Umgang mit der Schuldenkrise Griechenlands und anderer Länder der Eurozone

Umgang mit der Schuldenkrise Griechenlands und anderer Länder der Eurozone
Deutscher Bundestag Drucksache 17/949 – 17. Wahlperiode 04. 03. 2010
Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. März 2010 übermittelt.
Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.
Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/723 –
Vorbemerkung der Fragesteller
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion sind an die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts gebunden. Demnach darf die Neuverschuldung eines Staates maximal 3 Prozent und der Gesamtschuldenstand maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Mit einer Neuverschuldung von gegenwärtig 12,7 Prozent und einer Gesamtverschuldung von rund 125 Prozent des Bruttoinlandsprodukts droht Griechenland der Staatsbankrott.
Die Auswirkungen einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands wären nicht nur für das Land selbst gravierend. Bereits jetzt drohen durch die eingeleiteten Sparmaßnahmen soziale Verwerfungen, die Ausgrenzung ärmerer Bevölkerungsschichten sowie starke Einschnitte in zukunftsweisenden Bereichen. Aufgrund der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion wären auch weitere Länder der EU und insbesondere der Eurozone betroffen. Schon jetzt weisen Irland, Spanien und Portugal eine ähnlich besorgniserregende Entwicklung auf.
Vor diesem Hintergrund wurden in den letzten Wochen zahlreiche Szenarien diskutiert und Lösungswege für die derzeitige fiskalische Krise Griechenlands skizziert. Am 3. Februar 2010 hat die Europäische Kommission ein Maßnahmenpaket mit einer Reihe von Empfehlungen an Griechenland angenommen. Das Paket soll am 16. Februar 2010 auf der Tagung des Rates Wirtschaft und Finanzen von den 27 Finanzministerinnen und Finanzministern der EU-Mitgliedstaaten verabschiedet werden. Darin sind strenge Kontrollen der griechischen Regierung bei der Umsetzung ihres Stabilitätsprogramms durch die Europäische Kommission vorgesehen. Mit Hilfe des Stabilitätsprogramms will die griechische Regierung Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen durchsetzen, mit denen die Neuverschuldung bis Ende 2012 auf unter 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesenkt werden soll.
Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union schließt eine Übernahme bzw. Haftung für die Schulden eines EU-Mitgliedstaats durch einen anderen EU-Mitgliedstaat oder die Europäische Union („No-Bail-Out“-Klausel) aus. Dennoch werden laut Presseberichten bereits inoffiziell sogenannte Notfallpläne diskutiert, die eine Teilübernahme der Schulden durch andere EU-Staaten vorsehen. Ebenso werden gemeinsame Anleihen der Euro-Staaten, ein Einschreiten von EZB oder IWF bis hin zum Austritt Griechenlands aus der Währungsunion diskutiert.
Die Bundesregierung verhält sich bisher zurückhaltend und setzt in öffentlichen Äußerungen auf die eigene Kraft Griechenlands, den drohenden Staats- bankrott abzuwenden. Pressemeldungen zufolge finden jedoch innerhalb der Bundesregierung bereits Überlegungen bezüglich konkreter Hilfspläne für vom Staatsbankrott bedrohte Staaten der Eurozone statt. Detaillierte Vorschläge für mögliche Lösungsstrategien unterbreitet die Bundesregierung nicht sowie sie ebenfalls keine öffentliche Diskussion über die zukünftige Ausgestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion führt.
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Deutscher Bundestag

Keinen Euro nach Athen tragen

Keinen Euro nach Athen tragen
Warum ein Bail-out Griechenlands ökonomisch abzulehnen und juristisch unzulässig ist.
Leitsätze
Ein Bail-out für Griechenland durch andere Mitgliedstaaten ist nicht mit dem Europarecht vereinbar.
Ob es sich dabei um direkte finanzielle Zuwendungen, Bürgschaften, Garantien, Euroanleihen oder Hilfe über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) handelt, ist unerheblich.
Beteiligt sich die Bundesregierung dennoch und ohne Zustimmung des Bundestages an einem auf Art. 352 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gestützten finanziellen Beistand für Griechenland, steht jedem Bundestagsabgeordneten die Möglichkeit einer Organklage vor dem Bundesverfassungsgericht offen.
Aus währungsökonomischer Sicht ist ein von Euro-Mitgliedstaaten getragener Bail-out strikt abzulehnen.
Ein solcher Bail-out ist mit enormen Kosten für die Glaubwürdigkeit des Euro-Raums verbunden und kann die fundamentalen Probleme Griechenlands ohnehin nicht lösen. Er schwächt die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) und erschwert damit die Glaubwürdigkeit einer auf Geldwertstabilität ausgerichteten Geldpolitik.
Der einzige Vorteil eines Bail-out liegt in der vorübergehenden Verhinderung einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands. Ob dieses Szenario aber eintreten wird, kann derzeit nicht ernsthaft vorhergesagt werden. Droht eine solche Zahlungsunfähigkeit dennoch, ist die Unterstützung durch den
Internationalen Währungsfonds (IWF) einem Bail-out durch Euro-Staaten vorzuziehen.
Die Euro-Zone leidet unter zwei Grundproblemen: einem Mangel an fiskalischer Disziplin und einem Auseinanderdriften der Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Gütermärkten zwischen den Euro-Staaten.
Die Griechenlandkrise belegt das Scheitern des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Erforderlich ist ein neuer Automatismus bei den Sanktionen des Paktes, der politische Rücksichtnahme im Ministerrat erschwert.
Gemeinsame Euro-Anleihen oder die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds (EWF) sind der falsche Weg. Dort, wo Schulden geteilt werden, sinkt die Eigenverantwortung. Das Ergebnis sind höhere, nicht niedrigere Schulden.
Die Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Gütermärkten zu erhalten ist Aufgabe einer jeden Regierung. Der Wettbewerb zwischen Mitgliedstaaten kann hier mehr leisten als eine „Europäische Wirtschaftsregierung“. Unter einer EU-Wirtschaftsregierung droht sich eine Anpassung nach unten durchzusetzen, indem Länder mit einer schwachen Wettbewerbsfähigkeit auf andere Euro-Staaten Druck ausüben, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu reduzieren.
Viele der momentan diskutieren Vorschläge dienen nur bei einer oberflächlichen Betrachtung der europäischen Idee. Bei näherem Betrachten schaden sowohl Euro-Anleihen als auch ein Europäischer Währungsfonds der Stabilität des Euros und der Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Zone.
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CEP-Studie – PDF [37 Seiten]