Nobelpreisträgertreffen in Lindau: Merkel ermahnt die Ökonomenzunft
Veröffentlicht: 21. August 2014 Abgelegt unter: Lindau Nobel Laureate Meetings | Tags: Dr. Angela Merkel Hinterlasse einen KommentarAngela Merkel hat das Treffen der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau, das unter dem Motto «Wie nützlich sind die Wirtschaftswissenschaften – wie sind die Wirtschaftswissenschaften nützlich?» steht, eröffnet.
Ob sie und die Ökonomen gute Freunde werden, muss nach ihrer Rede aber bezweifelt werden, schreibt Matthias Müller in der NZZ.
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Transkript der Rede von Bundeskanzlerin Merkel zum 5. Treffen der Nobelpreisträger
Datum: 20. August 2014 – Ort: Lindau
(Es gilt das gesprochene Wort – Hervorhebungen by Oeconomicus)
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„Sehr geehrte Gräfin Bernadotte,
sehr geehrter Herr Heikensten,
sehr geehrter Herr Professor Schürer,
Herr Staatspräsident Tan,
sehr geehrter Herr Kollege, lieber Minister Gerd Müller, der gleichzeitig Abgeordneter hier im Wahlkreis ist, im schönen Lindau,
sehr geehrter Herr Landrat Stegmann,
Herr Bürgermeister Schober,
aber vor allen Dingen sehr geehrte Nobelpreisträger, Gäste und Teilnehmer hier,
meine Damen und Herren,die Nobelpreisträgertreffen in Lindau sind im besten Sinne des Wortes eine Institution mit Tradition. Über 60 Jahre Erfolgsgeschichte zeichnen sie aus. Es ist ein einzigartiges wissenschaftliches Dialogforum entstanden. Ich darf Ihnen als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland sagen: Wir sind stolz auf diese jährlichen Treffen, denn sie sind ein glänzendes Aushängeschild für unseren Wissenschaftsstandort, aber auch für die Dialogkultur, die wir in Deutschland pflegen. Denn hier in Lindau bauen Sie, die Laureaten und jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Brücken – Brücken der Inspiration und der Motivation und Brücken zwischen Generationen, Ländern, aber eben auch Wissenschaftsdisziplinen.
Die Wissenschaft lebt ja von solch einem offenen Dialog. All denen, die sich genau darum verdient machen, die sich nicht nur im eigenen Elfenbeinturm verschanzen, sondern andere an ihrem Wissen, aber auch an ihrem Suchen nach Wissen teilhaben lassen, möchte ich ein ganz herzliches Dankeschön sagen. Denn es ist ja heute, im 21. Jahrhundert, immer stärker so, dass Zeit zum kostbarsten Gut wird. Dass sich hier hochgeehrte Wissenschaftler mit jungen, ebenso fleißigen und unter Stress stehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern treffen und mit ihnen Zeit verbringen, das ist eine wunderbare Sache.
Ich möchte mich deshalb auch bedanken, dass ich heute bei der Eröffnungsveranstaltung dabei sein kann. Das Lindauer Nobelpreisträgertreffen für die Wirtschaftswissenschaften ist ja noch relativ jung – es findet jetzt zum fünften Mal statt –, aber es hat eine sehr große Resonanz: 18 Nobelpreisträger, über 450 junge und vielversprechende Nachwuchswissenschaftler aus über 80 Ländern haben sich hier eingefunden. Ich heiße Sie ganz herzlich in Deutschland willkommen.Leitmotiv für Ihr diesjähriges Treffen ist: “How useful is economics – how is economics useful?” Es ist gut, dass Sie das so fragen. Ich kann Ihnen bei den Antworten nur sehr bedingt helfen. Aber natürlich stellt sich auch die Frage, welchen Nutzen Wirtschaftswissenschaften für die Gesellschaft haben. Dann sind wir schon fast bei der Politik, die es ja ermöglicht, wissenschaftliche Erkenntnisse auch zur praktischen Anwendung zu bringen. Deshalb lässt sich aus der Grundsatzfrage nach der gesellschaftlichen Nutzenstiftung einer Forschung auch eine weitere Frage ableiten. Und die heißt: Wie sieht eigentlich optimale volkswirtschaftliche Politikberatung aus?
Max Weber hat das Spannungsverhältnis und die Arbeitsteilung zwischen Wissenschaft und Politik in seinen beiden Vorträgen „Wissenschaft als Beruf“ und „Politik als Beruf“ schon vor fast 100 Jahren thematisiert. Es gibt eine Gemeinsamkeit: Wissenschaft und Politik stehen immer in den Diensten einer überpersönlichen Sache. Aber es gibt eben auch gravierende Unterschiede: Für die Wissenschaft steht die Freiheit von Forschung und Lehre im Mittelpunkt und damit natürlich der Erkenntnisgewinn an sich. Demgegenüber ist Politik beauftragt, die Gestaltung und Leitung des Gemeinwesens zu leisten. Politik muss immer zu Entscheidungen kommen, selbst wenn man ganz widersprüchliche Analysen oder auch Theorien hat. Sie trägt darüber hinaus noch Verantwortung für die Umsetzung der Entscheidungen.
In Demokratien ist die Sache noch einmal komplexer. Politik muss in Demokratien auch immer notwendige Mehrheiten für die Entscheidungen gewinnen. Das zeigt schon, dass nicht allein ökonomisch rationale Erwägungen ins Kalkül zu ziehen sind. Sie sollten allerdings nicht zu kurz kommen, das möchte ich hier noch einmal betonen. Sondern es sind auch gesellschaftliche Entwicklungen, kulturelle Hintergründe Gegenstand der Untersuchungen. Sie kennen das aus den Wirtschaftswissenschaften natürlich auch, dass man nicht alles im luftleeren Raum erforschen kann.
Ökonomisches Know-how findet auf vielerlei Weise Eingang in die Politik, sei es über Veröffentlichungen in den Medien, aber vor allen Dingen über die Zusammenarbeit mit Gutachtern, Beiräten oder Sachverständigenräten. Ich darf sagen, dass ich sehr dankbar für diese Zuarbeit bin, die wir in vielerlei Formen in der Bundesregierung haben. Denn das Verständnis, wie Märkte funktionieren oder warum sie gegebenenfalls nicht funktionieren, hat natürlich gravierende Auswirkungen auf die gesellschaftliche Wohlfahrt und unser aller Leben.
Ehrlich gesagt, ist es besser, einmal auf einen guten Hinweis eines Sachverständigen zu hören, als später erhebliche Enttäuschungen einer ganzen Gesellschaft wieder begleichen zu müssen und auszubügeln. Deshalb ist es gut und auch ausdrücklich wünschenswert, dass sich die Wissenschaft dem Anspruch stellt, immer wieder Brücken von der Theorie zur Praxis zu schlagen und auch der Politik Leitfäden in die Hand zu geben.
Gute Politikberatung zeichnet sich zweifellos durch Praxisnähe aus, also dadurch, dass sie gegebene Realitäten und Interdependenzen berücksichtigt. Aber natürlich brauchen Sie für Ihre Forschung auch Prioritäten und Prämissen. Die Komplexität und Dynamik der Wirklichkeit lässt sich auch nicht so ganz einfach in Modelle pressen. Aber der Anspruch, der Realität so nahe wie möglich zu kommen, sollte da, wo Beratung im politischen und gesellschaftlichen Bereich erfolgt, schon bestehen.
Ich füge noch etwas anderes hinzu, was ich als ehemalige Wissenschaftlerin bei diesen Beratungen sehr häufig vermisse: Man sollte auch die Ehrlichkeit haben, die Fehlerquoten oder die Unschärfen anzugeben, wenn man es nicht ganz genau weiß. Das hilft manchmal auch, Enttäuschungen vorzubeugen, und wir können damit durchaus leben.
Nachhaltigkeit ist für uns in Deutschland ein wichtiges Prinzip im gesamten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialwesen. Deshalb muss gute Politikberatung auch immer von Vorschlägen leben, die den Tag überdauern. Wir versuchen in Deutschland, das Nachhaltigkeitsprinzip zur politischen Leitstrategie zu machen und dabei ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen, denn das ist ja sozusagen das Wesen jeder Nachhaltigkeitsstrategie. Dies allerdings ist leichter gesagt als getan. Insbesondere ist eine solche Nachhaltigkeitsstrategie darauf angewiesen zu wissen, was die Menschen, für die wir Politik machen, unter guter Lebensqualität verstehen.
Wir versuchen, unser Regierungshandeln gerade auch in dieser Legislaturperiode genau auf diese Frage guter Lebensqualität auszurichten. Dabei können wir auf Arbeiten aufbauen, die es in Frankreich bei der Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission gegeben hat. Damals hat man sich bemüht, eine erweiterte Messung und bessere Abbildung von Wohlstand und sozialem Fortschritt zu schaffen. Wir sind uns sicherlich einig, dass reine Wachstumsraten und das Bruttoinlandsprodukt alleine noch keine qualitativ ausreichenden Indikatoren sind. Dieses Anliegen teile ich ausdrücklich.
Wir wollen mit einem noch etwas anderen Ansatz in den nächsten Jahren als Bundesregierung da herangehen, indem wir intensiver als bisher die konkreten Vorstellungen von Bürgerinnen und Bürgern von einem guten Leben in Erfahrung bringen und ein Indikatorensystem entwickeln, an dem sich die Politik dann orientieren kann. Das heißt auch, wir sind uns gewiss, dass der Homo oeconomicus weit mehr ist als nur ein Wesen mit ökonomischen Daten, sondern dass Einflüsse der Verhaltensökonomie und vieles andere in eine für die Gesellschaft brauchbare Theorie einfließt.
Ludwig Erhard, der in Deutschland als der Vater der Sozialen Marktwirtschaft gilt, war schon vor Jahrzehnten überzeugt, dass Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie ist. Wir alle lernen immer wieder, dass ein halb volles Glas eben halb voll oder halb leer sein kann und je nach Betrachtungsweise dabei Freude oder Ärger aufkommt. Insofern ist eine Vielzahl von Faktoren für die Bereitstellung von Zukunftsszenarien ausgesprochen wichtig.
Nun kommen wir aus Jahren, in denen man – ich will das in einem so gelehrten Kreis ganz vorsichtig sagen – nicht immer den Eindruck hatte, dass die Wirtschaftswissenschaften schon alles wissen, was auf uns zukommt. Man kann jetzt natürlich fragen, woran es gelegen hat, dass manches, was wir in unseren Statistiken und Prognosen angenommen haben – nicht nur wir als Politiker, sondern auch in hoch sachverständigen Organisationen –, so schwer neben der Realität lag, die sich dann eingestellt hat. Da gibt es ja verschiedene Möglichkeiten. Wahrscheinlich haben alle einen Anteil daran.
Das eine ist, dass die zugrunde gelegten Theorien nicht ausreichend waren, insbesondere dass man Umschläge von Quantitäten in völlig neue Qualitäten nicht richtig vorausgesagt hat. Man kann aber auch sagen: Es hat immer wieder Stimmen in der Wissenschaft gegeben, die nahezu alles, was eingetreten ist, vorausgesagt haben. Man könnte also auch sagen: Wir haben nicht richtig hingehört. Oder man könnte sagen: Wir haben auf die Falschen gehört. Auf jeden Fall hatte man nicht den Eindruck, dass die Mehrheit die Prognosen richtig gemacht hat.
Es ergibt sich für Politiker auch Spielraum. Man kann sich unter verschiedenen wissenschaftlichen Meinungen immer die aussuchen, die einem am wahrscheinlichsten erscheint. Deshalb wird der Dialog zwischen Wissenschaft und Politik auch interessant bleiben. Aber natürlich hat die Politik ein Interesse daran, nicht immer zu reagieren, sondern zu agieren, das heißt Entwicklungen präventiv zu gestalten. Deshalb müssen wir überlegen: Was lernen wir aus den Krisen der vergangenen Jahre – aus der Finanzmarktkrise, die in der Europäischen Union sehr schnell in eine Krise des Euroraums übergegangen ist?
Wir haben uns sehr ad hoc mit der Krise der Finanzmärkte beschäftigen müssen, immer in dem Erleben, dass die, die vielleicht etwas mit der Verursachung der Krise zu tun hatten, eigentlich längst am rettenden Ufer waren, während diejenigen, die mit der Krise selbst gar nicht so viel zu tun hatten, in schwere wirtschaftliche Turbulenzen geraten sind. Wenn wir an die Millionen Arbeitslosen auf der Welt denken, dann ist das manchmal schon sehr bitter.Deshalb haben wir in Europa versucht, neue Wege einzuschlagen – insbesondere in der Krise, die wir als Eurokrise bezeichnet haben. Man kann sie auch eine Staatsschuldenkrise oder eine Wettbewerbsfähigkeitskrise nennen. Wir haben heute eine Situation, in der die Produktivität wieder steigt, die Leistungsbilanzdefizite sinken, Haushaltsdefizite abgebaut werden und vor allen Dingen mit verschiedenen Programmen wie von der EFSF und dem ESM auch Sicherheiten geschaffen wurden.
Man kann also sagen: Es gibt erste Früchte. Aber man muss sich auch fragen: Reicht es schon? Ich weiß, dass viele von Ihnen hier durchaus sehr kritische Anmerkungen machen zu der Frage, wie Europa seine Krise bewältigt. Deshalb will ich vorausschickend sagen: Europa – das sind 28 Mitgliedstaaten, von denen 18 inzwischen eine gemeinsame Währung haben. Das ist ein ziemlich einzigartiger Vorgang, wenn man das weltweit vergleicht. Diese 18 Staaten haben eine eigene Haushaltspolitik, eine eigene Wirtschaftspolitik und eine gemeinsame Zentralbank. Die Frage, wie man mit einem solchen Konstrukt umgeht, hat sich in dieser Zeit natürlich ganz massiv gestellt. Denn jedes dieser 18 Euroländer hat ein nationales Parlament, das mitnichten jeder Empfehlung der Europäischen Kommission oder der Europäischen Zentralbank folgt, wenn es um die Aufstellung von Haushalten oder auch Wirtschaftspolitiken oder Sozialpolitiken geht.Deshalb sind für mich drei Ursachen zu benennen, an deren Überwindung wir arbeiten müssen, um nicht wieder in eine solche Krise zu kommen. Das heißt erstens: Wir müssen die Konstruktionsfehler der Wirtschafts- und Währungsunion beheben. Das ist ein erheblicher Kraftakt. Wir haben zwar einen Binnenmarkt, aber wir haben sehr wenig wirtschaftspolitische Koordinierung und schon gar keine verpflichtende und sanktionierte Möglichkeit, bei Nichteinhaltung der eigenen Versprechen in irgendeiner Weise belangt zu werden. Das muss in der Zone mit einer gemeinsamen Währung nach meiner tiefen Überzeugung verbessert werden – sowohl im Hinblick auf die Haushaltsaufstellung als auch im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit. Zweitens: Wir haben sozusagen Altlasten in Form von sehr hohen Staatsverschuldungen. Drittens: Wir haben Bankensysteme, die insgesamt zu viel Probleme und zu wenig Transparenz mit sich bringen. An all diesen Fragen ist bereits gearbeitet worden, aber daran muss auch weiter gearbeitet werden.
Eine Lehre wird sein – und daran werde ich weiter arbeiten –, dass wir uns europaweit wirtschaftspolitisch besser abstimmen, dass unser Referenzpunkt nicht der Durchschnitt aller Mitgliedstaaten des Euroraums ist, wenn es um Wettbewerbsfähigkeit geht, sondern dass der Referenzpunkt die Besten sein müssen und da auch nicht die Besten in Europa, sondern die Besten weltweit, wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen.
Man muss sich immer wieder vor Augen führen: Die Europäische Union hat noch einen Anteil von rund sieben Prozent an der Weltbevölkerung. Wir haben, wenn es einigermaßen läuft, einen Anteil von etwa 25 Prozent an der Wertschöpfung der Welt. Und wir haben annähernd 50 Prozent der Sozialausgaben der Welt. Wenn wir das auf Dauer erhalten wollen – unser Bevölkerungsanteil nimmt ab, unser BIP-Anteil wahrscheinlich auch –, dann müssen wir ziemlich kreativ, ziemlich innovativ sein und können uns wirklich nicht sozusagen am Mittelmaß der Welt orientieren.
Meine Damen und Herren, Deutschland hat die Erfahrung gemacht, dass wir Haushaltskonsolidierung und Wachstum recht gut zusammenbekommen. Das ist ja einer der großen Diskussionsgegenstände: Muss man sich für Wachstum eigentlich immer verschulden? Wir haben in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass man das nicht muss, sondern dass wir unseren Haushalt konsolidieren konnten – mit einer Schuldenbremse in der Verfassung arbeiten und leben – und gleichzeitig in den letzten zehn Jahren deutlich mehr Beschäftigung entstanden ist. Wir haben drei Millionen Beschäftigte mehr als vor zehn Jahren und können jetzt einen Rekord von 42 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland verzeichnen. Wir haben in der Zeit seit 2005 unsere Forschungs- und Innovationsausgaben sowie die Bildungsausgaben auf der Bundesebene nahezu verdoppelt. Und wir haben unsere Chancen bei den Investitionsausgaben auch in anderen Bereichen immer wieder genutzt, wenn wir Haushaltsspielräume hatten.
Ich will noch eines für die sagen, die nicht aus den europäischen Ländern kommen: Europa ist ein Kontinent, der stärker als zum Beispiel die Vereinigten Staaten von Amerika durch einen demografischen Wandel geprägt ist. Das heißt, die Zahl der Älteren nimmt zu, die Zahl der Jüngeren nimmt ab. Deutschland gehört zu den Ländern, die am stärksten von den demografischen Herausforderungen geprägt sein werden. Das heißt, wenn wir heute auf eine Null bei der Neuverschuldung hinarbeiten, dann tun wir das auch immer im Lichte einer völlig anderen demografischen Situation in den nächsten zehn Jahren als zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Amerika. Auch da liegt ein großer Unterschied. Und wir dürfen nicht den zukünftigen Generationen alle Spielräume nehmen. Deshalb sehe ich Wachstum und Haushaltskonsolidierung als zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Nun sind all die Probleme, die wir im Euroraum haben, in anderen Teilen der Welt ja nicht völlig unbekannt. Hohe Staatsverschuldung gibt es auch anderswo, Reformstau auch. Wir haben alle in der internationalen Finanzkrise erlebt, dass zumindest die Finanzmärkte bereits völlig globalisiert sind, während die Entscheidungsstrukturen weitestgehend national sind – in Europa auch im Rahmen der Europäischen Union. Daraus erwachsen natürlich erhebliche regulatorische Probleme.
Es ist ja schon nicht einfach zu wissen, wie man Finanzmärkte reguliert. Dies aber auch noch weltweit so umzusetzen, dass das sogenannte level playing field für alle einigermaßen vergleichbar ist und nicht irgendjemand sagt, ich hole mir jetzt doch wieder einen Wettbewerbsvorteil dadurch, dass ich es ein bisschen anders mache, das ist natürlich eine dramatische politische Aufgabe.Da wir jetzt alle erlebt haben, dass es bei der internationalen Finanzkrise völlig egal war, wer sie verursacht hat, und zum Schluss alle davon betroffen waren, muss man versuchen, möglichst streng da heranzugehen und zu sagen: Wenn wir uns inmitten dieser Finanzkrise Ende des vergangenen Jahrzehnts vorgenommen haben, dass jeder Finanzplatz, jeder Finanzmarktakteur und jedes Finanzmarktprodukt reguliert werden, können wir nicht jetzt, wo es einigermaßen läuft, damit anfangen, davon wieder abzuweichen und zu gucken, dass man da irgendwie wieder herauskommt.
Wenn wir uns als die 20 führenden Industrienationen der Welt beim G20-Treffen in diesem Jahr in Australien sehen werden, dann haben wir immer noch einen Bereich, der regulatorisch ziemlich „nackt“ dasteht: Das sind die Schattenbanken. Die gesamte Regulierung, die wir im Bankenbereich geschaffen haben, hat natürlich die Wirkung, dass diejenigen, die der Regulierung unterworfen werden, versuchen, in den Schattenbankenbereich auszuweichen. Wenn wir nicht auch diesen Bereich mit derselben Konsequenz unter die Lupe nehmen, dann ist jedenfalls die Gefahr einer nächsten Krise bereits vorprogrammiert.
Wir haben in Europa einen neuen Fiskalpakt, was die Haushaltskonsolidierung anbelangt. Die europäische Schwäche ist manchmal, dass wir etwas beschließen und, nachdem wir es beschlossen haben, gleich wieder infrage stellen. Das sollten wir nicht tun. Neben der Frage, dass wir uns im Euroraum wirtschaftspolitisch enger koordinieren müssen, habe ich von der Schwäche des Bankensystems gesprochen. Hier ist uns in den letzten Jahren ein wirklicher Quantensprung gelungen. Wir arbeiten an einer europäischen Bankenunion mit einer gemeinsamen Aufsicht durch die Europäische Zentralbank und klaren Haftungskaskaden. Das wäre vor drei, vier Jahren völlig undenkbar gewesen. Es war auch für Deutschland ein schwerer Schritt, diesen Weg zu gehen. Aber wir sind überzeugt, dass es für die Transparenz und auch für die Akzeptanz des Eurosystems weltweit von allergrößter Bedeutung ist.
Meine Damen und Herren, wenn wir auf den realwirtschaftlichen Bereich blicken, ist die Frage: Wie können wir global Wachstumsmöglichkeiten am besten nutzen? Vor 70 Jahren, als auf der internationalen Bretton-Woods-Konferenz über die Ordnung des Weltwährungssystems gesprochen wurde, ist US-Präsident Roosevelt zu Gast gewesen. Er hat sich zum Handel geäußert.
Ich möchte ihn einmal zitieren:
„Handel ist der Lebenssaft einer freien Gesellschaft. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Arterien, die den Blutstrom befördern, nicht wieder verstopft werden, so wie es in der Vergangenheit geschah, von künstlichen, durch sinnlose ökonomische Rivalitäten geschaffenen Barrieren.“Wir hatten uns in der internationalen Finanzkrise vorgenommen, die Handelshemmnisse nicht steigen zu lassen. Die Berichte der Welthandelsorganisation sind nicht ganz so optimistisch, wie es unser Vorhaben war. Wir wollen ein multilaterales Handelssystem. Wir haben manchmal Erfolge gehabt. Bali ließ Hoffnung aufkeimen. Jetzt gab es wieder Rückschläge. Wir gehen im Augenblick nicht auf dem besten Weg voran, und das ist nach meiner festen Überzeugung der multilaterale, sondern eher auf dem zweitbesten Weg mit bilateralen Abkommen. Hier hat die Europäische Union bereits eine ganze Reihe von Verhandlungen geführt.
Im Augenblick steht die sogenannte TTIP, das Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika, sehr stark in der Diskussion. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen: Wenn der europäische Binnenmarkt und der amerikanische Binnenmarkt zusammen eine Freihandelszone bilden würden, würde das erhebliche Wachstumspotenziale eröffnen. Aber es gibt auch erhebliche Ängste, dass Standards für Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz gefährdet sein könnten. Deshalb steht uns hier noch eine schwierige Debatte bevor. Aber ich will ganz ausdrücklich sagen: Freier Handel, barrierefreier Handel ist eine der Quellen von Wachstum, ohne dass man sich verschulden muss und auf Pump leben muss, und deshalb ist dies ein ganz wesentlicher Punkt.
Meine Damen und Herren, Sie nehmen das Geschehen auf den Märkten in Ihrer Forschung unter die Lupe, Sie suchen nach neuen Theorien, nach Erklärungen. Ob demografischer Wandel oder Klimawandel, ob Globalisierung oder Digitalisierung – es gibt offenbar nahezu nichts, was nicht auch die Ökonomen inzwischen interessiert. Ich glaube, das macht Ihre Theorien eher besser als schlechter, allerdings auch komplizierter, vermute ich.
Wissenschaft kann der Politik Entscheidungen erleichtern. Wir wissen als Politiker, dass Sie uns die Entscheidungen nicht abnehmen können. Ehrlich gesagt, wollen wir das auch nicht, sonst könnten wir ja selber Wissenschaftler sein. Wissenschaft ist durchaus von eigenen Prämissen und Wertungen geprägt. Dessen muss sich die Politik immer bewusst sein. Wir müssen einen Ausgleich zwischen den Interessen aller gesellschaftlichen Gruppen finden. Deshalb will ich schließen mit dem Bekenntnis zu der Freiheit und Unabhängigkeit der Wissenschaft und damit auch der Pluralität der Wissenschaft. Das sind wesentliche Voraussetzungen dafür, dass wissenschaftliche Beratung eine unvoreingenommene Entscheidungshilfe bietet, selbst wenn die Ergebnisse einem manchmal nicht passen. Nur eine solche Wissenschaft ist für uns ein wirklicher Ratgeber.
Deshalb möchte ich Sie, gerade auch die jüngeren Leute unter Ihnen, ermuntern:
Bringen Sie sich in die politischen und gesellschaftlichen Debatten ein – mit Ihrem Sachverstand, mit Ihren Erfahrungen, unabhängig von Ihrem regionalen und kulturellen Hintergrund und unabhängig von der Frage, welcher Strömung innerhalb der Ökonomie Sie nahestehen. Sich einem offenen und freien Meinungsaustausch zu stellen, mag manchmal unbequem sein, etwa vergleichbar mit dem Wettbewerb in der Wirtschaft, aber er wird für uns alle von Nutzen sein. Davon bin ich zutiefst überzeugt.Zum Schluss noch eine Bitte: Sprechen Sie verständlich als Wissenschaftler.
Auch komplizierteste Sachverhalte lassen sich in einfache Sprache fassen. Das ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass wir uns überhaupt verstehen können. In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie mich verstehen konnten, und danke für Ihre Aufmerksamkeit.“Quelle: Bundesregierung
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Anmerkung
Bevor ich in einem gesonderten Beitrag auf Merkels Rede näher eingehen kann, sei in Abwandlung eines bekannten deutschen Sprichwortes gesagt: „Physiker bleib bei deinen Leisten!“
Dieser Hinweis bezieht sich allerdings nicht auf die beiden letzten, hervorgehobenen Absätze der Rede.
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Ihr Oeconomicus
Staatsbesuch von Xi Jinping
Veröffentlicht: 29. März 2014 Abgelegt unter: Xi Jinping | Tags: Dr. Angela Merkel, Freihandelsabkommen EU-CHINA, Innovationskooperation 2 KommentareDeutschland und China wollen ihre Zusammenarbeit nach Worten von Kanzlerin Angela Merkel vertiefen. Das Ziel sei, die Partnerschaft in neuen Feldern zu intensivieren, sagte Merkel nach einem Gespräch mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping.
Sie nannte etwa die Digitalisierung der Industrie, Energie und Forschung. Das Jahr 2015 solle zum „Jahr der Innovationskooperation“ werden.
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PK von Angela Merkel & Xi Jinping am 28.03.2014
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Christine Adelhardt (Peking) mit aktuellen Informationen
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Xi Jinping’s Europe Tour – France
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Nett, wie Monsieur le Président von Demonstranten ausgebuht wird:
„Hollande, démission! – Hollande, Rücktritt„
Xi Jinping mag sich vielleicht gedacht haben, wie gut dass wir in China so eine folgsame Bevölkerung haben 😉
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Chinas neuer starker Mann: Wer ist Xi Jinping?
Die nach wie vor verschlossene Großmacht China gibt traditionell wenig über ihre Führer und ihre Pläne preis. Dennoch zeichnet sich schon jetzt ab, dass sich in China mit dem neuen Staatspräsident nicht nur ein Generationswechsel vollzieht. China will und wird in den kommenden Jahren eine größere Rolle auf der Weltbühne spielen. Und Xi Jinping wird die Politik dieser Großmacht bestimmen. Er wird der Staatspräsident des bevölkerungsreichsten Landes der Erde, der zweitgrößten Volkswirtschaft und der weltweit größten Exportnation: Xi Jinping ist Chinas neuer starker Mann.
Wohin wird er das Land führen? Was will er?
Auch wenn die Gelegenheiten selten sind, bei denen ein chinesischer Politiker gefilmt werden darf — die ARD-Korrespondentin Christine Adelhardt hat Filmmaterial zusammengestellt, dass Xi Jinping auf den Spuren des Reformers und Ziehvaters Deng Xiao-Ping zeigt; Xi als Kämpfer gegen Korruption zu Besuch bei armen Bauern. Außerdem gibt es — und das ist eine neue Entwicklung für China — Privatfotos. Darunter Bilder und Filme über seine Frau, die sich nicht nur als populäre Sängerin, sondern auch als HIV-Botschafterin Chinas einen Namen gemacht hat. Und Christine Adelhardt hat Weggefährten ausfindig machen können, die Xi Jinping kannten, als sein Stern in der Kommunistischen Partei noch nicht aufgegangen war.
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Archiv-Beträge zu China’s Auslandsinvestitionen
Regierungserklärung zur Ukraine
Veröffentlicht: 13. März 2014 Abgelegt unter: externe Reaktionen, Regierungserklärungen | Tags: Andreas Schockenhoff (CDU), Dr. Angela Merkel, Dr. Gregor Gysi Hinterlasse einen KommentarRegierungserklärung der Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Lage in der Ukraine:
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Gespräche – Hilfe – Sanktionen:
Dieser „Dreiklang“ leitet den Ansatz Deutschlands und seiner Partner in der Krise um die Halbinsel Krim. In ihrer Regierungserklärung zur Ukraine rief die Bundeskanzlerin dazu auf, die Krise diplomatisch zu lösen – zum Besten der Ukraine und zum Besten Europas.
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Im Gedenkjahr 2014 werde in besonderer Weise deutlich, dass Europa die Lehren aus einem blutigen Jahrhundert gezogen habe. Die europäische Einigung, so die Bundeskanzlerin, sei das „große Versprechen auf Frieden, Freiheit und Wohlstand“. Jetzt dürfe der Kontinent nicht auf ein „Handeln nach dem Muster des 19. und 20. Jahrhunderts“ zurückfallen.
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Gegen das „Recht des Stärkeren“
Russland nutze mit seinem Vorgehen auf der Krim eine Phase der Unsicherheit in der Ukraine aus, so Angela Merkel im Deutschen Bundestag. Das Land stelle offen die territoriale Unversehrtheit der Ukraine in Frage.
„Das Recht des Stärkeren wird gegen die Stärke des Rechts gestellt, einseitige geopolitische Interessen über Verständigung und Kooperation.“
Dieser Verstoß gegen das Völkerrecht sei nicht hinnehmbar. Die Bundeskanzlerin forderte Russland auf, in diesem Konflikt einzulenken. Bei einer Annexion der Krim und einer Destabilisierung der Ost-Ukraine werde sich nicht nur das Verhältnis der EU und der G7-Staaten zu Russland ändern. Russland schade sich nicht zuletzt massiv selbst – „und zwar wirtschaftlich wie politisch.“
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Für Diplomatie, gegen militärisches Vorgehen
„Militärisch ist dieser Konflikt nicht zu lösen“,
so die eindeutige Feststellung der Bundeskanzlerin. Militärisches Vorgehen sei keine Option.
Die Bundeskanzlerin, die in den vergangenen Tagen mit zahlreichen Partnern Gespräche zur Krim-Krise geführt hat, erläuterte im Bundestag das Vorgehen der Europäischen Union. Im Mittelpunkt stehen das diplomatische Bemühen um eine friedliche Beilegung des Konflikts und die Hilfe für die Ukraine. Sollte Russland nicht kooperieren, so greifen Sanktionen gegen das Land.
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Russland soll internationaler Mission zustimmen
Die territoriale Integrität der Ukraine stehe nicht zur Disposition, so Merkel. Dies müsse Grundlage der Tätigkeit für eine Beobachtermission und beziehungsweise oder eine Kontakt- oder Kooperationsgruppe sein. Russland sei aufgefordert, einer solchen internationalen Mission zuzustimmen. Auch Moldau und Georgien hätten die Solidarität der EU.
Gleichzeitig sollen umfangreiche Hilfen für die Ukraine anlaufen. Sie wurden bereits beim Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am 6. März 2014 beschlossen.
„Schnelle Hilfe ist jetzt gefragt“, Vertreter des Internationalen Währungsfonds und der EU seien bereits vor Ort in der Ukraine.
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Kein Vergleich Kosovo – Ukraine
Den Vergleich zwischen der Krim und der früheren serbischen Provinz Kosovo, wie er in der jetzigen Diskussion teilweise auftauche, wies Merkel als „beschämend“ zurück. Die Situation damals im Kosovo sei absolut nicht mit der heutigen Lage in der Ukraine vergleichbar.
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Nachbarschafts- statt Geopolitik
Auch sei beschlossen, den politischen Teil des Assoziierungsabkommens mit der EU zügig zu unterzeichnen. Man wolle die Verhandlungen zu Visa-Erleichterungen schnell voranbringen.
„Nachbarschaftspolitik, nicht Geopolitik“ sei das Motto. Dies sei gegen niemanden gerichtet, betonte die Kanzlerin. Man wolle die ukrainische Regierung dabei unterstützen, eine Regierung für alle Ukrainer zu sein, Gräben zu überwinden und für Mai freie und faire Wahlen vorzubereiten.
Sollte Russland nicht auf den Weg der Zusammenarbeit zurückkehren, so sollten weitere Sanktionen gegen das Land greifen, so Merkel. In diesem Fall würden die EU-Außenminister bei ihrer nächsten Tagung am 17. März Einreisesperren und das Einfrieren von Vermögen gegen russische Akteure beschließen.
„Niemand von uns wünscht sich, dass es zu solchen Maßnahmen kommt“
sagte die Bundeskanzlerin.
„Doch wir alle wären zu ihnen bereit und entschlossen, falls sie unumgänglich werden.“
Text-Quelle: bundeskanzlerin.de
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Gregor Gysi, DIE LINKE: Ukraine – Es gibt nur den Weg der Diplomatie
Antwort auf die Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel
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Transkript zur Gysi-Rede
(Es gilt das gesprochene Wort – Hervorhebungen und Links durch den Autor)
„Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Putin will die gesamte Krise in der Ukraine militärisch lösen. Er hat nicht begriffen, dass die Probleme der Menschheit weder mit Soldaten noch mit Gewehren zu lösen sind, ganz im Gegenteil.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Auch die Probleme Russlands lassen sich so nicht lösen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sein Denken und Handeln ist falsch und wird von uns deutlich verurteilt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist aber dasselbe Denken, das im Westen vorherrschte und vorherrscht: bei Jugoslawien, Afghanistan, dem Irak und Libyen.
(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
An die Stelle der Systemkonfrontation sind die Interessengegensätze der USA und Russlands getreten. Der Kalte Krieg ist beendet, aber solche Interessengegensätze können zu ganz ähnlichen Zügen führen.
Die USA wollen mehr Einfluss gewinnen und vorhandenen verteidigen, und Russland will mehr Einfluss gewinnen und vorhandenen verteidigen. Ich sage als Stichworte zu Russland nur: Georgien, Syrien, Ukraine.
Auch wenn man Putins Vorgehen verurteilt, muss man sehen, wie es zur gesamten Zuspitzung und Konfrontation kam. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Alles, was NATO und EU falsch machen konnten, haben sie falsch gemacht.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich beginne bei Gorbatschow im Jahre 1990.
Er schlug ein gemeinsames europäisches Haus, die Auflösung der NATO und des Warschauer Vertrages und ein Konzept der „Gemeinsamen Sicherheit“ mit Russland vor. Das hat die NATO ausgeschlagen.
Sie hat gesagt:
Den Warschauer Vertrag aufzulösen, ist okay, aber die NATO bleibt. Und aus dem Verteidigungsbündnis NATO wurde ein Interventionsbündnis gemacht.
Der zweite Fehler:
Bei der Herstellung der deutschen Einheit erklärten der amerikanische Außenminister, unser damaliger Außenminister Genscher und andere Außenminister gegenüber Gorbatschow, dass es keine Osterweiterung der NATO geben wird. Dieses Versprechen ist gebrochen worden. Es gab eine vehemente Ausweitung der NATO in Richtung Russland.
Der ehemalige US-Verteidigungsminister Robert Gates bezeichnete die eilfertige Aufnahme der osteuropäischen Staaten in die NATO als schweren Fehler und den Versuch des Westens, die Ukraine in die NATO einzuladen, als schwere Provokation.
Nicht ich, sondern der ehemalige US-amerikanische Verteidigungsminister hat das erklärt.
Dann kam drittens der Beschluss, Raketen in Polen und Tschechien zu stationieren.
Die russische Regierung sagte:
Das tangiert unsere Sicherheitsinteressen; wir möchten das nicht. Das hat den Westen überhaupt nicht interessiert. Es wurde dennoch gemacht.
Zudem hat die NATO im Zusammenhang mit dem Jugoslawienkrieg das Völkerrecht mehrfach und schwer verletzt. Das räumt inzwischen auch der damalige Kanzler Schröder ein. Serbien hatte keinen anderen Staat angegriffen, und es gab keinen Beschluss des UN-Sicherheitsrates. Es wurde dennoch mit erstmaliger bundesdeutscher Beteiligung nach 1945 bombardiert. Und die Bewohnerinnen und Bewohner des Kosovo durften in einem Volksentscheid die Loslösung von Serbien beschließen.
Ich habe damals die Völkerrechtsverletzung schwer kritisiert und Ihnen gesagt:
Sie öffnen beim Kosovo eine Büchse der Pandora; denn wenn das im Kosovo erlaubt ist, müssen Sie es auch in anderen Gegenden erlauben. Sie haben mich beschimpft. Sie haben es nicht ernst genommen, und zwar weil Sie glaubten, solche Sieger im Kalten Krieg zu sein, dass alle alten Maßstäbe für Sie nicht mehr gelten.
Ich sage Ihnen:
Die Basken fragen, warum sie keinen Volksentscheid machen dürfen, ob sie zu Spanien gehören wollen oder nicht. Die Katalanen fragen, warum sie keinen Volksentscheid machen dürfen, ob sie zu Spanien gehören wollen oder nicht. Natürlich fragen das nun auch die Bewohnerinnen und Bewohner der Krim.
Durch Völkerrechtsverletzung kann man über Gewohnheitsrecht auch neues Völkerrecht schaffen; das wissen Sie.
Ich bleibe aber der Meinung, dass die Abtrennung der Krim völkerrechtswidrig wäre, genauso wie die Abtrennung des Kosovo völkerrechtswidrig war.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich wusste aber, dass sich Putin auf den Kosovo berufen wird, und er hat es auch getan.
Jetzt sagen Sie, Frau Bundeskanzlerin: Die Situation ist doch eine völlig andere.
(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist sie auch!)
– Das kann schon sein. Sie verkennen aber: Völkerrechtsbruch ist Völkerrechtsbruch.
Meine liebe Frau Roth, fragen Sie doch einmal einen Richter, ob ein Diebstahl aus edlerem Motiv im Vergleich zu einem Diebstahl aus unedlerem Motiv kein Diebstahl ist. Er wird Ihnen sagen: Es bleibt ein Diebstahl. – Das ist das Problem.
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe des Abg. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Herr Struck hat damals erklärt:
Die Bunderepublik muss ihre Sicherheit am Hindukusch verteidigen.
Nun erklärt Herr Putin: Russland muss seine Sicherheit auf der Krim verteidigen.
Deutschland hatte am Hindukusch übrigens keine Flotte und war auch wesentlich weiter entfernt.
Trotzdem sage ich: Beide Sätze waren bzw. sind falsch.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber es bleibt auch Folgendes:
Wenn viele Völkerrechtsverletzer dem Völkerrechtsverletzer Russland vorwerfen, das Völkerrecht zu verletzen, ist das nicht besonders wirksam und glaubwürdig. Das ist die Tatsache, mit der wir es zu tun haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Obama sprach genauso wie Sie, Frau Bundeskanzlerin, von der Souveränität und territorialen Integrität der Staaten. Aber diese beiden Prinzipien wurden in Serbien, im Irak, in Libyen verletzt.
Der Westen meinte, das Völkerrecht verletzen zu können, weil der Kalte Krieg vorbei sei. Man hat die chinesischen und die russischen Interessen grob unterschätzt. Sie haben Russland unter Jelzin, der häufig angetrunken war, überhaupt nicht mehr ernst genommen. Aber die Situation hat sich geändert. Sehr spät berufen Sie sich jetzt wieder auf die im Kalten Krieg entstandenen völkerrechtlichen Grundsätze.
Ich bin sehr dafür, dass sie wieder gelten – aber dann für alle! Anders geht es nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Dann gab es das Gezerre zwischen der EU und Russland an der Ukraine. Beide dachten und handelten gleich. Barroso, der Kommissionschef der EU, hat gesagt:
Entweder Zollunion mit Russland oder Verträge mit uns! Er hat nicht gesagt: „Beides“, sondern: „Entweder – oder!“.
Putin hat gesagt: Entweder Verträge mit der EU oder mit uns!
Beide haben gleichermaßen alternativ gedacht und gehandelt. Das war ein verheerender Fehler von beiden Seiten.
(Beifall bei der LINKEN)
Kein einziger EU-Außenminister hat versucht, mit der russischen Regierung zu sprechen und die berechtigten Sicherheitsinteressen Russlands überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.
(Dr. Rolf Mützenich (SPD): Das stimmt doch gar nicht! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stimmt doch gar nicht!)
Russland fürchtet doch, dass nach engeren Beziehungen mit der EU die NATO in die Ukraine kommt. Es fühlt sich immer eingekreister. Aber es wurde nur an der Ukraine gezerrt.
Die EU- und NATO-Außenminister haben die Geschichte Russlands und der Ukraine völlig unberücksichtigt gelassen. Sie haben die Bedeutung der Krim für Russland nie verstanden. Die ukrainische Gesellschaft ist tief gespalten.
(Zuruf des Abg. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Auch das wurde nicht berücksichtigt. Diese tiefe Spaltung zeigte sich schon im Zweiten Weltkrieg, und sie zeigt sich auch heute.
Die Ostukraine tendiert in Richtung Russland. Die Westukraine tendiert in Richtung Westeuropa. Es gibt derzeit keine einzige politische Persönlichkeit in der Ukraine, die beide Teile der Gesellschaft repräsentieren könnte. Das ist eine traurige Wahrheit.
Dann gibt es noch den Europarat und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE.
Die haben Sie in letzter Zeit schwer vernachlässigt, Frau Bundeskanzlerin und Herr Außenminister.
Die Gelder für diese Organisationen wurden immer mehr zusammengestrichen, weil Sie meinten, dass sie nicht wichtig sind. Das sind aber die einzigen europäischen Organisationen, in denen sowohl Russland als auch die Ukraine organisiert sind. Deshalb müssen wir diese Organisationen wieder stärken auch finanziell und dürfen nicht über einen Ausschluss Russlands faseln; das ist völlig daneben.
(Beifall bei der LINKEN)
Dann erlebten wir eine starke Zuspitzung auf dem Maidan. Wir erlebten Scharfschützen und viele Tote. Es gibt verschiedene Gerüchte. In solchen Situationen wird viel gelogen.
Deshalb schlagen wir vor, eine internationale Untersuchungskommission einzusetzen. Wir, aber vor allem die Ukrainerinnen und Ukrainer haben ein Recht, zu erfahren, was dort gelaufen ist und wer dort welche Verantwortung trägt. Ich freue mich, dass Sie, Frau Bundeskanzlerin, das unterstützen.
(Beifall bei der LINKEN)
Auf dem Maidan gab es viele demokratische Kräfte, aber auch Faschisten. Der Westen machte direkt und indirekt mit.
(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was? Bei den Faschisten? – Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei den Faschisten oder was?)
Dann haben Außenminister Steinmeier, der französische und der polnische Außenminister mit Janukowitsch und der Opposition einen Vertrag geschlossen. Jetzt sagen Sie, Herr Außenminister, Janukowitsch habe die Vereinbarung durch seine Flucht hinfällig gemacht. Das ist falsch. Die Menschen auf dem Maidan lehnten die Vereinbarung mit großer Mehrheit ab,
(Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gab keine Abstimmung auf dem Maidan!)
und Sie, Herr Außenminister, haben auf dem Platz auch nicht für diese Vereinbarung geworben.
Erst nach der Ablehnung verließ Janukowitsch Kiew.
Dann tagte das Parlament und wählte ihn mit 72,88 Prozent ab. Die Verfassung schreibt aber 75 Prozent vor.
Nun sagen Herr Röttgen und andere:
Na ja, bei einer Revolution kann man nicht so genau auf die Verfassung achten. Ein paar Prozentchen mehr oder weniger …
Das kann man ja alles machen. Nur, Putin beruft sich darauf und sagt: „Es gab nicht die verfassungsmäßige Mehrheit für die Abwahl“,
(Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Über 80 Prozent, Herr Gysi!)
und stützt sich deshalb auf Schreiben, die Janukowitsch ihm sendet.
Außerdem:
Bei der Abstimmung im Parlament standen lauter Bewaffnete herum. Das ist nicht besonders demokratisch. Bei der Volksabstimmung auf der Krim am kommenden Sonntag stehen auch lauter bewaffnete Soldaten herum. Auch das ist nicht besonders demokratisch.
(Norbert Spinrath (SPD): Aha!)
Interessant ist, dass Sie, Frau Bundeskanzlerin, sagen, ein solcher Volksentscheid sei nach der ukrainischen Verfassung verboten.
Wann gilt sie denn nun und wann nicht? Bei der Abwahl des Präsidenten gilt sie nicht, und bei der Abstimmung auf der Krim soll sie plötzlich gelten. Sie müssen schon wissen:
Akzeptieren Sie die ukrainische Verfassung ganz oder nur in bestimmten Teilen, wenn es Ihnen genehm ist?
Das ist die Art, die ich kenne und die ich nicht mag.
(Beifall bei der LINKEN)
Dann wurde eine neue Regierung gebildet, sofort anerkannt von Präsident Obama, auch von der EU, auch von der Bundesregierung.
Frau Merkel! Der Vizepremierminister, der Verteidigungsminister, der Landwirtschaftsminister, der Umweltminister, der Generalstaatsanwalt das sind Faschisten. Der Chef des nationalen Sicherheitsrates war Gründungsmitglied der faschistischen Swoboda-Partei. Faschisten haben wichtige Posten und dominieren zum Beispiel den Sicherheitssektor. Noch nie haben Faschisten freiwillig die Macht wieder abgetreten, wenn sie einmal einen Teil davon erobert hatten.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wie Kommunisten!)
Zumindest die Bundesregierung hätte hier eine Grenze ziehen müssen, schon aufgrund unserer Geschichte.
(Beifall bei der LINKEN)
Als Haiders FPÖ in die österreichische Regierung ging, gab es sogar Kontaktsperren und Ähnliches. Und bei den Faschisten in der Ukraine machen wir nichts? Swoboda hat engste Kontakte zur NPD und zu anderen Naziparteien in Europa. Der Vorsitzende dieser Partei, Oleg Tjagnibok, hat Folgendes wörtlich erklärt. Ich zitiere jetzt; Sie müssen sich anhören, was er wörtlich gesagt hat.
Anführungsstriche: Schnappt euch die Gewehre, bekämpft die Russensäue, die Deutschen, die Judenschweine und andere Unarten.
Ende des Zitats. – Ich wiederhole. Dieser Mann hat gesagt
Anführungsstriche: Schnappt euch die Gewehre, bekämpft die Russensäue, die Deutschen, die Judenschweine und andere Unarten.
Ende des Zitats. – Es gibt jetzt Übergriffe auf Jüdinnen und Juden und auf Linke, und gegen all das sagen Sie nichts?
Mit diesen Swoboda-Leuten reden Sie? Ich empfinde das als einen Skandal. Ich muss Ihnen das ganz klar sagen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt wollen Sie, auch das haben Sie angekündigt, Sanktionen verhängen, wenn es nicht anders ginge, wie Sie sagen. Aber die werden Putin nicht imponieren. Das spitzt doch die Situation nur zu.
Kissinger, der ehemalige Außenminister der USA, hat recht. Er sagt, die Sanktionen seien nicht Ausdruck einer Strategie, sondern Ausdruck des Fehlens einer Strategie. Das gilt auch für die eskalierenden Militärflüge über Polen und die baltischen Republiken. Was soll das?
Konten von Janukowitsch und seinen Anhängern sind gesperrt, weil es gestohlenes Staatsgeld sei.
Meine Frage: Das wussten Sie vorher nicht? – Zweite Frage: Warum eigentlich nur deren Konten?
Was ist mit dem Milliardenvermögen der Oligarchen, die andere Kräfte unterstützen? Warum machen Sie da nichts? Wie einseitig läuft das eigentlich alles?
(Beifall bei der LINKEN)
Es gibt nur den Weg der Diplomatie.
Erstens. Der Westen muss die legitimen Sicherheitsinteressen Russlands auf der Krim anerkennen, wie das übrigens auch US-Außenminister Kerry erkannt hat. Es muss ein Status für die Krim gefunden werden, mit dem die Ukraine, Russland und wir leben können.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Russland muss garantiert werden, dass die Ukraine nicht Mitglied der NATO wird.
Zweitens. Die Perspektive der Ukraine liegt in einer Brückenfunktion zwischen EU und Russland.
Drittens. Es muss in der Ukraine ein Prozess der Verständigung und Versöhnung zwischen Ost und West eingeleitet werden, vielleicht über einen föderalen oder konföderalen Status, vielleicht auch über zwei Präsidenten.
Was ich der EU und der NATO vorwerfe: Bis heute ist kein Verhältnis zu Russland gesucht und gefunden worden. Das muss sich jetzt gründlich ändern.
(Beifall bei der LINKEN)
Sicherheit in Europa gibt es weder ohne noch gegen Russland, sondern nur mit Russland. Wenn die Krise eines Tages überwunden ist, könnte ein Vorteil darin bestehen, dass das Völkerrecht endlich wieder von allen Seiten respektiert wird.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)“
Quelle: DIE LINKE
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Bundestag – Aussprache zur Regierungserklärung (1) am 13.03.2014
Aussprache zur Regierungserklärung zur Lage in der Ukraine.
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Bundestag – Aussprache zur Regierungserklärung (2) am 13.03.2014
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Stromtrassen für die Kohlewirtschaft?
Veröffentlicht: 21. Februar 2014 Abgelegt unter: Energie-Politik, Zitate | Tags: Dr. Angela Merkel, Emile Michael Cioran, Kohlekraftwerke, Peter Altmaier, Prof. Christian von Hirschhausen, Prof. Claudia Kemfert, Prof. Lorenz Jarass, Sigmar Gabriel, Stefan Wenzel 3 Kommentarezur Einstimmung:
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„Man möchte zuweilen ein Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen,
sondern um ihn auszukotzen.“
Emile Michael Cioran (1911 – 1995), französischer Philosoph und Schriftsteller
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Es ließ sich leider nicht zweifelsfrei ermitteln, welcher konkrete Anlass dieses zynische Statement bei Monsieur Cioran auslöste. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Ursache nicht dem für die deutsche Energiewende zuständigen Wahrheitsministerium anzulasten ist.
Sowohl von dort als auch von den Block-Pfeifen wird allerdings seit Monaten das Dogma verbreitet, ohne Netzausbau könne es keine Energiewende geben.
Mehr noch, besorgte Bürgerinnen und Bürger, die sich in eigens gegründeten Initiativen organisiert haben, um sich gegen den Bau neuer Stromautobahnen zu wehren, geraten in den Ruf von ewig Gestrigen, Störern oder inkompetenten Bremsern.
Nachfolgende Zitate mögen diesen Eindruck verdeutlichen: Den Rest des Beitrags lesen »
Nachbetrachtungen und semantische Eiertänze zum ukrainischen Konflikt
Veröffentlicht: 21. Februar 2014 Abgelegt unter: Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), Ukraine | Tags: Dr. Angela Merkel, EVP, UDAR, Vitali Klitschko, Wladimir Putin Hinterlasse einen KommentarNachfolgend einige Nachbetrachtungen zum gestrigen Beitrag „ukrainische Betrachtungen – viele Fragen – wenige Antworten“
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Ihr Oeconomicus
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Hintergrund-Informationen zu diversen Verquickungen
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Seminar mit der politischen Partei UDAR von Vitali Klitschko
Am 09. November 2013 organisierte die Konrad-Adenauer-Stiftung zusammen mit der Jugendorganisation der politischen Partei UDAR von Vitali Klitschko ein Seminar zum Thema „Die Perspektive der Ukraine im Kontext des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union“.
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Konrad-Adenauer-Stiftung
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Studien- und Dialogprogramm für Parlamentsabgeordnete der Fraktion UDAR aus der Ukraine
Inlandsprogramme der Konrad-Adenauer-Stiftung – Veranstaltungsbeiträge, Berlin, 28. Nov. 2013
Hrsg.: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
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Ost-West-Konflikt um die Ukraine: Merkel kämpft für Klitschko
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Gruppe der konservativen Parteien in der EU (EVP) wollen den ukrainischen Politiker und Profiboxer Vitali Klitschko durch gemeinsame Auftritte in der Öffentlichkeit stärken. Ziel ist nach SPIEGEL-Informationen, ihn zum Oppositionsführer und Gegenkandidaten zu Präsident Wiktor Janukowitsch aufzubauen.
[…]
SpOn – 08.12.2013
follow-up, 20.02.2014
Bundeskanzlerin Merkel telefonierte mit Präsident Putin und mit Präsident Obama zur Ukraine
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, teilt mit:
“Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am frühen Abend sowohl mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als auch mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama telefoniert.
Die Bundeskanzlerin unterrichtete die Präsidenten über die laufende Mission der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens in Kiew.
Die Bundeskanzlerin und die Präsidenten stimmten darin überein, dass schnellstmöglich eine politische Lösung der Krise in der Ukraine gefunden werden und das Blutvergießen aufhören müsse.”
Bundesregierung – Pressemitteilung: 42
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So wird die Sichtweise des Kreml-Pressedienstes dargestellt:
„Ein Telefongespräch fand zwischen Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel statt. Während des Gesprächs haben Putin und Merkel im Detail die dramatischen Ereignisse in der Ukraine erörtert und ihre ernste Besorgnis über die Eskalation des Innenkonflikts geäußert, der zu zahlreichen Menschenopfern geführt hat“
heißt es in der Meldung.
Putin und Merkel brachten auch ihre gemeinsame Sicht hinsichtlich der Notwendigkeit der Ergreifung von Maßnahmen zur Stabilisierung der Situation in der Ukraine zum Ausdruck. Der russische Präsident wies darauf hin,
dass die westlichen Länder darauf verzichten sollten, die ukrainische Staatsführung zu beschuldigen.
Zugleich erklärte Putin die Bedeutung der „harten Verurteilung der Oppositionskräfte schuldig an der Organisation der widerrechtlichen extremistischen und terroristischen Handlungen.“
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follow-up, 20.02.2014 – 20:36h
Nach Medienberichten soll der ukrainische Präsident zu Neuwahlen noch im laufenden Jahr seine Zustimmung signalisiert haben, während die inhaftierte “Gasprinzessin” mit unversöhnlichen Worten die Opposition aufgefordert hat, mit dem Staatspräsidenten erst gar nicht mehr zu reden.
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follow-up, 21.02.2014 – 09:15h
Die Verhandlungen über eine Lösung der Krise mit Teilnahme des Staatspräsidenten Wiktor Janukowtsch, der Oppositionsanführern und Vermittler der EU und Russlands endeten erfolgreich.
Dies berichtet die Pressestelle des Staatschefs.
Die Seiten einigten sich auf Paraphierung einer Vereinbarung über eine Regelung der Krise.
Die Vereinbarung soll heute (Freitag) um 12.00 Uhr in der Präsidialbehörde unterzeichnet werden.
ukrinform
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follow-up, 21.02.2014 – 09:40h
Verhandlungen dauerten mehr als acht Stunden
Die Verhandlungen der Außenminister Deutschlands Frank-Walter Steinmeier und Polens Radoslaw Sikorski mit Präsidenten der Ukraine Wiktor Janukowytsch sind beendet. Der polnische Minister Radoslaw Sikorski teilte jedoch mit, dass die Gespräche fortgesetzt werden. Am Vormittag ist noch ein Treffen mit Wiktor Janukowytsch geplant.
[…]
ukrinform
Regierungserklärung von Angela Merkel am 29.01.2014
Veröffentlicht: 30. Januar 2014 Abgelegt unter: Deutscher Bundestag, externe Reaktionen, Regierungserklärungen | Tags: Dr. Angela Merkel, Dr. Gregor Gysi, EU-Assoziierungsabkommen, EU-Russland-Gipfel, Ukraine Hinterlasse einen KommentarSitzung des Deutschen Bundestags
mit Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
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Auszug (Hervorhebungen durch den Autor):
„Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Angesichts der aktuellen Ereignisse lassen Sie mich bitte zu Beginn einige Worte zur Lage in der Ukraine sagen. Durch den Druck der Demonstrationen werden jetzt ganz offensichtlich ernsthafte Gespräche zwischen dem Präsidenten und der Opposition über notwendige politische Reformen möglich.
Der Bundesaußenminister, das Kanzleramt und die deutsche Botschaft in Kiew unterstützen die Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts und die berechtigten Anliegen der Opposition mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln..
Wir stehen dazu auch in engem Kontakt mit der Hohen Beauftragten Lady Ashton und werden unsere Bemühungen in den nächsten Stunden und Tagen fortsetzen.
Viele Menschen in der Ukraine haben seit dem EU-Gipfel zur Östlichen Partnerschaft Ende November in Vilnius in mutigen Demonstrationen gezeigt, dass sie nicht gewillt sind, sich von Europa abzukehren..
Im Gegenteil:
Sie setzen sich für die gleichen Werte ein, die auch uns in der Europäischen Union leiten, und deshalb müssen sie Gehör finden.
Unverändert gilt, dass die Tür für die Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens durch die Ukraine weiter offen steht. Und unverändert gilt, dass die Gefahr eines Entweder-oder im Hinblick auf das Verhältnis der Länder der Östlichen Partnerschaft zu Europa oder zu Russland überwunden werden muss und – davon bin ich überzeugt – in geduldigen Verhandlungen auch überwunden werden kann.
Genau dies haben auch der EU-Ratspräsident Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Barroso gestern beim EU-Russland-Gipfel gegenüber dem russischen Präsidenten Putin noch einmal zum Ausdruck gebracht. Auch die Bundesregierung wird dies gegenüber Russland unvermindert zum Ausdruck bringen, zum Wohle aller in der Region.
[…]“
bundesregierung.de
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Es gilt das gesprochene Wort, daher hier die Rede der Kanzlerin als Video-Beitrag:
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Gysi zu Merkel: „Regierungserklärung hat mit Realität nichts zu tun!“
Gregor Gysi (LINKE) antwortet am 29. Januar 2014 als Oppositionsführer auf die Regierungserklärung von Angela Merkel (CDU).
[Quelle: Deutscher Bundestag]
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Anmerkungen zur Rede der Bundeskanzlerin
„Durch den Druck der Demonstrationen werden jetzt ganz offensichtlich ernsthafte Gespräche zwischen dem Präsidenten und der Opposition über notwendige politische Reformen möglich.“
Wodurch wurde der sogenannte Druck der Demonstrationen ausgelöst?
Etwa durch massive finanzielle Mittel seitens interessierter Gruppen der USA und NGOs ggfls. im Auftrag der EU oder deutscher Auftraggeber und Financiers, mit dem Ziel einen Staatsstreich zu ermöglichen und in der Folge im Konzert mit dem IMF das Land auszuplündern und über die NATO militärischen Druck gegenüber Russland aufzubauen?
„Viele Menschen in der Ukraine haben seit dem EU-Gipfel zur Östlichen Partnerschaft Ende November in Vilnius in mutigen Demonstrationen gezeigt, dass sie nicht gewillt sind, sich von Europa abzukehren.“
Um wie viele Menschen handelt es sich dabei? In welchen Teilen der Ukraine sind diese Menschen zu Hause? Welche konkreten Erwartungen zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen haben diese Menschen? Wie wäre es denn mit einer Volksabstimmung pro oder con EU-Assoziation und Beitrittsverhandlungen?
„Auch die Bundesregierung wird dies gegenüber Russland unvermindert zum Ausdruck bringen, zum Wohle aller in der Region.“
Die Begrifflichkeit „zum Wohle aller“ wirkt recht eindimensional.
Ist damit das Wohl aller Ukrainer gemeint, das Wohl ukrainischer Oligarchen, ein erfolgreiches Setup pro-westlicher Puppets in Regierungsverantwortung, usw.?
Und wie denkt man sich das Wohl der Menschen in den Nachbarstaaten der Ukraine? Ist es nicht so, dass es, sobald man sich für Partikular-Interessen einsetzt, auch Verlierer geben muss? Wo wären diese potentiellen Verlierer zu verorten?
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Ihr Oeconomicus
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Archiv-Beitrag:
Diagnosis and Prospects for Ukrainian Politics