ukrainische Betrachtungen – viele Fragen – wenige Antworten


Zugegeben, mir erschließt sich an manchen Stellen die Definition so mancher Vorzeige-Demokratten hinsichtlich demokratischer Prozesse nicht vollständig.

Daher bitte ich um Nachsicht, dass es mir schwer fällt, Antworten auf einige einfache Fragen im Zusammenhang mit den Entwicklungen in der Ukraine zu finden.

Orchestriert von unseren Qualitätsmedien hören wir aus Brüssel und Berlin, dass sich die EU-Metastasen zumindest im Westteil der Ukraine ausgebreitet haben und eine der Ursachen für die blutigen Entwicklungen auf dem Majdan in Kiev sind, weil der am 28. Oktober 2012 (unter Aufsicht von 10,000 internationalen Wahlbeobachtern) demokratisch gewählte Präsident, Wiktor Janukowytsch es vorgezogen hat, nicht mit Brüssel zu paktieren.

Demonstrationen gegen eine solche Politik sind legitim, auch wenn man sich ein solches Engagement -und dessen vermutliche Konsequenzen- deutscher Bürger gegen eine Politik der Ausplünderung oder für einen EU-Austritt nicht vorstellen möchte.

Wenn es in dem 45-Millionen-Volk eine angeblich breite Zustimmung für den Anschluss an die EU geben sollte, ließen sich doch (mit Hilfe von EU- oder US-hörigen NGOs) bis zu den nächsten Parlaments-Wahlen entsprechende Mehrheiten organisieren. Warum wird dieser Weg nicht verfolgt?

Als probates, wenn auch grenzwertiges Mittel, um die Regierung unter Druck zu setzen, wäre ein landesweiter Generalstreik vorstellbar, welcher das Land in den ökonomischen Ruin hätte treiben können.
Warum hat man diese Option nicht gewählt? – Ist die angebliche Zustimmung im Volk für eine EU-Annäherung etwa doch nicht so groß, wie man uns vorgaukeln möchte?

Janukowytsch ist sicher kein Chorknabe, allerdings fällt mir auch in der sog. westlichen Welt kein Politiker ein, auf den dieses Prädikat uneingeschränkt zuträfe!
Wäre er tatsächlich der phöse Diktator, wie man uns einzutrichtern versucht, so hätte er den offensichtlichen Mißbrauch der Versammlungsfreiheit binnen kürzester Zeit beenden und den Majdan räumen lassen können. (In diesem Zusammenhang mag man sich an den Einsatz der „schwarzen Brigaden“ bei dem friedlichen S21-Protest  erinnern.)

Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine im Sinne von geostrategischen Phantasien (Brzeziński lässt grüßen) seitens EU, State Department und durch Täuschland müssen aus Sicht der legitimen ukrainischen Führung schon fast unerträglich sein.
Apropo Brzeziński:
In seinem Buch „Die einzige Weltmacht“ ist zu lesen:

„Die Ukraine ist ein neuer wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Russlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasischer Staat mehr.“

… message understood?
Daraus ergibt sich schon fast zwangsläufig die Frage, für welche Position sich Putin letztlich entscheiden wird. Zunächst ließ er Regierungschef Dmitri Medwedew sagen:

„Wir gehen davon aus, dass die Führung sich darauf konzentrieren sollte, die Menschen zu schützen“

Eine quasi Einverleibung der Ukraine durch die westlichen Zauberlehrlinge kann nicht im Interesse Russlands sein und könnte schlimmstenfalls zu Ansteckungseffekten etwa in Georgen oder Weißrussland führen .. mit dem Risiko einer Destabilisierung des eurasischen Wirtschaftsraums.
Wir dürfen davon ausgehen, dass Putin solche und ähnliche Szenarien auf dem Zettel hat und sich ggfls. gemeinsam mit der chinesischen Führung passende Gegenstrategien einfallen lässt.

Die Online-Ausgabe der chinesischen „Global Times“, welche vom Parteiorgan „Volkszeitung“ herausgegeben wird kommentiert heute:

„Der Westen mische sich häufig in innere Angelegenheiten des Landes ein und stifte die Opposition an, die Regierung herauszufordern“

Nachdem gestern Abend von einem Waffenstillstand als Ergebnis eines vierstündigen Gespräches zwischen den Führern des Boxer-Aufstandes und Janukowytsch die Rede war, weitet sich der blutige Flächenbrand weiter aus. Wie ik-news, n-tv und RT-News berichten, sollen etliche Sicherheitsorgane erschossen worden sein und die gewaltbereiten Oppositionellen wollen kein Interesse daran haben, sich nicht auf diesen Waffenstillstand einzulassen.

Dieser Sachverhalt bringt mich zur nächsten Frage.
Bislang haben wir von westlichen TV-Stationen nur Bilder gesehen und Kommentare gehört, bei denen die ach so mutigen Demonstranten und deren Wortführer ihre Sicht der Dinge vortragen durften. Daneben gab es reichlich Video-Sequenzen, mit welchen das harte Eingreifen der Sicherheitskräfte dokumentiert werden sollte, während die gelegten Brände und Besetzungen öffentlicher Gebäude quasi als Abwehrstrategie der Demonstranten dargestellt wurde.
Warum haben wir bisher keine Interviews mit Sicherheitskräften gesehen und wieso hat sich niemand der journalistischen Wichtigtuer um ein Interview mit Janukowytsch bemüht?

Stattdessen wird man uns vermutlich eine Brennpunkt-Neuauflage servieren, in welcher sich Frank-Walter Steinmeier, einer der selbsternannten Vermittler präsentieren wird, den man allerdings auch in der Gruppe der Aufwiegler verorten könnte.

Sicher werden sich in der Folge weitere einfache Fragen ergeben, deren Beantwortung nicht minder schwierig sein dürfte.

Carpe diem!

Ihr Oeconomicus

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Hintergrund-Informationen zu diversen Verquickungen

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Seminar mit der politischen Partei UDAR von Vitali Klitschko
Am 09. November 2013 organisierte die Konrad-Adenauer-Stiftung zusammen mit der Jugendorganisation der politischen Partei UDAR von Vitali Klitschko ein Seminar zum Thema „Die Perspektive der Ukraine im Kontext des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union“.
[…]
Konrad-Adenauer-Stiftung

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Studien- und Dialogprogramm für Parlamentsabgeordnete der Fraktion UDAR aus der Ukraine
Inlandsprogramme der Konrad-Adenauer-Stiftung – Veranstaltungsbeiträge, Berlin, 28. Nov. 2013
Hrsg.: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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Ost-West-Konflikt um die Ukraine: Merkel kämpft für Klitschko
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Gruppe der konservativen Parteien in der EU (EVP) wollen den ukrainischen Politiker und Profiboxer Vitali Klitschko durch gemeinsame Auftritte in der Öffentlichkeit stärken. Ziel ist nach SPIEGEL-Informationen, ihn zum Oppositionsführer und Gegenkandidaten zu Präsident Wiktor Janukowitsch aufzubauen.
[…]
SpOn – 08.12.2013

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korrespondierende Beiträge

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Vom Abbau der Konfrontation in Europa zum Wiederaufbau der Konfrontation
Die Toten von Kiew sind die Opfer dieses Wahnsinns
Albrecht Müller – Nachdenkseiten

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Merkel: Hauptverantwortung für Eskalation liegt bei Staatsführung
FAZ

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Paul Craig Roberts erhebt schwere Vorwürfe gegen die EU und die USA
„Ukrainische Proteste werden vom Westen organisiert“
Marco Maier – ContraMagazin

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Archiv-Beiträge: Ukraine

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follow-up, 20.02.2014 – 13:33h
Bundeskanzlerin Merkel telefonierte mit Präsident Putin und mit Präsident Obama zur Ukraine
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, teilt mit:

„Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am frühen Abend sowohl mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als auch mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama telefoniert.
Die Bundeskanzlerin unterrichtete die Präsidenten über die laufende Mission der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens in Kiew.
Die Bundeskanzlerin und die Präsidenten stimmten darin überein, dass schnellstmöglich eine politische Lösung der Krise in der Ukraine gefunden werden und das Blutvergießen aufhören müsse.“

Bundesregierung – Pressemitteilung: 42

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So wird die Sichtweise des Kreml-Pressedienstes dargestellt:

„Ein Telefongespräch fand zwischen Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel statt. Während des Gesprächs haben Putin und Merkel im Detail die dramatischen Ereignisse in der Ukraine erörtert und ihre ernste Besorgnis über die Eskalation des Innenkonflikts geäußert, der zu zahlreichen Menschenopfern geführt hat“, heißt es in der Meldung.
Putin und Merkel brachten auch ihre gemeinsame Sicht hinsichtlich der Notwendigkeit der Ergreifung von Maßnahmen zur Stabilisierung der Situation in der Ukraine zum Ausdruck. Der russische Präsident wies darauf hin, dass die westlichen Länder darauf verzichten sollten, die ukrainische Staatsführung zu beschuldigen.
Zugleich erklärte Putin die Bedeutung der „harten Verurteilung der Oppositionskräfte schuldig an der Organisation der widerrechtlichen extremistischen und terroristischen Handlungen.“

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follow-up, 20.02.2014 – 20:36h
Nach Medienberichten soll der ukrainische Präsident zu Neuwahlen noch im laufenden Jahr seine Zustimmung signalisiert haben, während die inhaftierte „Gasprinzessin“ mit unversöhnlichen Worten die Opposition aufgefordert hat, mit dem Staatspräsidenten erst gar nicht mehr zu reden.

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follow-up, 21.02.2014 – 09:15h
Die Verhandlungen über eine Lösung der Krise mit Teilnahme des Staatspräsidenten Wiktor Janukowtsch, der Oppositionsanführern und Vermittler der EU und Russlands endeten erfolgreich.
Dies berichtet die Pressestelle des Staatschefs.
Die Seiten einigten sich auf Paraphierung einer Vereinbarung über eine Regelung der Krise.
Die Vereinbarung soll heute (Freitag) um 12.00 Uhr in der Präsidialbehörde unterzeichnet werden.
ukrinform

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follow-up, 21.02.2014 – 09:40h
Verhandlungen dauerten mehr als acht Stunden
Die Verhandlungen der Außenminister Deutschlands Frank-Walter Steinmeier und Polens Radoslaw Sikorski mit Präsidenten der Ukraine Wiktor Janukowytsch sind beendet. Der polnische Minister Radoslaw Sikorski teilte jedoch mit, dass die Gespräche fortgesetzt werden. Am Vormittag ist noch ein Treffen mit Wiktor Janukowytsch geplant.
[…]
ukrinform


5 Kommentare on “ukrainische Betrachtungen – viele Fragen – wenige Antworten”

  1. Terry sagt:

    Eine Antwort könnte sein 😉 :

    Timoschenko:

    Die Ukraine kann sich selbst mit Erdöl und Erdgas versorgen

    Herkunft: http://ukraine-nachrichten.de/timoschenko-ukraine-kann-sich-selbst-erd%C3%B6l-erdgas-versorgen_2085_politik
    Besuchen Sie auch unser Forum: http://forum.ukraine-nachrichten.de

    Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ….

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    • Oeconomicus sagt:

      “Wir haben in unserem Lande kolossale Ressourcen und Potentiale, denn wir können uns mindestens selbständig mit Erdöl und Erdgas in vollständiger Höhe versorgen. Dafür müssen wir nur eine wichtige Sache tun – die strategischen Lagerstätten im Schwarzmeerschelf erschließen. Wir haben dort solche Bodenreliefs, dass wir aus der Hälfte des Erdballs Erdöl und Erdgas in die Ukraine pumpen können. Daher gibt es so einen Kampf darum wem die Schwarzmeerschelfs gehören sollen. Und es gehört heute uns”
      erklärte Timoschenko.

      Ich bin mir nicht sicher, ob solche Äusserungen zu atmosphärischen Störungen mit Russland führen könnten

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  2. M. Maier sagt:

    Ein sehr treffender Artikel!
    Leider vertrauen noch zu viele Menschen den Propagandabildern der Massenmedien …
    Es ist erstaunlich, wie sehr sich die Menschen trotz der Möglichkeiten sich vielseitig zu informieren immer noch derart manipulieren lassen.

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  3. marco sagt:

    Der Zeitpunkt den faschistischen Aufstand eskalieren zu lassen ist gut gewählt. Russland kann wegen der Olympiade noch nicht aktiv eingreifen. Eine Ukraine in NATO-Hand ist eine Katastrophe für Russland.
    Es bleibt mir allerdings schleierhaft was sich die Aufständischen dabei denken, sie brauchen sich doch nur informieren-der Westen bietet diesen Menschen keine besseren Lebensbedingungen.
    In Deutschland wären diese Leute schon am ersten Tag brutal niedergeknüppelt worden. Die ukrainische Regierung hat Unentschlossenheit u. Zaghaftigkeit gezeigt, dadurch hat sie das Heft des Handeln abgegeben, sie kann jetzt nur noch reagieren. Damit liefern sie den Westmedien genau die Bilder die sie vermeiden wollten. Die Westbluthunde haben Blut geleckt.
    Frage bleibt nur: Lassen sie es auf eine militärische Konfrontation mit Russland ankommen?

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  4. marc sagt:

    Erstaunlich wie gelassen und ruhig die Polizei sich verhält. Und auch die Regierung. Bei solch heftigen kriegerischen Hanndlungen seitens der Aufständischen hätte jede normale Regierung schon längst Panzer und Spezialeinheiten zur niederschlagung der Revolutzertruppen herangezogen. Die Ukrainer können stolz sein eine so besonnene Regierung zu haben.
    Alle Achtung – Ich hätte den Aufstand längst gewaltsam niederknüppeln lassen lassen. Wenn nötig mit Hilfe der Armee.

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