Perspektiven der heterodoxen Ökonomik
Veröffentlicht: 1. Oktober 2011 Abgelegt unter: heterodoxe Ökonomik, Wolfram Elsner | Tags: Globalisierung, Imperialismus, Kapitalismus-Kritik, Keynesianismus, Neo-Klassik, Neo-Liberalismus, Samuelson, Stagflation Hinterlasse einen KommentarÖffentlicher Vortrag während der Tagung
„Die Krise des Kapitalismus und die Zukunft der ökonomischen Wissenschaft.
Mainstream – Heterodoxien – Pluralismus?“
des Arbeitskreises Postautistische Ökonomie e.V. und der Hans-Böckler-Stiftung,
Universität Kassel, 28./29.09.2011
Prof. Dr. Wolfram Elsner – Uni Bremen
.
Vorbemerkung
Auf dieser Tagung wurden Fragen diskutiert wie die Wirkungsanalyse, die politische Relevanz oder Irrelevanz der Ökonomik, die Frage nach der ‚Ökonomik als menschenfeindliche(r) Wissenschaft?‘, die Fragen ‚Kann ein ‘neo-klassischer’ Ökonom politisch fortschrittlich sein?‘‚ ‚Macht, Rechte und Institutionen im Kapitalismus‘, also ‚Ist da also mehr als ein perfekter Markt?‘, ‚Gibt es eine Postwachstumsökonomik im Kapitalismus?‘ ‚Ist der ökonomische Mainstream zu einer Pluralität fähig?‘ und ‘Wie weiter mit den Heterodoxien?‘ – das alles ist zugleich grundsätzlich und angewandt, theoretisch und politisch.
Auf dem Prüfstand steht damit praktisch alles, was die Ökonomik als wissenschaftliche Disziplin betrifft. Das alles sollte eigentlich mit diesem Vortragsthema eingefangen, abgebildet und noch einmal reflektiert werden.
Doch das ist eine unmögliche Aufgabe:
Das Thema würde dann eine komplette Wirtschaftsgeschichte des Kapitalismus, eine komplette Theoriegeschichte der Ökonomik und eine umfassende Politikanalyse erfordern – zudem das Abklopfen aller drei Relationen zwischen Realgeschichte, Theoriegeschichte und Politik.
Offensichtlich eine unmögliche Mission! Wo also anfangen, wo aufhören?
Es folgen sehr selektive, auch sehr ‚politische‘ Bemerkungen (1) zum gegenwärtigen ‚Post-Krisen‘-Zustand der kapitalistischen Realität, (2) zum Beitrag der herrschenden Ökonomik zu dieser Realität, (3) zum gegenwärtigen Zustand der Disziplin und zu einer Ökonomik ‚as if people mattered‘.
.
I Das ‚pluralistische‘ Zeitalter: Die 1920er und 1930er
‚Neo-Klassik‘ – nur ein Paradigma unter anderen
[…]
Die Große Depression
[…]
Strategische Alternativen des Kapitalismus zu Beginn der 1930er und konkurrierende ökonomische Ansätze
[…]
Keynes
[…]
Relativer Pluralismus
[…]
II Langfristiger Paradigmawechsel: Post-Faschismus und Post-New-Deal, und der lange Weg zum ‚neo-liberalen‘ Post-Wohlfahrtsstaat
[…[
Zweiter Weltkrieg und Kalter Krieg: Rüstungs- und kriegsökonomisches Entwicklungsparadigma
[…]
Strukturelle Langfristwirkungen des Keynesianismus
[…]
Umverteilungskampf und Stagflation
[…]
Keynesianischer Wohlfahrtsstaat und Profitrate
[…]
III Der lange vorbereitete Paradigmawechsel wird vollzogen: Übergang zum ‚Neo-Liberalismus‘
[…]
Konzentration, Privatisierung, Globalisierung – Der Fall der Profitrate wird langfristig umgekehrt
[…]
Kriterien für das neue Paradigma
[…]
Samuelsons ‚Foundations‘ und ‘neo-klassische’ Synthese
[…]
Das leise Ende des AGT Forschungsprogramms
[…]
Die Möglichkeit eines progressiven und wohlfahrtsstaatlichen ‚Neo-Klassikers‘
[…]
Die Ankunft des ‚neo-liberalen‘ Paradigmas: Friedman, Reagan, Thatcher & Co …
[…]
… sowie Hayek
[…]
‚Es gibt keine Gesellschaft!‘:
Gegen Gemeinschaftliches, Kollektives, Deliberatives und Proaktives
[…]
Der erste‚ neo-liberale‘ Feldversuch – und das Prinzip des Einfahrens der politischen Ernte durch Gesellschaftszerstörung
[…]
IV Die ‚neo-klassisch‘-‚neo-liberale‘ Missdeutung des Marktes, realökonomischer Kollaps und Casino-Kapitalismus – und ihre Sozialen Kosten
[…]
Komplexe direkte Interdependenzen in der realweltlichen Ökonomie und ihre Implikationen
[…]
Die Tendenz des Marktes zur Selbstaufhebung und die Notwendigkeit seiner Gegenprinzipien für sein vernünftiges Funktionieren
[…]
Reale Effekte de-regulierter Märkte: Turbulenzen und beschleunigte Selbstaufhebung
[…]
Realökonomisches Versagen und Rettung der Profitrate: Globales ‚Aufsaugen‘ (vulgo Imperialismus)
[…]
Realökonomisches Versagen und Rettung der Profitrate: Umverteilen (vulgo Klassenkampf von oben)
[…]
Sinkende Profitrate vs. neues 25%-Benchmark
[…]
Industrieprofite für Spekulation statt Realinvestition
[…]
Die Explosion der Spekulationsindustrie, vulgo Finanzmärkte, zum alles dominierenden Sektor
[…]
Eine globale Gläubiger-Schuldner-Ökonomie
[…]
Das Prinzip der Blase – und Renditesicherung über den Blasenzyklus hinweg
[…]
Freiwillige Haircut-Angebote der Banken und freiwillige Steuerzahlungsangebote der Superreichen
[…]
Das kriminelle Element wird systemisch und dominant
[…]
Umfassende Krisen: Finanzökonomie, Realökonomie, Nahrung, Umwelt, Politik, und Moral
[…]
Die Leidens-Dividende für Politiker: Vollkasko-Versicherung durch Anschluss-Karriere
[…]
Am Ende: ‚Neo-liberaler‘ Casino-Kapitalismus ohne produktive historische Funktion
[…]
V Zurück zum Zustand der Wirtschaftswissenschaften
[…]
Die kognitive Dissonanz (Schizophrenie?) von ‚Neo-Klassik‘ und ‚Neo-Liberalismus
[…]
Das ‚mainstreamige‘ (Mikro-) Lehrbuch – ein inkonsistentes Konglomerat
[…]
… und ein neuer Generalangriff auf die Heterodoxien: ‚Evaluationen‘ und Rankings
[…]
Die Konvergenz der ‚Heterodoxien‘: Vielfältige, aber komplementäre Prozesse
[…]
VI Ein Resümee
Wir haben versucht zu zeigen, dass die Ökonomik relevant ist, höchst relevant sogar, relevant für die großen Strukturentwicklungen der Ökonomie wie für das tägliche Leben und die tägliche Politik – aber eben nicht in einem eindimensionalen Sinne, schon gar nicht nur problemlösend. Der Mainstream ist unlösbar damit verbunden, in einer durchaus diffizilen, aber auch verqueren und v.a. auch zerstörenden Weise wesentlich auch als Ideologieproduzent ‚relevant‘ zu sein, ja, in seine ‚neo-liberalen‘ Ausprägung und seinen ‚neoliberalen‘ Repräsentanten sogar als massives soziales Kampfinstrument. Und wird dafür honoriert. Er bietet die Legitimation und Verbrämung für einen umfassenden Zeremonialismus (einer umfassenden Nicht-Problemlösung und globalen ökonomischen, sozialen und ökologischen Problemverschärfung) eines Systems, das diesen Zeremonialismus im ‚Neo-Liberalismus‘ auf exzessive Weise auslebt.
[…]
Die potentielle Relevanz der Ökonomik als instrumentelles, problemlösungs-orientiertes Instrumentarium dagegen ist in den Heterodoxien angelegt. Wirksamkeitssteigernde und praxis- und politikrelevante Konvergenzen zwischen diesen, und zwischen ihnen und großen Teilen des Mainstream sind unverkennbar. Ob diese Tendenzen sich in den nächsten Jahren verfestigen können oder zerstört werden können, muss im Moment offen bleiben.
[…]
Fragenden jungen und angehenden Ökonomen kann nur geraten werden:
[…]
‚Be heterodox. Be good with it. Just do it. And be professional.‘