Putins Q & A TV-Session


Putins Q & A TV-Session

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Zeitgleich mit den Genfer Ukraine-Gesprächen präsentierte das russische TV den live-Auftritt von Präsident Putin mit seiner jährlichen Fragestunde ‚Direkter Draht‘. In drei Stunden und 55 Minuten schaffte es Putin, auf 81 Fragen zu antworten, von denen 35 die Krim und die Ukraine betrafen.

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Wer sich der Mühe unterziehen möchte, die Reaktion westlicher Qualitätsmedien zu untersuchen, wird feststellen, dass die Redaktionen von DW, FAZ, N-TV, SpOn oder Welt zu sehr mit anderen wichtigen Ereignissen beschäftigt sind oder waren und somit  Zeit und zuweilen vielleicht auch Sachverstand fehlte, um die in Rede stehenden Fragen und Antworten etwas genauer zu beleuchten.
Dabei hätten nur wenige Klicks ausgereicht, um das offizielle Transkript (in englischer Sprache) des TV-Events auf der Seite des russischen Präsidenten nachzulesen.

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Aber lassen Sie uns fair bleiben, immerhin durften wir quasi als Essenz, der von DW bezeichneten ‚Putin-Show‘ erfahren, dass der Präsident die angebliche Gewalt‘ der neuen ukrainischen Führung gegen die eigene Bevölkerung verurteile und es im Osten der Ukraine weder russische Einheiten, noch Geheimdienste oder Instrukteure gäbe.
Natürlich war auch Putins Eingeständnis, dass auf der Krim russische Soldaten im Einsatz waren, um die Bedingungen für eine „freie Wahl“ zu schaffen, ein ganz wichtiger Nachrichtenfaktor.
Seltsamerweise fand Putins Hinweis, man halte die neuen Behörden in Kiew für nicht rechtmäßig, lehne aber Kontakte mit ihnen nicht ab, keine ausreichende Beachtung einer sedativ anmutenden Medienbewertung.

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Die politisch sicher geschickte Zuschaltung von Edward Snowden erscheint übereinstimmend einer der bedeutendsten Farbtupfer medialer Berichterstattung zu sein.

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Hingegen wurde es verabsäumt, die detaillierten Hinweise des russischen Präsidenten, in welchem Umfang die Russische Föderation die Ukraine während der letzten Jahre finanziell unterstützte, gebührend zu erwähnen.

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An der Stelle ein Hinweis auf die sogenannten exorbitant gestiegenen Gaspreise ggü der Ukraine. Anhand öffentlich zugänglicher Daten seitens Gazprom kommt man zu dem Ergebnis, dass die neu festgelegten Preise für ukrainische Gasimporte lediglich um ca. 12,5% über dem Tarif für bspw. deutsche Importe liegen. Berücksichtigt man die in Rede stehenden Mengenverhältnisse, so erscheinen diesbezügliche Vorhaltungen seitens Kiewer Hijacker oder einer ‚entzopften‘ Gasprinzessin unter betriebswirtschaftlicher Aspekten doch eher fragwürdig zu sein.
Vielleicht wäre es angebracht, wenn Frau Tymoshenko ihre diesbezüglich schrille Tonlage eingedenk des anlässlich 2009 aufgeflammten Streits um faire Gaspreise und ihrer seltsam anmutenden Verhandlungsstrategie mit Putin etwas zurückfahren würde.

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In den Nachrichten-Redaktionen schenkte man Putins Erläuterungen zu den russisch-chinesischen Handels-Beziehungen keine besondere Aufmerksamkeit. Alleine der Hinweis auf ein 2013 mit China abgewickelten Handelsvolumens von $ 87 Mrd gegenüber $ 27,5 Mrd mit USA hätte vermeintliche ökonomische Abhängigkeiten mit den Vereinigten Staaten ad absurdum geführt.
Schließlich hätte man auf bedeutende wirtschaftliche Vereinbarungen zwischen Russland und China hinweisen müssen, etwa dem Agreement, im Schwarzen Meer einen Tiefseehafen zu bauen, oder dem kurz vor der Unterzeichnung stehenden Jahrhundert-Projekt, der sog. “Power of Siberia” Erdgas-Pipeline, welche auf Sicht die russische Abhängigkeit von Erdgas-Exporten nach Europa deutlich verringern dürfte.

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Die Handelsvolumina mit der EU27 sind hingegen bedeutender:
Die EU27-Exporte nach Russland erreichten 2012 einen Spitzenwert von rund € 123 Mrd, wobei dabei (um nur die wichtigsten Handelspartner zu nennen) auf Deutschland € 37,9 Mrd (31% der EU Ausfuhren), Italien € 10,0 Mrd, Frankreich € 9,2 Mrd, Niederlande € 8,3 Mrd, Polen € 7,8 Mrd, Finnland € 5,7 Mrd, UK 5,6 Mrd, Belgien € 5,4 Mrd, Tschechien € 4,8 Mrd, Litauen € 4,4 Mrd, Österreich € 4,1 Mrd entfielen.
Ebenfalls 2012 lagen die russischen Ausfuhren in die EU27-Länder bei € 213 Mrd, was zu einem Handelsbilanzdefizit der EU27 von € 90 Mrd führte.

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Möglicherweise ist mir beim Studium medialer Bewertungen der Hinweis auf Putins Einlassungen zur Genfer Ukraine-Konferenz entgangen. Wie bereits in dem diesbezüglichen Bericht erwähnt, äusserte sich der russische Präsident zu der Zusammensetzung dieser Gespräche,

„We feel strongly that this should not be a sham dialogue between representatives of the authorities, but a dialogue with the people to find the compromise I was talking about.“

übrigens ein Punkt der jetzt von Frau Timoshenko aufgegriffen wurde und interessanterweise auch medial dargestellt wird.

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Gedulden wir uns also, bis genauere Analysen zum Putin-Event von den zahlreichen Experten der Bertelsmann-Stiftung, der Konrad-Adenauer-Stiftung, dem Forschungsinstitut für Internationale Politik, SWP, oder von -der EU-Kommission nahestehenden- Analyse-Profis, wie bspw. Bruegel vorliegen, die uns in politisch korrekter Semantik die vermeintlich wahren Absichten von Herrn Putin nahebringen dürften.

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Immerhin hat man den Lesern der Washington Post einen Teil des Transkripts der TV-Sendung nahegebracht. Eigentlich traurig, dass ausgerechnet die ‚Watergater‚ eine solche Steilvorlage bislang nur dürftig kommentierten und es damit vorziehen, den amerikanischen ‚Think-tanks‘  die ‚Deutungshoheit zu überlassen.

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Zwischenzeitlich bietet russland.ru einen Teil des Transkripts in deutscher Übersetzung an, ein Service den man insbesondere von deutschsprachigen Medien bislang vergeblich erwartet!

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Ihr Oeconomicus



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