Schottlands Referendum und die Stimmen aus dem Hades

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Public Domain, Author: Yes Scotland Ltd.

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So manch intimer Freund des sogenannten Friedensprojektes mag die Vorstellung von davon schwimmenden Fellen quälen und für diesen Fall mit heißer Nadel fragliche Alternativen stricken.
Jo Leinen der SPD-EU-Parlamentarier und Mitglied des Verfassungsausschusses im EU-Parlament positionierte sich schon mal im DLF-Interview und lässt die Schotten ungefragt wissen:

„… in der Tat ist in den Europa-Verträgen nicht vorgesehen, dass sich ein Staat aufteilt und aus einem Mitgliedsland zwei werden. Schottland hat alle Bedingungen erfüllt, in der EU zu sein und das Land vor die Tür zu setzen käme einer Diskriminierung gleich“

Leinen lässt dabei im Dunkeln, wieso er glaubt, dass sich die schottische Bevölkerung durch erneute Beitrittsverhandlungen mehrheitlich diskriminiert fühlen würde, wenn -wie bereits die EU-Kommission feststellte- Schottland nach einer Abspaltung eben nicht automatisch EU-Mitglied bleibt oder wird.
Damit Schottland nicht wie ein normaler Beitrittskandidat behandelt werde, hat er flugs eine Rezeptur zur Hand:

„Man wird einen speziellen Vertrag für den kontinuierlichen Beitritt von Schottland aushandeln müssen“

Für seinen geschätzten Kollegen Alexander Graf Lambsdorff (FDP) und Vize-Präsident des Europäischen Parlaments, wäre hingegen eine schottische Unabhängigkeit von Großbritannien „ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union“.
Dabei nimmt er selbstredend das EU-Unwort ‚Referendum‘ -in rotes Tuch für die Akteure des Brüsseler Tollhauses- nicht in den Mund.
Gleichzeitig bereitet ihm wohl eine Zersplitterung der EU-Mitgliedstaaten ernsthafte Sorgen, da eine solche Entwicklung die Handlungsfähigkeit der EU weiter schwächen könne.
Aus Sicht vieler europäischer Bürger, die sich innerlich bereits von dieser EU-Demokratur distanziert haben, ist jedoch gerade diese Handlungskompetenz, die sich u.a. durch permanente Einmischung in gesellschaftliche Rahmenbedingungen und dauernde Unterstützung von Konzerninteressen zeigt, unerträglich geworden.

Den von unabhängigem Handeln beseelten Schotten ist ein klares Votum zu wünschen, welches vermutlich besondere Freude, zelebriert mit Pipes and Drums auslösen wird.

Ein solches Ergebnis hätte zweifellos Signalwirkung für alle weiteren Sezessionsbewegungen und würde die Zuversicht stärken, dass jeder gewaltfreie Einsatz für Freiheit und Unabhängigkeit lohnenswert ist.
Hoffen wir, dass sich in diesem Zusammenhang der gesunde Menschenverstand europäischer Bürgerinnen und Bürger auf Sicht durchsetzt und damit im Sinne von Charles de Gaulle ein „Europa der Vaterländer“ –also ohne Gleichmacherei und kulturzersetzende Integration– ermöglicht wird.

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Ihr Oeconomicus

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… und Frieden auf Erden?

… und Frieden auf Erden?
Die »Idee Europa« – und was aus ihr gemacht worden ist
Frieden auf Erden verkündete einst der Engel des Herrn den Hirten auf dem Felde. Zwei Jahrtausende danach sind wir vom „Frieden auf Erden“ noch genauso weit entfernt – da reicht schon ein bißchen „Frieden in Europa“ für den Nobelpreis.
Frieden sei „nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern auch ein Geisteszustand, eine Bereitschaft zu Vertrauen, zu Wohlwollen und Gerechtigkeit“, erklärte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei der Verleihung des Friedensnobelpreises 2012 in Oslo an die Europäische Union. Der Portugiese an der Spitze der Brüsseler Zentralbehörde beschrieb damit – wohl ungewollt – die Vorbehalte gegenüber dieser Preisvergabe.
Unbestreitbar hat die „Idee Europa“, wie sie den Gründervätern – Konrad Adenauer, Robert Schuman, Alcide de Gaspari, Richard Coudenhove-Kalergi, Charles de Gaulle, um die wichtigsten zu nennen – vorschwebte, wesentlich dazu beigetragen, dass es zwischen den Völkern dieser EWG/EG/EU seit 1945 keinen einzigen Krieg mehr gab. Eine historische Leistung, die durchaus Respekt und Anerkennung verdient.
So wurde endlich die jahrhundertealte „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschen und Franzosen beendet. Heute schießen wir nicht mehr aufeinander, sondern reden miteinander; daran können auch gelegentliche Misstöne nichts mehr ändern.
[…]
Hans-Jürgen Mahlitz, PAZ
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Einige Anmerkungen zu de Gaulle’s Europa-Visionen:
Bekanntermaßen setzte sich de Gaulle für ein «Europa der Völker und der Staaten» ein.
Sein demokratisches Postulat war, Europa auf der Akzeptanz der Völker aufzubauen, jenseits des alleinigen Willens der politischen Führer.
De Gaulle befürwortete diesbezügliche Volksabstimmungen:
Zitat (Quelle: Pressekonferenz vom 14. 11. 1949):

„Dieses Europa wird geboren werden, wenn die Völker in ihrem tiefsten Inneren beschließen, sich ihm anzuschließen. Es wird nicht reichen, dass die Parlamente eine Ratifizierung beschließen. Es müssen Volksabstimmungen abgehalten werden.“

Die Kernpunkte dieser Haltung hat de Gaulle auch beibehalten, wie der Schweizer Bundesrat Hans Schaffner den Kontext seiner Unterredung mit de Gaulle am 29.8.1963 bei einer Botschafterkonferenz darlegte.
Er zititerte de Gaulle’s Europa-Konzept so:

„Der französische Staatschef teilt mit den Europa-Ideologen der EWG den Wunsch und das Bestreben, den europäischen Kontinent vom Objekt wieder zu einem selbstbewussten Subjekt der Weltpolitik zu machen. Weiter geht aber die Übereinstimmung nicht.
Der General lehnt die ganze Brüsseler Integrations-Philosophie rundweg ab. Grundlage der Einigung Europas soll nicht die Abtretung nationaler Souveränitätsrechte an überstaatliche Behörden sein, sondern vielmehr die Bewahrung und Kräftigung der bestehenden Nationalstaaten. Auch er will den europäischen Zusammenschluss, aber in Form einer Allianz zwischen souveränen Regierungen. […]“

Diese Haltung wird auch bei folgendem de Gaulle-Zitat deutlich:

«Jedes Volk unterscheidet sich vom anderen durch seine unvergleichliche Persönlichkeit, die unveränderlich und unumkehrbar ist. Wenn Sie wollen, dass die Nationen sich vereinigen, versuchen Sie sie nicht miteinander zu verrühren, wie man Kastanien zu einem Kastanienpüree verrührt. […] Ich glaube also, dass gegenwärtig, nicht mehr als in anderen Epochen, eine Vereinigung Europas keine Fusion der Völker sein kann, sondern dass sie aus ihrer systematischen Annäherung hervorgehen muss.“

Original-Quelle
Kommt man an der Stelle nicht zu der Erkenntnis, dass die heute sichtbaren und fühlbaren Realitäten mit de Gaulle’s Europa-Visionen nichts mehr gemein haben?

Ihr Oeconomicus


Wenn die Synapsen Trauer tragen

Zitat zum Tage

„Der Traum von einem vereinten Europa hat keine Aussicht, verwirklicht zu werden. Man macht kein Omelette aus harten Eiern.“


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Creative Commons-Lizenz – Namensnennung: Bundesarchiv, B 145 Bild-F015892-0010 / Wegmann, Ludwig / CC-BY-SA

[ Charles André Joseph Marie de Gaulle (* 22. November 1890 in Lille, Nord; † 9. November 1970 in Colombey-les-Deux-Églises, Haute-Marne) war ein französischer General und Staatsmann. Im Zweiten Weltkrieg führte er den Widerstand des Freien Frankreich gegen die deutsche Besatzung an und war danach von 1944 bis 1946 Chef der Provisorischen Regierung. Im Zuge des Algerienkriegs wurde er 1958 mit der Bildung einer Regierung beauftragt und setzte eine Verfassungsreform durch, mit der die Fünfte Republik begründet wurde, deren Präsident er von Januar 1959 bis April 1969 war.
Die auf ihn zurückgehende politische Ideologie des Gaullismus beeinflusst die französische Politik. ]


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LA PRÉSIDENTIELLE 2012

Wenn die Synapsen Trauer tragen

Hört man im Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahlen „die Unken rufen“ betritt der Pessismus im Gewand eines Hosenanzuges die Bühne.

Schaut man sich die mit heißer Nadel gestrickten Bündnisse gegen Sarkozy’s Herausforderer, Monsieur François Hollande an, so könnte sich ein solcher Eindruck jedenfalls einstellen.

Ich frage mich, wie groß die Ängste vor einem Wahlerfolg Hollande’s sein müssen, wenn unsere geliebte Vorsitzende mit an kaum zu überbietendem, ja schon fast ekelhaft anmutendem Hochmut solche Ränkespiele initiiert.

Geheime Absprachen wie diese spiegeln genau das Verhalten und die Politik der Kanzlerin gegenüber ihrem eigenen Volk wieder, ich habe allerdings meine Zweifel, ob diese Offenbarung von Ignoranz und Realitätsverweigerung von einem Großteil der Deutschen wirklich wahrgenommen wird.

Wäre ich ein Franzose, so würde ich diese Anmaßung als Machtallüren einer von Panikattacken getriebenen Frau bewerten, die mit allen Mitteln in die inneren Angelegenheiten meines Landes ganz offenkundig eingreifen will.

Die arroganten Trompeter der deutschen Blockpartei [CDUCSUFDPSPDGRÜNE] sollten sich um die Belange zum Wohle der deutschen Bevölkerung kümmern und es tunlichst unterlassen, dem französischen Wähler vermitteln zu wollen, welcher künftige Präsident als Vertragspartner hoffähig ist.

Noch habe ich berechtigtes Vertrauen in das starke Selbstbewußtsein der Franzosen um beherzt eine echte Wahlentscheidung zu treffen, die den Menschen dauerhaft nutzt. Leider sind wir Deutsche nur in der Lage, zwischen roten, gelben, grünen und schwarzen Gummibärchen zu wählen, am Ende bleiben es in jedem Falle Gummibärchen!

Ohne die politische Karriere von François Hollande wirklich zu kennen, beschleicht mich ein Gefühl, er könne ein freundlicher und charismatischer, mit gesundem Menschenverstand gesegneter Politiker sein, denn Sympathie und Charisma scheinen Charaktereigenschaften zu sein, welche der Anti-Hollande-Bewegung bestenfalls aus der Literatur bekannt sind und die sie fürchten, wie der Teufel das Weihwasser.

Hollande’s Pläne, etwa eine höhere Besteuerung von Reichen, Regulierung der Finanzmärkte, mehr soziale Gerechtigkeit uvm. passen nun mal nicht in den aktuell sichtbaren Mainstream Europas, sind aber substantielle Anti-Positionen.

Ein Europa, geprägt von Lohndumping, das die Sozialkassen zu sprengen droht und deshalb weitere massive Kürzungen dieser Budgets zur Folge haben muss …

ein Europa, in dem sozialer Friede weggekürzt wird …

ein Europa, mit extremen Wachstumsraten vorwiegend in einer Branche … den Suppen- und Armenküchen!

Schaut man sich die Kommentare in der Libération [zugegeben, ein Sprachrohr der französischen Linken] hier der Artikel vom 3. März an, so weht den politischen Heckenschützen ein eiskalter Wind entgegen.

Auszüge:

– „Faut reconstruire le mur que tu ailles t’y installer derrière, tu s’ex-stasi-ras !“ – Man muss wieder eine Mauer bauen und alles dahinter bringen, was der Ex-Stasi nicht passt.

– „Elle va bouffer son chapeau“ – Sie wird ihren Hut fressen

– „Doit s’agir de conserver l’euro, alors, quitte à asservir les peuples.“ – Es muss sich darum handeln, den Euro zu konservieren, um die Versklavung der Völker zu vollenden.

– „L’union européenne dévoile son vrai visage de dictature ultra libérale, qui a horreur de la démocratie.“ – Die EU zeigt ihr wahres Gesicht der ultraliberalen Diktatur, der die Demokratie ein Horror ist.

Fazit: Bonne chance, Hollande!

Zwischenzeitlich hört man von Sarkozy immer mehr verzweifelte, populistische Töne. So möchte der Sohn eines Ungarn und mit einer gebürtigen Italienerin verheiratet, die Zahl von neuen Immigranten fast halbieren.

Im Angesicht einer drohenden Wahlniederlage mag der Blick durch den Trauerflor der Synapsen unseres Wahlgalliers etwas getrübt sein.
So vergisst er bei seinen Parolen, dass sich speziell bei den Migranten aus den französisch-sprachigen Maghreb-Staaten Nord- und Zentralafrikas, oder auch aus Teilen Südamerikas [also den ehemaligen Kolonialgebieten] ein durchaus nachvollziehbares Anspruchsdenken, resultierend aus gelebten Integrationserfahrungen, entwickelt haben könnte.

Während der Amtszeit des Monsieur le Président sind die Zahlen der Immigranten von ursprünglich ca 80,000 auf 180,000 Menschen pro Jahr angewachsen. Seine zwei Monate vor den Neuwahlen gezückte „rote Karte“ ist daher unglaubwürdig.

Neben dieser Zuwanderungsdebatte hat Sarkozy natürlich noch weitere, weitestgehend hausgemachte Baustellen, wie etwa die um 11% höheren Lohnstückkosten im Vergleich zu Deutschland, was dem Vernehmen nach sein Interesse nach einer Blaupause zu Schröder’s Agenda 2010 geweckt haben soll.

Gleichzeitig wird er mit den Folgen einer sich beschleunigenden Rezession, also steigenden Arbeitslosenzahlen im Einklang mit wachsenden Sozialleistungen konfrontiert, die dem französischen Wähler und Steuerzahler wohl nicht mehr lange zugemutet werden können.

Daneben werden im Wahlkampf zunehmend weitere, dem Präsidenten zugeschriebene Mißstände thematisiert, etwa die von ihm veranlasste Erhöhung der Mehrwertsteuer, die rasant steigende Verschuldung des Landes oder etwa die Beibehaltung der 35-Stunden-Woche, die der Arbeitgeberverband (MEDEF) zwar regelmäßig rügt, aber gleichzeitig auf die damit verbundenen Steuererleichterungen (weniger Sozialabgaben) nicht verzichten mag.

Anfeindungen seiner Mitbewerber, wie etwa „Sarkozy sei eine Mogelpackung“ könnten so manchen französischen Wähler zum Nachdenken veranlassen.

Am Wahltag, dem 22. April oder spätestens bei einer etwaigen Stichwahl am 6. Mai werden wir feststellen, ob der Hosenanzug mit Trauerflor bestückt sein wird.

Herzliche Grüsse

Ihr Oeconomicus


Can Central Banks Go Broke ?

In seinem Aufsatz ‚Can Central Banks Go Broke ?‘ hat sich Citigroup’s Chefökonom Prof. Willem H. Buiter mit der immer wieder diskutierten Frage auseinandergesetzt, ob Zentralbanken insolvent gehen können.

Hinter 10 erschöpfenden Seiten mit multiplen Ablenkungsmanövern, versucht er das alles entscheidende Wort (credibility) zu verschleiern, aber dennoch: dort steht es geschrieben, schwarz auf weiss, von höchster Authorität. Der Glaube muss bewahrt werden !

(Dank an @Miesepeter für diesen interessanten Hinweis)

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Hierzu einige Gedanken:
Ist eine Zentralbank aufgrund währungspolitischer Verwerfungen, durch massive Fehler bei der Ankaufstrategie von Assets oder durch Hereinnahme minderwertiger Sicherheiten überschuldet, so dürfte dieser Umstand bedeutungslos erscheinen, sofern diese Überschuldung in der durch die Zentralbank selbst zu schaffenden Währung valutiert, da sie jederzeit die auf die eigene Währung lautenden Verbindlichkeiten bedienen kann.
Sobald jedoch eine Überschuldung in einer Fremdwährung oder bspw. durch ungedeckte Lieferverpflichtungen von Edelmetallen auftritt, ergibt sich ein völlig anderes Bild.
Bestes Beispiel hierzu war die Empfehlung vom Jacques Rueff an Charles de Gaulle, dass es für die in den 1960er zahlreichen umlaufenden Dollar keine ausreichende Gold-Deckung für alle gäbe.
Anfang 1966 bestand De Gaulle in einer spektakulären Aktion auf den Umtausch der französischen US$-Bestände in Gold, was den Goldbestand der USA aus damaliger Sicht auf den historisch niedrigsten Stand (Gegenwert etwa $ 15 Mrd) zusammenschrumpfen ließ.
Am 15. August 1971 kündigte US-Präsident Richard Nixon die Bindung des Dollar an Gold auf – 1973 wurden die Wechselkurse freigegeben.

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Ihr Oeconomicus