TTIP – Das Abkommen zur Unfreiheit der Bürger

Einige Gedanken zur Transatlantic Trade and Investment Partnership
Gastbeitrag von Moritz Enders

 

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Wer ins Gefängnis muß, dürfte dies wohl kaum als einen Abenteuerurlaub bezeichnen.
Denn während der Begriff „Abenteuerurlaub“ eine abenteuerliche und angenehme Erfahrung suggeriert, dürfte es im Gefängnis zwar auf gewisse Art auch abenteuerlich zugehen, aber es ist dort bestimmt nicht angenehm. Zudem macht man einen Abenteuerurlaub in der Regel freiwillig, eine Erfahrung im Gefängnis wohl eher nicht – Ausnahmen mag es geben.

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Ähnlich irreführend finde ich den Begriff „Feihandelsabkommen“, als welches das geplante TTIP oft bezeichnet wird. Denn hier geht es nicht um freien Handel, sondern um die Unfreiheit der Bürgerinnen und Bürger. Die geplante Investorenschutzklausel sieht vor, daß Konzerne Regierungen wegen vermeintlich entgangener Gewinne verklagen können. Nicht vor Gericht. Sondern vor einer dubios besetzten Schiedskommission. Auf etliche Milliarden Euro. Umwelt- und Gesundheitsstandards werden auf der Strecke bleiben. Die Staaten und die Bürger haben zu kuschen.

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Es handelt sich also um eine Begriffsverdrehung. Das Etikett und das Produkt passen nicht zusammen. Um so wichtiger ist es da, genau hinzusehen, was gespielt wird. Jetzt also rücken – im Schatten der „Krim- Krise“ – die EU und die USA enger zusammen. Krisen sind immer nützlich, um Entwicklungen einzuleiten und Zustände zu erzwingen, die unter normalen Bedingungen in einer Zivilgesellschaft nie durchsetzbar gewesen wären.
Seit 9 / 11 ist es okay, daß wir abgehört werden und „unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen“.
Mit der „Euro- Krise“ wurden die Rufe nach „mehr Europa“ immer lauter. Gerade in Deutschland sind wir so erzogen worden, dass wir „mehr Europa“ immer gut finden. Wer sich da skeptisch zeigt, wird gern als ewig Gestriger diffamiert. Doch auch hier führen die Begrifflichkeiten in die Irre.
Die Frage sollte zunächst einmal sein: Was für ein Europa wollen wir überhaupt?

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„Mehr Europa“ bedeutet zunächst einmal mehr Macht für die Büro- und Technokraten in Brüssel, die sich fast alle in den Fängen internationaler Lobbies befinden.
Das hinter verschlossenen Türen verhandelte TTIP ist dafür das beste Beispiel.
Und wollen wir wetten, dass wir demnächst auch wieder über Fracking in Deutschland diskutieren, unter dem Vorwand, man müsse sich doch von den russischen Gaslieferungen unabhängig machen?

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Die großen Energiekonzerne dürften einer solchen Debatte mit Interesse folgen – und sie sicherlich auch mit eigenen Argumenten „bereichern“. In der Ukraine haben Shell, Chevron und Exxon Mobil ihre Claims schon abgesteckt. Und mit Jazenjuk steht nun genau der Mann an der Spitze des Landes, den die Amerikaner dort gerne sehen wollten – wie wir aus dem abgehörten Telefonat von Victoria Nuland wissen. Die USA bekommen schon das, was sie wollen. Die Menschen in der Ukraine spielen dabei jedoch keine Rolle.

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In Rußland gibt es nun allerdings auch noch jede Menge Öl und Gas und ein Schalk ist wer da denkt, da wollten wir auch noch ran. Die Nato ist ja eifrig dabei, Rußland einzukreisen. Nur auf die Krim, wo die russische Schwarzmeer-Flotte vor Anker liegt, muß sie, so scheint es, zunächst einmal verzichten.
Und schon ertönt es nach dem Referendum dort in der hiesigen Mainstream-Presse – wen wundert es? – : „Wer stoppt Putin?“ Die Frage klingt mit Verlaub ein wenig schräg. Sie sollte besser heißen: „Wer stoppt uns? Wer stoppt den Westen?“

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Der brave deutsche Zeitungsleser soll hier offensichtlich auf Linie getrimmt werden, auf dass er sich im Schoße der „westlichen Wertegemeinschaft“ auch recht aufgehoben fühlt. Man könnte sich allerdings auch fragen, was für Werte das eigentlich sind, für die wir uns so unentwegt einsetzen.
Das TTIP? Alternativloses Durchregieren? Verfassungsbrüche im Zuge der „Euro- Rettung“? Angriffskriege? Das Verschießen von Uranmunition? Und jetzt Säbelrasseln an den Grenzen zu Rußland?

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Es ist eine bemerkenswerte Errungenschaft westlicher Propaganda, dass sie es fast immer schafft, die Vorzeichen umzukehren. Aus Plus wird Minus und aus Minus Plus. Terroristen werden zu Freiheitskämpfern und Freiheitskämpfer zu Terroristen.
Ein Staatsstreich ist demokratisch, während ein gewählter Staatspräsident zum Diktator mutiert. Oder auch nicht. Je nachdem, wie es passt.
Und selbstverständlich ist jeder Angriffskrieg, den wir führen, im Sinne des Völkerrechts.

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Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sollten sich aber nicht in die Irre führen lassen. Sie sollten den manipulativen Charakter vieler Berichterstattungen, der sich nicht zuletzt durch die Verwendung gewisser Begrifflichkeiten offenbart, durchschauen.
Dies ist kein Plädoyer für eine bestimmte politische Richtung. Es ist ein Plädoyer für die Freiheit und Unabhängigkeit der Gedanken, die für eine aufgeklärte Gesellschaft so wichtig sind.

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Erst wenn wir wissen, worum genau und worum es wirklich geht, können wir über das TTIP, mehr oder weniger Europa und anderes sinnvoll diskutieren.

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Besten Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

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Erstveröffentlichung

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Herzlichen Dank lieber Moritz und liebe Grüße nach Berlin

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Ihr Oeconomicus

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Archiv-Beitrag:
„Gefährliche Geheimnisse – Wie USA und EU den Freihandel planen“