Die Hartz-IV-Diktatur
Veröffentlicht: 14. Januar 2015 Abgelegt unter: Buch-Tipps & Literatur-Empfehlungen, Hartz IV, Inge Hannemann | Tags: Bundesverfassungsgericht, fahrlässige Körperverletzung, Sanktionen Hinterlasse einen Kommentar„Die Hartz-IV-Diktatur. Eine Arbeitsvermittlerin klagt an“
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Mit diesem Buch machte Inge Hannemann Furore. Inzwischen arbeitet die als „Hartz-IV-Rebellin“ bekannt gewordene Hamburgerin in einer anderen Behörde. Aber ihr Kampf geht weiter – und bekommt nun auch eine politische Wendung.
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Auf altonabloggt.com schreibt sie einen Beitrag nach dem anderen. Zuletzt mokierte sich Inge Hannemann über die Ankündigung vom Chef der Bundesagentur für Arbeit Hans-Jürgen Weise, zurückhaltender mit Sanktionen gegenüber Hartz IV-Empfängern umzugehen:.
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„Wenn Herr Weise davon spricht, dass wir die Sanktionspraxis lockern müssen, ist das entweder die Jahres-PR oder Satire. Weil er bisher immer gegenteilig gesprochen hat. Er geht einfach in diesen Tenor rein „10 Jahre Hartz IV“ und die BA wird ja seit anderthalb Jahren regelmäßig kritisiert. Also muss er ja mal was anderes reden. Auf der anderen Seite habe ich mich gefreut, weil er mich ja damit bestätigt. Das ist für mich natürlich auch sehr gut!“
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Deutschlandfunk
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Kurzbeschreibung des Buches von Inge Hannemann
Viele Jahre lang arbeitete Inge Hannemann als Arbeitsvermittlerin, und ihr Engagement für die Kunden sorgte für Unmut bei Kollegen und Vorgesetzten. Hannemann weigerte sich, ohne Rücksicht auf die Lebensumstände Sanktionen zu verhängen oder sinnlose Weiterbildungen zu verordnen. Ihr Protest stieß auf taube Ohren, und Inge Hannemann ging an die Öffentlichkeit. Von da an wurden ihre Gespräche abgehört und ihr Arbeitsplatz durchsucht. Letztlich wurde sie freigestellt. In ihrem Buch deckt Inge Hannemann auf, was in den Jobcentern Deutschlands Tag für Tag geschieht, welche menschlichen Tragödien die Hartz-IV-Sanktionen auslösen – und wie teuer das unseren Staat zu stehen kommt.
Mit erschütternden Fallbeispielen und fundierten Reformvorschlägen.
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Anmerkung
Es erscheint unglaublich, mit welchem Grad an Unfähigkeit, Verlogenheit und gar vorsätzlichem Rechtsbruch sogenannte Kundenberater der Jobcenter gegen die zu betreuende Klientel vorgehen.
Ein Verhalten, bei welchem in Einzelfällen eine gewisse strafrechtliche Relevanz zu prüfen wäre und sich hoffentlich bitter rächen wird !
Sollte jemand über eigene Erfahrungen berichten wollen, werden entsprechende Information selbstverständlich streng vertraulich behandelt und auf Wunsch anonymisiert in entsprechenden Beiträgen publik gemacht.
Außerdem entsteht in Zusammenarbeit mit einigen Blogger-Kollegen eine umfassende Datei mit einer Namensliste besonders auffälliger ‚Kundenberater‘ und deren Dienststellen.
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Ihr Oeconomicus
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Bundesverfassungsgericht zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums:
Leitsätze
zum Urteil des Ersten Senats vom 9. Februar 2010
– 1 BvL 1/09 –
– 1 BvL 3/09 –
– 1 BvL 4/09 –
1. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.
2. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.
3. Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.
4. Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen.
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Bundesverfassungsgericht
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Kommentar zum Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts
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Das Urteil erklärt grundsätzlich jegliche Form von finanziellen Sanktionen (Leistungskürzung) für rechtswidrig und betrifft damit womöglich mehrere zehntausend Hartz-IV-Empfänger, die auf Grund welcher Umstände auch immer von Arbeitsämtern oder Job-Center mit Leistungskürzungen belegt worden sind.
Die Betroffenen sind aufgefordert, gegen solche Sanktionen Widerspruch (auch rückwirkend) einzulegen und die ihnen vorenthaltenen Beträge nachzufordern.
Dies sollte SCHRIFTLICH (am besten mit „Einschreiben“) mit der Forderung nach schriftlicher Bestätigung des Eingangs des Schreibens geschehen, damit die betroffenen Dienststellen im Falle einer notwendigen gerichtlichen Auseinandersetzung nicht behaupten können, dass sie angeblich nie etwas erhalten haben.
Denn mündlich -selbst in Gegenwart eigener Zeugen- abgegebene Erklärungen sind vor Gericht relativ wertlos.
Zugleich betrifft dieses Urteil indirekt auch alle Mitarbeiter von Arbeitsämtern oder Job-Center. Sie machen sich bei der Verhängung solcher rechtswidrigen Sanktionen bis 2010 rückwirkend wegen fahrlässiger Körperverletzung, ab sofort sogar wegen vorsätzlicher Körperverletzung strafbar und müssen sich dafür nach Strafanzeige mit verbundenem Strafantrag gegebenenfalls auch vor Gericht verantworten.
Dabei gilt das rechtliche Grundsatzprinzip, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt.
Götz Bockmann – onlinezeitung
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HARTZ IV – Würde statt Härte
Hartz-IV-Sanktionen sind verfassungswidrig
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Abgesehen davon, dass diese Sanktionen fast immer kontraproduktiv sind: Durch sie wird hunderttausendfach ein Versprechen gebrochen, das sich die Sozialgesetzgebung selbst auferlegt hat. „Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht“, heißt es im SGB II. Die Sanktionen konterkarieren diesen Grundsatz: Wenn die in voller Höhe gezahlte Leistung ein Leben in Würde ermöglichen soll, dann senkt jede Reduktion des Regelsatzes das Lebensniveau in Richtung „nackten Überlebens“. Und werden die Bezüge auf null gesetzt, so scheint nicht einmal mehr nacktes Überleben möglich. Eine solche Sanktionspraxis verträgt sich nicht mit dem als „absolut“ zu verstehenden Anspruch aus Artikel 1 des Grundgesetzes – die Würde des Menschen ist unantastbar.
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Arno Pollmann – Die Zeit