ISDS: Das Unrechts­-System der Konzerne

Ein nett animiertes Video über die Möglichkeiten von Konzernen gegen demokratische Entscheidungen vorzugehen, das in vielen Ländern bereits Realität ist: ISDS (Investor­State Dispute Settlement).
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Sie verklagen Staaten auf Milliardensummen vor privaten, geheim tagenden Schiedsgerichten. Auf diese Weise gehen Konzerne z. B. gegen Vorschriften zum Umwelt- und Gesundheitsschutz, gegen Atomausstieg und gesetzlichen Mindestlohn vor.
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Der BDI schreibt dazu:
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„Fakt ist: Investitionsschutz- und -förderverträge (IFV) sind ein wichtiges Instrument, um Direktinvestitionen im Ausland (ADI) zu fördern, indem Investoren vor Risiken abgesichert werden und über Schiedsverfahren die Schlichtung von Investitionsstreitigkeiten ermöglicht wird. IFV erlauben dem Investor, bei Vertragsverletzungen im Zielland der Investition vor internationalen Schiedsgerichten zu klagen. Die Schiedssprüche sind endgültig und bindend.
Schiedssprüche können gleichwohl den Gesetzgeber nicht zwingen, ein Gesetz zurückzunehmen.
[…]“
… weiter im BDI-Beitrag „Mythen, Fakten, Argumente
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Auf der eigens eingerichteten TTIP-Seite der CDU wird die Frage erhoben
„Stimmt es, dass Schiedsverfahren die deutsche Politik untergraben?“
und wie folgt beantwortet:
Nein.
Jeder Gesetzgeber darf auch künftig Gesetze verabschieden, beispielsweise für Standards zum Schutz der Umwelt, der Gesundheit, der Sicherheit oder anderer öffentlicher Interessen. Die Schiedsverfahren sollen ausländischen Investoren Sicherheit geben und vor Diskriminierung schützen. Ein Land könnte einen Investor zum Beispiel enteignen (durch Verstaatlichung) oder Gesetze erlassen, die seine Investition wertlos machen. Beim Schiedsverfahren geht es im Wesentlichen um Schlichtung und gegebenenfalls um Schaden­ersatz.“
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Mit einem auf Ende des 19. Jahrhunderts datierten Zitates des einstigen US-Außenministers John Hay (Sep 30, 1898- July 1, 1905)

„Wir haben nicht mehr eine Regierung durch und für das Volk, sondern eine Regierung durch Unternehmen für Unternehmen.“
(Zitat entnommen aus Kapitel 12 des erkenntnisreichen Werks von Joachim Fernau: „Halleluja!“ – Die Geschichte der USA)

überlasse ich Sie Ihren eigenen Bewertungen, die Sie vielleicht bei einem sonnigen Herbst-Spaziergang anstellen.
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Ihr Oeconomicus

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Die Anstalt – HG Butzko über TTIP
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TTIP: EU liebäugelt mit Abschaffung von Schiedsgerichten

TTIP: EU liebäugelt mit Abschaffung von Schiedsgerichten

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Die EU-Kommission spielt mit dem Gedanken, die Schiedsgerichtsverfahren zum Schutz von Investoren im Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) abzuschaffen. Laut einem internen Papier der Generaldirektion Handel an die neue EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström könnte die Brüsseler Behörde den entsprechenden Passus aus dem Verhandlungsmandat streichen.
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Wenn das ohne gravierende Nachteile gelänge, „wäre dies die stärkste Maßnahme, der Anti-TTIP-Kampagne zu begegnen, eine neue Kommunikation zu starten und zu zeigen, dass die Kommission auf die Öffentlichkeit eingeht“, zitierte das „Handelsblatt“​ das Papier. Die Regelung des Investor-Staats-Schiedsverfahrens (ISDS) sei „eine der wichtigsten zu treffenden Entscheidung in naher Zukunft“.
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Insbesondere Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, mit den USA ein Abkommen ohne den umstrittenen Investorenschutz über ein außergerichtliches internationales Schiedsgericht anzustreben.
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TTIP war auch ein Thema bei Gabriels Besuch in den USA. Nach einem Treffen mit Vizepräsident Joe Biden erklärte er am Mittwoch:

„Ich habe darauf hingewiesen, dass es aus unserer Sicht keines besonderen Schutzes von Investoren bedarf.“
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Man sei sich einig darüber gewesen, dass die USA und die EU in den Verhandlungen mehr Transparenz schaffen müssten, erklärte Gabriel weiter. Bei TTIP gehe es nicht nur um Freihandel im engeren Sinne, sondern um die Frage, ob die Verhandlungspartner gemeinsam Standards für den Welthandel setzen könnten.
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Grundsätzlich befürwortet der Minister ein solches Abkommen der EU mit den USA:
„Wir haben mit TTIP eine gigantische geostrategische Chance“
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EurActivHandelsblatt
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Anmerkung
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Wir sind Zeitzeugen hochemotional geführter Debatten um die Notwendigkeit und Ausgestaltung des TTIP-Freihandelsabkommens und vergessen offenbar dabei, klar verständliche und vor allem belastbare Antworten einzufordern, warum wir solcher Segnungen überhaupt bedürfen.
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Die hier dargestellten Überlegungen, ggfls. auf den Investorenschutz zu verzichten, nehme ich eher als Sedativum denn als tatsächlich umsetzbare Option wahr und kann mir kaum vorstellen, dass die eigentlichen Profiteure kampflos und unter Verzicht auf Kompensationen diese bittere Pille schlucken werden. 
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Was mir an den bisher öffentlich vorgetragenen Argumenten sowohl der Falken als auch der jetzt kreidefressenden Protagonisten in Berlin, Brüssel und Washington überhaupt nicht gefällt, ist nicht nur die mit demokratischen Prinzipien unvereinbare Geheimniskrämerei der Verhandlungen, sondern insbesondere die fehlende Darstellung enger Verzahnungen zwischen Freihandel und dem bislang erfolgreich anmutenden Versuch, weltweite Handelsstrukturen und -Bestimmungen in einer Art ‚Wirtschafts-Völkerrecht‘ zu verankern !
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Daraus ergibt sich u.a. die Frage, wer in modernen, demokratisch aufgebauten Gesellschaften die politische Herrschaft ausübt ?
Manche Beobachter mögen davon überzeugt sein, dass diese Funktion eindeutig vom Staat und dessen legitimierten Organen ausgefüllt wird !
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Betrachtet man jedoch den zunehmenden Reifegrad transnationaler Verwaltungsnetze, deren demokratische Legitimation ebenso fragwürdig wie die der globalen public-private Partnerschaften privatwirtschaftlicher Akteure ist, so mag die Erkenntnis entstehen, dass die Gestaltungsmacht des Staates zusehends zurückgedrängt wird.
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Zur Stützung dieser These sei auf ein Statement von Anthony L. Gardner (US Botschafter bei der EU) hingewiesen, in welchem er auf den geostrategischen Charakter des Freihandelsabkommens hinwies und im Zusammenhang mit den Entwicklungen im Nahen Osten und Russlands Agieren im Ukraine-Konflikt von der Notwendigkeit sprach, bestehende transatlantische Allianzen als Äquivalent zur NATO auf Wirtschaftsebene auszuweiten.
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Gardner’s Überzeugung mündete in dem Aufruf

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„USA und Europa müsse die Regeln für den Welthandel festzurren, bevor dies andere tun“

 

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(.. dachte er dabei an den wachsenden Einfluss der BRICS-Staaten ?) und erneuerte die Bedeutung des Freihandels-Abkommens

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„TTIP ist also nicht nur wichtig, sondern lebenswichtig“!
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Vermutlich liegt er damit im Hinblick auf eine im globalen Kontext bereits zu beobachtende De-Dollarisierung nicht ganz so falsch !

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Bei all diesen pro-TTIP vertretenen Meinungen kommt einer der meines Erachtens wichtigsten Aspekte, nämlich die rechtliche Gleichstellung ausländischer Investoren und Handelspartnern mit den Bürgern viel zu kurz oder wird gar völlig ausgeblendet und verstärkt somit den Verdacht, dass demokratische Strukturen auf dem Altar von privatwirtschaftlichen Konzerninteressen geopfert werden sollen !
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Ihr Oeconomicus

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vertiefende Informationen:
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Erstes Leak des deutschsprachigen TTIP-Mandats für die Geheimverhandlungen zwischen EU und USA
Einstieg
Ziele
I. Marktzugang
II. Regulierungsfragen und nichttarifäre Handelshemmnisse
III. Regeln
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korrespondierende Beiträge
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Kampf gegen die transnationale Verfassung der Konzerne:
Fünf Thesen zur Debatte um die Investorenrechte im EU-USA-Freihandelsabkommen
These 1:
Der Widerstand gegen die Konzern-Klagerechte im TTIP trägt Früchte
These 2:
Der EU-Apparat ist ausreichend abgeschottet, um den Widerstand ins Leere laufen zu lassen
These 3:
Der Reformdiskurs der Kommission dient der Re-Legitimierung eines global umkämpften Disziplinierungs-Regimes
These 4:
Die Auseinandersetzung um die Konzern-Klagerechte im TTIP ist global relevant
These 5:
Der TTIP-Widerstand braucht einen langen Atem und muss breiter werden
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Pia Eberhardt – PDF [5 Seiten]

[Pia Eberhardt ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet bei der lobbykritischen Organisation Corporate Europe Observatory in Brüssel]

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TTIP: Eine transatlantische Verfassung der Konzerne?
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Der Buchstabe „I“ im Kürzel TTIP steht für investitionspolitische Regeln im geplanten Abkommen zwischen der EU und den USA. Die Geschichte um diese Investitionsregeln kann sich zu einem wirtschaftspolitischen Thriller entwickeln, auch wenn – oder gerade weil – alles ‚ganz legal‘ ablaufen soll. Es geht um hochgefährliche Waffen zur Bekämpfung demokratischer Politik durch organisierte Tätergruppen mit besten Verbindungen in Politik und Wirtschaft.
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Die Waffen: Investitionsschutzstandards und Sonderklagerechte für Konzerne
  1. der Geltungsbereich des Investitionsschutzes: Was gilt als ‚Investition‘?
  2. die materiellen Schutzstandards für die Investitionen: Wie müssen Staaten die Investitionen behandeln?
  3. Schiedsklauseln zur Durchsetzung der genannten Schutzstandards: Sonderklagerechte für Konzerne
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Die Täter – Konzerne, Regierungen, Anwaltsfirmen, Schiedsrichter und ihre Helfer in der Wissenschaft
  • Konzerne und ihre Lobbyverbände
  • Regierungen, die EU-Kommission und Parlamente
  • Anwaltsfirmen, Schiedsrichter und Prozessfinanzierer
  • Wissenschaftliche Hilfe beim Geschäft mit der Politikbekämpfung
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Die Retter – der Widerstand gegen das internationale Investitionsregime wird stärker
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Peter Fuchs & Pia Eberhardt – Zeitschrift-Luxemburg

[Peter Fuchs ist Diplom-Volkswirt und Sozialökonom und arbeitet bei PowerShift vor allem zum Thema Internationale Handels- und Investitionspolitik – Pia Eberhardt s.o.]

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The Impact of Investor-State-Dispute Settlement (ISDS) in the Transatlantic Trade and Investment Partnership
Study
prepared for:
Minister for Foreign Trade and Development Cooperation,
Ministry of Foreign Affairs, The Netherlands
Reference: MINBUZA-2014.78850
by
Prof. Dr. Christian Tietje, University Halle, Germany,
with the assistance of Trent Buatte, J.D.
and
Associate Prof. Dr. Freya Baetens, Leiden University
with the assistance of Theodora N.Valkanou, LL.M.,
and
Ecorys, Rotterdam
24.06.2014
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PDF – [153 Seiten]
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korrespondierende Archiv-Beiträge
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Geheimes Parallelrecht: Wie Großkonzerne politische Entscheidungen attackieren
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Investitionsschutzabkommen: Rechte für Investoren – Pflichten für Staaten

EU hat 1634-seitiges CETA-Vertragswerk ins Netz gestellt (!)

EU hat 1634-seitiges CETA-Vertragswerk ins Netz gestellt (!)

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PDF – (1634 Seiten)
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Ihr Oeconomicus

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Erkenntnisse & Kommentare

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TTIP steht heftig in der Kritik
Unechter Freihandel
„Freihandel“ ist das große Argument für die Freihandelsabkommen, jetzt mit Kanada (CETA) und mit den Vereinigten Staaten von Amerika (TTIP), das alle Kritik an diesen Abkommen zu ersticken sucht. Für gegenseitige Vorteile echten Freihandels fehlen aber die Voraussetzungen. Die Abkommen werden den unechten Freihandel verstärken, welcher den Nutzen der international agierenden Finanzoligarchie und ihrer Unternehmen stärkt, nicht den Wohlstand der Völker mehrt. Die Grundlagen der sogenannten Freihandelspolitik, der sich die Europäische Union verschrieben hat, sollten bedacht sein, bevor konkrete Freihandelsabkommen geschlossen werden. Ich äußere mich als Staatswissenschaftler, der notwendig Staatsrechtslehre und Volkswirtschaftslehre zur Einheit verbindet.
[…]
Prof. Dr. Karl-Albrecht Schachtschneider – 28.10.2014
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Zustimmung zu CETA wäre verfassungswidrig
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Souveränität – an diesen drei Grundpfeilern sägt das geplante EU-Kanada-Abkommen CETA. Dennoch wollen Sigmar Gabriel und Co. das Abkommen auf jeden Fall – und nehmen mögliche Milliardenklagen in Kauf. Der Rechtsprofessor Prof. Dr. Axel Flessner ist darüber verwundert und verrät im Interview, was hinter diesen Absichten stecken könnte.
[…]
campact – 24.09.2014
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CETA nicht verharmlosen – keine Entwarnung beim Investorenschutz
Gutachten spielt Sonderrechte für Konzerne herunter
Zwei Tage vor dem EU-Kanada-Gipfel in Ottawa warnt Attac davor, die Gefahren durch das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) zu verharmlosen.
“Es bleibt dabei: CETA darf nicht unterzeichnet werden”
sagt Roland Süß vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.
“Insbesondere beim geplanten Investorenschutz gibt es keinen Anlass für Entwarnung. Der Vertragstext strotzt nur so vor unklaren Formulierungen, die viel Spielraum für Interpretationen im Sinne der Konzerne lassen. Mit CETA würde eine intransparente Paralleljustiz mit Sonderrechten für Konzerne etabliert. Das ist und bleibt inakzeptabel.”
[…]
attac – 24.09.2014
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Das CETA-Abkommen mit Kanada ist rechtswidrig
Jetzt sind wir nicht mehr auf Vermutungen angewiesen: Die 1500 Seiten des Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) liegen vor, Ende September wollen die Vertragspartner sie in Ottawa unterschreiben. Was sie dort unterschreiben, ist wenig amüsant. Mehr noch: Es gibt Anlass zu der Frage, ob die EU-Kommission zu den Verhandlungen bestimmter Kapitel des Abkommens überhaupt befugt war, mit anderen Worten: Ist CETA rechtswidrig?
[…]

Fritz Glunk – Blog: Dr. Norbert Häring – 07.09.2014
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follow-up, Oktober 2014
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Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben für das
Comprehensive Economic and Trade Agreement der EU und Kanada (CETA)
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Juristisches Kurzgutachten im Auftrag von attac/München
Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano, LL.M. (EUI)
Johan Horst, LL.M. (Georgetown)
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Zentrum für europäische Rechtspolitik (ZERP)
Fachbereich Rechtswissenschaft, Universität Bremen
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[Anmerkungen, Hervorhebungen und Link-/Querverweise by Oeconomicus]

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A. INHALTSVERZEICHNIS
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B. FRAGESTELLUNG
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C. RECHTSGUTACHTEN
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I. EUROPARECHTLICHE ANFORDERUNGEN AN DAS CETA

1. Verbandskompetenz der EU
a) Investitionsschutz: Materielle Regelungen
b) Investitionsschutz: Streitbeilegung zwischen Investor und Staat
c) Weitere Sachbereiche
d) Schaffung von Ausschüssen
e) Zwischenergebnis

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2. Ratifikationsverfahren auf Unionsebene
a) Zustimmung des Europäischen Parlaments
b) Einstimmigkeit im Rat

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3. Materielle Rechtmäßigkeit
a) ISDS-Schiedsklauseln des CETA
aa) Der Grundsatz der Autonomie der Unionsrechtsordnung
bb) Die Autonomie der Unionsrechtsordnung und ISDS-Klauseln
cc) Verletzung der Autonomie der Unionsrechtsordnung

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b) Die Ausschuss-Struktur des CETA-Abkommens
aa) Joint Committee
bb) Committee on Services and Investment

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c) Menschen- und umweltrechtliche Anforderungen
aa) Materieller Verpflichtungsgehalt der Umwelt- und Menschenrechte für die EU
bb) Menschen- und Umweltrechte beim Abschluss des CETA

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(1) Keine Absicherung der Menschen- und Umweltrechtsstandards im Investitionsschutzrecht
(a) Die Praxis der Investitionsschiedsgerichte
(b) Die Investitionsschutzklauseln des CETA
(c) Fehlende menschen- und umweltrechtliche Gewährleistungen im CETA

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(2) Fehlende Sozialstandards
(3) Mangelhafte Gesundheits- und Umweltstandards
(4) Fehlender Schutz von Individual- und Allgemeingütern
d) Kommunale Selbstverwaltung, Art. 4 Abs. 2 EUV
[„Die Union achtet die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt. Sie achtet die grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der nationalen Sicherheit. Insbesondere die nationale Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten.“]

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II. GRUNDGESETZLICHE ANFORDERUNGEN AN DAS CETA
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1. Formelle Rechtmäßigkeit: Verfassungskonformes Zustandekommen
a) Vertragsabschlusskompetenz
b) Gesetzgebungsverfahren

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2. Materielle Rechtmäßigkeit
a) Art. 92 GG: Richterliches Rechtsprechungsmonopol beim Investitionsschutz
[„Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.“]
b) Art. 38 iVm 20 Abs. 1, 28 GG: Demokratische Rückbindung
c) Menschen- und Umweltrechte
d) Art. 28 Abs. 2 GG: Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung
[„Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.“]

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III. RECHTSSCHUTZ
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1. Rechtsschutz auf EU-Ebene
a) Nichtigkeitsklage, Art. 263 AEUV
b) Subsidiaritätsklage, Art. 263 AEUV
[„Der Gerichtshof der Europäischen Union überwacht die Rechtmäßigkeit der Gesetzgebungsakte sowie der Handlungen des Rates, der Kommission und der Europäischen Zentralbank, soweit es sich nicht um Empfehlungen oder Stellungnahmen handelt, und der Handlungen des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates mit Rechtswirkung gegenüber Dritten. Er überwacht ebenfalls die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union mit Rechtswirkung gegenüber Dritten.
Zu diesem Zweck ist der Gerichtshof der Europäischen Union für Klagen zuständig, die ein Mitgliedstaat, das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung der Verträge oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs erhebt.
Der Gerichtshof der Europäischen Union ist unter den gleichen Voraussetzungen zuständig für Klagen des Rechnungshofs, der Europäischen Zentralbank und des Ausschusses der Regionen, die auf die Wahrung ihrer Rechte abzielen.
Jede natürliche oder juristische Person kann unter den Bedingungen nach den Absätzen 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.
In den Rechtsakten zur Gründung von Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union können besondere Bedingungen und Einzelheiten für die Erhebung von Klagen von natürlichen oder juristischen Personen gegen Handlungen dieser Einrichtungen und sonstigen Stellen vorgesehen werden, die eine Rechtswirkung gegenüber diesen Personen haben.
Die in diesem Artikel vorgesehenen Klagen sind binnen zwei Monaten zu erheben; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat.“]

c) Gutachtenverfahren, Art. 218 Abs. 11 AEUV
[„Ein Mitgliedstaat, das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission können ein Gutachten des Gerichtshofs über die Vereinbarkeit einer geplanten Übereinkunft mit den Verträgen einholen. Ist das Gutachten des Gerichtshofs ablehnend, so kann die geplante Übereinkunft nur in Kraft treten, wenn sie oder die Verträge geändert werden.“]

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2. Rechtsdurchsetzung auf nationaler Ebene
a) Verfassungsbeschwerde
b) Organstreitverfahren

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D. ZUSAMMENFASSUNG
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  1. Das CETA ist ein „gemischtes Abkommen“. Es kann nur in Kraft treten, wenn die EU und die Mitgliedstaaten das Abkommen ratifizieren. Unter dem Grundgesetz ist dafür nicht nur die Zustimmung des Bundestages, sondern auch des Bundesrates notwendig.
  2. Die Einführung von Investor-Staats-Schiedsgerichten im CETA verletzt das im Unionsrecht (Art. 19 EUV iVm Art. 263 ff. AEUV) und im Grundgesetz verankerte richterliche Rechtsprechungsmonopol (Art. 92 GG). Der EU fehlt zudem die Kompetenz, ein solches Verfahren auf Portfolioinvestitionen und den Bereich der Finanzdienstleistung zu erstrecken.
  3. Das CETA verletzt den verfassungs- und unionsrechtlich verankerten Grundsatz der Demokratie durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „indirekte Investition“ und „fair and equitable treatment“, die die demokratische Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialordnung durch die Einräumung von Schadensersatzansprüchen unverhältnismäßig einschränken und deren Auslegung einem demokratisch nicht legitimierten Ausschusssystem überantwortet wird, das seine Spitze im Joint Committee findet. Das Europäische Parlament und die nationalen Legislativ- und Exekutivorgane sind nicht hinreichend in dieses System eingebunden. Der Union fehlt zudem im Hinblick auf eine Reihe von Regelungsbereichen die Kompetenz zur Errichtung der Ausschüsse, weshalb Entscheidungen nicht in Ausschüssen gefällt werden dürfen, in die nationale Organe nicht eingebunden sind.
  4. Das CETA beeinträchtigt durch die Negativliste, die Ratchet-Klausel, die weitgehende Marktöffnung auch im Bereich kommunaler Dienstleistungen und das Verbot von Offsets, also das Verbot der gezielten Förderung lokaler Belange, die im Unionsrecht und im Grundgesetz verankerte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung unverhältnismäßig.
    [Anmerkung zur Ratchet-Klausel:
    Mit der in den Vertragsentwürfen enthaltenen Ratchet-Klausel besteht in der Praxis bei einmal erfolgter Privatisierung ein vollständiges Rekommunalisierungsverbot. Mit der ebenfalls geplanten Standstill-Klausel wird gleichzeitig festgelegt, dass neue Dienstleistungen nicht mehr von Unternehmen der öffentlichen Hand erbracht werden dürfen, sondern dem privaten Wettbewerb unterliegen. Die Vorteile der internationalen Schiedsgerichte, die vom Europäischen Parlament anscheinend schon akzeptiert wurden, gelten im Übrigen auch in Zukunft nur für ausländische Investoren. Die Auswirkungen kann man derzeit schon im Zusammenhang mit dem deutschen Atomausstieg erkennen: Während die deutschen Konzerne deutschen Gerichten unterliegen, geht Vattenfall über ein Schiedsgericht der Weltbank in Washington gegen die Bundesrepublik vor.
    Im Bereich der Bildung sind heute schon zahlreiche Einrichtungen in private Trägerschaft überführt. Zumeist handelt es sich dabei um kirchliche Träger, die als sogenannte Tendenzbetriebe besondere Zuwendungen des Gesetzgebers genießen. Derzeit kann nur spekuliert werden, ob die ökonomischen Vorteile der Tendenzbetriebe auch internationalen Investoren im deutschen Bildungsbetrieb geboten werden müssen. Dass die Privatisierung des Schulwesens nicht immer von Erfolg geprägt ist, zeigt sich in Europa am Beispiel Schweden.
    Auch im Bereich des Gesundheitswesens muss damit gerechnet werden, dass verstärkt private Unternehmen zum Zuge kommen. Da es Investoren erlaubt werden soll, ihre Dienstleistungen in jedem Vertragsstaat mit eigenem Personal zu erbringen, das dann auch den Vorschriften des Herkunftslandes unterliegt, wird der Wettbewerb in verstärktem Umfang auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Und was spricht dagegen, dass auch das gesamte Rettungswesen einschließlich der Feuerwehr für den privatwirtschaftlichen Wettbewerb geöffnet wird.
    Mit TISA steht jedoch auch das Banken-System in Deutschland wieder einmal zur Disposition. Hier sind es in erster Linie die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen, die in ihrer derzeitigen Form nicht so recht ins Beuteschema der internationalen Finanzkonzerne passen wollen.]
  5. Das CETA ist vor dem Hintergrund der menschen- und umweltrechtlichen Verpflichtungen der EU und der Mitgliedstaaten problematisch, weil es Sozial-, Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards nicht hinreichend verankert.
  6. Im Hinblick auf die gerichtliche Durchsetzung der o.g. Verpflichtungen kann der Europäische Gerichtshof angerufen werden und nach Art. 279 AEUV ggf. einstweilige Anordnungen erlassen:
    a. Der EuGH kann im Wege des Gutachtenverfahrens mit dem CETA befasst werden. Antragsberechtigt sind insbesondere das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten. Nach § 7 IntVG müsste die Bundesregierung einem diesbzgl. Verlangen des Bundesrates nachkommen.
    b. Auch eine Subsidiaritätsklage kann beim EuGH anhängig gemacht werden. Antragsberechtigt sind die Mitgliedstaaten, ihre Parlamente und deren Teile. Nach § 126a GOBT setzt dies einen Antrag „aller Mitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen,“ voraus.
    c. Schließlich sind Nichtigkeitsklagen nach Art. 263 AEUV beim EuGH zulässig. Privilegiert klageberechtigt sind das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten. Nach § 7 IntVG müsste die Bundesregierung einem diesbezüglichen Verlangen des Bundesrates nachkommen. Nichtprivilegierte Kläger, wie bspw. Gemeinden und juristische Personen, müssten eine individuelle Betroffenheit durch das CETA nachweisen.
  7. Im Hinblick auf die gerichtliche Durchsetzung der o.g. Verpflichtungen kann das Bundesverfassungsgericht im Wege der Verfassungsbeschwerde und des Organstreitverfahrens angerufen werden. Über eine einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG kann dem deutschen Vertreter im Europäischen Rat die Zustimmung zum CETA ggf. vorläufig untersagt werden.
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Quelle: Uni Bremen – Fachbereich Rechtswissenschaft – [PDF – 41 Seiten]
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Geheimes Parallelrecht: Wie Großkonzerne politische Entscheidungen attackieren

Deutschland will raus aus der Atomkraft – eine politische Entscheidung. Damit wollen sich die betroffenen Stromkonzerne aber nicht abfinden.
Doch während RWE und EON nur der Gang zum Bundesverfassungsgericht bleibt, wendet sich der schwedische Konzern Vattenfall ganz einfach an ein Schiedsgericht, das geheim in einem Hinterzimmer tagt.
Es geht um die Forderung von nicht weniger als 3,7 Milliarden Euro Schadensersatz, die am Ende die Steuerzahler zahlen müssten.
Vat­ten­fall beruft sich dabei auf die Rege­lun­gen des sog. Energiecharta-Vertrages (ECT), wel­chen Deutsch­land und eine Viel­zahl ande­rer Staa­ten im Jahr 1994 unter­zeich­net haben. Das Abkom­men soll Inves­ti­tio­nen aus­län­di­scher Unter­neh­men vor unrecht­mä­ßi­gen Ein­grif­fen durch den Gast­staat schüt­zen. Beru­fen kön­nen sich hier­auf nur aus­län­di­sche Unter­neh­men wie die in schwe­di­schem Staats­be­sitz befind­li­che Vat­ten­fall. 

Weltweit gibt es mehr als 3.000 solcher Verträge (2782 bilaterale Investmentverträge – 282 andere internationale Investment-Verträge) zwischen Staaten.
Eigentlich sollen sie Investoren vor Enteignungen schützen — doch wann immer einem Unternehmen ein Gesetz nicht passt, kann es diese Abkommen nutzen, um Schadensersatz geltend zu machen. Gegen Umweltschutz, gegen Gesundheitspolitik, gegen Wirtschaftsreformen, u.v.m.
Die Verfahren sind meist geheim, die Öffentlichkeit erfährt höchstens das Ergebnis – und Revisionsmöglichkeiten gibt es nicht.
Mit Milliardenklagen setzen Konzerne so ganze Staaten unter Druck.
Eine Gefahr für die Demokratie – und ein Riesengeschäft für eine überschaubare Zahl von Anwaltskanzleien!

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frei zugängliche Sammlung von Urteilen in Investitionsschutzverfahren

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Anmerkung

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Vermutlich werden wir zeitnah feststellen, dass solche Investitionsschutzabkommen für unsere Freunde aus der kreativen Finanzindustrie zu einem gefundenes Fressen werden könnten.
Schließlich ließen sich anstehende Klagen der Konzerne gegen Staaten insgeheim via asset backed-Junkbonds monetarisieren, ein glänzendes Geschäft für Emissionshäuser, Hedge Fonds und je nach Kurs und Aufgeld natürlich auch für (institutionelle) Anleger.

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Ihr Oeconomicus

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follow-up, 11.07.2014

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In seiner Zusammenfassung über die geplanten Fracking-Aktivitäten beschreibt Albrecht Kieser im Deutschlandfunk die Nahtstellen zwischen TTIP und Investitions-Schutzabkommen und nennt dabei auch die wesentlichen Akteure.
Kiesers Erkenntnis:

„Die Investor-Staat-Klage ist ein zentraler Bestandteil in allen Freihandelsverträgen, die Deutschland bislang mit über 100 Ländern abgeschlossen hat; darunter zum Beispiel Pakistan oder Ecuador. Auch das TTIP zwischen der EU und den USA soll dieses Instrument enthalten. Unternehmen könnten es einsetzen, wenn sie einen Staat verklagen wollen, der mit einem neuen Gesetz bisher gültige Produktionsbedingungen reguliert. Zum Beispiel durch die Auflage, geringere Emissionswerte auszustoßen oder das Verbot, schädliche Chemikalien einzusetzen.“

In dem Beitrag wird u.a. auch mit Prof. Markus Krajewski, ein Experte für Völkerrecht zitiert, der sich intensiv mit dieser Art von Verträgen befasst, qualifiziert die Investor-Staat-Klage so:

„Ich halte das schlichtweg für rechtsstaatlich nicht haltbar. Das ist aus meiner Sicht mindestens ein Rechtspolitischer, wenn man es genauer durchdenkt, möglicherweise auch ein verfassungsrechtlicher Skandal. Wir haben es damit zu tun, dass ein vom Deutschen Bundestag beschlossenes Gesetz von einem internationalen Schiedsgericht überprüft werden sollte, was möglicherweise zu Schadenersatzforderungen und auch -zahlungen der Bundesrepublik Deutschland führt. Und die Parlamentarier, die das Gesetz selber gemacht haben, die haben nicht mal die Möglichkeit mitzubekommen, was hier eigentlich gemacht wird.“

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Archivbeiträge zu TTIP


Investitionsschutzabkommen: Rechte für Investoren – Pflichten für Staaten

Bei den Direktinvestitionen im Ausland gehört die Schweiz zur Weltklasse. Pro Kopf der Bevölkerung investiert nur Hongkong mehr im Ausland. Zum Schutz ihrer Investoren hat die Schweiz 130 Abkommen ausgehandelt. Sie schützen fast ausschließlich die Rechte der Investoren und auferlegen den Zielländern vor allem Pflichten. Betroffen sind vorwiegend Entwicklungsländer.

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Inhaltsverzeichnis

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1. Die Faktenlage
1.1. Umfang und Richtung der Investitionsflüsse
1.2. Investitionen und Entwicklung
2. Investitionsschutzabkommen
2.1. Übersicht
2.2. Immer mehr Klagen
2.3. Entwicklungspolitische Knackpunkte
2.4. Aktuelle Entwicklungen
2.5. Vorschläge der Zivilgesellschaft
3. Forderungen an die Schweiz 
3.1. Auf die Menschenrechte verpflichten
3.2. Begriffe und Geltungsbereich präzisieren
3.3. Keine Privilegien für ausländische Investoren
3.4. Begriff «Enteignung» enger fassen
3.5. Innerstaatliche Schiedsverfahren stärken
3.6. Die Pflichten für Investoren präzisieren
3.7. Rechte für das Zielland
3.8. Rechte und Pflichten für den Sitzstaat
4. Schlussbemerkung

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Publikation alliancesud – PDF [24 Seiten]