Dublin-Verordnung: Deutschland muss Asylverfahren durchführen
Veröffentlicht: 20. September 2015 Abgelegt unter: Gerichtsentscheidungen zu Asylverfahren, Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Schengener Abkommen Hinterlasse einen KommentarDublin-Verordnung: Deutschland muss Asylverfahren durchführen
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Über andere EU-Mitgliedstaaten eingereiste Asylbewerber können vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Durchführung des Asylverfahrens verlangen, wenn Deutschland nach der Dublin-Verordnung der EU für die Prüfung des Asylantrags zuständig geworden ist. Das hat das Oberverwaltungsgericht am 16.09.2015 in zwei Fällen entschieden, in denen die deutschen Behörden die Asylbewerber nicht innerhalb der in der Dublin-Verordnung vorgesehenen Frist in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat Spanien überstellt hatten. Dies führt nach der Verordnung dazu, dass die Zuständigkeit auf Deutschland übergeht.
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Die Kläger sind guineische Staatsangehörige. Sie stellten in Deutschland Asylanträge, nachdem sie illegal über Spanien in die EU eingereist waren. Deutschland hatte deshalb nach der Dublin II-Verordnung (für seit dem 1.1.2014 gestellte Asylanträge gilt die in weiten Teilen inhaltsgleiche Dublin III-Verordnung) Spanien um Aufnahme ersucht, das damit auch einverstanden war. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte daraufhin die Asylanträge als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Spanien an. In der Folgezeit überstellten die deutschen Behörden die Kläger aber nicht innerhalb der in der Dublin II-Verordnung vorgesehenen Frist, die im Regelfall sechs Monate beträgt, nach Spanien. Auch nachdem Deutschland deshalb nach der Dublin II-Verordnung zuständig für die Prüfung des Asylantrags geworden war, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Durchführung des Asylverfahrens weiter ab. Zur Begründung machte es geltend, Asylbewerber könnten sich auf den Fristablauf nicht berufen. Dies hatten erstinstanzlich auch die Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Köln angenommen. Weiter verwies das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darauf, es stehe nicht endgültig fest, dass Spanien die Kläger nicht aufnehmen werde.
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Der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts ist dem nicht gefolgt. Die Kläger könnten nach nationalem und nach Unionsrecht verlangen, dass der nach der Dublin-Verordnung zuständige Mitgliedstaat Deutschland das Asylverfahren durchführe. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats feststehe. Der Asylbewerber dürfe nicht zu einem „refugee in orbit“ werden, für den kein Mitgliedstaat verantwortlich sei. Hier habe aber Spanien nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht erklärt oder erkennen lassen, dass es die Asylanträge der Kläger prüfen werde. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe in beiden Fällen nichts dafür vorgetragen, dass Spanien die Überstellung auch nach dem Zuständigkeitswechsel noch akzeptieren werde.
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Das Oberverwaltungsgericht hat jeweils wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
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Aktenzeichen: 13 A 2159/14.A – VG Düsseldorf, 13 K 8286/13.A – 13 A 800/15.A – VG Köln 15 K 696/14.A
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Pressemitteilung – Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen – 16.09.2015
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Vertiefenden Informationen und Meinungsbilder zu den Rechtsgrundlagen der Asylpolitik in Deutschland und Europa finden sich hier.
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Veröffentlicht: 20. September 2015 Abgelegt unter: EU-Rechtsakte - Rechtsetzung der Europäischen Union, Schengener Abkommen, Schengener Übereinkommen | Tags: Binnenmarkt, Personenkontrollen, Prümer Vertrag, Schengen I, Schengen II, Schengen III, Schengen-Acquis, Schengen-Besitzstand, Zollkontrollen Hinterlasse einen KommentarZurück zum Schlagbaum ?
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Menschen bewegen sich frei in Europa – ohne Kontrollen passieren sie die Grenzen – reisen, arbeiten, leben. Die Freizügigkeit ist eine der Grundfesten der europäischen Idee. Groß waren die Visionen, als das Abkommen im luxemburgischen Grenzort Schengen 1985 unterzeichnet wurde. Nun, 30 Jahre später, ist das Europa von damals ein anderes.
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Eine Bilanz:
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Schengener Übereinkommen
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[public domain – Author: CrazyPhunk]
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Die Schengener Abkommen waren internationale Übereinkommen insbesondere zur Abschaffung der stationären Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der teilnehmenden Staaten. Infolge der Einbeziehung der Abkommen und des darauf aufbauenden Rechts (Schengen-Besitzstand, häufig auch Schengen-Acquis genannt) in den Rechtsrahmen der Europäischen Union, gelten die Bestimmungen der Schengener Abkommen als EU-Rechtsakte weiter und wurden mittlerweile fast vollständig durch verschiedene andere Rechtsakte ersetzt.
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Trotzdem wird auch weiterhin in diesem Zusammenhang vom „Schengen-Besitzstand“ gesprochen; dieser bildet einen wesentlichen Pfeiler des „Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ der Europäischen Union.
Da sich der Anwendungsbereich des Schengen-Besitzstandes nicht mit dem Gebiet der EU-Mitgliedstaaten deckt, wird in diesem Zusammenhang vom Schengen-Raum bzw. den Schengenstaaten gesprochen.
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Das erste Schengener Abkommen war das „Übereinkommen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen“, auch bekannt als „Schengen I“.
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In diesem Schengener Übereinkommen vereinbarten fünf Europäische Staaten, perspektivisch auf Kontrollen des Personenverkehrs an ihren gemeinsamen Grenzen zu verzichten. Das Abkommen sollte die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes vorantreiben und ist nach der Gemeinde Schengen im Großherzogtum Luxemburg benannt, wo es unterzeichnet wurde.
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Zur praktischen Umsetzung der politischen Vereinbarungen wurde am 19. Juni 1990 ebenfalls in Schengen das „Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 …“ oder „Schengen II“ unterzeichnet.
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Nach mehreren Verzögerungen, unter anderem auch verursacht durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland, wurde dieses kurz Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) genannte Abkommen (BGBl. 1993 II S. 1010, 1013) erst am 26. März 1995 tatsächlich in Kraft gesetzt.
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Der „Vertrag über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration“ (Prümer Vertrag) vom 27. Mai 2005 wird gelegentlich auch als „Schengen III“ bezeichnet, da er die mit dem SDÜ begonnene verstärkte polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit einzelner Mitgliedsstaaten weiterführt. Er gehört nicht zum Schengen-Besitzstand im eigentlichen Sinn.
[…]
Wikipedia
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Inhaltsverzeichnis
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1 Inhalt des Abkommens
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2 Teilnehmer am Abkommen
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3 Geschichte
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4 Kritik
Kritiker bemängeln, dass die Arbeitsweise, insbesondere bei den Verfahren der Zusammenarbeit und der Anhörung, nicht transparent genug sei (Komitologie). Insgesamt wird die Mitwirkungsmöglichkeit der nationalen Parlamente oft als zu begrenzt kritisiert (Demokratiedefizit der EU). Um dem entgegenzuwirken, ist im Vertrag von Lissabon, der am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist, ein „Frühwarnsystem“ vorgesehen, in dem die nationalen Parlamente über alle Gesetzesvorhaben der Kommission unterrichtet werden und diese die Möglichkeit haben, die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu überprüfen und gegebenenfalls zu intervenieren. In jüngster Zeit wird auch ein „fast track“-Verfahren im sogenannten Trilog kritisiert. Darüber hinaus arbeiten die Parlamente der Mitgliedstaaten in der Konferenz der Europaausschüsse (COSAC) zusammen.
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5 Siehe auch
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6 Filme
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7 Literatur
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8 Weblinks
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9 Einzelnachweise