EuGH-Entscheidung zu missbräuchlicher Mindestzinssatzklausel bei spanischen Hypothekendarlehen
Veröffentlicht: 22. Dezember 2016 Abgelegt unter: Abschnitt 5 - Der Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 251 - 281), banking & fraud, EuGH - Gerichtshof der Europäischen Union, Mindestzinssatzklauseln, Pressemitteilungen, seltsame Bank- und Börsenpraktiken, SPANIEN, Tribunal Supremo Ein Kommentar.
EuGH-Entscheidung
zu
missbräuchlicher Mindestzinssatzklausel bei spanischen Hypothekendarlehen
.
Spanische Banken müssen sich überraschend auf neue Milliardenlasten einstellen. Anlass ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Entschädigung von Kunden, die Immobilienkredite aufgenommen hatten.
.
Der EuGH entschied am Mittwoch, dass die Geldhäuser für die Nachteile geradestehen müssen, die den Schuldnern aus ungültigen Vertragsklauseln entstanden.
.
Ihr Oeconomicus
.
.
EuGH-Pressemitteilung Nr. 147/16 vom 21. Dezember 2016:
.
„In Spanien haben zahlreiche Privatleute Klagen gegen Kreditinstitute erhoben, um feststellen zu lassen, dass die Mindestzinssatzklauseln, die in die mit Verbrauchern geschlossenen Hypothekendarlehensverträge aufgenommen worden waren, missbräuchlich und die Verbraucher daher nicht daran gebunden waren. Die fraglichen Klauseln sehen vor, dass der Verbraucher, selbst wenn der Zinssatz unter einen im Vertrag festgelegten Mindestzinssatz fällt, weiterhin Mindestzinsen in dieser Höhe zahlen muss, ohne in den Genuss eines darunter liegenden Zinssatzes kommen zu können.
.
Mit Urteil vom 9. Mai 2013 stufte das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) Mindestzinssatzklauseln als missbräuchlich ein, da die Verbraucher nicht in geeigneter Weise über die wirtschaftlichen und rechtlichen Lasten informiert worden seien, die ihnen diese Klauseln aufgebürdet hätten. Allerdings entschied das Tribunal Supremo, die zeitlichen Wirkungen der Nichtigerklärung dieser Klauseln zu beschränken, so dass diese nur für die Zukunft Wirkungen entfaltet, nämlich ab der Verkündung des Urteils.
.
Einige Verbraucher, die von der Anwendung dieser Klauseln betroffen sind, verlangen die Beträge zurück, die sie ihrer Ansicht nach seit dem Abschluss ihrer Kreditverträge zu Unrecht an die Kreditinstitute gezahlt haben. Der Juzgado de lo Mercantil n° 1 de Granada (Handelsgericht Nr. 1 Granada, Spanien) und die Audiencia Provincial de Alicante (Provinzgericht Alicante, Spanien), die mit diesen Anträgen befasst sind, möchten vom Gerichtshof wissen, ob die Beschränkung der Restitutionswirkungen der Nichtigerklärung auf den Zeitpunkt der Verkündung des Urteils des Tribunal Supremo mit der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln (vgl. Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29) vereinbar ist, da Verbraucher nach dieser Richtlinie nicht an solche Klauseln gebunden sind.
.
In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass das Unionsrecht einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, nach der die Restitutionswirkungen der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel auf die Beträge beschränkt sind, die rechtsgrundlos gezahlt wurden, nachdem die Entscheidung mit der Feststellung der Missbräuchlichkeit der Klausel verkündet worden war.
.
Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass nach der Richtlinie missbräuchliche Klauseln unter den durch das Recht der Mitgliedstaaten festgelegten Voraussetzungen Verbraucher nicht binden dürfen und die Mitgliedstaaten angemessene und wirksame Mittel vorzusehen haben, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende gesetzt wird. Der Gerichtshof erläutert, dass das nationale Gericht eine missbräuchliche Vertragsklausel schlicht ungewendet zu lassen hat, damit sie als von Anfang an nicht existent gilt und den Verbraucher nicht bindet.
Die Feststellung der Missbräuchlichkeit muss dazu führen, dass die Lage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne diese Klausel befunden hätte. Folglich muss die Feststellung der Missbräuchlichkeit der Mindestzinssatzklauseln die Rückgewähr der Vorteile ermöglichen, die der Gewerbetreibende zulasten des Verbrauchers rechtsgrundlos erhalten hat..
Nach Ansicht des Gerichtshofs konnte das Tribunal Supremo zu Recht entscheiden, dass im Interesse der Rechtssicherheit durch sein Urteil nicht die Sacherhalte berührt werden dürfen, über die durch frühere Gerichtsentscheidungen endgültig entschieden worden ist. Das Unionsrecht kann einem nationalen Gericht nämlich nicht vorschreiben, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften abzusehen.
.
Angesichts des grundlegenden Erfordernisses, dass das Unionsrecht in allen Fällen einheitlich anzuwenden ist, ist es jedoch allein Sache des Gerichtshofs, darüber zu entscheiden, ob die Geltung der von ihm vorgenommenen Auslegung einer Unionsvorschrift in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt werden soll. In diesem Zusammenhang führt der Gerichtshof aus, dass die von der nationalen Rechtsordnung aufgestellten Voraussetzungen den durch die Richtlinie garantierten Verbraucherschutz nicht beeinträchtigen dürfen.
.
Die zeitliche Beschränkung der Wirkungen der Nichtigkeit der Mindestzinssatzklauseln nimmt aber spanischen Verbrauchern, die vor der Verkündung des Urteils des Tribunal Supremo einen Hypothekendarlehensvertrag geschlossen haben, das Recht auf Rückerstattung der Beträge, die sie rechtsgrundlos an das Kreditinstitut gezahlt haben.
Aus dieser zeitlichen Beschränkung ergibt sich somit ein unvollständiger und unzureichender Verbraucherschutz, der kein angemessenes und wirksames Mittel sein kann, um der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen, wie es die Richtlinie verlangt.„
.
.
Kommission fordert Mitgliedstaaten zur Beendigung ihrer EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen auf
Veröffentlicht: 18. Juni 2015 Abgelegt unter: Abschnitt 5 - Der Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 251 - 281), Art. 258 AEUV, EU-interne bilaterale Investitionsschutzabkommen, Europäische Kommission, Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion, Jonathan Hill (UK), (seit 1.Nov.2014) - AECR | Tags: Investor-State Arbitration System (ISDS), Micula-Schiedsgerichtsverfahren Hinterlasse einen KommentarKommission fordert Mitgliedstaaten zur Beendigung ihrer EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen auf
.
Die Europäische Kommission hat heute Vertragsverletzungsverfahren gegen fünf Mitgliedstaaten eingeleitet und diese aufgefordert, bilaterale Investitionsschutzabkommen mit anderen Mitgliedstaaten („EU-interne bilaterale Investitionsschutzabkommen“) zu beenden. In bilateralen Investitionsschutzabkommen sind die Bedingungen für private Investitionen von Staatsangehörigen und Unternehmen eines Staates in einem anderen Staat festgelegt. EU-interne bilaterale Investitionsschutzabkommen sind Abkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten. Die meisten EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen wurden in den 1990er-Jahren zwischen den damaligen Mitgliedstaaten und den später im Zuge der EU-Erweiterungen von 2004, 2007 und 2013 beigetretenen Mitgliedstaaten („EU-13“) geschlossen. Sie sollten privaten Anlegern Sicherheit geben, die in der künftigen EU-13 investieren wollten, aber zum damaligen Zeitpunkt – teilweise aus historisch-politischen Gründen – möglicherweise Bedenken hatten. Ziel der Abkommen war daher eine Stärkung des Anlegerschutzes, zum Beispiel durch Entschädigungen für Enteignungen und Schiedsverfahren für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten. Seit der Erweiterung dürften solche zusätzlichen Absicherungen nicht mehr notwendig sein, da im Binnenmarkt auch in Bezug auf grenzüberschreitende Investitionen für alle Mitgliedstaaten dieselben EU-Vorschriften gelten (insbesondere die Niederlassungsfreiheit und der freie Kapitalverkehr). Alle Anleger in der EU genießen dank der EU-Vorschriften (z. B. des Verbots der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit) denselben Schutz. Mit den EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen dagegen werden auf bilateraler Basis nur Anlegern aus bestimmten Mitgliedstaaten Rechte verliehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine solche Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit mit EU-Recht unvereinbar. Aus all diesen Gründen hat die Kommission beschlossen, fünf Mitgliedstaaten (die Niederlande, Österreich, Rumänien, Schweden und die Slowakei) aufzufordern, die zwischen diesen Mitgliedstaaten bestehenden EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen zu beenden. Den heute versandten Aufforderungsschreiben gingen Schriftwechsel mit den betreffenden Mitgliedstaaten voraus. Dies ist kein neues Thema. Die Kommission hat alle Mitgliedstaaten über mehrere Jahre wiederholt darauf hingewiesen, dass EU-interne bilaterale Investitionsschutzabkommen mit EU-Recht unvereinbar sind. Da jedoch die meisten Mitgliedstaaten auf diese Hinweise nicht reagiert haben, leitet die Kommission nun gegen fünf Mitgliedstaaten die erste Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens ein. Gleichzeitig ersucht sie die übrigen 21 Mitgliedstaaten, die noch EU-interne bilaterale Investitionsschutzabkommen aufrechterhalten, um Informationen und leitet einen administrativen Dialog mit ihnen ein. Zwei Mitgliedstaaten, Irland und Italien, haben ihre betreffenden Abkommen bereits 2012 bzw. 2013 beendet. Der für Finanzmarktstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion zuständige EU-Kommissar Jonathan Hill erklärte:
Hintergrund In bilateralen Investitionsschutzabkommen sind die Bedingungen für Investitionen zwischen zwei Staaten festgelegt. Zwischen den EU-Mitgliedstaaten sind noch rund 200 solcher Abkommen in Kraft. Die meisten stammen aus den 1990er-Jahren, als zumindest eines der beteiligten Länder noch nicht Mitglied der EU war. Ziel war es, Investitionen zu fördern, indem die Parteien einander Garantien gegen politische Risiken anboten, die Investitionen beeinträchtigen könnten. Solche Abkommen sind in einem Binnenmarkt mit 28 Ländern überholt. Die laufenden Verfahren betreffen nur EU-interne bilaterale Investitionsschutzabkommen, nicht aber bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittländern. EU-interne bilaterale Investitionsschutzabkommen zersplittern den Binnenmarkt, indem einigen EU-Anlegern auf bilateraler Basis Rechte verliehen werden. Ihre Bestimmungen überschneiden sich mit den EU-Binnenmarktvorschriften für grenzüberschreitende Investitionen und stehen mit ihnen im Widerspruch. Diese Rechtslage betrifft nur bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten. In ihren Aufforderungsschreiben betont die Kommission, dass sich diese Erwägungen auf bilaterale Abkommen beschränken, die EU-Mitgliedstaaten untereinander aufrechterhalten. Sie betreffen keine Investitionsschutzabkommen der Mitgliedstaaten oder der Europäischen Union mit Drittländern, für die andere Erwägungen gelten. Die EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen wurden zwar in den ersten Jahren nach der Erweiterung kaum in Anspruch genommen, in jüngerer Zeit haben jedoch einige Investoren darauf zurückgegriffen. Die durch diese Abkommen aufgeworfenen Probleme sind nicht nur theoretischer Natur, sondern haben ganz praktische Folgen. So führte ein Schiedsverfahren aus jüngster Zeit, in dem es um ein EU-internes bilaterales Investitionsschutzabkommen ging, zu einem nach Auffassung der Kommission mit EU-Recht unvereinbaren Ergebnis, da der Schiedsspruch eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstellt[1]. Diese Situation kann zu Rechtsunsicherheit für grenzüberschreitend tätige Anleger führen – zu einem Zeitpunkt, zu dem die Förderung eines investitionsfreundlichen Umfelds für die EU höchste Priorität hat. Die Kommission hat daher die Mitgliedstaaten zur Beendigung ihrer EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen aufgefordert und den fünf Mitgliedstaaten, mit denen sie sich bereits in einem administrativen Dialog2 um Klärung bemüht hatte (Niederlande, Österreich, Rumänien, Schweden und Slowakei), Aufforderungsschreiben übersandt, da die betreffenden Abkommen Gegenstand von Schiedsverfahren waren und Fragen hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit EU-Recht aufwerfen. Das Aufforderungsschreiben stellt die erste Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dar. Gleichzeitig hat die Kommission in EU-Pilot-Verfahren Schreiben an die übrigen 21 Mitgliedstaaten, die EU-interne bilaterale Investitionsschutzabkommen aufrechterhalten3, gerichtet und sie um Stellungnahme gebeten. Nächste Schritte Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission nun innerhalb von 2 Monaten auf die Aufforderungsschreiben und innerhalb von 10 Wochen auf die EU-Pilot-Schreiben antworten. Für Anfang Oktober wird die Kommission eine Sitzung mit allen Mitgliedstaaten einberufen, um diese dabei zu unterstützen, die bilateralen Investitionsschutzabkommen innerhalb der EU in koordinierter Weise zu beenden. Darüber hinaus beabsichtigt die Kommission, mit den Mitgliedstaaten und allen Interessierten Gespräche darüber zu führen, wie der Investitionsschutz im Binnenmarkt weiter verbessert werden kann. Zu den Vertragsverletzungsverfahren im Juni siehe MEMO/15/5162. Zu Vertragsverletzungsverfahren allgemein siehe MEMO/12/12. Weitere Informationen über Vertragsverletzungsverfahren: http://ec.europa.eu/eu_law/infringements/infringements_de.htm [1] In der Sache Micula ordnete das Schiedsgericht an, dass Rumänien einem schwedischen Investor Schadensersatz zahlen müsse, und setzte sich damit über den Standpunkt der Kommission hinweg, dass ein solcher Schiedsspruch gegen die EU-Beihilfevorschriften verstößt. 2 Mit EU-Pilot-Verfahren soll die Kommunikation und die Lösung von Problemen zwischen den Dienststellen der Kommission und den Behörden der Mitgliedstaaten in Fragen der Anwendung des EU-Rechts oder der EU-Konformitätnationaler Vorschriften frühzeitig verbessert werden, bevor ein Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 258 AEUV eingeleitet wird (http://ec.europa.eu/eu_law/infringements/application_monitoring_de.htm). 3 Alle übrigen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Irlands und Italiens, die ihre Abkommen beendet haben. IP/15/5198
|