EU-Energiepolitik mit falschen Zahlen


Erneuerbare Energien sind viel zu teuer, behauptet Energiekommissar Günther Oettinger (CDU). Deshalb soll die EU auf neue Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke mit CO2-Abscheidung (CCTS) setzen.
Das Politmagazin Frontal21 berichtete in diesem Zusammnenhang, dass laut EU-Kommission sollen europaweit Kernkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 104 Gigawatt gebaut werden – das entspräche 69 neuen Atommeilern.

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Demnach sollen etwa in Polen schon im kommenden Jahrzehnt sechs neue AKW ans Netz gehen, weitere vier in der Tschechischen Republik. Das gehe hervor aus dem „Referenzszenario 2013“, das die EU-Kommission Ende Dezember vorgestellt hat. Die Zahlen seien Grundlage für die neuen Klimaschutzziele der EU, die am 22.01.2014 vorgestellt werden sollen.

Tatsächliche Kosten für neue Atomkraftwerke liegen ein Vielfaches über den von der Kommission angenommenen

Wissenschaftler kritisieren, die EU Kommission gehe dabei von unrealistisch niedrigen Kosten für neue Atomkraftwerke aus. Der Energiewissenschaftler Prof. Christian von Hirschhausen vom DIW Berlin erklärt gegenüber dem ZDF-Magazin „Frontal 21“, die tatsächlichen Kosten neuer AKW seien fast doppelt so hoch wie die von der EU-Kommission angenommenen 4.400 Euro pro Kilowatt.
Zitat von Hirschhausen:

„Das sind ausgedachte Mondzahlen, die tatsächlichen Kosten liegen ein Vielfaches über den von der Kommission angenommenen.“

Photovoltaik deutlich billiger als die EU-Kommission erwartet

Dagegen gehe die EU-Kommission bei den erneuerbaren Energien von zu hohen Kosten aus. Die Photovoltaik soll demnach 2020 noch 1.500 Euro pro Kilowatt kosten. Tatsächlich ist es schon heute deutlich weniger, 1.300 pro Kilowatt, und die Kosten werden weiter sinken, prognostizieren Experten.

Falsche Zahlen mit weitreichenden Folgen

Die laut Expertenmeinung falschen Zahlen haben weitreichende Folgen für die EU-Klimapolitik. So will die EU-Kommission in ihrem Fahrplan für die Energiepolitik bis 2030 offenbar kein verbindliches Ziel mehr für den Ausbau der erneuerbaren Energien geben.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kündigt im „Frontal 21“-Interview für die Bundesregierung Widerstand an:

„Ich halte das für den falschen Weg. Es ist eigentlich erstaunlich, dass ausgerechnet der einzige deutsche Kommissar diesen Weg beschreitet. Das könnte dazu führen, dass Atomenergie auch noch gefördert werden soll, und das liegt ganz und gar nicht in unserem Interesse.“

Energiewissenschaftler von Hirschhausen: Kohlekraftwerke mit CO2-Abscheidung, -Transport und –Endlagerung sind eine Fiktion

Zudem setzt die EU auf massiven Ausbau von Kohlekraftwerken mit CO2-Abscheidung, -Transport und -Endlagerung (CCST). Mindestens 25 dieser CCST-Kraftwerke sollen nach den Plänen der Kommission gebaut werden, allein acht davon in Polen.

„Das ist vollkommen aus der Luft gegriffen“

kritisiert Christian von Hirschhausen.

„Weil es diese Technologie nicht gibt. Das ist eine Fiktion. Die Idee, dass wir eine Klimapolitik mit dieser Technik betreiben könnten, ist an den Haaren herbeigezogen und Ergebnis einer bewussten Lobbypolitik der Kohlewirtschaft. Es ist traurig, dass die EU-Kommission immer noch darauf hereinfällt.“

so von Hirschhausen weiter.

Auf Nachfrage bleibe die EU-Kommission bei ihren Zahlen, berichtet Frontal 21. Man verfolge einen „breiten Kostenansatz“ und habe die Zahlen mit den Mitgliedsstaaten abgestimmt.

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5 Kommentare on “EU-Energiepolitik mit falschen Zahlen”

  1. Dr. Dietmar Siebholz sagt:

    Lieber Oeconomicus,

    alles richtig, was Sie da über die elektrische Energieerzeugungsmethoden schreiben; aber da ist ein großes Fragezeichen: Was helfen uns die Fortschritte in der Erzeugung regenerativer Energien, wenn wir den „zur Unzeit“ produzierten Strom nicht speichern können?

    Nachdem die Spitzenlastkurven einfach vorhersehbar sind (nach dem Krieg in Berlin habe ich es erlebt, dass Nutzer nur bestimmte Zeitfenster zum Anschalten von Geräten bekamen), muss Strom mit kalkulatorischen Mechanismen immer nahezu an der Spitzenlast bereitgestellt werden können.

    Und das heißt: Billige Stromerzeugung mit hoher Dauerverfügbarkeit muss sein, sonst ist irgendwann einmal in Zentraleuropa der Heilige Abend der Dunkle Abend. Oder: Man findet eine Speichermöglichkeit für all den Strom, der nicht sofort benötigt wird und über die Strombörsen hin und her verkauft wird, sehr zum Wohle der Stromhändler und –Börsen.

    Für die Finanzinstitute ein neues Spielfeld nach den Derivaten und den ABS- und so vielen neuen Sondergestaltungen, aber nicht hilfreich für die Normalos. Die dürfen dann die Folgen fehlerhafter Energiepolitik, die ja nur aus politstrategischen Überlegungen realisiert wurde und wird, durch neue kostenerhöhende Umlagen bezahlen.

    Fördert endlich die Speichertechnologie im Staatsauftrag, dann könnten wir Strom aus Windmühlen, aus Wellenkraftwerken, aus der Sonnenenergie etc. einfach und kostengünstig speichern und abrufen. Ob das für die Politik eine Lösung wäre? Ich fürchte nein, denn dann würden sie die Bürger ja ziemlich autark machen können, dank der Fortschritte in den Effizienzwerten der Herstellungsmethoden, die ja durch neue Entwicklungen z.B. über Graphen in der Solartechnik etc. immer bessere Werte bringen.

    Ob das- nämlich die Autarkie – gewünscht ist, wage ich zu bezweifeln. Die Politik liebt mehr die abhängigen und von staatlichen Subventionen getragenen Bürger, denen man dann so Gutes tun und sie inaktiv halten kann.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dietmar Siebholz

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  2. B. Freitag sagt:

    Die Art und Weise wie unsere Volksvertreter die Tatsachen verdrehen und selbst in Auftrag gegebene Studien zensieren und fälschen ist abscheulich und widert mich an!
    Auch die heute verabschiedeten Weichenstellungen in Meseberg in der deutschen Politik basiert einzig und allein auf der mächtigen Lobby der Monopolisten. Es ist schlichweg eine Frechheit wie dem dt. Michel auch über die Mainstreammedien Sand in die Augen gestreut wird und immer wieder haltlose Behauptungen bis zum Erbrechen wiederholt werden.
    Wo das ganze enden kann wenn man dem Volk falsche Wahrheiten vorsetzt und die Propaganda gegen den gesunden Menschenverstand eingebläut bekommt mußten wir vor ca. 70 Jahren schon einmal erfahren!
    Eigentlich möchte man nur noch auswandern – nur wohin?

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    • Oeconomicus sagt:

      Diese grundsätzliche Einschätzung wird vermutlich von vielen geteilt, interessanterweise auch im vier-Augen-Gespräch von willfährigen Akteuren des polit-ökonomischen Hofstaates.

      „Eigentlich möchte man nur noch auswandern – nur wohin?“

      In einem anderen Kontext meinte weiland Bob Dylan:
      „The answer may friend is blowin‘ in the wind ..“

      Sollte man die „Insel der Glückseligkeit“ jedoch lokalisieren, könnte es klug sein, diese Erkenntnis für sich zu behalten.

      Grüße in den Tag

      Ihr Oeconomicus

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  3. LichtWerg sagt:

    Reblogged this on LichtWerg.

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