Wie lange soll unsere zunehmend schwindende Geduld noch mißbraucht werden ?

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zur Einstimmung:
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Im Sinne des nachfolgenden Beitrags
leicht modifizierter Pink Floyd-Songtext
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„We dont need your education
We don’t need your thought control
No political correctness from presstitution
Chancellor leave the folks alone
Hey! Chancellor! Leave the folks alone!
All in all it’s another writing for you on the wall.
[…]“
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Wie lange soll unsere zunehmend schwindende Geduld noch mißbraucht werden ?
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Als Reaktion auf die thymotisch (nach Peter Sloterdijk) geprägten Wahlergebnisse in MeckPomm und Berlin sah sich die Statthalterin im Kanzleramt genötigt, während der Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus einen hypostatisch (Immanuel Kant definierte die Wortschöpfung „Hypostase“ als etwas, was nur in Gedanken existiert, dem man dieselbe Qualität zuschreibt, die einem wirklichen Gegenstand außerhalb des denkenden Subjekts zukommt) geprägten Salto Mortale (italienisch: Todessprung) zu wagen.
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Merkels semantische Drahtseil-Peformance, klingt mitnichten nach Abkehr, sondern eher als Verfestigung irregeleiteter Positionen und ist bestenfalls als Ausdruck einer kaum zielführenden Wahlkampfstrategie zu sehen.
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Auszüge:
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„…Der Satz: „Wir schaffen das“ ist Teil meiner politischen Arbeit, er ist Ausdruck von Haltung und Ziel. Viel ist in diesen eigentlich alltagsprachlichen Satz hineininterpretiert, ja, sogar hineingeheimnist worden. So viel, dass ich ihn inzwischen am liebsten kaum noch wiederholen mag. Ist er doch zu einem schlichten Motto, beinahe einer Leerformel geworden. Und die Diskussion um ihn zu einer immer unergiebiger werdenden Endlosschleife. Manch einer, und das zählt besonders, fühlt sich zudem von diesem Satz provoziert.

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Und so war der kurze Satz natürlich nie gemeint. Ich habe ihn anspornend, dezidiert anerkennend gemeint, denn ich bin zutiefst von der Hilfsbereitschaft und Schaffenskraft der deutschen, aller hier lebenden, Menschen überzeugt. Aber ich weiß auch, dass wir gemeinsam viel zu schultern haben. Dass sich das aber in den übertrieben oft wiederholten drei Worten nicht sofort abbildet. Die Aufgabe, Hunderttausenden Menschen, die schon zu uns gekommen sind, mindestens vorübergehend Schutz zu geben, macht sich nicht mal eben einfach so. Und schon gar nicht über Nacht.
[…]
Das alles sagt sich schnell, es geht aber nicht schnell. Auch weil wir in den vergangenen Jahren, weiß Gott, nicht alles richtig gemacht haben. Weil wir auch wirklich nicht gerade Weltmeister bei der Integration waren, weil wir zum Beispiel auch zu lange gewartet haben, bis wir uns der Flüchtlingsfrage wirklich gestellt haben. Wir müssen uns also jetzt gleichsam selbst übertreffen. Auch ich.

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Auch ich habe mich lange Zeit gerne auf das Dublin-Verfahren verlassen, das uns Deutschen, einfach gesprochen, das Problem abgenommen hat. Und das war nicht gut.

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Und wenn ich könnte, würde ich die Zeit um viele, viele Jahre zurückspulen, um mich mit der ganzen Bundesregierung und allen Verantwortungsträgern besser vorbereiten zu können auf die Situation, die uns dann im Spätsommer 2015 eher unvorbereitet traf.
[…]
Gibt das alles nun Anlass, meinen Kurs in der Flüchtlingspolitik ganz oder teilweise zu korrigieren, wie es laut einer Umfrage vor einer Woche 82 Prozent der Befragten sich wünschen? Wenn ich der schieren Zahl präzise entnehmen könnte, welche Kurskorrektur sich diese Menschen genau wünschen, so wäre ich gerne bereit, darüber nachzudenken und auch darüber zu sprechen. Darüber gibt diese Umfrage aber nun keine Auskunft.

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Wenn gemeint sein sollte, dass die Menschen schlichtweg keine Fremden, speziell keine Menschen islamischen Glaubens, bei uns aufnehmen wollten, dann stehen dem unser Grundgesetz, völkerrechtliche Bindungen unseres Landes, aber vor allem auch das ethische Fundament der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands und meine persönlichen Überzeugungen entgegen. Den Kurs kann ich und die CDU nicht mitgehen.

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Wenn die 82 Prozent mir aber eigentlich sagen wollen – unabhängig davon, welche konkreten Einzelmaßnahmen auch immer wir Politiker nach rechtlicher und politischer Abwägung beschließen –, es soll sich die Situation nicht wiederholen, wie wir sie im vergangenen Jahr infolge einer humanitären Notlage hatten, mit einem in Teilen zunächst unkontrollierten und unregistrierten Zuzug: Dann kämpfe ich genau dafür, dass sich das nicht wiederholt. Dem dienen alle Maßnahmen der letzten Monate.

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Die Wiederholung dieser Situation will niemand – auch ich nicht. Ich möchte nichts versprechen, was ich nicht halten kann, aber, auch jetzt kommen schon immer weniger Menschen zu uns. Das ist natürlich auch eine Folge des Schließens der Balkanroute, dabei hilft aber vor allem und das weiß ich, dass das umstritten ist, aber dabei hilft vor allem das EU-Türkei-Abkommen. Ich halte es nach wie vor für ein sehr wichtiges, sehr sinnvolles Abkommen, auch wenn es immer noch nicht komplett ausverhandelt ist, wenn wir zum Beispiel an die Visa-Regelung denken. Aber es ist uns mit diesem Abkommen beispielsweise bereits gelungen, das Schlepperwesen in der Ägäis wirksam zu bekämpfen. Das hat auch vielen Menschen das Leben gerettet und das ist großartig.
[…]
All das was ich Ihnen hier sage, wird niemanden überzeugen, der immer nur, und das auch noch ausdauernd, „Merkel weg“ schreit. Das ist mir klar. Es heißt ja neuerdings, wir lebten in postfaktischen Zeiten. Das soll wohl heißen, die Menschen interessieren sich nicht mehr für Fakten, sie folgen allein den Gefühlen.

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Und das Gefühl einiger geht so: Ich triebe unser Land in die Überfremdung, Deutschland sei bald nicht mehr wiederzuerkennen, und nun wäre es unlogisch, dies mit Fakten zu kontern, auch wenn ich – dafür kennen Sie mich ausreichend – sofort in der Lage wäre, das herunterbeten zu können. Ich will dem also meinerseits mit einem Gefühl begegnen:
Ich habe das absolut sichere Gefühl, dass wir aus dieser zugegeben komplizierten Phase, besser herauskommen werden, als wir in diese Phase hineingegangen sind.

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Deutschland wird sich verändern, so wie wir uns alle verändern, wenn wir nicht gerade aus Stein sind. Es wird sich aber in seinen Grundfesten nicht erschüttern lassen. Das ist selbst in dem so einschneidenden, ja durchaus auch verunsichernden, vergangenen Jahr nicht passiert. Wer also wenn nicht wir, sollte fähig sein, etwas Gutes aus dieser Zeit zu machen, davon bin ich zutiefst überzeugt und das leitet mich als Bundeskanzlerin und als CDU-Vorsitzende. Das sind meine Gedanken nach den Landtagswahlen und in diesem Sommer, auch um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, die wir jetzt nicht überzeugen konnten, zurückzugewinnen. Mit tatsächlich tragfähigen Lösungen, Schritt für Schritt.“

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Vielleicht fragt sich der geneigte Leser, ob die Kanzlerin  im Sinne von Kant hinsichtlich ihrer sturen Haltung in der Flüchtlingspolitik an einer Art von Zwangsneurose leidet, die sich nach Siegmund Freud dadurch äußert, dass Menschen mit dieser Krankheit von Gedanken beschäftigt werden, die sie zu Handlungen veranlasst, deren Ausführung ihnen zwar kein Vergnügen bereitet, deren Unterlassung ihnen aber ganz unmöglich ist.
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Angesichts von mehr als 500,000 Asylbewerbern in Deutschland, deren Antrag bereits abgelehnt wurde und deren Abschiebung mutmaßlich -wie sich der Chef der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt ausdrückte- durch eine Abschiebeverhinderungsindustrie verhindert wird, macht deutlich, dass sich Merkels Ansinnen, leichtfertig verspieltes Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen, möglicherweise als ein hoffnungsloses Unterfangen darstellt.
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Merkels unglaubwürdiges Schaustück lässt darauf schließen, dass sie auch weiterhin vorhat, die zunehmend schwindende Geduld der Bevölkerung missbrauchen zu wollen, was uns zu der berühmten Rede von Cicero gegen Catilina führt.
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Dessen rhetorische Fragen, die darauf abzielten, Catilina öffentlich bloßzustellen und als jemanden zu kennzeichnen, der gegen das römische Gemeinwesen handelt sind es wert, sich im Zusammenhang mit Merkels anmaßender Politik, die sich gegen eine überwiegende Mehrheit im Land richtet, erneut Revue passieren zu lassen:
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  • „Wie lange, Catilina, willst du unsere Geduld noch missbrauchen?
  • Wie lange soll diese deine Raserei ihr Gespött mit uns treiben?
  • Bis zu welchem Ende soll die zügellose Frechheit ihr Haupt erheben?
  • Hat die Besetzung des Palatiums während der Nacht keinen Eindruck auf dich gemacht, keinen die bange Furcht des Volkes, keinen der Auflauf aller Guten, keinen diese so stark befestigte Versammlungsstätte des Senats, keinen die Blicke und Mienen der Anwesenden?
  • Dass deine Pläne klar zutage liegen, merkst du nicht?
  • Dass durch das Einvernehmen all dieser Männer hier deine Verschwörung in Fesseln geschlagen ist, siehst du nicht?
  • Was du in der letzten, was du in der vorletzten Nacht getrieben hast, wo du gewesen bist, wen du zusammengerufen und welchen Plan du gefasst hast – wer von uns, meinst du, wüsste das nicht?“
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Merkels selbst herbeigeführtes Menetekel hat in der Bevölkerung einen so tiefen Vertrauensverlust herbeigeführt, dass man tatsächlich geneigt sein könnte, ihr zuzurufen:
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Hey! Chancellor! Leave the folks alone!
All in all it’s another writing for you on the wall.
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Ihr Oeconomicus
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Zeit für einen Schlussstrich bei der Eurorettung

Ludwig Poullain
Zeit für einen Schlussstrich bei der Eurorettung

Einst Kritiker der eigenen Zunft, knöpft sich der ehemalige WestLB-Chef Ludwig Poullain jetzt die Kanzlerin vor:
ihr Krisenmanagement hält er für falsch – und plädiert für einen Austritt aus der Euro-Zone: Das geflossene Geld sei weg, der bisherige Rettungsversuch ein Fiasko.
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Anmerkung
Erkenntnisreiche und sehr empfehlenswerte Analyse, in welcher Poullain kein Blatt vor den Mund nimmt und mit einer stringenten Argumentation – der erfahrende Ökonomen nur zustimmen können – darlegt, warum das ‚Friedensprojekt‘ Euro und EU in der heutigen Form scheitern muß!

Ihr Oeconomicus

Seite 1 – Einführung
Seite 2: Was hätte die Kanzlerin in dieser Euroschuldenkrise anders machen sollen?
Seite 3: Nicht Griechenland, sondern Frankreich, Italien und Spanien sind die schwierigsten Fälle
Seite 4: Die Grundlage der Leistungsfähigkeit unserer Industrie
Seite 5: Die Strukturprobleme werden Spanien, Italien und Frankreich an die Wand drücken
Seite 6: Das Europa der Wunsch- und Wahnvorstellungen
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Kommentare zum Cicero-Artikel
Auszüge
Wolfgang Schäfer 09.10.2012 | 12:06 Uhr
Treffende Analyse, realistischer Ausblick
Chapeau!, Herr Poullain. Anders als Ihr Altersgenosse Helmut Schmidt, haben Sie sich Ihren gesunden Menschenverstand bewahrt und analysieren die Situation klar und ziehen die richtigen Schlüsse. So wie Olaf Henkel übrigens, dessen Vorschlag eines Nord-EUROs mir Ihrem Vorschlag nicht unähnlich scheint.
Auch meine Überzeugung ist es seit langem, daß die EU nur eine Zukunft als neu zu definierende EWG hat. Aber der Widerstand der Eurokraten und ihrer journalistischen Wasserträger dagegen wird immens sein. Um diesen zu erwartenden Widerstand zu brechen, brauchen wir eine neue selbstbewußte Politikergeneration, die ich im Moment leider noch nicht sehe.
Übrigens: Ihr Bild von den Merkel unterstützenden MdBs als Terrakottasoldaten: köstlich!
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Dr. Hans-Jürgen Bethke 09.10.2012 | 12:49 Uhr
Poullain … Genug Euro
Als Deutscher, der seit 1998 in Baku (Aserbaidschan) lebt und arbeitet, erlaube ich mir, mit 20 Jahren unternehmerischer Erfahrung, dem hochgeschätzten Herrn Poullain noch einen weiteren Gedanken gegen die selbstmörderische Euro-Rettung nahezulegen: In Ländern wie „meinem“, die bemüht sind, sich vom deutschen Vorbild etwas für die eigene Entwicklung abzuschauen, fühlen sich viele Denker und Lenker nur noch irritiert von diesem Kurs der Bundesregierung, die Grundsätze einer geordneten Haushaltsführung und das Ziehen von Konsequenzen bei deren Nichteinhaltung einfach über Bord zu werfen. Die EU-Staaten und die Bundesregierung machen momentan genau das. Erzwungene Staatsleistungen in Gestalt von „Rettungsschirmen“ sind Selbstbetrug, denn das böse Erwachen kommt, wenn die vermeintlich stabilen Länder Europas, die Herr Poullain so trefflich beschrieben hat, aufgrund nicht mehr zu kaschierender Strukturschwächen wie Kartenhäuser einstürzen werden.
Und „wir“ predigen den Aserbaidschanern, diversifiziert die Wirtschaft für die Zeit nach dem Öl und dem Gas, investiert in Wachstumszweige der Industrie und steckt etwas in den Sparstrumpf und vor allem: Lügt Euch nicht selbst in die Taschen…
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Der Autor
Der 92‑jährige Poullain hat als ehemaliger Chef der WestLB und Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands das deutsche Bankwesen geprägt. Selbst während seiner Zeit bei der WestLB in einen Skandal um einen Beratervertrag verstrickt, hat er sich nach seinem Abschied aus der Welt der Banker zu deren schärfsten Kritiker entwickelt. Berühmt geworden ist seine „Ungehaltene Rede“ über den Sittenverfall im deutschen Bankwesen, geschrieben 2004 für die Verabschiedung des NordLB‑Chefs Manfred Bodin. Der Vortrag wurde aufgrund seines kritischen Inhalts kurzfristig abgesagt, erschien dann aber wenig später in voller Länge in der FAZ.

Verfassungsbeschwerden gegen die Europolitik der Bundesrepublik Deutschland

Zitat zum Tage

„Eine Nation kann ihre Dummköpfe und sogar ihre Ehrgeizigen überleben,
aber nicht Verrat von innen.
Ein Feind am Tor ist weniger schrecklich,
denn er ist bekannt und trägt seine Fahne für alle sichtbar.
Der Verräter hingegen bewegt sich frei im Hause,
sein listiges Geflüster raschelt durch alle Gänge
und wird sogar in den Hallen der Regierung gehört.
Der Verräter erscheint nicht als Verräter;
er spricht die Sprache seiner Opfer, und er hat ihre Züge, trägt ihre Kleider;
er spricht die Gefühle tief im Herzen dieser Menschen an.
Er verdirbt die Seele des Landes.
Er arbeitet im Geheimen, unbekannt, und untergräbt die Säulen des Hauses.
Er verdirbt die Politik, so dass sie nicht länger widerstehen kann.
Einen Mörder braucht man weniger zu fürchten.“

Diese Erkenntnisse werden Marcus Tullius Cicero zugeschrieben, welche er in seiner Rede „Verrat an der Nation“ vor dem Römischen Senat vorgetragen haben soll.

Prof. Dr. iur. K. A. Schachtschneider
Ordinarius em. des Öffentlichen Rechts der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
KASchachtschneider@web.de


Bild-Datei veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Schachtschneider

Verfassungsbeschwerde

und

Antrag auf einstweilige Anordnung

von

1. Dr. phil. Bruno Bandulet, Bad Kissingen

2. Prof. Dr. rer. pol. Wilhelm Hankel, Königswinter

3. Prof. Dr. rer. pol. Wilhelm Nölling, Grönwohld

4. Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider, Berlin

5. Prof. Dr. rer. pol. Dr. h.c. Joachim Starbatty, Tübingen

Verfahrensbevollmächtigter:
Universitätsprofessor Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider
Antragsteller

gegen

die Europolitik der Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung der Grundrechte der
Beschwerdeführer aus Art. 38 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 146, Art. 1 Abs. 1,
Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 4 GG

Prof. Schachtschneider’s einführende Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde:

„In der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juli 2012 über die Anträge auf einstweilige Anordnung an den Bundespräsidenten und die Bundesregierung, die Ausfertigung der Zustimmungsgesetze zur Änderung des Art. 136 AEUV, zum ESM-Vertrag und zum Fiskalvertrag und deren Ratifizierung zu unterlassen, solange das Bundesverfassungsgericht nicht über die Verfassungsbeschwerden gegen diese Rechtsakte entschieden hat:

Der Politik, die wir mit der Verfassungsbeschwerde unterbinden wollen, geht es um die Rettung des Euro, vordergründig, in ihrer Finalität geht es ihr darum, die Integration der Europäischen Union zu einem existentiellen Staat voranzutreiben, endgültig die Grenze zum Bundesstaat zu überschreiten. Dafür setzt sie das wirksamste Mittel des Modernen Staates, die Vergemeinschaftung der Finanzen, ein. Sie gibt dafür die existentielle Staatlichkeit der beteiligten Mitgliedstaaten auf, deren Souveränität, und opfert sogar das Königsrecht der Parlamente, die Haushaltsverantwortung.

Wir setzen dieser Politik das Recht entgegen und mit dem Recht die Freiheit der Bürger. Die politische Freiheit entfaltet sich im Staat. Es ist der Staat der Bürgerschaft, des Volkes. Das Volk allein hat die Hoheit, solange es frei ist. Die Hoheit des Volkes ist seine Souveränität. In Souveränität gestaltet es seine Lebensordnung, sein Verfassungsgesetz. Dieses bestimmt und begrenzt die Politik, nach innen und außen, tagtäglich. Jedenfalls im Kern darf die Politik deren Grenzen nicht überschreiten, ohne das Volk zu fragen, d. h. ohne ein neues Verfassungsgesetz des pouvoir constituant, das den Weg für diese Politik freimacht. Das gilt im besonderen Maße, wenn ein neuer, größerer Staat begründet werden soll, der eine „andere Menge von Menschen“ zu einem neuen Volk verfassen soll. Der neue, größere Staat bedarf der Legitimation des neuen Volkes, der demokratischen Legitimation.

Den neuen, großen Staat strebt die Politik an, objektiv und auch subjektiv, ohne es zuzugeben, weil die Politiker fürchten, die Völker nach deren Zustimmung zu fragen, zumal in Deutschland. Sie geben vor, nur die Währung stabilisieren zu wollen, aber die Währung ist der Hebel, den Unionstaat zu erzwingen. Längst räumen die Politiker ein, daß die Währungs- und Wirtschaftsunion ohne politische Union zum Scheitern verurteil ist. Wir haben das in unsere Euro-Klage 1998 vorgetragen und das Scheitern des Euro ohne politische Union dargelegt. Der Senat hat schon im Maastricht-Urteil 1993den geplanten Versuch der Währungsunion zugelassen, wenn denn diese eine Stabilitätsgemeinschaft ist. Das konnte sie nicht sein, weil der optimale Währungsraum fehlte und weiter fehlt, die große, aber nötige Konvergenz. Nicht die Konvergenz hat sich weiterentwickelt, sondern die Divergenz ist gestiegen, der ökonomischen Gesetzlichkeit folgend, welche weniger entwickelten Volkswirtschaften gegenüber stärkeren im Binnenmarkt ohne Schutz, ohne Zölle, keine Chance läßt, sich anzugleichen, schon gar nicht mit einheitlicher Währung ohne Abwertungsmöglichkeit. Die Zinssubventionen der Einheitswährung hat die Angleichung der Lebensverhältnisse ermöglicht, die eigentliche Triebfeder der europäischen Integration für die Völker mit schwächerer Volkswirtschaft, aber auf Kredit. Die Finanzmärkte haben die Finanzierungsschwäche dieser Volkswirtschaften schonungslos offengelegt. Deren Schulden sind über das Refinanzierungsmaß hinausgewachsen. Die Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft ist gescheitert. Sie ist nicht zu retten, auch nicht als Schuldenunion. Sie ist und wird mit jeder Rettungsmaßnahme mehr eine Inflationsgemeinschaft.

Das Scheitern des Euro rechtfertigt nun wirklich die Aufgabe der Souveränität nicht. Die kritisierte Politik gibt die freiheitliche demokratische Grundordnung, Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat, auf. Sie riskiert die Widerstandslage. Sie ruiniert die Grundlagen wirtschaftlicher Prosperität, zwingt Staaten und Völker in die Austerität. Sie gefährdet die politische Stabilität.

Das Hohe Gericht ist aufgefordert, die vertrags- und verfassungswidrige Politik des Umsturzes zu beenden und die Widerstandslage aufzulösen. Der erste notwenige Schritt ist es, dem Bundespräsidenten und der Bundesregierung die Ausfertigung der Zustimmungsgesetze und die Ratifikation des ESM und des Fiskalpaktes wie der Novellierung des Art. 136 AEUV zu untersagen, bis die Hauptsache entschieden ist. Der Senat steht in historischer Verantwortung, für das Recht“.

zur Verfassungsbeschwerde – PDF [123 Seiten]

Verfassungsbeschwerde

von

Prof. Dr. iur. Dietrich Murswiek

Beschwerdeführer

Dr. Peter Gauweiler MdB


Bild-Datei: Creative Commons-Lizenz – Urheber: Harald Bischoff

zur Verfassungsbeschwerde – PDF [87 Seiten]

Spannender Auszug aus der Verfassungbeschwerde (s.Seite 63):

„Bezeichnend ist, dass die Bundesregierung für die Vorbereitung des ESM, für die ihr eigener juristischer Sachverstand offenbar nicht ausreichte, externe rechtliche Beratung eingekauft hat, und zwar nicht bei neutralen Experten, sondern bei zwei Anwaltskanzleien, die ständig Investmentbanken betreuen.
Zum einen handelt es sich um die Kanzlei Freshfields-Bruckhaus-Deringer, die als einer der Vorreiter beim Einstieg von Anwaltskanzleien in das Lobbygeschäft in Deutschland gilt, bereits die Entwürfe des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes und des Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetzes formuliert hat, ständig Banken berät und insbesondere Banken auch bei Anträgen für Mittel aus den Banken-Rettungspaketen beraten hat.

Zum anderen handelt es sich um die Kanzlei Hengeler-Mueller, die ständig die Deutsche Bank vertritt und auch andere deutsche und ausländische Banken berät. Sie bezeichnet sich selbst als „Vorreiter bei der Entwicklung neuer Produkte für die europäischen Kapitalmärkte“.

Verfassungsbeschwerde von RA Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin


Bild-Datei: Creative Commons-Lizenz – Urheber: Franz Richter (User:FRZ)

vertreten durch

Prof. Dr. Christoph Degenhart

zur Verfassungsbeschwerde – PDF [116 Seiten]

Replik vom 8. Juli 2012 auf die Schutzschrift des Bevollmächtigten der Bundesregierung vom 25. Juni 2012:

Replik zur Schutzschrift – PDF [10 Seiten]

Auszüge:

„Insbesondere: Haftungshöhe und Haftungsrisiko
Zur Frage insbesondere der Haftungshöhe und der Haftungsrisiken sei ergänzend angemerkt, dass diese von Verfassungswegen nicht nach oben offen sein dürfen. Sie sind es jedoch. Die Ausführungen des Bevollmächtigten der Bundesregierung hierzu sind unvollständig – wie ja auch der Bundestag auf ungesicherter tatsächlicher Grundlage entschieden hat.
So werden insbesondere die kumulierten Risiken der „Rettungspolitik“ und die drohenden Nachschusspflichten nicht einbezogen.
Und ebenso wenig wird offengelegt, dass der Anteil, mit denen Deutschland an den einzelnen Rettungsmaßnahmen beteiligt ist, zwar an sich nach Prozentsätzen festgelegt ist, diese Prozentsätze aber nicht auf Dauer gesichert sind, da sie davon abhängen, welche Staaten im Krisenfall effektiv haften – die Staaten, um deren „Rettung“ es geht, werden dies jedenfalls nicht sein.

Beispielhaft sei verwiesen auf die Risiken aus dem Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB in Höhe von etwa 220 Mrd. Euro; hierauf entfällt für die Bundesrepublik Deutschland ein Anteil von ca. 27%, also etwa 59,4 Mrd. Euro; dies setzt jedoch voraus, dass alle Eurostaaten, also auch Griechenland, Irland und Portugal, als Haftende zur Verfügung stehen. Rechnet man diese drei Staaten heraus, erhöht sich der deutsche Anteil bereits auf 29 Prozent. Sollten auch Italien und Spanien sich unter den Rettungsschirm begeben, läge der deutsche Haftungsanteil bei knapp 43 Prozent oder 94 Mrd. Euro.

Hinsichtlich der Belastungen durch den ESM sei an dieser Stelle erneut betont, dass diese sich nicht, wie die Schutzschrift der Bundesregierung suggeriert, in den 22 Mrd. der einzuzahlenden Bareinlage erschöpft, vielmehr ist der volle Kapitalanteil von (derzeit noch) 190 Mrd. Euro als Verbindlichkeit – und eben nicht als bloßes Gewährleistungsrisiko – zu verbuchen.

Offene Fragen

Hilfreich wäre es, die Bundesregierung hätte sich in ihrer Schutzschrift klar geäußert zu weiteren, während des parlamentarischen Verfahrens insgesamt entweder nicht angesprochenen oder ungeklärt gebliebenen offenen Fragen, die zur Beurteilung der Haftungshöhe, der Haftungsrisiken und auch der Beteiligung des Deutschen Bundestages bzw. der in den Beteiligungsgesetzen festgelegten Gremien wesentlich sind.

– die im Zuge der zweifelhaften Euro-Rettungsversuche der vergangenen Jahre erfolgte kontinuierliche Erweiterung der für die Instrumente und Hilfen des ESM vorgesehenen Einsatzmöglichkeiten

o So verwendet noch Art. 136 Abs. 3, AEUV die sehr strikte Formulierung: „Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungs-Gebiets insgesamt zu wahren.“

o Art. 3 S.1 ESM – Vertrag öffnet bereits mit folgender Formulierung „Zweck des ESM ist es, Finanzmittel zu mobilisieren und ESMMitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. „ .

o In der praktischen Handhabung, insbesondere der durch das Königreich Spanien und die Republik Zypern gestellten Anträge werden diese Voraussetzungen weitgehend unterstellt, und
o die Beschlüsse des Europäischen Rates vom 28. und 29.6.2012 sehen eine noch weitere Öffnung bzw. Absenkung der Voraussetzungen vor.

– die Möglichkeit einer Volumenhebelung, die sich Art. 8 Abs. 2 S. 2 ESM-Vertrag mit der Folge einer Haftung der Bundesrepublik Deutschland für das eingesetzte Kapital zum Ausgabekurs ergibt.

– die Unsicherheit, die sich aus der langjährigen Diskussion in der Bankenwelt über die juristische Gültigkeit und die faktische Durchsetzbarkeit des dem ESM im ESM-Vertrag niedergelegten „preferred status analog dem IWF „ (s. dazu als Übersicht die als Anlage beigefügte Stellungnahme von Hampten Turner/King, Citi Group v. 25.6.2012 ; so seit langem schon Raffer, u.a. in Protokoll der gemeinsamen Anhörung des Bundestagsfinanzausschusses und des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit v. 2.4.2003, ProtNr. 15/13 bzw. 15/12.) ergibt; in dieser Diskussion wird mit zunehmender Dringlichkeit darauf hingewiesen, die diesbezügliche Feststellung der Regierungen in. 13. Erwägungsgrund zum ESMVertrag sei ein „fake“, der zur Beruhigung der Abgeordneten und Steuerzahler angeführt werde, in Wirklichkeit jedoch keine juristische Bedeutung habe, ja im Hinblick u.a. auf Kreditversicherungsfolgen auch nicht haben könne.“

Allgemeines zu Schutzschriften

Was ist eine Schutzschrift? – Erläuterungen