Europa 2050 | Richard David Precht und Hans-Werner Sinn
Der richtige Weg vom alten zum neuen Europa. Das Modell “Europa” stand selten so in der Kritik wie heute. Die anhaltende Währungskrise und die daraus resultierenden Konflikte zwischen den Nationalstaaten sorgen für Unsicherheit bei Politikern und Bürgern.
In der PHOENIX-Sendung HAVICHHORSTER GESPRÄCHE diskutiert Michael Hirz mit seinen Gästen Hans-Werner Sinn (Ifo-Präsident) und Richard David Precht (Philosoph) die politischen, wirtschaftlichen, historischen und ethischen Aspekte der europäischen Idee – wie sieht der richtige Weg vom alten zu einem neuen Europa aus? Moderation von Michael Hirz.
Bericht eines Filmteams vom russischen Staatsfernsehen. Das Filmteam, welches diese Reportage erstellte, gehört zur russischen staatlichen Fernseh- und Radiogesellschaft (WGTRK), ausgestrahlt wurde der Beitrag auf Rossija und im Internet auf Vesti.ru publiziert.
Ernst Stetter
Generalsekretär der Foundation for European Progressive Studies (FEPS)
September 2012
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Im Juni diesen Jahres legten der EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, der EURO-Gruppenchef, Jean-Claude Juncker und der EZB Präsident Mario Draghi einen Masterplan zur Zukunft Europas vor.
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„Masterplan“ als Tischvorlage!
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Dieser Masterplan war aber lediglich eine Tischvorlage für den EU-Sommergipfel, der Eckpunkte für eine besser funktionierende Wirtschafts- und Finanzpolitik auflistet, die zur Stabilisierung des Euros notwendig seien. Europa benötige mehr Integration um nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Nur dadurch könne die Eurokrise gemeistert werden. Wie und womit dies aber erreicht werden soll, wird aber sehr vage umschrieben. Jedoch wird als eine Bedingung stärkere demokratische Legitimation im politischen Entscheidungsprozess angemahnt.
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„Exekutiver Autoritarismus“ – Der Notfall ist die Regel!
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Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, beklagt deshalb zu Recht, dass „Brüssel-Europa“ mehr und mehr von einem „exekutiven Autoritarismus“ geprägt sei. Entscheidungen würden in parlamentsfreien Zonen getroffen. Der Notfall werde zur Regel erklärt.
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Politisieren um zu legitimisieren!
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Institutionelle Reformen sind jedoch seit des gescheiterten Verfassungskonvent in Brüssel zurecht ein Tabu. In der jetzigen Krisensituation wäre ein erneuter Konvent bestimmt nicht hilfreich. Die Formel lautet vielmehr: Der jetzige Lissabon-Vertrag gibt genügend Handlungsspielraum. Er sollte vor einer neuen Revision erstmals vollständig implementiert und angewendet werden. Helmut Schmidt, Jürgen Habermas, Martin Walser und andere in Deutschland denken hier sicherlich fortschrittlicher als viele in Brüssel.
Doch es besteht der Konsens, dass es einer stärkeren demokratischen Legitimation der europäischen Institutionen bedarf. Die Formel lautet: „Politisieren um zu legitimieren“.
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Der Finanzrahmen 2014-2020 – Ein Mittel zum Zweck!
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Eine wirksame europäische Koordinierung der Wirtschaft- und Finanzpolitik verlangt ein gewisses Mass an Föderalismus. Der Euro ist nicht das Symbol der europäischen Integration geworden, son-dern er ist leider nur ein Werkzeug geblieben, er ist eine im ersten Jahrzehnt seines Bestehen komfortable Währungs- und Recheneinheit. Er war nie die Basis eines politischen Projektes, geschweige denn eines sozialen Projektes für Europa. Ernüchternd stellt Pierre Defraigne von der Brüsseler Madariaga Stiftung fest, daß Europa deshalb niemals so loyal zum Euro sein werde, wie die Deutschen es zur DM waren.
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Die Krise der Volkswirtschaftslehre
Was nun, Herr Smith?
Die Finanzkrise stellt alte Dogmen der Volkswirtschaftslehre in Frage. Der Glaube an die Selbstheilungskräfte der Märkte ist verflogen.
Das Fach von Adam Smith steht vor seiner größten Herausforderung seit Jahrzehnten.
Book I: Of the Causes of Improvement in the productive Powers of Labour, and of the Order according to which its Produce is naturally distributed among the different Ranks of the People
Chapter 2: Of the Discouragement of Agriculture in the ancient State of Europe after the Fall of the Roman Empire
Chapter 3: Of the Rise and Progress of Cities and Towns, after the Fall of the Roman Empire
Chapter 4: How the Commerce of the Towns contributed to the Improvement of the Country
Book IV: Of Systems of political Economy
Chapter 1: Of the Principle of the commercial, or mercantile System
Chapter 2: Of Restraints upon the Importation from foreign Countries of such Goods as can be produced at Home
Chapter 3: Of the extraordinary Restraints upon the Importation of Goods of almost all Kinds, from those Countries with which the Balance is supposed to be disadvantageous
Chapter 9: Of the Agricultural Systems, or of those Systems of Political Economy, which represent the Produce of Land, as either the sole or the principal Source of the Revenue and Wealth of every Country
Book V: Of the Revenue of the Sovereign or Commonwealth
Chapter 1: Of the Expences of the Sovereign or Commonwealth
Chapter 2: Of the Sources of the general or public Revenue of the Society
In mehreren Metropolen Europas haben Zehntausende gegen Sparmaßnahmen ihrer Regierungen demonstriert. In Madrid schlug der Protest in Gewalt um. Auch Frankreichs Präsident Hollande spürt steigenden Druck von der Straße.
Die Demonstranten in Madrid marschierten zum dritten Mal in einer Woche zum Parlament, um ihrem Ärger über Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen Luft zumachen. Mit Parolen wie „Feuert sie, feuert sie“ forderten sie den Rücktritt der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy. In Spanien hatte die Regierung erst am Donnerstag für 2013 ihre bisher drastischsten Kürzungen sowie neue Sparmaßnahmen zur Bewältigung der Krise angekündigt.
Im September wurde Finanzmarkt-Geschichte geschrieben – wieder einmal! Nach 5 Jahren Dauerkrise und unzähligen in Euphemismen verpackten Gelddruckprogrammen erfüllten die wichtigsten Notenbanken dieser Welt den noch immer „gestörten“ Märkten und der von Beginn an gestörten Politik deren größten Wunsch. Das Zauberwort für die (vermeintliche) Lösung aller Probleme wurde jetzt ausgesprochen: unbegrenzt!
Zuerst verkündete Zentralbank-Chef Draghi, dass die EZB zukünftig bereit stehe, über das neu geschaffene „geldpolitische“ OMT-Programm (Outright Monetary Transactions) im Zweifelsfall unlimitiert Staatsanleihen europäischer Krisenstaaten zu kaufen, um so das Überleben des Euro unter allen Umständen zu garantieren. Nur wenige Tage später startete dann auch Fed-Chef Bernanke das schon lang von den Marktteilnehmer geforderte „QE 3“-Programm, in dessen Rahmen nun zeitlich unbegrenzt für monatlich frisch gedruckte 40 Mrd. USD amerikanische Hypothekenpapiere auf die Bilanz der Fed genommen werden. Ja, und wenn schon EZB und Fed nun die Notenpressen unbegrenzt auf Hochtouren laufen lassen wollen, lässt sich auch die Erfinderin des „quantitative easing“, die japanische Notenbank, nicht zweimal bitten, auch ihren Teil – über das postwendend auf 80 Billionen Yen erhöhte Anleihenkaufprogramm – zur eröffneten Gelddruck-Olympiade der Notenbanken beizusteuern.
Die Aktienmärkte reagierten auf die Erfüllungspolitik der Notenbanken im Gefühl einer nun niemals versiegen werdenden Liquidität mit weiteren Kursgewinnen, während Gold gegenüber dem Euro im September sogar einen neuen Höchststand erreichte, bzw. der Euro gegenüber Gold auf historisches Tief fiel.
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Die unkritische Euphorie der Aktieninvestoren – Liquidität gleich steigende Kurse – ist nach unser Einschätzung jedoch zu undifferenziert, denn über einen Mangel an Liquidität konnte auch vor den konzertierten Notenbank-Maßnahmen nicht gesprochen werden. Wer heute aus Furcht vor Inflation Aktien kauft, sollte bedenken, dass Unternehmensgewinne in einem inflationären Umfeld nicht automatisch mitsteigen müssen, sondern angesichts des damit verbundenen extrem herausfordernden wirtschaftlichen Umfeldes auch „völlig überraschend“ einbrechen können. Und dass die Aktienmärkte selbst in einem Umfeld galoppierender Inflation nicht einmal nominal steigen müssen, belegen die 1970er Jahre nur all zu eindrucksvoll!
Auf Sicht der nächsten Monate erwarten wir für die Aktienmärkte von der konjunkturellen Seite erheblich mehr Gegenwind als bislang, da sich das globale wirtschaftliche Umfeld mehr als deutlich eintrübt, und Politik und Notenbanken heute nicht mehr über die im Jahr 2008 noch vorhandenen Spielräume verfügen, die sich abzeichnende Rezession erneut mit gigantischen Interventionen verhindern zu können.
Die spürbare „Schwäche in der Weltwirtschaft“ veranlasst den größten Logistikkonzern der Welt FedEx bereits heute, massive Einsparmaßnahmen zu ergreifen, während das Jahresgewinnziel zugleich ordentlich eingedampft wurde. Doch nicht nur der als sehr verlässliches Konjunkturbarometer geltende Logistiker FedEx meldete „Land unter“, sondern es hagelte im September über fast alle Branchen hinweg Gewinnwarnungen. So enttäuschten z. B ebenso der Luxuskonzern Burberry als auch der Industrie- und Autozulieferer Infineon die Investoren, wie auch der ebenfalls als ein guter Seismograf für den Zustand der Weltkonjunktur geltende weltgrößte Baumaschinenhersteller Caterpillar. („Und wir gehen von einem kraftlosen und nur bescheidenen Wachstum bis 2015 aus!“)
Den 29%igen Absturz der Pkw-September-Verkäufe auf Jahressicht im Süden Europas (PIIGS) wie auch der in Deutschland (-10,9 %) konnten die deutschen Hersteller, die als Schlüsselindustrie 2011 177,3 Mrd. Euro zum deutschen Exporterfolg beitrugen, zwar noch einmal mit guten Verkäufen in China und den USA kompensieren, doch mehren sich auch dort die Warnsignale. So vermelden die australischen Minenbetreiber schon erheblich nachlassende Rohstoffexporte in Richtung China, was die große Hoffnung der Märkte auf die konjunkturelle Rettung durch den bisherigen Wachstumsmotor enttäuschen könnte. Zudem drohen auch aus dem wahlkämpfenden „Konjunktur-Wunderland“ USA schon in Kürze große Unsicherheiten, denn schließlich ist noch völlig unklar, wie die USA das vereinbarte „fiscal cliff“, also die anvisierte Einsparung von rund 500 Mrd. USD meistern wollen, ohne das 2013 auch die US-Wirtschaft in die Rezession zurückfällt.
In den meisten Ländern der Eurozone geht es wirtschaftlich dagegen schon jetzt deutlich nach unten, denn die Auswirkungen des Experiments der „Eliten“ in Brüssel, den Euro um jeden Preis „retten“ zu wollen, sind in den Peripheriestaaten geradezu katastrophal. Der Versuch, die Staatshaushalte nur mit Steuererhöhungen, Lohnsenkungen und Kürzung von Sozialleistungen konsolidieren zu wollen, führt wegen der massiv einbrechenden Nachfrage zu einer noch stärker schrumpfenden Wirtschaftsleistung und einer immer dramatischer ansteigenden Arbeitslosigkeit. Die Gemeinschaftswährung ist jetzt auf dem besten Weg den Frieden in Europa zu ruinieren, denn die sich mittlerweile in den Peripherie-Ländern manifestierende „no future“-Perspektive wird die jetzt schon gesehenen Massenproteste der Bevölkerungen wahrscheinlich weiter eskalieren lassen, so dass nach Griechenland auch in Spanien oder Portugal massive soziale Unruhen immer wahrscheinlicher werden.
Wir bleiben weiterhin der Auffassung, dass in einem wirtschaftlich als auch politisch zunehmend schwieriger werdenden Umfeld Gold, Silber und die Aktien der Edelmetallminenbetreiber zunehmend von ihrer Rolle als sicherer Hafen profitieren werden.