Anmerkungen zum Petitionsentwurf „Separation der Bundesländer für eine Rückkehr zur Demokratie“

Bei ik-news wurde heute ein Petitionsentwurf mit dem Titel „Separation der Bundesländer für eine Rückkehr zur Demokratie“ veröffentlicht.

So sehr ich die Motivation des Autors zu verstehen glaube, erscheinen mir einige Begründungen nicht ausreichend dargelegt bzw. argumentativ noch etwas unscharf ausformuliert zu sein.

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„Begründung der Legitimation einer Separation der Bundesländer aus dem Bund:“

Unter Punkt 1 lesen wir:

„Durch die aktive und passive Beteiligung der Bundesrepublik an Drohnenangriffen, welche in Deutschland aus der US-Militärbasis in Ramstein durchgeführt werden, verletzt die Bundesrepublik Deutschland gegen das GG Art. 26 Abs.1: Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“

(vgl. mit meinem Aufsatz „Täuschland, die Schaltzentrale im weltweiten Drohnenkrieg)

und weiter:

„Ein Nato-Truppenstatut kann hier nicht über dem Völkerrecht und dem Grundgesetz stehen (GG Art. 25). Dadurch, dass das US-Militär sich in Deutschland weiterhin den quais-Status einer Besatzungsmacht gibt, ist die Bundesrepublik in der der aktuellen Vertragskonstellation handlungsunfähig. Nur eine neue, demokratische Verfassung kann diesen Zustand wirksam verändern“

Bei der Bewertung der Vorgänge in Ramstein wäre es vielleicht hilfreich gewesen, sich eingehend mit

  • dem Natotruppenstatut (Art.5)
  • den Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut
  • und den weiteren Abkommen (insbesondere den Änderungen des Statutes nach der deutschen Wiedervereinigung)

zu beschäftigen.

In all diesen Abkommen, Erweiterungen und Ergänzungen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für in Deutschland stationierte Nato-Truppen -und dies gilt selbstverständlich auch für US-Basen- grundsätzlich deutsches Recht gilt!

Die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bündnispartner haben sich jedoch darauf verständigt, dass bestimmte Hoheitsrechte von den Entsendestaaten ausgeübt werden. Hat eine deutsche Behörde etwa den Verdacht, dass auf US-Basen gegen deutsches Recht verstoßen wird, dann kann sie keine Zwangsmaßnahmen auf den Stützpunkten ergreifen, sondern lediglich die US-Behörden dazu auffordern, für die Einhaltung deutschen Rechts Sorge zu tragen, wozu diese sich vertraglich verpflichtet haben.

Zur Vertiefung dieser Materie sei das Studium der relevanten Dokumente und Bewertungen empfohlen.

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Zustimmung zu Punkt 2 „Genmais 1507“, wobei es, wie hier ausgeführt, natürlich weitaus mehr dazu zu sagen gäbe.

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In Punkt 3 der Begründungen des Petitionsentwurfes wird korrekterweise auf das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) hingewiesen.
Hier erscheint es mir zwingend geboten, auf das CETA-Abkommen zwischen EU und Kanada hinzuweisen, da im Falle eines Scheiterns der TTIP-Verhandlungen, amerikanische Interessen über diesen Umweg wahrgenommen werden könnten.

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Während Punkt 4 (Ukraine-Krise und die politische Forderung nach Wirtschafts-Sanktionen gegen Russland) ausreichend substantiiert klingt, erscheint mir Punkt 5 revisionsbedürftig.

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Im Einzelnen halte ich es für fraglich, das BVerG-Urteil dahingehend auszulegen, dass nunmehr eine verdeckte Staatsfinanzierung durch den ESM legitimiert sei, da solche nach Art. 123 Abs. 1 AEUV verbotenen Maßnahmen durch die EZB erfolgen (vgl. OMT).

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Bei der ESM-Entscheidung gehörte zu den wesentlichen Erwägungen des Senats

„1. Die Kontrollaufgabe des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung darauf, ob Handlungen von Organen und
Einrichtungen der Europäischen Union auf ersichtlichen Kompetenzüberschreitungen beruhen oder den nicht übertragbaren Bereich der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität des Grundgesetzes betreffen.

2. Verstieße der OMT-Beschluss gegen das währungspolitische Mandat der Europäischen Zentralbank oder gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung, läge darin ein Ultra-vires-Akt.

a) Nach der Honeywell-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 126, 286) ist dazu ein hinreichend qualifizierter Verstoß erforderlich. Dieser setzt voraus, dass das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führt.

b) Die Verträge enthalten ein auf die Währungspolitik beschränktes Mandat der Europäischen Zentralbank (Art. 119 und 127 ff. AEUV und Art.17 ff. ESZB-Satzung). Sie ist nicht zu einer eigenständigen Wirtschaftspolitik ermächtigt, sondern darauf beschränkt, die Wirtschaftspolitik in der Union zu unterstützen (Art. 119 Abs. 2, Art. 127 Abs. 1 Satz 2 AEUV; Art. 2 Satz 2 ESZB-Satzung).

Geht man -vorbehaltlich der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union- davon aus, dass der OMT-Beschluss als eigenständige wirtschaftspolitische Maßnahme zu qualifizieren ist, so verstößt er offensichtlich gegen diese Kompetenzverteilung. Diese Kompetenzverschiebung wäre auch strukturell bedeutsam, denn der OMT-Beschluss kann Hilfsmaßnahmen im Rahmen der „Eurorettungspolitik“ überlagern, die zum Kernbereich der wirtschaftspolitischen Kompetenz der Mitgliedstaaten rechnen (vgl. Art. 136 Abs. 3 AEUV). Zudem können die Outright Monetary Transactions zu einer erheblichen Umverteilung zwischen den Mitgliedstaaten führen und damit Züge eines Finanzausgleichs annehmen, den die europäischen Verträge nicht vorsehen.

c) Auch soweit der OMT-Beschluss gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung (Art. 123 Abs. 1 AEUV) verstoßen sollte, läge darin eine offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitung. Der Verstoß wäre offensichtlich, weil das Primärrecht das Verbot ausdrücklich normiert und Kompetenzen der Europäischen Zentralbank insoweit zweifelsfrei ausschließt. Er wäre auch strukturell bedeutsam, denn das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung ist eine der zentralen Regeln für die Ausgestaltung der Währungsunion als Stabilitätsunion. Zudem sichert es die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages ab.“

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Abschließend noch ein Wort zu den Zitaten von Prof. Schachtschneider
So sehr ich den Sachverstand von Karl-Albrecht Schachtschneider schätze, sei darauf hingewiesen, dass es durchaus eine Reihe nicht weniger kompetenter Staatsrechtler gibt, welche seine Thesen nicht unterstützen.
Diesbezüglich hätte ich mir gewünscht, dass der Autor im Lichte ausgewogener Bewertungen dahingehend die notwendigen Recherchen durchgeführt hätte, was sicherlich den wissenschaftlichen Diskurs zwischen Schachtschneider und Kollegen beflügeln könnte.

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Auf die finale Version der Petition und insbesondere deren Unterstützung darf man jedenfalls gespannt sein.

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Ihr Oeconomicus


BVerfG: ESM-Urteil erst nach den Wahlen

BVerfG: ESM-Urteil erst nach den Wahlen

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Huch, wer hätte das gedacht?
Der Jurist und Beobachter des Bundesverfassungsgerichts, Maximilian Steinbeis, berichtet auf seinem Blog von einer interessanten Entwicklung in Karlsruhe.
Steinbeis schreibt:
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„Ich komme gerade von der Jahrespressekonferenz des Bundesverfassungsgerichts. Dort stellt Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle immer die großen Bundesverfassungsgericht Verfahren vor, die in diesem Jahr entschieden werden sollen. Darunter sind zwei, die Europa betreffen.
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Da ist zum einen das Verfahren zu ESM und Fiskalpakt, das ja immer noch beim Zweiten Senat anhängig ist – bisher ist ja nur über die Anträge auf einstweilige Anordnung entschieden. Ungeklärt ist vor allem, was Karlsruhe zu der Selbstermächtigung der Europäischen Zentralbank sagt, Anleihen der Schuldnerstaaten in unbegrenzter Höhe zu kaufen. Das ist völlig unkartiertes Gelände. Niemand weiß, was da rauskommt.
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Allerdings scheint eher unwahrscheinlich, dass wir dazu noch in diesem Jahr ein Urteil sehen werden. Der Fall steht zwar auf der Liste der 2013 zu entscheidenden Verfahren, aber die heißt nicht ohne Grund in Karlsruhe “Lügenliste”. Voßkuhle deutete an, dass das Urteil noch nicht so bald kommt. Das sei eine “größere Geschichte”, man müsse “gucken, wie wir damit umgehen”, das sei “noch nicht ganz klar” – im Gegensatz etwa zum Urteil zum Ehegattensplitting, bei dem er “zuversichtlich (sei), dass wir das schaffen”.
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Wobei das Gericht auch das Thema EZB abtrennen und gesondert entscheiden könnte, oder nicht? Dann könnte vielleicht die Hauptsacheentscheidung in punkto ESM und Fiskalpakt schneller fallen.“
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Konkret bedeutet das, dass das Bundesverfassungsgericht offenbar mit einem Urteil nicht Öl ins Feuer des Bundestagswahlkampfs gießen möchte. Was das bedeutet, ist schwer zu sagen. Im zuständigen zweiten Senat sitzt unter anderem der ehemalige saarländische Ministerpräsident und CDU-Kämpe Peter Müller. Eine rein juristische Entscheidung bei dieser „größeren Geschichte“ ist unwahrscheinlich.
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Die Karlsruher Richter würden mit jedem Spruch den Bundestags-Wahlkampf beeinflussen: Geben sie den Klägern recht, dann wäre das eine fatale Blamage für Merkel. Geben sie der großen Rot-Schwarz-Grün-Blauen Koalition recht, dann könnten die Linken im Wahlkampf gewinnen, indem sie die fortschreitende Ausbeutung der internationalen Arbeiterklasse noch größer auf ihre Fahnen schreiben.
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Steinbeis merkt in seinem Blog an, dass sich der Zweite Senat bei der PK bemüht habe, „ein Maß an Gleichmut an den Tag zu legen, das an Herablassung grenzte“. Dies spricht dafür, dass man sich in Karlsruhe der Sprengkraft des Urteils für Europa bewusst ist. Die Richter wollen das Thema nicht im Wahlkampf zünden und kehren es somit dezent als Zeitbombe neben die Derivate unter den Europäischen Realitätsverweigerungsteppich.
DMN

Verfassungsgericht zögert mit endgültigem ESM-Urteil

Verfassungsgericht zögert mit endgültigem ESM-Urteil
Aus einer dunklen Ahnung könnte bald Gewissheit werden. Denn ein endgültiges Urteil über die gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und den Fiskalpakt eingereichten Verfassungsklagen wird in diesem Jahr wohl nicht mehr gesprochen. Darauf deuten Aussagen des Gerichtspräsidenten und des Gerichts selbst hin. Damit tritt Karlsruhe vielfach geäußerten Erwartungen entgegen, wonach es noch im Oktober im Hauptverfahren entscheiden werde. Gleichzeitig wächst in Teilen der Bundesregierung offenbar die Sorge, dass ihre auf dem ESM und der Europäischen Zentralbank (EZB) basierende Rettungsstrategie ins Wanken geraten könnte.
Welt-online