der Eurokrise kreist um ein Henne-Ei-Problem. Geht die Zerreißprobe der Einheitswährung auf die chronischen Leistungsbilanzdefizite der Euro-Randstaaten (Portugal, Spanien, Italien, Griechenland etc.) zurück, oder sind diese die Folge von deren (dazu paralleler) Stücklohnkosten-Inflation?
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Das eine bedingt das andere: Ohne die intern (real) falschen Wechselkurse der Euro-Staaten (die einen sind unter-, die anderen überbewertet) gäbe es weder die auf Dauer „unfinanzierbaren“ Diskrepanzen der Leistungsbilanz-Salden (extreme Defizite der einen, Überschüsse der anderen) noch die Finanz-Ressourcen für die (realwirtschaftlich) die Produktivität übersteigenden Lohnkosten-Exzesse.
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Beides wird („simultan“) von Außen finanziert – in der ersten Euro-Phase geschah es über die Finanzmärkte (Kredite und Kapitalexporte der Überschussländer), inzwischen geschieht es „monetär“: über die eskalierenden „Liquiditätshilfen“ (ELA,TARGET, EFSF, ESM usw.) der EZB.
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Die EZB mit ihren Hilfsorganen ist zum „regionalen IWF“ mutiert, – nur dass letzterer seine Mittel nicht „schöpft“, sondern aus den Einlagen (Quoten) seiner Mitgliedsländer bezieht, während die EZB ihre „Zahlungsbilanzkredite“ aus eigener Geldschöpfung finanziert: Inflation produziert statt zu bekämpfen!
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Beides: Tiefrote Leistungsbilanzen und vom Produktivitäts-Maßstab abweichende Lohnentwicklung wären unmöglich – gäbe es (nationalen) Währungswettbewerb und einen marktgerechten Anpassungszwang für die Wechselkursbildung. Und keine den Anpassungs-Druck für Wechselkurse und Löhne aufhebende grenzen- und uferlose Zahlungsbilanz-Kredite seitens der EZB!
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Die drei Stoßrichtungen („ Ziele“) der Euro-Reform, die der Wissenschaftler-Streit unnötigerweise vernebelt, sind daher:
  •  Zurück zu Währungswettbewerb und nationalen Währungen,
  •  Wiederherstellung marktgerechter Wechselkurse mit Abwertungszwang für inflationäre Defizitländer und
  •  Verzicht der EZB auf Zahlungsbilanz- und darin involvierte Budget-Kredite („monetäre Staatsfinanzierung“).
Für alle drei Ziele besteht Handlungsbedarf und –zwang. Doch die Frage ist: Lassen sie sich umsetzen? Und wie rasch? Denn die „Lebenserwartung“ der gegenwärtigen Euro-Union ist wegen akuter Krisen-Eskalationsgefahr begrenzt.
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2. Die akute Krisen- und Zerfalls-Gefahr der Euro-Zone geht allein vom Finanzsektor aus
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Die Zypern-Krise deckt ein bislang tot geschwiegenes finanzielles Struktur-Problem der Euro-Zone gnadenlos auf: die Überdehnung des Bank-Sektors (Europas „overbanking“)
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Die Bankbilanz-Volumina der Euro-Länder übersteigen (im Gegensatz zu den USA) die realen Wirtschaftsleistungen (gemessen am BIP) bei weitem, am dramatischsten in Mini-Volkswirtschaften ohne industriellen Kern: Luxemburg, Malta, Zypern; außerhalb der EU in der Schweiz.
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Am Rande der Euro-Zone hat sich ein Gürtel wirtschaftlich schwacher Volkswirtschaften mit hypertrophiertem Bank-Sektor gebildet, der selber nicht in der Lage (zu „unterkapitalisiert“ ) ist, um sich im Krisenfall zu helfen. (In Luxemburg übersteigt das Bilanzvolumen der dort domizilierenden Banken das BIP um 2.100 Prozent. Weniger als 15% der lokal verdienten Einkommen stammen aus realer Wertschöpfung und Arbeit). Fälle wie Zypern werden sich wiederholen und bedrohen in letzter Konsequenz die weltweite Liquidität des Euro und des europäischen Kapitalverkehrs (Art. 66 AEUV). Das Euro-Krisenmanagement setzt auf Kapitalverkehrs-Kontrollen als „Lösung“. Der Euro mutiert statt zur „zweiten D-Mark“ zur „zweiten Mark der DDR“.
Mikroökonomisch angelegte Instituts-Lösungen (à la Basel oder der Ausbau der EZB zur Bankenaufsichts-Behörde) reichen zur Krisenabwehr nicht aus – und sind überdies erst auf lange Sicht einsatzbereit.
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Das oben skizzierte Programm muss daher durch die Wiederherstellung nationaler „ Feuerwehrfonds“ mit nationalen Zentralbanken als „lender of inexhaustable resorts“ gegen finanzielle Flächenbrände (à la 1930er Jahre) ergänzt und zusätzlich abgesichert werden.(Ein Punkt auf den der Verf. schon in der Verfassungsklage von 1998 hingewiesen hatte)
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Wie sieht (oder sähe) ein solches den obigen Erfordernissen angepasstes Euro-System aus? Es wird in meinem Buch vorgestellt und begründet.
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3. Der Euro kann durch nationale Währungen nur ergänzt, nicht er-setzt werden. Ein Euro als ECU II würde zum „Goldstandard ohne das gelbe Metall“ 
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Vorbemerkungen:
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– Ein ersatzloses Streichen des Euro stürzt Europa in das größte Währungs- und Finanzchaos seit Untergang des Römischen Reiches. Der Block der aufgelaufenen Schulden und Vermögen in Euro (annähernd 12 bis 13 Billionen Euro, vier deutsche BIP) kann weder 1:1 (in alten Umrechnungskursen) zurück gerechnet, noch durch Abwertung in den neuen (alten) Währungen „aufgewertet“ (verteuert) werden. Deswegen muss für die Alt-Schulden-Regelung in Euro entweder eine europäische oder nationale „Bad-Bank-Lösung“ gefunden werden.
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– Die EZB hat als „europäische Bundesbank“ auf der ganzen Linie versagt. Daher kann sie weder als „ultimativer lender of liquidity“ beibehalten noch als „IWF der Euro-Zone“ fortgeführt werden. Unter beiden Prämissen ergibt sich für die Euro-Zone – sie ist beides: sowohl „nicht-optimaler“ wie „staatenloser“ Währungsraum (denn Brüssels zentralistischer Super-Staat ist aus politischen, rechtlichen wie ökonomischen Gründen abzulehnen) – eine durchaus funktionsfähige Währungsverfassung mit folgenden Elementen:
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– Euro und jeweils nationale Währung bilden in jedem Euro-Staat ein „duales Währungssystem“. Der zu Beginn zwischen beiden „gesetzlichen Zahlungsmitteln“ (am Einführungstag) festgelegte Umrechnungskurs ist und bleibt jedoch ein „monetärer Marktpreis“ und steht unter dem Diktat der Markt-Bewertung. Ein (monetär wie budgetär) „zu expansives“ Euro-Land gerät dadurch marktgesetzlich unter Abwertungs-Druck.
– Die EZB emittiert Euro nur gegen den Ankauf nationaler Währungen zu Markt-Bedingungen: sie sanktioniert damit den Abwertungs-Druck und verzichtet auf jede „Flutung“ mit Euro. (Liquiditäts-Hilfen à la ELA, TARGET usw. sind allein unter in ihrem Statut zu definierenden „Not- und Ausnahmefällen“ erlaubt.)
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Unter diesen Bedingungen können inflatorische Prozesse (und Exzesse) nur von den nationalen Zentral- und Geschäftsbanken ausgehen (Die Gesamt-Geld-Mengen im Euro-System bleibt konstant und kann nur über Kredite konjunkturell „atmen“). Inflatorische Alleingänge einzelner Euro-Länder werden vom Markt durch Abwertung und Zinserhöhung „bestraft“; ihr Ansteckungseffekt auf andere Länder tendiert gegen Null.
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4. Welches sind die Vorteile des neuen (€+)-Systems? 
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1. Das „Greshamsche Gesetz“ gilt wieder. Bürger und Anleger entscheiden, in welcher Währung sie sparen und ausgeben. Der (neue) Euro würde automatisch zum stabilsten, weil abwertungs-sicheren Geld Europas: Alle nationalen Währungen können (und müssen!) zum Euro abwerten. Der Euro würde zum „Gold ohne das gelbe Metall“.
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2. Europas Währungsgraben zwischen Euro- und Nicht-Euro-Ländern verschwindet. Nicht-Euro-Länder mit eigener Währung (Schweiz, Russland, Norwegen) könnten der EU und neuen Euro-Zone beitreten. Dasselbe gilt für alle WKII-Länder innerhalb der (alten) Euro-Zone.
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3. Selbstverschuldete nationale Währungs- und Finanz-Krisen (à la Zypern und demnächst andere) bleiben nationale Krisen und gefährden nicht mehr den Euro. Der Euro wird endlich, was er werden sollte: ein global sicheres und akzeptiertes Geld – sicherer als der US-Dollar.
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4. Die Euro-Alt-Schulden-Regelung – entweder über nationale „ Bad-Banks“ oder die bewährten Alt-Schulden – „Clubs“ unter Aufsicht des IWF (Pariser und Londoner Club) – befreien die heutigen Krisen-Länder (Griechenland & Co) von ihrer unzumutbaren (und politisch explosiven „Selbst-Kasteiung“. Sie erhalten über die Bad Bank-Lösung für ihre Alt-Euro-Schulden sowohl Zeit für eine Schuldenstreckung sowie die Chance der Schuldenstreichung („haircut“): Es wäre die die Beendigung ihrer Dauer-Krise. Die EU würde wieder an Zusammenhalt und Attraktivität gewinnen.
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5. Last but not least: Die akute Gefahr, dass die Euro-Staaten über die eskalierende Kapitalflucht in „totes Kapital“ (Gold, Immobilien, Alt-Aktien, Auslandsanlagen) wertvolles Wachstums- und Innovations-Potential verlieren, wäre gebannt. Die EU würde wieder zum dynamischen Akteur auf der Weltwirtschafts-Bühne, eine Rolle, die sie seit der Euro-Krise nicht mehr spielt.
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Quelle: Prof. Dr. Wilhelm Hankel, Königswinter
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Besten Dank für diese erkenntnisreichen Erläuterungen.
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Ihr Oeconomicus


„Zypern-Rettung ist rechtswidrig“

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Der Freiburger Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek veröffentlicht Stellungnahme
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Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Dietrich Murswiek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht der Universität Freiburg, hat den Bundestag aufgefordert, die „Rettung“ Zyperns mit Steuermilliarden abzulehnen. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür seien nicht gegeben.
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In einer Stellungnahme zur Zypern-Rettung schreibt Murswiek, Finanzhilfe an einen von Insolvenz bedrohten Euro-Staat – sogenannte „Stabilitätshilfe“ – dürfe nach dem Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nur geleistet werden, wenn dies „zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar“ ist.
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Hilfe sei nicht erlaubt, wenn einzelne Mitgliedstaaten in Finanznöten seien, sondern nur dann, wenn die Finanzstabilität der ganzen Eurozone auf dem Spiel steht. Der Bundestag dürfte der Zypern-Hilfe also nur dann zustimmen, wenn die „systemische“ Auswirkung einer Insolvenz Zyperns nachweisbar ist. Die finanzielle Verflechtung, aus der sich ergibt, dass es zur Erschütterung der Finanzstabilität im Euro-Währungsgebiet und in anderen Mitgliedstaaten kommen wird, falls Zypern zahlungsunfähig wird, müsste durch konkretes Zahlenmaterial belegt sein. Dies sei jedoch nicht der Fall.
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Öffentlichkeitsarbeit und Beziehungsmanagement, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
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Vor Abstimmung im Bundestag
Gegner der Zypern-Hilfe scheitern in Karlsruhe

Gegner des Zypern-Hilfspakets sind vor dem Bundesverfassungsgericht mit ihrem Antrag gescheitert, die Abstimmung im Bundestag über die Milliarden-Hilfe zu verhindern. Das Gericht in Karlsruhe teilte in einer Pressemitteilung mit, es habe einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
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Die Begründung dafür wollen die Richter später bekannt geben. Wer die Antragsteller sind, wollte das Gericht aus Gründen des Datenschutzes nicht mitteilen.
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tagesschau

Ihr Oeconomicus

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ergänzende Informationen:
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Bundestag stimmt über Finanzhilfe für Zypern ab
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Erläuterungen zu dem Begriff „Schuldentragfähigkeit“