dahingezwitschert: „Frohes Neues ..“


dahingezwitschert:
„Frohes Neues Jahr“

File:Happy New year 2013 From sunit kumar bajgal.png

Bildrechte: CC, Urheber: Sunitbajgal

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Mit solchen oder ähnlichen Neujahrs-Wünschen werden wir in diesen Tagen über alle Kommunikations-Kanäle nahezu überflutet. Vermutlich werden nur die wenigsten Absender und Empfänger dieser Gruß-Rituale die Qualität dieser Botschaften hinterfragen.
Man wünscht uns eine frohe oder fröhliche Gemütsverfassung im Neuen Jahr, lässt dabei aber geflissentlich offen, woher wir eine solche schöpfen sollen.
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In Sydney mag man sich für kurze Zeit am € 5,2 Mio teuren Feuerwerk-Spektakel erfreut haben, ohne daran zu denken, dass wir uns alle in einer sich verschärfenden, weltweiten Absatzkrise (vulgo Rezession) befinden, welche letztlich der Rohstoff-Ressourcen von down-under immer weniger bedarf.
So what! … ist doch toll für die Ökologie, wird man korrekterweise entgegenhalten und dabei vergessen, dass ein überwiegender Teil  der Finanzanlagen australischer Renten- und Pensionsfonds in Rohstoff-Werten angelegt ist.
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Traditionell lauscht man in Tokyo mehr oder weniger ergriffen dem Neujahrs-Geläut der Tempel-Glocken oder erfreut sich an steigenden weißen Luftballon’s, wobei ausgeblendet wird, dass die neue japanische Führung damit auch ein neues Atomzeitalter einläutete!
Ob sich die Shinto Priester bei ihrer traditionellen Zeremonie am Tokioter Meiji-Schrein dieser Tatsache bewusst waren, wird niemand wirklich interessieren.
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In Hong Kong ließ man bei blendender Laser-Show die Korken knallen, ohne über massiv steigende und für den Großteil der Menschen unbezahlbare Mieten oder gar deren Lebensbedingungen nachzudenken.
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Statt Silvester zu feiern, hat man in Indien des gerade verstorbenen Vergewaltigungs-Opfers gedacht (allerdings ohne berechtigte Vorwürfe gegen die passiven Mitfahrer des Busses zu erheben) und setzt sich weiterhin massiv für Rechte und Schutz der Frauen ein!
Hoffentlich wird dabei nicht vergessen von den Polit-Eliten menschenwürdige Lebensgrundlagen einzufordern. Dazu wäre es dringend notwendig, den so sehr auf Ethik bedachten Konzernen wie BASF, MONSANTO oder SYNGENTA jene Geschäftsgrundlagen zu versagen, welche sich für Landbevölkerung und Kleinbauern als existenzbedrohend erwiesen haben.
Daneben sollte das Regierungs-Vorhaben, den indischen Einzelhandel  unter Abbau von Zollschranken zugunsten Europäischer und Amerikanischer Konzerne „liberalisieren“ zu wollen, gestoppt werden.
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Sehr gerne und mit strahlenden Gesichtern (nicht notwendigerweise bei der Bevölkerung) nimmt man am Hindukusch die frohen Neujahrswünsche aus Berlin und Brüssel entgegen und hofft, dass dieser Born der Freude nie versiegen möge.
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Am Roten Platz wurden wie immer feuchtfröhliche Neujahrswünsche ausgetauscht. Ob solche oder ähnliche Gemütsverfassungen insbesondere bei Putin-Kritikern oder Gästen der GULAG-Hotelgruppe landesweit zu beobachten waren, ließ sich den russischen Medien nicht entnehmen.
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Unbeschwerten Frohsinn konnten diverse Feuerwerke in Aleppo, Damaskus und anderen zauberhaften Plätzen Syrien’s vermutlich nur bei den Produzenten und Lieferanten dieser hübschen Spielzeuge auslösen. In diesem Zusammenhang sei an die Frohe Botschaft von Jose Manuel Barroso erinnert, der sich an der Vorstellung ergötzt, Europa’s Wirtschaftskraft durch verstärkte Produktion „solcher Feuerwerks-Körper“ nachhaltig stärken zu wollen.
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Welche Art von Fröhlichkeit man mit dem Silvester-Feuerwerk in Jerusalem in Verbindung bringen wollte, vermag ich nicht zu bewerten.
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Trotz aller Sorgen hat man in Griechenland nach alter Tradition wieder Neujahrsbrot gebacken, welches mit Geld und Münzen gespickt ist. Das griechische Basiliusbrot verspricht auf diese Weise einen anhaltenden Geldstrom im kommenden Jahr. Für den richtigen Tipp zur korrekten steuerlichen Behandlung eines solchen Geldsegens könnte Giorgos Papakonstantinou zu Rate gezogen werden.
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Einen hübschen Blick auf das römische Silvester-Feuerwerk hatte man vermutlich vom Monte Pincio, wobei sich vielleicht eine gewisse Vorfreude über das fulminante Umfrage-Ergebnis zu den im Februar anstehenden Parlamentswahlen eingestellt haben könnte.
Eine so richtig frohe Botschaft wurde auch bei der Neujahrspredigt von Papst Benedikt XVI. vermisst. Er rief dazu auf, Hoffnung auf Frieden in der Welt nicht aufzugeben. Als Ursachen für den Unfrieden in der Welt kritisierte er eine wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich und egoistisches Denken. Dieses komme in einem „ungezügelten Finanzkapitalismus“ zum Ausdruck. Die Finanzaktivitäten des Vatikans kritisierte er allerdings ebenso wenig wie das Verhalten der Katholischen Kirche als Arbeitgeber.
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Ein von vielen Spaniern praktizierter Silvester-Brauch ist das Weintrauben-Essen um Mitternacht. Während die Turmglocken mit zwölf Schlägen das neue Jahr begrüßen, muss in Spanien zu jedem Glockenschlag eine Weintraube verspeist und sich etwas gewünscht werden. Geschieht dies rechtzeitig bis zum zwölften Schlag, winkt den Spaniern Glück im nächsten Jahr. Wer es allerdings nicht schafft, muss mit großem Unglück rechnen. Anschließend werden die Sektgläser erhoben und angestoßen, allerdings überlassen die Spanier auch hier nichts dem Zufall: ein goldener Ring im Glas soll das Glück im nächsten Jahr positiv beeinflussen.
Da seitens der Rajoy-Administration keine fröhlich stimmenden Nachrichten zu erwarten sind, glaube ich zu erahnen, was sich viele Spanier, die sich noch Weintrauben leisten konnten, gewünscht haben könnten!
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Ich habe mich reinen Herzens bemüht in der Neujahrsansprache von Frau Dr. Merkel (TextversionVideo) Frohe Botschaften zu verorten und bin doch tatsächlich fündig geworden:
„Es sind Freunde und Nachbarn, die Initiative ergreifen oder einen Mißstand beheben.“
Ja, aber bisher war es nicht möglich, von der Regierung initiierte Mißstände gegen den erklärten Mehrheits-Willen des Volkes zu beheben!
„Es sind die Familien, die sich Tag für Tag liebevoll um ihre Kinder und um ihre Angehörigen kümmern.“
Korrekt, aber was hat das mit dem Wirken der Kanzlerin zu tun?
„Es sind Gewerkschafter und Unternehmer, die gemeinsam für die Sicherheit der Arbeitsplätze arbeiten.“
Jawoll, deshalb werden hochqualifierte Mitarbeiter ab 50 Jahren nicht mehr eingestellt, Teile der Stammbelegschaft durch Zeitarbeiter ersetzt und vom BDI und den „too-big-to-jail“-Finanzhaien und deren Lobby-Armeen die Richtlinien-Kompetenz der Kanzlerin umgesetzt.
Die Kanzlerin fabuliert nach bekanntem Muster von niedrigster Arbeitslosigkeit und höchster Beschäftigung seit der Wiedervereinigung, selbstverständlich ohne darauf einzugehen, dass viele Arbeitnehmer von ihrem Arbeitsentgelt nicht mehr leben können.
„Das bedeutet für viele hunderttausend Familien, eine sichere Zukunft zu haben und Anerkennung zu erfahren. Und das bedeutet für unsere jungen Menschen die Sicherheit, eine Ausbildung, einen Arbeitsplatz und damit einen guten Start ins Leben zu haben“, so Merkel weiter.
Ein hübscher Beleg für die Phantasiewelten, in denen sich die Dame bewegt!
Im Zusammenhang mit der Europäischen Schuldenkrise lernen wir, dass die Krise noch längst nicht überwunden ist! Da stellt sich doch die Frage, ob es zwischen Merkel und ihrem Finanzminister ein Kommunikationsproblem gibt?
Das von Merkel verwendete Demokrit-Zitat „Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende“ fand ich im Hinblick auf die Bundestagswahl 2013 recht treffend. Wir werden sehen, ob sich die Wähler ein glückliches Ende schwarz-gelber Klientel-Politik wünschen.
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Eine weniger Frohe Botschaft für die Amerikanische Bevölkerung kam aus D.C. .. der noch immerwährende „Cliff-Hanger“. Offenbar hatte diese Nachricht keine Auswirkungen auf die Feier-Laune am Times Square in New York.
Seit 18:00h MEZ tagt das von den Republikanern dominierte Repräsentantenhaus in D.C. … Ausgang offen!
Sonstige hoffnungsfroh stimmende Nachrichten aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten sind mir leider nicht untergekommen.
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Bevor ich mich mit diesen Betrachtungen in den Abend verabschiede, möchte ich mit dem Kanon von August Mühling (1776 – 1847) einen kleinen Funken voll Zuversicht nachtragen:
„FROH ZU SEIN BEDARF ES WENIG UND WER FROH IST, IST EIN KÖNIG!“
Allen LeserINNen mein herzlicher Dank für das Interesse an diesem Blog .. ich wünsche Ihnen „königliche Gefühle“.

Ihr Oeconomicus


2 Kommentare on “dahingezwitschert: „Frohes Neues ..“”

  1. Und deswegen sollen wir uns kein gutes/frohes/glückliches Neujahr wünschen? Ist nicht Ihr Ernst! Gerade in weniger guten Zeiten braucht es auch positive Momente, Feste, Rituale – das Leben besteht nicht nur aus Ökonomie und ein durchweg „unglückliches Bewusstsein“ wird sich zu keinerlei förderlichen Aktivitäten aufraffen können.

    Insofern: ein gutes neues Jahr 2013!

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    • Oeconomicus sagt:

      werte @Claudia

      besten Dank für Ihr Statement.

      Die Kernfrage meines Aufsatzes war, woraus angesichts der überall sichtbaren ökonomischen Verwerfungen die in der Grußformel enthaltene ‚Fröhlichkeit‘ geschöpft werden soll.
      Im Schlusszitat „Froh zu sein ..“ fand sich mein Versuch, diese Frage zu beantworten.

      Mit Ihrem Hinweis „das Leben besteht nicht nur aus Ökonomie“ liegen Sie gewiss richtig, allerdings werden die Lebensumstände der Menschen i.d.R. durch ökonomische Prozesse und deren Wechselwirkungen bestimmt.

      Natürlich kann man sich den ökonomischen Wandel auch schönreden, dies ändert nichts an den für viele schmerzhaften Realitäten.
      Beschäftigt man sich pro-aktiv mit der Veränderung, können dadurch auch positive Impulse und Gemütsverfassungen entstehen.

      In Ihrem Blog bemerken Sie:
      … sehr berechtigt, aber auch ermüdend. Empören, entlarven, anklagen, warnen – kommt mir alles vor wie aufs Gas treten im Leerlauf.
      Aber wie mal wieder ein Gang einzulegen sei, weiß niemand

      Aufgrund hochkomplexer Zusammenhänge, heterogener Marktteilnehmer und offensichtlicher Wahrnehmungsprobleme erscheint es unmöglich, einen Königsweg aus der sich verschärfenden Weltwirtschaftskrise zu finden. Man sieht nur, was man sehen will und denkt nur selten -wie etwa ein guter Schachspieler- über denkbare Konsequenzen ‚alternativloser‘ Entscheidungen nach.
      Den Entscheidern geht es im Wesentlichen um die Befriedigung der eigenen Gier, um Machthunger, oder in demokratischen Gesellschaften um das nächste Wahlergebnis.

      Mir jedenfalls ist noch kein Politiker, Lobbyist, Finanzakteur oder abhängiger Ökonom aufgefallen, der ernsthaft über Modelle nachdenkt, in dessen Mittelpunkt der Mensch steht.

      Daher habe ich in einem meiner Aufsätze den Satz geprägt:

      „Es gibt Politiker, die besitzen Charakter, Gewissen, Ehrlichkeit und Courage …… und es gibt Politiker, die das alles gut gebrauchen könnten!“

      Es würde mich freuen, wenn es mir mit diesen Ausführungen gelänge, die Schnittmenge unserer Bewertungen zu erweitern.

      Ihnen ein Gutes Jahr!

      Ihr Oeconomicus

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