white Elephant Economy
Veröffentlicht: 7. März 2013 Abgelegt unter: white Elephant Economy | Tags: EZB, Lohnstückkosten, Mario Draghi, Zinspolitik Hinterlasse einen Kommentar
Flags on State Buildings in Thailand
Bildrechte: CC – Urheber: Jaume Ollé
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Wenn eine Sache mehr Ärger verursacht als sie Nutzen bringt oder die Nützlichkeit für ihren Besitzer verloren hat, spricht man im englischen Sprachraum von einem „weißen Elefanten“.
Während die Sache für andere Menschen durchaus nützlich ist, möchte der Besitzer sie nach Möglichkeit loswerden. Wirtschaftlich betrachtet ist ein „weißer Elefant“ zu einem sehr günstigen Preis zu bekommen, produziert aber enorme Folgekosten. Zum Beispiel wäre ein ererbtes Herrenhaus ein „weißer Elefant“, wenn die Instandhaltungskosten das Budget des Besitzers überschreiten.
Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain schildert in der Erzählung „Der gestohlene weiße Elefant“ (Seite 126-152), wie ein Mann, dem der König von Siam die Verantwortung für einen weißen Elefanten übertragen hatte, dadurch ruiniert wird.
In der Entwicklungspolitik werden manchmal Entwicklungsprojekte, die viel kosten, soziale und ökologische Schäden anrichten und geringen Nutzen bringen (z. B. umstrittene Staudammprojekte) als „Weiße Elefanten“ bezeichnet.
Der Begriff wird insbesondere auf Großprojekte und teure technische Entwicklungen angewendet, die in sie gesetzten ehrgeizigen Ansprüche und Zukunftshoffnungen nicht erfüllen.
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Euro-Krise
Der Fluch des weißen Elefanten
In Teilen Europas taumeln halbtote Firmen am Abgrund. Die hohen Schulden der Unternehmen sind Europas größte Herausforderung. Doch man schaut lieber beharrlich daran vorbei, als sich dem Riesenproblem zu widmen.
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Europas größte Wachstumsbremse? Nicht die Staatsschulden, die soviel Aufmerksamkeit bekommen haben. Auch nicht die vielerorts verkrusteten Arbeitsmärkte, über die deutsche Wirtschaftspolitiker so gern reden. Nein, das größte Hindernis auf dem Weg zur ökonomischen Gesundung sind – die Schulden der Unternehmen. Und dafür gibt es bislang nicht einmal den Ansatz einer Lösung. Gerade deshalb werden sie als wirtschaftspolitisches Problem ignoriert.
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Die privaten Schulden seien der „white elephant in the room„, wie kürzlich ein Euro-Stratege im vertraulichen Gespräch zugab – ein Riesenproblem, das keiner wahrhaben will.
Die Zahlen sie sind dramatisch. Spaniens Unternehmenssektor hat Schulden aufgehäuft, die bei 186 Prozent des BIP liegen, so der Internationale Währungsfonds. In Portugal beträgt der Vergleichswert 158 Prozent, in Frankreich 134 Prozent, in Irland 289 Prozent. Zum Vergleich Deutschland: 64 Prozent.
Das ist die Lage: In Teilen Europas taumeln halbtote Firmen am Abgrund, mühsam gestützt von Niedrigstzinsen der EZB – unfähig zu investieren, Wachstum zu stiften, Jobs zu schaffen, Dynamik zu entfalten.
Ein notwendiger Schuldenabbau findet nicht statt. Im Gegenteil: Bei schrumpfender Wirtschaftsleistung steigen die Verbindlichkeiten immer weiter, aller Sparbemühungen zum Trotz.
Spanien: Kaum Spielraum für Investitionen
Die spanischen Lohnstückkosten mögen gesunken sein, eine Erholung der Exporte mag eingesetzt haben. Aber auf dem Heimatmarkt – wo die Zahl der Arbeitslosen immer weiter steigt und die Übertreibungen des verblichenen Immobilienbooms längst nicht bereinigt sind – ist es extrem schwer, profitable Geschäfte zu machen. Unternehmen, die bereits bis zur Halskrause verschuldet sind, haben kaum Spielraum zu investieren, selbst wenn sie im Ausland wieder bessere Geschäfte machen. Entsprechend übersetzen sich Exporterfolge nicht auf die Binnenwirtschaft. Der Süden rutscht immer tiefer in die Depression.
Wie Betonklötze zieht das Gewicht der Schulden die Wirtschaft nach unten. Man kann es auch auf den Kreditmärkten beobachten: Banken leihen den Unternehmen immer weniger Geld. Um 1,5 Prozent ging die Kreditvergabe im Januar im Euro-Land-Durchschnitt zurück, in Ländern wie Spanien ist die Schrumpfung noch weit stärker. EZB-Chef Mario Draghi sprach vorigen Donnerstag bei seiner monatlichen Pressekonferenz von einer „gebremsten Kreditdynamik“.
Eine Verniedlichung sondergleichen.
Insolvenz oder Verstaatlichung
Wie kommt man aus dieser Klemme heraus? Eigentlich müssten die Unternehmen in den Stress-Ländern auf breiter Front entschuldet werden: etwa indem man sie durch Insolvenzen schickt, sie von einem Teil ihrer Lasten befreit, lebensfähige Teile an neue Eigentümer gibt. Alternativ könnten Konzerne auch direkt verstaatlicht werden (wie es die USA mit General Motors getan haben und es Frankreichs Regierung Arcelor Mittal angedroht hat), was in einer unmittelbaren Sozialisierung der Verbindlichkeiten resultieren würde.
Schuldenabbau ist kein Spaziergang, schon gar nicht in einer Marktwirtschaft.
Um die Firmenverbindlichkeiten auf ein wachstumsneutrales Niveau von unter 90 Prozent des BIP zu drücken, müssten gigantische Kreditvolumina beseitigt werden. Dabei geht es leicht um Größenordnungen von mehr als zwei Billionen Euro. Einen Teil davon müssten die Gläubiger der Unternehmen tragen:
Banken (und Versicherungen) kämen nicht umhin, Forderungen in großem Stil abzuschreiben – es würde wohl um dreistellige Milliarden-Beträge gehen.
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Mit heftigen Folgen:
Riesenlöcher in den Finanzsystemen – die nächste Bankenkrise inklusive. Einzelne Staatshauhalte, zumal Spaniens und Portugals, wären überfordert und würden abermals an den Rand der Pleite geraten. Andere Staaten, voran Deutschland, müssten ihnen beispringen: durch eine Erweiterung des ESM (beim EU-Gipfel Ende dieser Woche wird es immerhin um den Einsatz des Rettungsfonds für die Banken gehen) und/oder durch eine Schuldenvergemeinschaftung über die EZB.
Das Szenario ist so düster und konfliktreich, dass sich niemand damit beschäftigen mag. Der weiße Elefant steht mitten im Raum – aber man guckt lieber beharrlich daran vorbei.
Soviel ist sicher: Von allein wird er nicht verschwinden.
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Ihr Oeconomicus