Die Verfassung der Mitte – Vortrag von Prof. Dr. Andreas Voßkuhle

Die Verfassung der Mitte
Vortrag von Prof. Dr. Andreas Voßkuhle
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Die Ordnung, die das Grundgesetz errichtet hat, zielte von Beginn an darauf, die „Mitte“ zu bewahren und zu stärken.
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An die Stelle des Weimarer „Kults der Entscheidung“ und des „Denkens in Extremen“ trat in der Bundesrepublik die Sehnsucht nach Ausgleich.
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Politik und Verfassungsrechtsprechung orientieren sich seither an Leitgedanken wie Angemessenheit, Kompromissbereitschaft, Nachhaltigkeit, Stabilität und Verantwortung.
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In den für die verfassungsrechtliche Diskussion so charakteristischen Mischkonzepten werden diese Ideen konkret:
etwa im Gebot der „praktischen Konkordanz“, im Leitbild des „kooperativen Föderalismus“, in der „wohlwollenden Neutralität“, die das Verhältnis von Staat und Kirche charakterisiert, oder auch in der „personalisierten Verhältniswahl“.
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Der Vortrag spürt diesen Begriffen des Verfassungsdenkens nach und fragt zugleich, ob und wie das Verfassungsrecht auf die heute vielfach diagnostizierte „Krise“ der Mitte reagieren kann:
Lässt sich das Versprechen der (sozialen) Mitte in einem globalen Umfeld, das von großer Dynamik und Diversität geprägt ist, noch einhalten?
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Türkischer Parlamentspräsident fordert islamische Verfassung

Türkischer Parlamentspräsident fordert islamische Verfassung
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Der türkische Parlamentspräsident Ismail Kahraman will eine islamische Verfassung für die Türkei.
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„Wir sind ein muslimisches Land. Deshalb brauchen wir eine religiöse Verfassung“
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sagte der AKP-Politiker laut Medienberichten bei einer Konferenz in Istanbul. Für Säkularismus sei indes kein Platz.
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„Warum sollten wir uns als muslimisches Land von der Religion distanzieren?“
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wird Kahraman zitiert.
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Parlamentspräsident Kahraman ist federführend bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung, die nach Angaben der Regierung auf den europäischen Menschenrechtsstandards basieren soll. Die AKP verfügt im Parlament über 317 der 550 Sitze. Um ihren Verfassungsentwurf einem Referendum zu stellen, benötigt sie 330 Stimmen.
[…]
DW
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Anmerkung
Sollte sich Kahraman tatsächlich durchsetzen, darf man der türkischen Bevölkerung erkenntnisreiche Erfahrungen mit der Scharia wünschen.
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Ihr Oeconomicus
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Wirtschaftsminister Macron will Europa neu gründen

Wirtschaftsminister Macron will Europa neu gründen
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Seit sechs Monaten unternimmt Macron, Mitglied einer Mitte-Links- Partei, immer wieder Vorstöße in Richtung Europa, um die Union zu einem „New Deal“ und damit einer gemeinsamen und integrierten Industriepolitik zu überreden.
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Interview mit Wirtschaftsminister Emmanuel Macron:
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Kolumbien: Nationalpark erhalten – Goldmine stoppen

Kolumbien:
Nationalpark erhalten – Goldmine stoppen
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Am 19. Februar 2016 reichten die Firmen Cosigo Ressources (Kanada) und Tobie Mining and Energy (USA) Klage bei einem Schiedsgericht im US-Bundesstaat Texas ein, berichtet die Zeitung Portafolio. Sie nutzen dazu die Freihandelsabkommen, die Kolumbien mit den USA und Kanada geschlossen hat. Diese sehen vor, dass ausländische Firmen den Staat vor privaten Schiedsgerichten verklagen können, etwa weil Arbeits-, Umwelt- oder Sozialstandards ihre zukünftigen Profite schmälern.
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Die Bergbaulizenzen der Firmen liegen in dem über eine Million Hektar großen Nationalpark Yaigojé Apaporis im kolumbianischen Teil des Amazonasgebiets. Der Regenwald an der Grenze zu Brasilien ist die Heimat von sieben indigenen Völkern – und beherbergt eine außergewöhnlich hohe Vielfalt von Tieren, Pflanzen und Landschaften. Auf Bestreben der Indigenen wurde der Nationalpark im Jahr 2009 offiziell gegründet.
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Vor den staatlichen Gerichten Kolumbiens ist Cosigo Ressorces gescheitert – trotz jahrelanger Verfahren durch alle Instanzen, berichten El Espectador und Semana. 2015 hat das Verfassungsgericht in Bogotá endgütig entschieden, dass der Nationalpark rechtens und Goldabbau dort nicht zulässig ist.
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latina-press – 22.04.2016
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Link zur Petition
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korrespondierende Beiträge
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25.04.2016
So ermöglicht TTIP betrügerische Geschäfte – und bedroht die Demokratie
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22.04.2016
US-Freihandelspakt verwüstet Kolumbien
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14.04.2016
Three mining co.s to sue Colombian Govt.
under free trade agreement with US over mining ban in national park
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31.07.2013
Wasser ist wertvoller als Gold
Erstmals stimmten Bewohner einer kolumbianischen Gemeinde über Bergbauaktivitäten ab
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Freispruch für DB-Manager – Revision nicht ausgeschlossen

Freispruch für DB-Manager – Revision nicht ausgeschlossen
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Mit Freisprüchen für fünf ihrer prominentesten Manager endet für die Deutsche Bank ein wichtiges Kapitel im jahrelangen Streit über die Pleite der Kirch-Mediengruppe.
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Das Landgericht München sprach Co-Chef Jürgen Fitschen, dessen Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei weitere Ex-Vorstände vom Vorwurf des versuchten Betrugs frei. Es gebe keinen Beweis, dass die Banker in einem Schadenersatzprozess des früheren Medienmagnaten Leo Kirch ein anderes Gericht belogen hätten, urteilte die Strafkammer am Montag.
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Dennoch ist sich die Anklagebehörde noch nicht sicher, ob sie gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) einlegt.
[…]
Reuters
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Anmerkung
Somit hat sich meine Prognose vom 14. Mai 2015 ungeachtet eines denkbaren Revisionsverfahrens bestätigt.
Nicht nur im Zusammenhang mit diesem Fall wünscht man sich auch in Deutschland ein Unternehmens-Strafrecht nach US-Vorbild.
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Ihr Oeconomicus
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Merkel: „Dann macht Österreich den Brenner dicht“

Merkel:
„Dann macht Österreich den Brenner dicht“
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Mehrere Teilnehmer eines Treffens der Unionsfraktionschefs aus Bund und Ländern zeigten sich nach Informationen des SPIEGEL verwundert über eine Aussage von Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage. Bei der Zusammenkunft vergangenen Sonntag in Berlin war die Kanzlerin gefragt worden, was geschehen solle, falls eine große Zahl von Flüchtlingen über Italien nach Deutschland einreisen wolle.
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Merkel antwortete, dann sei Rom dafür zuständig, die Menschen unterzubringen und zu registrieren. Auf die Nachfrage des CSU-Landtagsfraktionschefs Thomas Kreutzer, was passiere, wenn die italienische Regierung dieser Verpflichtung nicht nachkommen könne oder wolle und sich wieder Hunderttausende auf den Weg nach Deutschland machten, sagte Merkel:
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„Dann macht Österreich den Brenner dicht.“
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[…]
SpOn
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Anmerkung
Mit dieser Ansage macht es sich Merkel etwas zu leicht. Zwar ist die Brenner-Autobahn als Teil der Europastrasse 45 die Hauptverkehrstraße zwischen Italien und Österreich, es gibt jedoch zahlreiche weitere Grenzübergänge, die mittels KfZ oder Bahn passiert werden können:
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Hinzu kommt, dass sich die Österreichische Regierung mit der Festlegung einer jährlichen Obergrenze von 37,500 Flüchtlingen einem Rechtsgutachten zufolge, welches dazu völkerrechtliche Bedenken darlegt, nun gegenüber der eigenen Bevölkerung zu verantworten hat. Dies mag einer der Gründe sein, warum Johanna Mikl-Leitner ihr Amt als Innenministerin aufgab und seit dem 21. April 2016 als 1. Landeshauptmann-Stellvertreterin Niederösterreichs fungiert.
Das Innenministerium wird seit dem 21.April 2016 von Wolfgang Sobotka geführt.
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Um eine weitere Invasion der Schatzsuchenden zu verhindern, werden nicht nur die Grenzsicherungs-Maßnahmen verstärkt, sondern an den Grenzen so genannte Asyl-Schnellverfahren etabliert, in welchen binnen weniger Stunden individuell festgestellt werden soll, ob Gründe gegen eine Zurückweisung in ein sicheres Drittland sprechen. Es wird sich zeigen, ob diese Strategie tatsächlich zielführend sein wird.
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Im Lichte dieser Zusammenhänge wäre der Platzhalterin im Kanzleramt ein Blick in ihren „verzerrten Spiegel“ anzuraten, um festzustellen, dass sie und Ihre Hetzer-Entourage, die der AfD gerne vorhalten, dass es „einfache Lösungen nicht gibt“, nun exakt ebensolche Parolen ausgeben!
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Ihr Oeconomicus
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«Merkel ging einen Teufelspakt ein»

«Merkel ging einen Teufelspakt ein»
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Der Philosoph Peter Sloterdijk hat die Bundeskanzlerin für ihre improvisierte Migrationspolitik scharf kritisiert. Außerdem greift er die AfD als Partei mit vielen „gescheiterten Figuren“ an – und erläuterte im Interview mit Res Strehle vom Schweizer Tagesanzeiger auch gleich, warum die moderne Gesellschaft so viele Verlierer produziere.
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Auszug:
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Res Strehle:
„Lange haben Sie die Bosheiten Ihrer Kritiker wegmeditiert. Jetzt hat es Ihnen in der Migrationsdebatte gereicht. Sie haben Ihren Kritikern zurückgegeben.“
Peter Sloterdijk:
„Die Deformationen haben Grenzen, wenn die Argumente ehrenrührig oder gar diffamierend werden. Dann ist eine Intervention angezeigt.“
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Res Strehle:
„Für Kritik sorgte, dass Sie Angela Merkel für ihr «Wir schaffen das!» angegriffen haben. Sie suggeriere, die Politik hätte alles im Griff.“
Peter Sloterdijk:
„Ich habe in meinem Buch «Die schrecklichen Kinder der Neuzeit» beschrieben, wie seit der Französischen Revolution die Improvisation an die Macht gekommen ist. In Frankreich drang sie bis in die innersten Angelegenheiten des Staatswesens vor. Zwischen 1789 und 1815 wurden dort mehr als ein Dutzend Verfassungen proklamiert, als wäre das Redigieren von Konstitutionen eine Übung fürs politologische Proseminar. Ähnlich improvisiert man heute in der Migrationspolitik.
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Res Strehle:
„Das Erstarken einwanderungsfeindlicher Bewegungen sehen Sie als allergische Reaktion.“
Peter Sloterdijk:
Wenn die Einwanderung eine Form annimmt, in der es keine Grenze mehr gibt, sondern nur ein wüstes offenes Feld, liegt Staatsversagen vor. Dann kann man Reaktionen wie jene der Pegida oder der Alternative für Deutschland (AfD) metaphorisch als allergische Reaktionen deuten.“
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Res Strehle:
„Stört es Sie, dass mit Marc Jongen ein früherer Assistent von Ihnen Vordenker der AfD wurde?“
Peter Sloterdijk:
„Als Rektor in Karlsruhe habe ich, wie auch mein Nachfolger, die Meinung vertreten, eine Hochschule habe nicht das Recht, ein Mitglied einer politischen Bewegung zu massregeln, die zu Wahlen zugelassen ist und mit politischen Listen auf allen Ebenen kandidieren darf. Und dies unabhängig davon, wie umsympathisch sie ist.“
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Res Strehle:
Jongen sieht sich als Ihr Schüler.
Peter Sloterdijk:
In wesentlichen Punkten zu Unrecht. Er dürfte sich vielleicht als mein Schüler bezeichnen, wenn er in seiner Assistentenzeit wenigstens ein einziges vorzeigbares Buch geschrieben hätte. So aber bleibt es nur bei falschen Zitaten. Jongen hat den Begriff des «Thymos» – vereinfacht gesagt: der Zorn-Aufwallung, die vom verletzten Stolz kommt –, den ich im Buch «Zorn und Zeit» entwickle, völlig entstellt. Er verwechselt durchwegs Stolz mit Ressentiment. Es ist mir schleierhaft, wie ausgerechnet die kläglichen Figuren an der Spitze der AfD ihren Landsleuten Unterricht in alt-abendländischem Stolz erteilen sollten. Stolz worauf? In der Führung der Partei bemerkt man nicht wenige gescheiterte Figuren, die vor dem Gerichtsvollzieher in die Politik geflohen sind.
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Res Strehle:
„Warum produziert die moderne Gesellschaft eigentlich so viele Verlierer?“
Peter Sloterdijk:
„Das Verlierer-Phänomen ist ein sozialpsychologisch unvermeidlicher Nebeneffekt der Demokratie. In einer ständischen Gesellschaft fühlten die Menschen sich in der Regel an ihren Ort gestellt und neigten nicht so sehr dazu, sich zu vergleichen. Auch sie nahmen den Unterschied zwischen dem grossen Herrn und dem armen Teufel wahr, aber sie taten das nicht vor dem Hintergrund des Gleichheitspostulats.
Heute sind die Vergleiche virulenter geworden, man vergleicht sich direkt mit dem Bevorzugten, ohne von der Diskretion des Standesbewusstseins zu profitieren. Der Stand war eine soziale Immunabwehr, die den Schlechtergestellten davor bewahrte, in eine verzehrende Konkurrenz mit den Bessergestellten zu treten. Ein amerikanischer Film nennt das Gefühl, das aus ungeschütztem Direktvergleich entspringt, «Basic Instinct». Der ist bekanntermassen tödlich und schadet vor allem dem, der ihm nachgibt.“
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Res Strehle:
„Trotzdem will niemand zur ständischen ­Gesellschaft zurück.“
Peter Sloterdijk:
„Natürlich nicht, weil es seinerzeit fast keinerlei soziale Mobilität und keine Aufstiegschancen gab. Unter alt-ständischen Verhältnissen wäre unser Bundespräsident ein kleiner Dorfpfarrer in Mecklenburg-Vorpommern, Angela Merkel Haushaltshilfe auf einem Pfarrhof, ich selber mit etwas Glück Kanzlist in einer rheinischen Kleinstadt, und auch Sie hätten nie die Chance gehabt, Chefredaktor einer Schweizer Zeitung zu werden, sondern wären Gemeindediener in Glarus geblieben. Das Spektrum der Aufstiegschancen hat sich in der Moderne gegenüber dem Ancien Régime verzwanzigfacht. Aber eben deswegen produziert die moderne Gesellschaft so viele Verlierer: Wenn es zahllose Chancen gibt und man hat keine nutzen können, dann ist das Verlierergefühl umso bitterer.“
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