Verfassungsbeschwerde von RA Dr. iur. Wolfgang Philipp 6/37
Veröffentlicht: 6. Juli 2012 Abgelegt unter: BVerfG, DEUTSCHLAND - GERMANY, Verfassungsbeschwerden, Wolfgang Philipp | Tags: AEUV, Beobachterstatus, ESM Hinterlasse einen KommentarVerfassungsbeschwerde von RA Dr. iur. Wolfgang Philipp
Aktenzeichen zur Verfassungsbeschwerde 2 BVR 1504/12
Seite 6/37
Begründung eines zu dessen Ratifizierung vorliegenden Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vom 20.03.2012 (Drucksache 17/9047)
Auszug
– Anlage 2 -,
mit welchem die Zustimmung Deutschlands zu der Änderung des AEUV erteilt werden soll, heißt es denn auch, es erfolge „keine Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union“. Dass keine Übertragung von Hoheitsrechten auf den von der Union scharf zu trennenden ESM erfolgt steht dort nicht: Auf den ESM werden Hoheitsrechte übertragen.
Für alles Weitere ist mithin die Feststellung wichtig, dass hier eine Institution gegründet wird, die neben der Europäischen Union steht und von ihr unabhängig ist. Die EU hat nach Art. 5 in Gestalt des für Wirtschaft und Währung zuständigen Kommissionsmitglieds gerade nur einen „Beobachterstatus“. Die juristische Person „ESM“ ist ein völlig neuartiges staatsrechtliches Gebilde, dessen Bedeutung, Wirkungen und eventuell auch Widersprüche zu anderen Einrichtungen im Vorhinein nur schwer zu erfassen sind. Gleichwohl wird nachstehend versucht, das Wesentliche festzuhalten.
2. Die juristische Konstruktion des ESM
a) Rein äußerlich ist der ESM teilweise konstruiert wie eine Aktiengesellschaft: Das gibt bisher zum Teil wenig beachtete Hinweise auf die Auslegung des ESM-Gründungsvertrages.
Der Unterzeichner, der auch beruflich vom Gesellschaftsrecht her kommt, hat deshalb schon im Herbst 2011 versucht, den ESM-Gründungsvertrag zu verstehen und zu erläutern
Philipp, „Die Karikatur einer Aktiengesellschaft – Ein „Europäischer Stabilitätsmechanismus“ im rechtsfreien Raum“, Die Aktiengesellschaft 2011, S. 697
– Anlage 3 -.
Auf die darin enthaltenen Überlegungen wird verwiesen, sie werden zum Gegenstand des Vortrages gemacht mit dem Ziel, zum Verständnis der einzelnen Regelungen beizutragen.
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Verfassungsbeschwerde von RA Dr. iur. Wolfgang Philipp 4/37
Veröffentlicht: 6. Juli 2012 Abgelegt unter: BVerfG, DEUTSCHLAND - GERMANY, Verfassungsbeschwerden, Wolfgang Philipp | Tags: Budgetrecht, Bundestag, ESMFinG, Gründungsvertrag, Ratifikationsurkunde, Verwahrer Hinterlasse einen KommentarVerfassungsbeschwerde von RA Dr. iur. Wolfgang Philipp
Aktenzeichen zur Verfassungsbeschwerde 2 BVR 1504/12
Seite 4/37
Nach Art. 47 des ESM-Gründungsvertrages sind die Ratifikations-, Genehmigungs- oder Annahmeurkunden beim „Verwahrer“ zu hinterlegen. „Verwahrer“ ist nach Art. 46 das Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union.
Nach Art. 48 tritt der Gründungsvertrag an dem Tag in Kraft, an dem die Ratifikations-, Genehmigungs- oder Annahmeurkunden von Unterzeichern hinterlegt wurden, deren Erstzeichnungen mindestens 90 % der gesamten in Anhang II vorgesehenen Zeichnungen ausmachen.
Das zu 1 genannte Ratifikationsgesetz hat mit seiner Hinterlegung und anschließendem Inkrafttreten des ESM-Gründungsvertrages mithin nicht nur nationale, sondern auch internationale Wirkungen:
Einmal beigetreten, ist Deutschland an alle in diesem ESM-Gründungsvertrag enthaltenen Verpflichtungen gebunden. Umgekehrt haben die Vertragsstaaten etwaige Vorbehalte in der deutschen Ratifikationsurkunde zu respektieren, aber möglicherweise nur diese.
Das zu Ziff. 2 genannte ESMFinG ist hingegen ein rein innerdeutsches Gesetz. Es wird nicht hinterlegt, sondern soll am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu Widersprüchen zwischen den internen Regelungen dieses Gesetzes einerseits und dem ESM-Gründungsvertrag kommt.
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig
Nach §§ 90, 93 Abs. 3 BVerfGG sind Verfassungsbeschwerden auch unmittelbar gegen ein Gesetz zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss der Bf durch das Gesetz selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt sein. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat durch Urteil vom 07.09.2011, 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10 und 2 BvR 1099/10, eingehend dargelegt, dass jeder deutsche Staatsbürger Gesetze, welche das Budgetrecht des Deutschen Bundestages aushöhlen und dadurch den Wähler in seinem Wahlrecht verletzen, mit der Verfassungsbeschwerde angreifen kann. Auf die eingehenden Darlegungen in dem genannten Urteil dürfen wir uns beziehen, die grundsätzliche Rechtsfrage der Zulässigkeit solcher Verfassungsbeschwerden dürfte ausgetragen sein. Beide Bf sind wahlberechtigte deutsche Staatsbürger.
Zulässig sind die Verfassungsbeschwerden auch, soweit die Bf rügen, selbst gegenwärtig und unmittelbar in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 3
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Verfassungsbeschwerde von RA Dr. iur. Wolfgang Philipp 3/37
Veröffentlicht: 6. Juli 2012 Abgelegt unter: BVerfG, DEUTSCHLAND - GERMANY, Verfassungsbeschwerden, Wolfgang Philipp | Tags: ESM-Vertrag, ESMFinG Hinterlasse einen KommentarVerfassungsbeschwerde von RA Dr. iur. Wolfgang Philipp
Aktenzeichen zur Verfassungsbeschwerde 2 BVR 1504/12
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3. Hilfsweise:
Die Bundesrepublik Deutschland wird angewiesen, das Bundesgesetz zu dem Vertrag vom 02.02.2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus in der vom Bundesrat am 29.06.2012 verabschiedeten Fassung bis zur Entscheidung der Hauptsache durch den Senat nicht gemäß Art. 48 des Vertrages vom 02.02.2012 bei der Verwahrungsstelle zu hinterlegen.
BEGRÜNDUNG DER VERFASSUNGSBESCHWERDEN
A.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerden
Die Bf sehen sich durch die angegriffenen Gesetze in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG sowie aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 GG verletzt. Sie rügen eine Verletzung des dauerhaften Budgetrechts des Deutschen Bundestages, die verfassungswidrige Beschränkung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG sowie die Verletzung ihres Grundrechts auf Gleichheit (Willkürverbot).
Beide Gesetze betreffen den „Europäischen Stabilitätsmechanismus“ (ESM), der nach Art. 1 des „Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus“ (nachstehend „ESM-Gründungsvertrag“) als „Internationale Finanzinstitution“ mit eigener Rechtspersönlichkeit gegründet wird. Das im Antrag zu 1 genannte Gesetz betrifft die Ratifikation des Beitritts Deutschlands zu dieser „Finanzinstitution“. Das zu 2 genannte Gesetz soll Finanzierungsfragen, insbesondere die Bereitstellung des Kapitals für den deutschen Anteil am Stammkapital des ESM, regeln. Darüber hinaus unterscheiden sich die beiden Gesetze in folgendem wesentlichen Punkt: Das zu 1 genannte Gesetz zur Ratifizierung soll nach seinem Art. 3 mit Inkrafttreten des zu Ziff. 2 genannten ESMFinG, frühestens jedoch am Tag nach der Verkündung, in Kraft treten.
Weiter heißt es:
„Der Tag, an dem der Vertrag nach seinem Art. 48 Abs. 1 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.“
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Verfassungsbeschwerde von RA Dr. iur. Wolfgang Philipp 2/37
Veröffentlicht: 6. Juli 2012 Abgelegt unter: BVerfG, DEUTSCHLAND - GERMANY, Verfassungsbeschwerden, Wolfgang Philipp | Tags: § 32 BVerfGG, ESMFinG Hinterlasse einen KommentarVerfassungsbeschwerde von RA Dr. iur. Wolfgang Philipp
Aktenzeichen zur Verfassungsbeschwerde 2 BVR 1504/12
Seite 2/37
Bevollmächtigte zu 1 und 2: Rechtsanwälte Philipp, Sudmann & Schendel, Kolpingstr. 18, 68165 Mannheim
Antragsgegner: Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesregierung
Namens und in Vollmacht der Bf erheben wir
VERFASSUNGSBESCHWERDE
mit dem Antrag wie folgt zu erkennen:
1. | Das Bundesgesetz zu dem Vertrag vom 02.02.2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus in der vom Bundesrat am 29.06.2012 verabschiedeten Fassung wird für nichtig erklärt. |
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2. | Das Bundesgesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz – ESMFinG) in der vom Bundesrat am 29.06.2012 verabschiedeten Fassung wird für nichtig erklärt. |
3. | Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens. |
Darüber hinaus beantragen wir gemäß § 32 BVerfGG den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit folgendem Inhalt:
1. | Das Inkrafttreten des Bundesgesetzes zu dem Vertrag vom 02.02.2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus in der vom Bundesrat am 29.06.2012 verabschiedeten Fassung wird bis zur Entscheidung der Hauptsache durch den Senat ausgesetzt. |
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2. | Das Inkrafttreten des Bundesgesetzes zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz – ESMFinG) in der vom Bundesrat am 29.06.2012 verabschiedeten Fassung wird bis zur Entscheidung der Hauptsache durch den Senat ausgesetzt. |
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