Flucht aus dem Armenhaus
Veröffentlicht: 20. Januar 2012 Abgelegt unter: DEUTSCHLAND - GERMANY, SCHWEIZ | Tags: Beschäftigung, Billiglohnland, DEUTSCHLAND - GERMANY, Euro, Exportüberschuss, Haushaltseinkommen, Kaufkraft, Reallohn Hinterlasse einen KommentarFlucht aus dem Armenhaus
Der Ansturm der deutschen Arbeitskräfte in die Schweiz hat vor allem einen Grund: Deutschland hat sich innerhalb weniger Jahre mutwillig zum Billiglohnland und zum Armenhaus gemacht. Selbst im «Boomjahr» 2006 gingen die Löhne weiter zurück.
Deutschland erlebt zurzeit einen Boom: Das Statistische Bundesamt meldet für 2006 ein Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent. Doch man muss genauer hinsehen: Gestiegen sind auch 2006 nur die Gewinne, nämlich um rund 30 Milliarden Euro. Die Summe aller Löhne hingegen ist trotz leicht zunehmender Beschäftigung erneut gesunken – und das mitten im Aufschwung!
Das geht schon lange so. Seit inzwischen zehn Jahren tut sich in Deutschland punkto Reallohn gar nichts mehr. Die Kaufkraft der Löhne ist in dieser Zeit um 5,1 Prozent gesunken. Das ist einmalig in der Nachkriegsgeschichte. In den Jahren zuvor waren auch in Deutschland jährliche Reallohnsteigerungen von 1 bis 3 Prozent üblich.
Dieser Lohnzerfall ist nicht die zwingende Folge der Konkurrenz aus den Billiglohnländern – sonst wären in Deutschland die Gewinne gesunken und hätten auch andere Industrieländer ihre Reallöhne nicht erhöhen können. Deutschlands Misere ist das Ergebnis einer bewussten Politik. Das Stichwort heisst«Lohnzurückhaltung». Deutschland war Mitte der Neunzigerjahre mit einem hohen DM-Kurs in den Euro eingestiegen und hat versucht, seine Konkurrenzfähigkeit zu verbessern. Das ist geglückt: Deutschlands Lohnkosten sind im Vergleich zur Konkurrenz um 15 bis 30 Prozent gesunken. 2006 wurde ein Exportüberschuss von 162 Milliarden Euro erzielt. China, das andere grosse Billiglohnland brachte es bloss auf 135 Milliarden Euro Überschuss.
Blick.ch – Publiziert: 24.02.2007, Aktualisiert: 20.01.2012