EU „fair value“-Richtlinie

Rechnungslegung:
Kommission begrüßt Verabschiedung der „fair value“-Richtlinie

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Reference: IP/01/770 Event Date: 31/05/2001 Export pdf PDF word DOC
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IP/01/770

Brüssel, den 31. Mai 2001

Rechnungslegung: Kommission begrüßt Verabschiedung der „fair value“-Richtlinie

Die Europäische Kommission hat die Verabschiedung einer EU-Richtlinie durch den Rat und das Europäische Parlament am 31. Mai begrüßt, mit der die EU-Rechnungslegungsvorschriften durch Einführung der „fair value„-Methode modernisiert werden. Mit der neuen Richtlinie werden die EU-Rechnungslegungsrichtlinien den Entwicklungen der Märkte (wie etwa der Verbreitung sog. „Derivate“), des Finanzgeschäfts und der internationalen Rechnungslegungsstandards angepasst. Für europäische Unternehmen, die sich weltweit Kapital beschaffen, wird es damit einfacher, die Rechnungslegungsanforderungen der internationalen Kapitalmärkte zu erfüllen und somit zu gleichen Bedingungen mit außereuropäischen Wettbewerbern zu konkurrieren. Dass die Richtlinie nur 15 Monate, nachdem sie von der Kommission vorgeschlagen wurde (siehe IP/00/187), bereits verabschiedet ist, macht die Effizienz des äußerst kooperativen und produktiven Ansatzes deutlich, den Kommission, Parlament und Rat bei dieser Initiative verfolgt haben. Die Richtlinie ist Bestandteil des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen (siehe IP/00/1269).

Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein dazu:
„Die Richtlinie wird europäischen Unternehmen die Möglichkeit geben, weltweit akzeptierte und verständliche Finanzausweise zu erstellen. Indem die EU-Rechnungslegungsrichtlinien an bestehende internationale „fair value“-Standards angepasst wurden, ist dafür gesorgt, dass die europäischen Unternehmen an den internationalen Kapitalmärkten zu gleichen Bedingungen mit ihren außereuropäischen Wettbewerbern konkurrieren können. Die rasche Verabschiedung dieser Richtlinie ist ein sehr positives Beispiel dafür, dass die Organe der EU effizient zusammenarbeiten, um Rechtsvorschriften rasch auf den Weg zu bringen. Dieses Beispiel kann und sollte bei anderen Rechtsvorschlägen Schule machen.“

Mit der Richtlinie werden die Vierte Richtlinie über den Jahresabschluss, die Siebte Richtlinie über den konsolidierten Abschluss und die Bankabschlussrichtlinie so geändert, dass bestimmte Finanzinstrumente fortan zum „fair value“ bewertet werden können. Der „fair value“ von Finanzinstrumenten wird anhand des Marktwerts oder – falls ein verlässlicher (liquider) Markt fehlt – anhand allgemein akzeptierter Bewertungsmodelle ermittelt. Nahezu alle, auch die nicht realisierten Änderungen des „fair value“ müssen in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen werden. Der „fair value“ vermittelt ein genaueres Bild von der Finanzlage und -entwicklung eines Unternehmens.

Ziel der Richtlinie ist vor allem, dass Unternehmen die Internationalen Rechnungslegungsstandards (International Accounting Standards – IAS), namentlich den ab dem Geschäftsjahr 2001 verbindlichen IAS 39 für die Bewertung von Finanzinstrumenten, uneingeschränkt anwenden können. In der Richtlinie wird definiert, welche Finanzinstrumente gemäß IAS 39 mit dem „fair value“ bewertet werden können. Außerdem können die Mitgliedstaaten nach bestimmten Regeln festlegen, welche Unternehmen ihre Rechnungslegung anhand des „fair value“ vornehmen dürfen bzw. müssen. So kann ein Mitgliedstaat die Bewertung zum „fair value“ beispielsweise nur für börsennotierte Unternehmen zulassen bzw. vorschreiben. Nach der Richtlinie müssen sämtliche Unternehmen Informationen über derivative Finanzinstrumente wie Optionen, Swaps und Futures, im Anhang zum Jahresabschluss offenlegen. Kleinunternehmen können allerdings von dieser Pflicht freigestellt werden.

Durch die Änderung werden die historischen Kosten als Grundlage der Bewertung gemäß den Rechnungslegungsrichtlinien nicht ersetzt, sondern nur ergänzt, zumal man sich international nicht darüber einig ist, ob eine „fair value“-Rechnungslegung in allen Fällen angemessen ist. So ist man sich auf internationaler Ebene beispielsweise noch nicht im Klaren darüber, ob einer Gesellschaft vorgeschrieben werden sollte, die eigenen Verbindlichkeiten zum „fair value“ zu bewerten, oder ob bei einer solchen Bewertung das eigene Kreditrisiko des Schuldnerunternehmens zu berücksichtigen ist. Aus diesem Grund wird die Bewertung zum „fair value“ nicht für alle Bilanzposten zulässig sein (ausgenommen sind z.B. Grundstücke und Gebäude oder technische Anlagen und Maschinen). Auch bestimmte Finanzinstrumente, wie langfristige Schuldtitel, werden weiterhin zu historischen Kosten bewertet.

Wenngleich die Richtlinie auch für Banken gilt, wurde damit wohlgemerkt doch keine ausschließlich auf dem „fair value“ basierende Rechnungslegung eingeführt, gegen die die Bankenbranche gewisse Bedenken hegt. Die Idee wird derzeit auf internationaler Ebene diskutiert und von der Kommission gesondert bewertet werden.

Dank der engen Zusammenarbeit zwischen Kommission, Parlament und Rat konnte die Richtlinie in einem beschleunigten Verfahren mit nur einer Lesung im Parlament verabschiedet werden. Diese durch den Vertrag von Amsterdam eröffnete Möglichkeit wurde damit erstmals im Binnenmarktbereich genutzt.

Weitere Informationen zur „fair value“-Richtlinie im Internet auf der Europa-Website: http://ec.europa.eu/internal_market (unter Rechnungslegung).

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Quelle: Pressemitteilungen der EU