US-Programm zur Bereinigung des Steuerstreits der Schweizer Banken mit den Vereinigten Staaten

FINMA-Mitteilung 50 (2013)
Das US-Programm zur Bereinigung des Steuerstreits der Schweizer Banken mit den Vereinigten Staaten
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Am 29. August 2013 hat das US Department of Justice ein Programm zur Bereinigung des Steuerstreits der Schweizer Banken 1 mit den Vereinigten Staaten publiziert („Program for Non-Prosecution Agreements or Non-Target Letters for Swiss Banks“; „US-Programm“).
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Dieses Programm enthält die Vorgaben und Bedingungen, gemäss welchen derzeit nicht in US-Steuerstrafverfahren verwickelte Schweizer Banken ihre Situation direkt mit den zuständigen US-amerikanischen Behörden regeln können.
Daneben publizierten die Schweiz und die USA eine gemeinsame Erklärung, das „Joint Statement between the U.S. Department of Justice and the Swiss Federal Department of Finance“ („Joint Statement“).
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Die Banken können zur Regelung ihrer Situation:
  1. ein Non-Prosecution Agreement (NPA) gemäss den Bedingungen von Ziff. II des US-Programms (Category 2 Bank) oder
  2. einen Non-Target Letter gemäss den Bedingungen von Ziff. III des US-Programms (Category 3 Bank) oder
  3. einen Non-Target Letter gemäss den Bedingungen von Ziff. IV des US-Programms (Category 4 Bank) beantragen.
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1 Siehe dazu die Definition in Ziff. I.B.4 des U.S. Programms

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Das US-Programm verlangt hierbei von den Banken die Erfüllung einer Reihe von Bedingungen innerhalb bestimmter Fristen.
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1 Teilnahme am US-Programm und Erwartungen der FINMA
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Der Entscheid zur Teilnahme am US-Programm obliegt den einzelnen Banken. Die FINMA erwartet, dass sich alle Banken detailliert mit der Thematik auseinandersetzen und einen informierten Entscheid bezüglich einer Teilnahme fällen. Insbesondere sind die mit einer Nichtteilnahme drohenden Rechts- und Reputationsrisiken angemessen zu erfassen und in den Entscheid miteinzubeziehen. Der Entscheidprozess ist zu dokumentieren.
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Am US-Programm teilnehmende Banken haben die entsprechenden Vorgaben einzuhalten und das US-Programm sorgfältig zu implementieren bzw. umzusetzen. Insbesondere sind den US-Behörden keine falschen, unvollständigen oder irreführenden Informationen oder Beweise zu übermitteln.
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Im Sinne des Joint Statements bestärkt die FINMA im Rahmen ihrer Aufsichtskompetenzen alle Schweizer Banken darin, US-Bürgerinnen und Bürgern oder Unternehmen, die bei diesen Banken Konten mit US-Bezug haben, ein Schreiben zukommen zu lassen, in dem sie über das Programm informiert und auf die Offshore Voluntary Disclosure Initiative 2 des Internal Revenue Service aufmerksam gemacht werden.
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Die am US-Programm teilnehmenden Banken haben die schweizerische Rechtsordnung, insbesondere die Regelungen zum Schutz bestehender Geschäfts- und Bankkundengeheimnisse sowie die Datenschutzgesetzgebung, einzuhalten.
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2 Offshore Voluntary Disclosure Program – Frequently Asked Questions and Answers – Effective for OVDP Submissions Made On or After July 1, 2014

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2 Meldungen an die FINMA
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Die FINMA wird in Bezug auf das US-Geschäft und die Teilnahme am Programm Informationen von den Banken erheben. Diese Informationen dienen ausschliesslich Aufsichtszwecken der FINMA und erlauben insbesondere keine Schlüsse darauf, welche Detail-Informationen bzw. Formate von Seiten der US-Behörden gemäß dem Programm verlangt werden.
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2.1 Alle Banken (außer so genannte Target Banks / Category 1 Banken)
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Bis zum 9. Dezember 2013 teilen die Schweizer Banken mit Ausnahme der so genannten Category 1 Banken der FINMA mit, ob sie am US-Programm teilnehmen werden.
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2.2 Am US-Programm teilnehmende Banken
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Am US-Programm teilnehmende Banken teilen der FINMA spätestens bis zum 9. Dezember 2013 zusätzlich Folgendes mit:
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  • für welche Kategorie sie sich voraussichtlich anmelden werden (Category 2, 3 oder 4);
  • den Namen des gewählten Independent Examiners gemäss Ziff. I.B.10 des US-Programms;
  • den Namen und die Kontaktdaten der Ansprechperson für die FINMA im Zusammenhang mit dem US-Programm.
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Sofern Sie einzelne dieser Entscheide erst nach dem 31. Dezember 2013 treffen wollen (z.B. Wahl zwischen Kategorie 3 und 4, Wahl des Independent Examiners), bitten wir sie, uns dies ebenfalls bis zum 9. Dezember mitzuteilen. Ohne Nachricht werden wir davon ausgehen, dass Sie nicht in Kategorie 2 teilnehmen werden.
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Wir bitten um Zusendung einer Kopie des Anmeldungsschreibens.
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Am US-Programm teilnehmende Banken haben die FINMA umgehend beim Eintreten der nachfolgenden Vorkommnisse zu informieren:
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  • Abschluss eines Non-Prosecution Agreements (unter Bezifferung des gemäß Ziff. II.H des US-Programms zu bezahlenden Betrages – wir bitten um Zusendung einer Kopie);
  • Erhalt eines Non-Target Letters (wir bitten um Zusendung einer Kopie);
  • Wesentliche Mitteilungen des DoJ an die Bank, insbesondere
  • Individuell gesetzte Fristen, insbesondere Fristerstreckungen nach II.B des US-Programms
  • Feststellung hinsichtlich der Übermittlung von falschen, unvollständigen oder irreführenden Informationen oder Beweisen (Ziff. II.J, III.F.4 oder IV.C.3 des US-Programms);
  • Feststellung eines außerordentlichen Verschuldens (Ziff. II.K des US-Programms);
  • Veränderungen in Bezug auf die Zuordnung zu einer bestimmten Kategorie.
  • Anhaltspunkte, dass die im FINMA-RS 11/2 „Eigenmittelpuffer und Kapitalplanung Banken“ festgelegten Zielgrößen unterschritten werden könnten; sowie
  • Anhaltspunkte, dass die Erfüllung der Verpflichtungen unter dem Programm gefährdet sein könnte.
[…]
Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA Geschäftsbereich Banken – FINMA-Mitteilung 50 (2013)
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Anmerkung
Na dann wollen wir doch mal hoffen, dass es keine bösen Schelme gibt, denen die Begrifflichkeit ‚Erpressung‘ in den Sinn kommt!
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follow-up, 11.10.2014
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Schock für Schweizer Banken: USA fordern totale Kooperation
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Die rund 100 Banken in der Gruppe 2 des US-Programms zum Steuerstreit haben unangenehme Post erhalten. Ein Vertragsentwurf enthält Klauseln, die laut Beteiligten die Vereinbarung zwischen den USA und der Schweiz verletzen könnten.
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Zoé Baches – NZZ
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follow-up, 05.06.2014
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The Tax Division’s further comments about the Program for Non-Prosecution Agreements or Non-Target Letters for Swiss Banks
[…]
justice.gov
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follow-up, 05.11.2013
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The Tax Division’s comments about the Program for Non-Prosecution Agreements or Non-Target Letters for Swiss Banks
[…]
justice.gov
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follow-up, 29.08.2013
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Schweiz und USA unterschreiben Steuerdeal
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Bussen in der Höhe bis zu 50 Prozent der unversteuerten Vermögen: Die USA haben die Vereinbarung mit der Schweiz zum Steuerdeal veröffentlicht. Die Bankiervereinigung «bedauert» die Höhe der Bussen.
[…]
Tages-Anzeiger
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korrespondierende Informationen
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The Effect of Deferred and Non-Prosecution Agreements on Corporate Governance
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The increasing use of Non- and Deferred Prosecution Agreements (N/DPAs) has enabled federal prosecutors to incrementally expand their traditional role, exemplifying a shift in prosecutorial culture from an ex-post focus on punishment to an ex-ante emphasis on compliance. N/DPAs are contractual arrangements between the government and corporate entities that allow the government to impose sanctions against the respective entity and set up institutional changes in exchange for the government’s agreement to forego further investigation and corporate criminal indictment. N/DPAs enable corporations to resolve allegations of corporate criminal conduct, strengthen corporate compliance mechanisms to prevent corporate wrongdoing in the future, and mitigate the risks that collateral consequences of a conviction can bring for companies, their shareholders, employees, and the economy.
[…]
The Harvard Law School Forum on Corporate Governance and Financial Regulation

Übersicht der Target-Salden nationaler Zentralbanken im Eurosystem

Übersicht der Target-Salden nationaler Zentralbanken mit dem Eurosystem
in Mrd. € – Kenntnis-Stand 08.12.2016

Staat Stand Target-Saldo in Mrd. €
 Belgien 31.10.2016 1,5
 Deutschland 30.11.2016  754,05
 Estland 31.10.2016 0,90
 Finnland 31.10.2016 57,80
 Frankreich 31.10.2016 – 36,09
 Griechenland 31.10.2016 – 72,70 (!)
 Irland 31.10.2016 – 2,5
 Italien 31.10.2016 – 353,94 (!)
 Luxemburg 31.10.2016 169,0
 Malta 31.10.2016  0,6
 Niederlande 31.10.2016 99,6
 Österreich 31.10.2016 – 30,81
 Portugal 31.10.2016 – 69,4
 Slowakei 31.10.2016 – 4,1
 Slowenien 31.10.2016 0,6
 Spanien 31.10.2016 – 313,62
 Zypern 31.10.2016 5,5

Quellen: CESifo GmbH – Nationale Zentralbanken; IMF (International Financial Statistics) – eigene Recherchen

Sobald es neue Zahlen gibt, werden diese mit dem jeweiligen Stand hier eingepflegt
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ENTSCHEIDUNGEN UND BESCHLÜSSE
EUROPÄISCHE ZENTRALBANK
LEITLINIE DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK
vom 26. April 2007
über ein transeuropäisches automatisiertes Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystem
(TARGET2)

PDF – [70 Seiten]

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Auslandsposition der Bundesbank seit Beginn der EWU aus TARGET2

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Ihr Oeconomicus

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Nachtrag
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Prof. Sinn im Dialog – 29.09.2013

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Prof. Hans-Werner Sinn:
„Die Target-Falle“: So wurden die Euro-Retter erpressbar
Quelle: FAZ
Literatur-Hinweis:
Sinn:
„Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder“
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follow-up, 14.04.2015
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Target2-Salden senden Warnsignale
Wie soeben bekannt wurde, sind die Target2-Verbundlichkeiten der griechischen Zentralbank im Vergleich zum Vormonat stark angestiegen: sie betragen nun 91,15 Milliarden Euro, im Vormonat lagen sie noch bei 76 Milliarden Euro.
Gleichzeitig stiegen die Target2-Forderungen der Bundesbank auf 531,70 Milliarden Euro, im Vormonat waren es noch 513,36 Milliarden Euro.
Diese Daten basieren auf dem Quartalsbericht der EZB. Damit bestätigt sich der seit Mitte 2014 wieder aufgenommene Trend: die Verbindlichlichkeiten der griechischen Notenbank steigen stark, ebenso die Forderungen der Bundesbank – zuvor waren seit dem “Draghi-Schwur” im Juli 2012 die Target2-Verbindlichkeiten der griechischen Zentralbank konstant rückläufig gewesen.
Das bedeutet: der Stress durch Ungleichgewichte im System steigt.
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Markus Fugmann – Finanzmarktwelt
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follow-up, 09.04.2015
Kapitalabfluss aus Italien erreicht im März netto 27 Milliarden Euro
Aus Italien sind im März netto 27 Milliarden Euro Kapital abgeflossen. Das geht aus einer Veröffentlichung der Banca d’Italia hervor, wie das ifo Institut am Donnerstag berichtete. „Dahinter könnten auch spekulative Auslandsüberweisungen der italienischen Banken stehen, die das Geld, das ihnen durch die Wertpapierkäufe der Europäischen Zentralbank im Rahmen des QE-Programms zugeflossen ist, nun außerhalb Italiens anlegen“, erklärte dazu ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.
Damit setzt sich der Prozess fort, der schon im August 2014 in Erwartung des QE-Programms begonnen hatte. Nur im Oktober 2014 und im Januar 2015 gab es zeitweise begrenzte Rückflüsse. Insgesamt stehen die italienischen Target-Überziehungskredite, mit dem das Eurosystem solche Kapitalabflüsse ermöglichte, nun bei 192 Milliarden Euro.
Wohin das Geld aus Italien überwiesen wurde, sei noch nicht klar, fügte Sinn hinzu. Ein mögliches Zielland sei Deutschland. So habe die Bundesbank erklärt, dass ihre eigenen Forderungen gegenüber dem Eurosystem im März um reichlich 18 Milliarden Euro gestiegen sind und nun bei 532 Milliarden Euro liegen. In diesem Umfang hat die Bundesbank den anderen Euro-Notenbanken Überziehungskredite über das Target-System gewährt. Die Target-Forderungen können nicht fällig gestellt werden, und sie werden im Eurosystem im Gegensatz zum Notenbankensystem der USA auch nicht getilgt. Sie werden nur mit 0,05 Prozent verzinst.
Target-Schulden entstehen automatisch aus Überziehungskrediten, die andere Notenbanken gewähren, indem sie Zahlungsaufträge ausführen, ohne dass es zu entsprechenden Gegengeschäften kommt. Diese Zahlungsaufträge werden vornehmlich privat verursacht. Sie dienen der Tilgung von Schulden im Ausland, dem Erwerb ausländischer Vermögenstitel oder auch dem Erwerb ausländischer Güter.
Pressemitteilung CESifo
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follow-up, 07.04.2015
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Griechenland, QE und die Target-Salden
Target-Salden als Krisenbarometer
Griechenland: Neue Vertrauenskrise
Italien: Deleveraging der Banken
QE und Target-Salden: Eine komplementäre Beziehung?
Working Paper Nr. 184 – Michael Heise, Arne Holzhausen – ALLIANZ [PDF – 11 Seiten]
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follow-up, 06.02.2015
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Rekordanstieg der deutschen Target-Forderungen
Die Target-Forderungen der Deutschen Bundesbank gegenüber dem Eurosystem haben im Januar deutlich um 54 Mrd. Euro auf 515 Mrd. Euro zugenommen. Es handelt sich damit um einen der größten Anstiege seit Ausbruch der Finanz- und Eurokrise; nur im September 2011 und im März 2012 waren die Zunahmen mit 59 Mrd. bzw. 69 Mrd. noch größer.
„Dahinter verbirgt sich aller Wahrscheinlichkeit nach eine massive Kapitalflucht aus Griechenland“
erklärt ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Ausländische Investoren und griechische Vermögensbesitzer dürften ihr Kapital aufgrund der mit dem Wahlausgang gestiegenen Unsicherheit über die Zahlungsfähigkeit Griechenlands und den Verbleib des Landes in der Währungsunion ins sichere Ausland gebracht haben.
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Interessanterweise sind die italienischen Targetdefizite im Januar um 44 Mrd. gefallen. Es scheint also auch eine Kapitalflucht nach Italien gegeben zu haben, obwohl es im zweiten Halbjahr 2014 massive Kapitalexporte aus Italien gegeben hatte.
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„Um ihr Geschäft fortführen zu können, beschaffen sich die vom Kapitalabzug betroffenen griechischen Kreditinstitute die fehlende Liquidität über Refinanzierungskredite von der griechischen Zentralbank. Ohne diese Liquidität fände die Kapitalflucht rasch ihre Grenze durch die Insolvenz der Banken“
sagt Sinn. In diesem Zusammenhang verweist er auf den gerade beschlossenen Ersatz der bisherigen Refinanzierungskredite, die im Übermaß in Anspruch genommen worden waren, durch die neuen Notfallkredite im Umfang von 60 Mrd. Euro. Das frisch gedruckte Geld wird über das Zahlungsverkehrssystem „Target“ des Europäischen Zentralbankensystems unter anderem an deutsche Kreditinstitute überwiesen, wodurch die Target-Forderungen der Deutschen Bundesbank ansteigen.
„Die Hilfen der EZB dienen also dazu, den Vermögenseigentümern Griechenlands und ausländischen Anlegern die Flucht zu erlauben. Der Sachverhalt ist einer Konkursverschleppung im Privatrecht ähnlich“
ergänzt Sinn.
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Da es nicht Aufgabe der Steuerzahler Europas sein kann, griechischen und ausländischen Kapitalanlegern die Flucht zu ermöglichen, sollte die Gegenfinanzierung durch die EZB sofort hart begrenzt werden. Dann ist Griechenland gezwungen, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, um die Banken zu retten. Diesen Schritt hat man in Zypern im Frühjahr 2013, ein Jahr zu spät, durchgeführt. Auf diese Weise gelang es der zyprischen Notenbank im Jahr 2012, ein halbes Sozialprodukt aus der Druckerpresse zu ziehen, um ausländischen und einheimischen Anlegern die Flucht zu finanzieren. Diesen Fehler darf die EZB nicht wiederholen.
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Pressemitteilung CESifo
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